Folgen der Leugnung der Auferstehung

Aus Bibelwissen
Wechseln zu: Navigation, Suche

Abschrift des Buches: Das Los der Toten
(gänzlich umgearbeitete Neuauflage von Auferstehung des Fleisches)

Verfasser: Pastor Samuel Keller
Verlag der Vaterländischen Verlags- und Kunstanstalt, Berlin 1913

Inhaltsverzeichnis
Kapitel davor:
7. Bezeugung der Auferstehung Christi

8. Folgen der Leugnung der Auferstehung

1Kor 15:12-19

(12) Wenn aber Christus gepredigt wird, dass er von den Toten auferweckt ist, - wie sagen denn einige unter euch, es gebe keine Totenauferstehung? (13) Wenn es keine Totenauferstehung gibt, so ist auch Christus nicht auferweckt worden. (14) Ist aber Christus nicht auferweckt worden, so ist auch unsere Predigt leer, so ist auch euer Glaube leer. (15) Wir würden aber auch ertappt als falsche Zeugen Gottes, weil wir gegen Gott gezeugt hätten, dass er Christum auferweckt habe, den er nicht auferweckt hat, wenn nämlich Tote nicht auferweckt werden. (16) Denn wenn Tote nicht auferweckt werden, ist auch Christus nicht auferweckt worden. (17) Wenn aber Christus nicht auferweckt worden, so ist euer Glaube vergeblich; so seid ihr noch in euren Sünden. (18) Ja, es sind auch die in Christo entschlafen sind, verloren. (19) Wenn wir allein in diesem Leben auf Christum gehofft haben, so sind wir elender als allen Menschen.

Die Toten müssen auferstehen

Dieser Abschnitt musste wirken wie ein Keulenschlag! Ziehen die Gegner nicht selbst die letzten Konsequenzen ihrer Leugnung, so will ihnen Paulus mit dieser kalten Dusche den Rausch der Einbildung, als könnte man die Auferstehung leugnen, und dabei alle Segnungen des wirklichen Christentums behalten, gründlich verscheuchen. Kinder können wohl mal zum Spaß mit dem Gedanken spielen: „Wie wär’s, wenn es keine Sonne gäbe?“ - aber was haben solche Gedanken, die von der Wirklichkeit losgerissen sind, weiter für einen Sinn? Sie können, wie zuletzt die meisten Zweifel es tun, einen nur für die Wirklichkeit selbst verwirren und verblenden. In Korinth war man aber noch im ersten Stadium der Unsicherheit und Verwirrung; darum hatte Paulus, so lange diese Gegner noch mit ihm auf dem gleichen Grund der christlichen Glaubenserfahrung standen, noch die Möglichkeit an sie zu schreiben, und die Aussicht, damit das hereinbrechende Verflachen und Veröden des ganzen Christentums aufzuhalten. Für ganz Fernstehende und Ungläubige hat die Beweisführung des Apostels nämlich ihre eigentliche Kraft und Bedeutung dadurch schon eingebüßt, dass er sich nur auf den Boden der Heilsverkündigung stellt. Seine Sätze lauten ja eigentlich ganz anders, als der moderne Ungläubige sie erwartet: Die Toten müssen auferstehen, weil die Predigt des Christentums, d. h. der tatsächlichen Erscheinung Jesu Christi es sagt. Dann weist er den Zusammenhang der Totenauferstehung mit dem christlichen Gnadenbewusstsein auf. Die Toten müssen auferstehen, weil sonst unsere Versöhnung keine Realität ist (1Kor 15:12-19). Hierauf zeigt er die Notwendigkeit der Totenauferstehung für die Vollendung des universellen Heilsentschlusses. Die Toten müssen auferstehen, weil Gott alles in allem sein will (1Kor 15:20-28). Endlich macht er auch noch darauf aufmerksam, dass die Leugnung der Totenauferstehung die Sittlichkeit beeinträchtige. Die Toten müssen auferstehen, weil unter dieser Voraussetzung die Sittlichkeit Vernunft hat (1Kor 15:29-34)*). Also für jemand, der die Heilskräfte Christi nicht selbst erfahren hat, fällt die eigentliche Beweiskraft des ganzen Abschnitts dahin. -

