Die Vollendung des Gottesreichs

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Abschrift des Buches: Rom - Babel - Jerusalem
Der Weg der Menschheit im Licht der Schrift bis zur Vollendung des Gottesreiches

Verfasser:G. Thaidigsmann(Pfarrer in Waldbach) (1928)
Verlag: Gebrüder Schneider, Karlsruhe i. B.

Inhaltsverzeichnis
Kapitel davor:
Das Reich Gottes auf Erden

5. Teil

Die Vollendung des Gottesreichs

Die Schrift redet nicht bloß vom irdischen Jerusalem, sondern auch vom neuen (Offb 21:2). Dieses gehört der neuen Schöpfung an. Es ist das obere Jerusalem, das bis jetzt noch zur himmlischen Welt gehört, das aber, um einen von irdischen Verhältnissen genommenen Ausdruck zu brauchen, auf die neue Erde übersiedelt (Offb 21:2.10), wenn alles neu gemacht wird. Das ist ein großartiges Wort, durch das dienErde und die Menschheit hoch geehrt wird. Noch ist die obere Welt die Stätte der Herrlichkeit und der Überwinder. Aber wenn die Erde im Feuer des letzten Gerichts (2Petr 3:10) umgeschmolzen wird, so dass sie neu ist, dann soll die neue Erde die Stätte der Herrlichkeit Gottes werden. Um einen fast zu menschlichen Ausdruck zu brauchen: Gott wird seinen Standort vom Himmel auf die Erde verlegen. Als Gottes Sohn sterbend am Kreuz die Sünde versöhnt hatte, ist er zwar der Erde noch einmal auf einige Zeit ferner getreten; aber der HEILIGE GEIST, der der Geist Gottes ist und Christi, hielt auf der Erde seinen Einzug und ist nicht mehr gewichen. Und wenn der Heilige Geist die Gemeinde Jesu gesammelt, und einen Rest Israels zum Dienst geheiligt hat, dann wird, zu der für ihn bestimmten Zeit, auch JESUS der Erde wieder nahe treten, indem er wiederkommt und dann anwesend ist in seiner verklärten Gestalt. Aber das Ziel ist, dass auch GOTT selbst "komme". Denn Gott ist der, welcher war, und ist und kommt (Offb 1:8). So hoch will Gott die Erde ehren, nachdem er sie bereits über alles geehrt hat, durch die Sendung seines lieben Sohnes. Und alle Gedanken, die nicht fassen können, wie Gott die Erde, die doch nur ein Stäublein ist im ganzen Gebiet der Schöpfung, so hoch heben soll, mögen zur Ruhe kommen angesichts des Wohlgefallens Gottes, der das Niedrige aus dem Staub zu heben liebt.

Das letzte große Christuswerk

Auf der neuen Erde kommt die endgültige Gestalt des Reiches Gottes zustande, welche die völlige, durch nichts gestörte, selig machende Herrschaft des heiligen Gottes zum Ziel hat. Dieses Ziel ist dann erreicht, wenn Christus sein Amt in die Hände des Vaters zurücklegen kann, nachdem er es völlig ausgerichtet hat. Solange übt er es aus. Auch auf der neuen Erde wird es noch Stufen seiner Herrschaft geben, wie es in 1Kor 15:24-28 ausgesprochen wird. Die letzte Aufgabe ist die Ausscheidung des Todes. Das ist eine Aussage von umfassenden Inhalt. Seine Besprechung möge die Grundlage für die Erörterung der letzten Fragen sein, zu denen unser Geist, anhand der Schrift vordringen kann. Diejenigen werden recht haben, welche in dem genannten Schriftwort die Aussage finden, dass der Widerstand gegen Gott, auch in seiner gerichteten Gestalt, nicht in Ewigkeit weitergehen werde, sondern einmal zum Aufhören gebracht werde.

