Erniedrigung und Erhöhung des Knechtes Gottes - Jes 52:13-15

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aus HSA: Verkündiger von Gericht und Heil nach Jesaja (40-66) Bd.2


Erniedrigung und Erhöhung des Knechtes Gottes - Jes 52:13-15

Diese Verse bilden gleichsm die Einleitung zur Thematik von Jes 53. Über dieses Kapitel schrieb Delitzsch: "Es ist wie unter dem Kreuz von Golgatha geschrieben... Es ist die Enträtselung von Ps 22 und Ps 110, aber zugleich die Vervollständigung des auch in diesen typisch-prophetischen Psalmen Davids immer noch unvollständigen Bildes... Was dieser Abschnitt Jes 52:13 bis Jes 53:12) von dem Knecht Gottes als Versöhner durch sein Selbstopfer sagt, ist einzigartig und sonst beispiellos im AT. Laut Jes 43:3 gibt Gott Heidenvölker als Lösegeld für Israel dahin, hier aber gibt Einer sich selbst dahin und wird dahingegeben, um Israel und die Heiden von der sünde und ihren Folgen zu erlösen, wie dieser Abschnitt die äußere Mitte des wundersamen Trostbuchs Jes 40-66 bildet" (13 Kapitel stehen vor Jes 53 und 13 folgen danach), "so ist das Zentralste und Tiefste und Höchste, was die alttestamentliche Prophetie, sich selber überflügelnd, geleistet hat."

Vom Knecht Jahwes war bereits in Jes 42:1-9 - Jes 44:1-3 - Jes 44:21-23 - Jes 49:3-6 - Jes 50:4-9 u.a. Stellen die Rede. Wer ist der Knecht Jahwes? Es kann ganz Israel damit gemeint sein, der gehorsame Teil Israels im Unterschied zum abgefallenen, verstockten, oder aber der Eine, der in vollkommener Weise - seinem Wesen und seinem Beruf nach - der Gottesknecht ist: Jesus Christus. (Wir erinnern uns an das Bild von der Pyramide, Jes 42:1-9). In unserem Text wie auch in Jes 53 kann nur Jesus Christus gemeint sein; dies wird bei der Betrachtung von Jes 53 vollends deutlich werden. (Dass Jesus der Gottesknecht ist, geht u.a. aus Mt 12:17-21 hervor).

Nun betrachten wir die Verse Jes 52:13-14 im Einzelnen. Es fällt auf, dass unser Text zu allererst von der Erhöung Jesu spricht (Jes 52:13), danach erst von der Leidenstiefe (Jes 52:14), um dann wieder die HÖhe und Herrlichkeit zu betonen (Jes 52:15). Jes 52:13 bezeugt vom Gottesknecht, er werde Einsicht haben, verständisvoll sein, klug handeln, Erfolg und Gelingen haben (so die verschiedenen Möglichkeiten der Übersetzung). "Einsichtiges Handeln ist in der Regel auch wirksames (Handeln)" (Delitzsch). Somit bezeugt Jes 52:13 Erfolg, Gelingen, Sieg! Dem Geiste Gottes lag wohl daran, gleich am Anfang des Abschnitts Jes 52:13 bis Jes 53:12 deutlich zu machen, dass es hier - trotz aller Leidenstiefen, die so einzigartig dargestellt werden - um eine erfolgreiche und sieghafte Sache geht, was auch die Verse Jes 53:10.11 zeigen.

Dreimal sprich Jes 52:13 von der Erhöhung des Gottesknechts: Er wird emporkommen und sich erheben und sehr erhaben sein. Wozu dieses dreifache Zeugnis? Delitzsch sieht darin "Anfang, Fortgang und Gipfel der Erhöhung"; zu Recht habe der Ausleger Stier dabei an Christi Auferstehung, Himmelfahrt und das Sitzen zur Rechten Gottes gedacht (man vergleiche Ps 110:1 - Apg 2:36 - Kol 2:14.15 - Hebr 4:14 - Hebr 7:26 - Hebr 9:24).

Die Verse Jes 52:14.15 setzen die Leidenstiefe und die Hererlichkeitshöhe Jesu in Parallele. So entsetzlich das Eine, so staunenswert das andere! Es ist aber doch erschütternd und zunächst befremdend, wie der Herr Jesus in Jes 52:14 beschrieben wird (ähnlich Jes 53:2.3): Man entsetzte sich über ihn - er sah entstellt aus, nicht mehr menschlich (usw.) Betont aber nicht Phil 2:7, Jesus sei "den Menschen gleich geworden und der Gestalt nach wie ein Mensch erfunden"? Schaute man nicht in der Niedrigkeit Jesu seine Herrlichkeit (Joh 1:14)? Ist er nicht gar (wenn man Ps 45:3 auf ihn bezieht) "Der Schönste unter den Menschenkindern"?

Delitzsch bemerkt in einer Fußnote zu Jes 52:14: "Die Kirche vor Konstantin dachte sich den Herrn, wie er auf Erde gewandelt, unansehnlich, die Kirche seit Konstantin dagegen idealisch schön; jenes war richtiger: Unansehnlich, obwohl nicht missgestaltet - war er in den Tagen seine Fleisches; seine Äußerlichkeit - war die eine Dulders; denn von Mutterleibe an war der Todesschmerz des Gotteslammes seine Mitgift."

Das mag insofern richtig sein, als Jeus gesamte Erdenzeit eine Leidenszeit für ihn war, verglichen mit der Herrlichkeit aus der er kam: der Sündlose (2Kor 5:21) stieg herab in eine Atmosphäre der Sünde und Gottesferne. - Hören wir bezüglich des Aussehens Jesu noch eine andere Stimme:

In seinem Buch "Jesus - Gestalt und Geschichte" (Bern 1957) macht sich der Theologe Ethelbert Stauffer auch Gedanken über "die äußere Erscheinung Jesu". Er meint, Jesus habe sich äußerlich nicht wesentlich von anderen Palästinajuden seiner Zeit unterschieden. Über Abweichungen von den Normen eines rechten Juden, eines Lehrers zumal, hätten seine jüdischen Gegner bestimmt nicht geschwiegen, sondern ihren Hohn darüber ausgegossen. "Die Hautfarbe des antiken Palästinajuden war hellbraun, die Augenfarbe meist braun. Über Jesu Augenfarbe erfahren wir in den Evangelien nichts. Wohl aber hören wir, dass man ihn anscheinend für einen Vierziger halten konnte (Joh 8:57). Soll man daraus schließen, dass Jesus ein nicht sehr jugendliches, damals vielleicht schon ein recht verarbeitetes und gramgezeichnetes Gesicht hatte?"

Wir liegen wohl nicht falsch mit der Annahme, dass Jes 52:14 die Passion Jesu meint. Geschlagen, angespien und zuletzt gekreuzigt - das war entsetzlich anzuschauen, "entstellt und nicht mehr menschlich". - Ganz anders der Auferstandene und Verherrlichte! Mn denke an die Reaktionen eines Thomas (Joh 20:28) oder Johannes (Offb 1:16.17)! "Den König in seiner Schönheit werden deine Augen schauen", bezeugt Jes 33:17 vom Messias in seinem Reich. Und noch viel größer - mit Worten nicht zu beschreiben - ist Christus in seiner himmlischen Herrlichkeit. Da wird man vor Staunen aufspringen (oder: beben), aber kein Wort mehr herausbringen. Man ist "gleichsam elektrisiert" (Delitzsch) und "sprachunfähig" (Schneider) - so versuchen Kommentatoren das zu beschreiben, was für uns heute unvorstellbar und im Grunde unbeschreiblich ist.