*) Krauß, Kommentar S. 48-49

Die Meinung jener Korinther mag wohl nur gewesen sein, dass sie nicht an ihre eigene, oder anderer Menschen Auferstehung glaubten; Paulus zeigt, dass sie damit auch Jesu Auferstshung verwerfen. Denn die Auferstehung Christi (1Kor 15:12.13) ist die Ursache unserer Auferstehung. Fällt die Ursache, muss die Wirkung fallen. Leugnen jene Leute die Wirkung, dann ist für sie auch die Ursache gefallen. - Der erste Regenbogen, den Gott bei Noah in den Wolken erscheinen ließ, war ein Wunder; der zweite und jede spätere war kein Wunder mehr, sondern Naturgesetz geworden. Ähnlich ist Jesu Auferstehung ein unerhörtes Gotteswunder, durch dessen Anerkennung in die bis dahin geltende Weltanschauung ein Riss gemacht wurde; unsere eigene Auferstehung ist dann nichts Wunderbares mehr: das ist ein Naturgesetz des Reiches Gottes geworden. Unser neues Leben, welches aus der Glaubensgemeinschaft mit Christo erwächst, ist nichts anderes als Anteilhaben an seinem Leben. Gehört nun zu dem vollen Verklärungsleben, in das er eingegangen ist, auch ein auferweckter Leib, so wird, und muss das bei uns auch so sein. Unsere Herrlichkeit muss von derselben Art sein, wie seine.

Die Art, wie Paulus hier diejenigen, welche Christen sein wollen, vorwärts drängt, geht auch manchem in unserem Kreis auf die Nerven. Wenn man ihm nachgibt, schafft das Verschärfungen, Zusammenstöße, Erschwerungen im Umgang mit anders glaubenden „Mitchristen“. Und das möchte man gern vermeiden. Man war ja vorher ganz zufrieden mit Hinz und Kunz einig: ein Stückchen Seelensegen auf Erden und ein Stückchen Seelenseligkeit im Jenseits! Wenn man ersteren als eine besondere leise Autuosuggestion in der modernen Gesellschaft vorstellt, kann es vielleicht ein freundliches, nachsichtiges, überlegenes Lächeln bei der christuslosen Welt hervorrufen, soweit dieselbe in Gesellschaftsrobe und Frack zum Diner gekommen ist, aber keinen Sturm und keinen Christenhass. Und jenes Stückchen Seelenseligkeit war noch zarter, dufter, poetischer; - man sprach davon kaum anders als in dichterischer Form und so wenig deutlich, dass die Feinde des Kreuzes wieder nur nachsichtig lächelnd die Achsel zuckten.

Leer ist euer Glaube!

Da geht Paulus anders vor! Markig dröhnt sein Schritt und sausend fallen seine Schwerthiebe in all das hohle Geplänkel. Er ist sich dessen bewusst, dass es sich hier nicht um vage Berichte über alte Geschichten handelt, von denen jeder ungefähr so viel halten kann, wie es ihm passt, sondern dass er ein Manifest des Königs verkündigt, der über die Anwesenden Gewalt hat, und das darum vollen Gehorsam oder offenen Aufruhr hervorbringen wird.

Darum fährt er so scharf fort 1Kor 15:14: Mit eurer Leugnung der leiblichen Auferstehung widersetzt ihr euch unserer Predigt, obschon ihr selbst die besten Zeugen für die Wahrheit und Wirklichkeit derselben hättet sein müssen: denn ihr seid ja durch dieselbe erst aus dem blinden, stumpfen Heidentum herausgerissen, und zu Christen gemacht worden. Ihr werft damit euer eigenes Gnaden- und Heilsbewußtsein fort, und macht den ganzen Trost zunichte, den das Kreuz euch gebracht hat. „Ist der Christus nicht auferweckt worden, so ist auch unsere Predigt leer, so ist auch euer Glaube leer. Leer ist, was keinen Inhalt hat! Leer ist eine Predigt, wenn etwas darin verkündigt wird, das gar nicht vorhanden ist. Niederschmetterndes Urteil über Tausende von Predigten!