Das Wort von der neuen Erde wäre wunderschön, wenn jeder Missklang fehlen würde. Aber beim Beginn der neuen Welt sind noch Misstöne vorhanden (s. Offb 21:8 das große "aber"). Sie rühren daher, dass die alte Welt abschließt mit der letzten großen Empörung Satans, den auch seine Bindung während des 1000-jährigen Reichs nicht zum Aufgeben seines Widerstands gegen Gott bewegen kann (Offb 20:7). Ihm gelingt wieder, am Ende des Reichs Gottes auf Erden, die Verführung eines großen Teils der Menschheit. Die Missklänge rühren her vom Urteilsspruch beim Jüngsten Gericht, bei welchem es auch Verurteilte gibt, die vom Reich ausgeschlossen werden. Sie rühren davon her, dass von der alten Erde her die Hölle übrig bleibt, in welche die Verurteilten verwiesen werden. Unter Hölle ist hier nicht der Hades verstanden, die Totenwelt, von der früher die Rede war, sondern die Hölle im eigentlichen Sinn. Der Hades ist in der neuen Schöpfung nicht mehr vorhanden. Es mag sein, dass die Geretteten nicht unter dem Zwiespalt leiden müssen; aber für uns, die wir dem Schriftwort nachsinnen, ist dieser Zwiespalt vorhanden; und wir sollen ihn sehen, uns selber zur Warnung. Dort in der Hölle ist auch in der neu gewordenen Welt das Leiden, die Unseligkeit. Dort herrscht noch der Widerspruch gegen Gott. Dort regiert noch der Tod, und zwar nicht nur bei der unseligen Geisterwelt, sondern auch bei dem, im Gericht verurteilten, Teil der Menschheit, der von Christi Angesicht weg verwiesen ist. Die große Frage ist nun die, ob dieser Zwiespalt in der neuen Welt immer fortgehen werde, oder ob er zu den Dingen gehöre, die durch Christi Herrscheramt überwunden werden. Es heißt ja in 1Kor 15, dass die Herrschaft Gottes, sein Reich erst dann zum Ziel gelangt sei, wenn auch der Tod, als letzter Feind aufgehoben sei. Wird der Widerstand gegen Gott in der neuen Welt überwunden werden?

Es gibt zweierlei Widerstand gegen Gott: solchen, der sich noch austoben darf und kann; und solchen der gerichtet ist. Zwar steht auch der tätige Widerstand gegen Gott bereits unter dem Gericht Gottes. Gott kann über das Toben der Völkerwelt, und über die Aufbietung aller menschlichen Machtmittel gegen ihn, lachen (Ps 2:1-4). Sie stören seinen Plan und hindern ihn; aber sie verhindern ihn nicht. Auch der Fürst dieser Welt ist seit Golgatha gerichtet. Doch ist den menschlichen und satanischen Widerstandskräften vorderhand, trotz des Urteilsspruchs über sie, noch Spielraum gelassen. Es kommt die Zeit, da das Gericht über sie vollzogen wird (Ps 2:5). Da wird der Widerstand zur Ohnmacht. Er kann sich nicht mehr austoben. Der Widerstand des Willens geht weiter, nur kann er sich nicht mehr gegen Gott betätigen. Ohnmächtiger Willenswiderstand, zumal wenn er unter dem Gericht steht, muss etwas Furchtbares sein. Das ist ein Sterbenmüssen ohne sterben zu wollen; ein innerliches sich Verzehren ohne die Möglichkeit, den Grimm nach außen ableiten zu können.