Es ist, als wollte Paulus sagen: Christus wird in schönen Worten als euer Heiland verkündet, und ihr meint, durch ihn mit Gott versöhnt zu sein. Ihr glaubt, wirkliche Christen zu sein und auf diesen Christus hoffen zu dürfen, und das alles ist Einbildung; denn dieser Christus ist tot und nie auferstanden! Der Bürge, der für euch ins Gericht Gottes ging, ist nie wiedergekommen. Wie kann man denn wissen, ob er etwas für uns ausgerichtet hat, wenn man ihn dort im Kerker behalten hat? Wie könnt ihr eure Kinder taufen lassen auf seinen Namen, - den Namen eines Toten! Wie nennt ihr euch seine Glieder? Den Gliedern fehlt das Haupt! Oder können lebendige Glieder ein totes Haupt haben?

Also ist es ein leeres Gerede, wenn ein Auferstehungsleugner überhaupt noch von einem persönlichen Heiland redet. Er hat keinen solchen, sondern höchstens einen Begriff von etwas, was einst gewesen sein mag, und dieser Begriff ist leer!

„Ist nun Christus als der Sohn Gottes, d. h. als die Offenbarung des Sittengesetzes, in menschlicher Gestalt äußerlich erlegen, ohne dass er auferweckt worden, so ist das Absurde bewiesen, dass die sittliche Ordnung, und die natürliche Weltordnung im Streit miteinander stehen, und die erstere der letzteren gegenüber den Kürzeren zieht. Damit fällt also die Predigt der Apostel von Gott als leer dahin. D. h. sie verkündigen Gott, während Gott nicht vorhanden ist; die Heiligkeit ist nicht allmächtig und die Allmacht ist nicht heilig; also gibt es keinen Gott. - Sollte es aber doch einen wahrhaftigen und wirklichen Gott geben, aber keine Auferstehung, so ist Jesus nicht der Christus, nicht der Sohn Gottes. Denn es ist eine Lästerung Gottes, jemanden für den Sohn Gottes zu erklären und im selben Atemzug zu behaupten, Gott habe diesen Menschen, nachdem ihn dieser durch eine Steigerung von Leiden, Entbehrungen und Anstrengungen bis zum Tode geoffenbart, der Vernichtung anheimgegeben. Steht es fest, dass der heilige Gott allmächtig ist, so kann der, welcher sich für eine Offenbarung Gottes augibt, den Tod dafür leidet, und von Gott nicht auferweckt wird, nur ein Betrüger sein, und die Predigt derer, welche diesen nicht auferweckten Gekreuzigten als Sohn Gottes verkündigen, ist leer; denn sie sagt etwas, was nicht vorhanden ist.“ (Krauß).

Leer ist aber auch euer Glaube. Der christliche Glaube besteht darin, dass der Sünder zur Überzeugung gekommen ist: er sei durch Christum mit Gott versöhnt, und die Sündenmacht als Trennung von Gott sei aufgehoben. Das hatten die Korinther selbst erfahren, wie sie durch die Predigt Pauli (aber nie früher!) das böse Gewissen loswurden, und statt des bohrenden Schuldgefühls sich selig wussten in der Gnade Gottes. Das alles war durch Christi Vermittlung geschehen. Aber, - wenn sie nicht an Jesu Auferstehung glaubten, - dann war alle jene Glaubenserfahrung falsches Träumen gewesen: denn sie gründet sich darauf, dass Gott Jesum am Kreuz verlassen und im Tod vernichtet hat, - also auf der Tatsache, dass der Heilsvermittler zerstört und vernichtet worden ist! Dann hat Gott dem ganzen Werk Christi die Bestätigung versagt. Christus führt alsdann seine Gläubigen nicht zur Vereinigung mit Gott, sondern zum Tode.