So gibt es innerhalb der neuen Schöpfung noch ein Gebiet, die Hölle, das zwar der Herrschaft Gottes unterworfen, aber ihr nicht untergeben ist. In diesem Gebiet herrscht zwar der Todeszustand; aber der Tod selber ist damit nicht überwunden. Und doch soll der Tod aufgehoben werden. Würde der ohnmächtige Widerstand gegen Gott in Ewigkeit weitergehen, so wäre das Ziel nicht erreicht, dass Gott alles sei in allen, und in allem. Eine Aufhebung, eine Vernichtung des Todes in dieser Welt des gerichteten Widerstandes ist nur auf zwei Weisen denkbar: entweder so, dass unter dem furchtbaren Eindruck des andauernden Gerichts, die Fruchtlosigkeit des inneren Widerstands erkannt und aufgegeben wird, und dann auch auf diesem Todesgebiet das Leben wiederkehrt, in schamroter Beugung unter Gottes Heiligkeit; oder so, dass der Todeszustand sich auswirkt zu völliger Ertötung, sei's dass diese unseligen Höllen- und Menschengeister in dem Abschluss vom Leben Gottes, sich schließlich selber verzehren, sei's dass ihnen das längst verwirkte Leben entzogen wird. Wenn dieses Todesgebiet in der neuen Schöpfung den einen oder andern Ausgang findet, dann ist der Tod auch vernichtet, und der Widerstreit gegen Gott hat ganz aufgehört. Christi Aufgabe ist dann vollendet. Das ganze All ist zum Herrschaftsgebiet Gottes geworden. Er hat es in Gottes Auftrag, und im Gehorsam gegen ihn und in seiner Kraft dazu gemacht. Nun kann er selbst zurücktreten. Das Wort am Kreuz: „Das Werk ist getan" wird sich noch einmal wiederholen auf höherer Stufe, mit Freuden, ohne Leiden. Und unter dem Vater, im Kreis der vielen nachgeborenen Brüder, findet der Sohn sein volles Genüge.

Die Aufhebung des Todes

Inneres Absterben Absterben oder Vernichtung wäre ein schwerer Ausgang des Wiederstrebens gegen Gott. Späte Umkehr aus dem Feuer, mit Schande des überlangen Widerstrebens ist auch schwer. Trotzdem wäre das letztere ein befriedigender Ausklang des Ringens Gottes mit dem Bösen. Wenn dieses Ringen nach dem Aufhören des letzten verzweifelten Widerstands, noch in Begnadigung der bis dahin Widerstrebenden ausginge, dann würde die letztere vielleicht auch die unselige Geisterwelt mit umfassen, nicht bloß die im letzten Gericht verurteilte Menschenwelt. Wäre dies der Ausgang, so würde es dem innersten Empfinden der meisten wohltun, die solche Fragen schon innerlich bewegt haben. Nur haben wir an Gott gar nicht die Erwartung zu stellen, dass er es so machen MÜSSE. Denn wir ermessen auch bei uns selbst die Furchtbarkeit des Widerstrebens, und des Widerstandes gegen Gott viel zu wenig, und bedenken viel zu wenig, wieviel Geduld und Erbarmen sich unserm eigenen Leben schon zugewandt hat, dass es überhaupt noch Empfänglichkeit für Gott aufweist, und unter dem Ernst der Heiligkeit Gottes noch nicht unterging. Vollends für den Satan und die ganze höllische Geisterwelt zu sorgen, dass sie noch gerettet werde, dazu haben wir keinen Grund und Auftrag. Die höllische Welt würde über solche Fürsorge lachen, und uns mitsamt der Fürsorge für sie, in ihren Widerstand gegen Gott und ihr Verderben hineinzuziehen suchen. Es wird gut sein, sich vor solchen weichen, und doch ungöttlichen Gemütswallungen in acht zu nehmen. Was in unserer Zeit, und noch mehr in der kommenden Zeit nötig ist, ist nicht Mitleid mit dem Feind Gottes und dem Menschen, als widerführe ihm etwas Sonderliches, wenn er dem Gericht Gottes anheim fällt, sondern Loslösung, Losschälung von diesem Feind, mag's kosten was es will, auch wenn viel Lust und Freude dahinten bleiben muss; Deckung gegen seinen Zugriff, nicht durch untaugliche Mittel, sondern durch das allein wirksame, dass wir uns Gott und Christo nahen, so wie Christus, und in ihm Gott sich uns genaht haben und nahen; Stehenbleiben und Widerstehen in der Kraft Gottes und mit den dem Glauben dargereichten Schutz- und Widerstandswaffen; rasche Umkehr, wenn gesündigt worden ist.

Was Christus mit seinen Feinden machen will, das weiß er selber; wir brauchen ihm da nicht zu raten. Will er seine Kreuzesgnade so weit erstrecken, dass er auch über solchen aufs Äußerste gediehenen, und dann erst unter seiner Fruchtlosigkeit zusammengebrochenen Widerstand, sich noch erbarmen will, und dass er Gott noch eine ganz späte Frucht seines Kreuzes darbringt, dann ist er zu preisen um der gleichen Gnade willen, die er uns erwiesen hat. Denn schuldhaft war unser Widerstand auch. Und wenn er kürzer dauerte und sich nicht bis zum höchsten Grad versteifte, so war auch das eine Folge seines Erbarmens, und ist kein Grund zum Selbstruhm. Und wenn er den Widerstand, der bis zum letzten Gericht sich nicht beugte - auch nicht in der Totenwelt, beim Satan auch nicht während seiner Verurteilung zur Ohnmacht - während der Dauer des 1000-jährigen Reichs - endlich sich selbst verzehren ließe bis zur Selbstvernichtung, oder wenn er schließlich das Todesurteil vollziehen würde, dann müssten die Geretteten noch hintendrein erschrecken über die Gefahr, der sie entgangen sind dank der Gnade, und müssten die ihnen widerfahrene Barmherzigkeit preisen.

Aber ist der Ausgang des gerichteten Widerstands gegen Gott nicht noch viel ernster? Bei den beiden bisher erwogenen Möglichkeiten hört er schließlich auf, weil er aufgegeben wird, und weil der Widerstrebende dem endgültigen Tod überliefert wird. Sagt aber die Schrift nichts von einer Fortdauer des Gerichts über die Gerichteten ohne Ende, und von ihrer immer währenden Qual? Die Frage ist ernst, nicht nur weil die Annahme eines immer währenden Reiches der Qual neben dem Reich der Herrlichkeit das Gemüt bedrückt, sondern namentlich auch, weil die Stellung zur Schrift von dieser Frage so sehr berührt wird. Das Verlangen, der Schrift die Treue zu halten und das Bedürfnis des Gemüts, können in einen schweren Widerstreit miteinander geraten.

Es ist aber eine große Frage, ob die Schrift richtig verstanden ist, wenn man in ihr die Endlosigkeit der Höllenstrafen ausgesprochen findet. Eine eingehende Erörterung der scheinbar in diese Richtung weisenden biblischen Aussagen findet sich in der schon genannten Schrift des Evangelisten Samuel Keller über das Los der Toten, von einem Mann, dem es ein großes Anliegen ist, die Schrift als Schrift zu ehren. Was es für den der Ursprachen der Bibel, des Hebräischen und Griechischen, nicht mächtigen Bibelleser schwer macht, in diesen Stücken klar zu sehen, sind einige sprachliche Mängel der Lutherbibel, die in guten neueren Übersetzungen, z. B. in der von Menge, in der Hauptsache ausgemerzt sind. Es ist hauptsächlich die dem eigentlichen Sinn nicht immer entsprechende Wiedergabe der griechischen Worte "Hades" und "Äon". Das erstere gibt Luther mit "Hölle" wieder; das letztere bald mit "Welt", bald mit "Ewigkeit". Die Bibel redet sehr ernst von der Hölle; aber der Hades ist nicht das gleiche, sondern wäre besser mit "Totenwelt" zu übersetzen. Und "Äon" bedeutet nur dann Ewigkeit, wenn es von Gott ausgesagt wird; sonst bedeutet es eine längere Zeit, die über das Menschenmaß hinausgeht, die aber dem, was wir "Ewigkeit" nennen, nicht gleichkommt. Das wird schon klar an der einfachen Wahrnehmung, dass das Wort "Äon" oft in der Mehrzahl gebraucht wird. Hätte das Wort "Äon" wirklich nur EINE Bedeutung "Ewigkeit", dann fänden sich in der Schrift auch Ausdrücke wie "vor den Ewigkeiten", "bis in die Ewigkeiten der Ewigkeiten".