1Kor 15:15: Paulus ist selbst ordentlich erschrocken über diese, sich ihm aufdrängende Schlussfolgerung: ertappte Gottfälscher! Leute, die über Gott etwas Falsches aussagen, was er gar nicht getan hat! Ja, wären die Apostel liebenswürdige Gesellschafter gewesen, interessante Philosophen und phantasievolle Dichter, - nun, dann hätte man ihnen eine kleine Übertreibung nicht so arg verdenken können. Aber nun ist es ein Prozess auf Leben und Tod, in dem sie die einzigen Zeugen sind, auf deren Zeugnis hin alle Welt das Urteil fällen soll, ob Gott recht und gut gehandelt hat oder nicht, und da sollen sie falsches Zeugnis abgelegt haben. Das ist zu ungeheuerlich! Paulus kommt auch nicht von fern der Gedanke der Möglichkeit einer Selbsttäuschung, sondern er sieht nur das Entweder - Oder: Christus ist auferstanden und wir sind deshalb wahrhaftige Zeugen, oder er ist nicht auferstanden und dann sind wir Fälscher und Betrüger! Nach allem Vorausgegangenen ist es klar, dass die Apostel aus der festesten Überzeugung heraus, Christus sei auferstanden, also gepredigt haben, und diese Überzeugung ist ihnen durch die wirkliche Auferstehung Jesu - also eine Gottestat - gewirkt worden. Heutzutage gibt es aber Menschen, die möchten eine Sinnestäuschung der Apostel zur Erklärung einschmuggeln. Sieht man aber dann nicht die komische Situation ein, in welche man dann gerät? Die Apostel mussten nach natürlichen (also auch in Gott begründeten) Gesetzen in Sinnestäuschungen geraten, damit Gott seinen Liebeswillen an der Menschheit erreichen könne! „Gott hat also die Menschen nur dadurch zur freudigen Anerkennung der sittlichen Weltordnung bringen können, dass sich in den ersten Christen Sinnestäuschungen erzeugten, durch welche die Christen zum falschen Glauben gekommen sind, es gebe eine Auferstehung der Toten, während es doch keine gibt.... Ist aber Christus auferstanden, und hat doch bei allen seinen Jüngern, ohne Ausnahme, der Glaube an ihn als den Heiland die Halluzination der Auferstehung hervorgebracht, so hat Gott die Apostel in die Lage versetzt, von ihm etwas als getan zu bezeugen, was er nicht getan hat.“ (Krauß). Das ist schlagend genug!

Ihr seid noch in euren Sünden!

1Kor 15:16 wiederholt den Hauptsatz, um weitere Folgerungen daraus zu ziehen. 1Kor 15:17 geht noch einen Schritt weiter, als die Aussage von 1Kor 15:14 - von dem leeren Glauben. Eure ganze Versöhnung fällt hin: „Ihr seid noch in euren Sünden.“ Den Korinthern war es mit ihrem Sündenbewusstsein ähnlich ergangen, wie allen denen unter uns, die eine tiefere Erweckung und Bekehrung durchgemacht haben. Mit dem Eintritt der Gnade hörte die natürliche Narkose auf: es wurden die Sünden, sowohl die letzten Tatsünden, wie die ganz latente Sündhaftigkeit, unendlich viel schärfer beleuchtet als je zuvor (Dogm. Formel der Erleuchtung!) und werden seither ganz anders empfunden als früher. Erträglich ist dieses grelle Licht nur, weil die Vergebung dabei steht! Niemand hat ein so feines Empfinden für die leiseste Trübung, als wer im vollen Gnadenbesitz steht. Das hellste Sonnenlicht zeigt die feinsten Staubteilchen. Und nun sollen diese Gewissen durch die Apostelpredigt nur dazu bis zur Siedehitze des religiösen Verantwortungsgefühls gefördert worden sein, um - wenn Christus nicht auferstanden ist, - in den Abgrund der Verzweiflung geschleudert zu werden, der sich jetzt für sie auftut: „Ihr seid noch in euren Sünden.“

Unüberboten kann das durch 1Kor 15:18 nicht mehr werden; es wird nur die Konsequenz für diejenigen gezogen, die, als Blutzeugen Christi gestorben, bisher für selig Entschlafene galten. Ja, sie mögen in Christo gestorben sein, aber da Christus nicht auferstanden ist, sind sie mitsamt ihrem Christus untergegangen. Ein Heiland, der den Lebenden nichts nützen kann, wird auch ein schlechter Heiland für die, um seinetwillen und in seinem Namen Entschlafenen sein. Der Satz musste wirken wie ein Schlag ins Gesicht! Entschlafen - so nannte man ja erst seit seiner Bekehrung die, welche jetzt im Frieden Christi ihr Haupt auf den Block legten! Und die sind alle verloren! - Der Apostel versteht das Menschenherz zu treffen!

1Kor 15:19 ist aber eigentlich die Spitze und Höhe der ganzen Schlussfolgerung, weil hier jedem Leser die persönlichsten Noten mitklingen müssten.

Man kann diesen Vers ganz im Sinn des Paulus auslegen, und dabei einen tiefen wertvollen Ertrag einheimsen, so dass ich nicht zu übertreiben hoffe, wenn ich sage, dass er für mein praktisches Christentum einer der gesegnetsten Aussprüche der Schrift geworden ist. Aber es gibt auch noch eine ganz andere Auffassung, bei der wir uns mit modernen Gegnern des Apostels auseinandersetzen müssen.

Zuerst die nächstliegende Deutung. Was wir nur in diesem Leben von einem Christus zu hoffen haben, der keine Ewigkeit verbürgt oder zu vergeben hat, weil er selbst nicht auferstanden wäre, ist nur ein dürftiges Fragment, ein Torso, ein Stückchen Stimmungstrost in schweren Augenblicken. Und was mussten damals die Christen alles aufgeben, um solchen Erdentrost von solchem Christus zu erhalten! Die schönen Künste Griechenlands, den Anteil an der gesicherten Kulturhöhe des römischen Kaisertums, die sittlich-religiösen Stützen der alten Offenbarungsreligion Israels, die irdischen Glücksgüter in Korinth, wo man schnell reich werden, und zu viel Lebensgenuss kommen konnte, Familienglück und Bürgerehre, - alles fortwerfen, um zu den verachteten und verfolgten Christen zu gehören? Nein, der Preis wäre zu teuer, wenn man nur in diesem Leben etwas Gefühlstrost von diesem Christus empfangen hätte. Man wäre elender als alle anderen Menschen! Und nun hatten jene Leute, an die der Brief gerichtet ist, den Riesenpreis bei Heller und Pfennig erlegt und sollten nachher, - wenn Christus nicht auferstanden wäre und darum keine Ewigkeit zu verschenken hätte, sich mit solche dürftiger Bezahlung zufrieden geben! Ein schlechter Handel!

Die andere Deutung wird uns durch d. Fr. Strauß und manche modernen Nachfolger dieses größten Christushassers zugeschoben, die den Apostel heftig über diesen Ausspruch tadeln. Sagt doch Strauß direkt, das sei „Gemeinheit der Gesinnung“ und der Chor der Neueren echot: Paulus habe sich eben von der unwürdigen jüdischen Lohnsucht nicht ganz frei machen können und rechnet deshalb mit einer Entschädigung im Jenseits! Aber, wenn man nichts als dieses stümperhafte Erdenstückwerk kennt, denn war es doch eigentlich entsetzlich, dass das Christentum uns aus unserer früheren „seligen“ Blindheit herausriss und uns ganz andere hochgespannte Ideale von sittlicher Vollkommenheit und vollkommener Harmonie zwischen Sein und Ergehen in die Seele warf! Das sind dann quälende Vorstellungen, Gespenster, die uns wie mit einer Hetzpeitsche vorwärts treiben, um doch, - wenn der Tod die Vernichtung bringt - hier nie erfüllt zu werden. Das wäre ein Fieber, das Durst erzeugt, aber nie eine Stillung erlebt! Dann hätte Jesus nicht sagen dürfen: „Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, wenn er mit den Modernen hätte fortfahren müssen: „Denn ihr werdet nie, weder hier noch dort, - satt werden!“ Hoffen wir nur auf einen Christus, der uns Ansprüche stellt, die über unsere Kraft sind, der Erwartungen wachruft, die nie erfüllt werden, der uns Binde von den Augen nimmt, die uns unsere Schande gütig verbarg, - dann müssten wir mit Kassandra rufen: „Meine Blindheit gibt mir wieder!“ Nein, dann wäre Christus uns zum Fluch und zum Verderben geworden, und nicht zum Segen, und wenn wir solcher Geisteswirkung zulieb auf alle die Tröstungen verzichtet hätten, die kleine, sinnlich orientierte Geister vom bunten Reiz des Daseins naschen durften, - dann wären wir Narren! Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christum, - dann lohnt es sich überhaupt nicht! Auf der Erde Glück sollen wir verzichten, entsagen allem, was das Leben bunt und lieb gestaltet, und uns anstrengen in reiner Pflichterfüllung, so heilig zu leben wie ein Engel, damit der Schluss sei, dass wir sterben müssen ohne Trost und Erfüllung unserer Sehnsucht wie ein Tier? Nein! Christus ist auferstanden und will uns teilnehmen lassen an seiner Herrlichkeit! „Um einen ew’gen Kranz - dies arme Leben ganz!"

Lies weiter:
9. Das Ziel der Todesüberwindung