Die Äonen

Die Wichtigkeit des Gegenstandes wird es rechtfertigen, wenn noch ein wenig dabei verweilt wird, unter Beziehung einiger Schriftstellen: 1Kor 2:7: "Vor den Äonen hat Gott seine geheimnisvollen, verborgenen Weisheitsabsichten, die unsere Verherrlichung im Sinn haben, in Voraus festgelegt." Würde das Wort „Äon" nur Ewigkeit bedeuten, dann würde der Satz unverständlich; denn dann würde er ja heißen "vor den Ewigkeiten" hat Gott unsere Verherrlichung im Sinn gehabt. Luther hat übersetzt: "vor der Welt", d.h. vor Erschaffung der Welt; den Sinn hat er damit gut getroffen; aber eine wörtliche Übersetzung ist es nicht. Menge hat übersetzt: "vor aller Zeit". Was ist der Sinn des obigen Ausdrucks? Da wird unterschieden zwischen der Ewigkeit Gottes, und zwischen den Zeiten der geschaffenen Welt. Die Ewigkeit Gottes vor aller Zeit, können wir zeitlich gewordenen Geschöpfe mit unserem Geist nicht mehr durchdenken, aber das können wir fassen, dass es bereits vor dem gegenwärtigen Zeitlauf, Zeiträume von großem Umfang gegeben hat. Jedoch bereits vor diesen Zeiträumen, als nur der Sohn da war, noch ehe es Geschöpfe gab, noch ehe es Engel gab, als noch kein Himmel und noch keine Erde da war, schon damals hat Gott seinen Heilsratschluss festgelegt. Der Gedanke liegt nahe, dass man, wie es eine Zeit VOR diesen Äonen gab, so auch von einer Zeit NACH den Äonen reden könne: wenn der gegenwärtige Zeitlauf zuende ist, wenn die neue Schöpfung vorhanden ist, dann dehnen sich die Äonen noch bis in die fernsten Zeiten; und erst, was dahinter kommt, ist die Ewigkeit im strengen Sinn des Wortes. - Öfter ist in der Schrift die Rede von "diesem Äon" und vom "kommenden Äon".

Luther sagt dafür nicht ganz dem Sinn entsprechend: "diese Welt" und "jene Welt". Die richtige Übersetzung wäre "der gegenwärtige Zeitlauf" und "der kommende". "Der jetzige Zeitlauf" umfasst die Zeit bis zum Kommen des Gottesreichs; "der kommende Zeitlauf" ist die Zeit vom Offenbarwerden Christi an. - Besonders wichtig ist der Ausdruck "in die Äonen der Äonen", den Luther so wiedergibt: "von Ewigkeit zu Ewigkeit". Hinter diesem Ausdruck der Lutherbibel vermutet man die Bedeutung: "auf immer", "ohne Aufhören". Nun soll nicht bestritten werden, dass man diesen Sinn dahinter finden kann, und dass an manchen Stellen der Sinn zugrunde zu liegen scheint: "in alle Ewigkeit“. Aber nicht notwendig muss der Ausdruck so aufgefasst werden. Der nächste Sinn ist der: zwischen dem gegenwärtigen Zeitlauf, und zwischen der Ewigkeit im strengen Sin des Wortes, gibt es noch große Zeiträume, die selber wieder kleinere Zeiträume einschließen. Eine wörtliche Übersetzung könnte lauten: "bis zu den Zeitabschnitten der noch kommenden Zeiträume"; eine freiere Übersetzung: bis in ganz ferne Zeiten". Also die Ewigkeit in strengem Sinn des Wortes muss in dem Ausdruck "bis in die Äonen der Äonen", den Luther "von Ewigkeit zu Ewigkeit" wiedergibt, gar nicht enthalten sein.

An diesen Darlegungen könnte die Angst entstehen, ob in der Schrift von Ewigkeit überhaupt gesprochen werde. Freilich. Wenn von Gott die Rede ist, bedeutet das Wort „Äon" die Ewigkeit in vollem Sinn. Gott ist der Ewige, und seine Jahre nehmen kein Ende. Ebenso wird die Ewigkeit im Vollsinn allen denen zuteil, die Christi Jünger und Gottes Kinder werden. Denn denen gehört alles, was der Vater und der Sohn hat. Die Lage wird aber anders, wenn es sich um Wesen, und um Zustände handelt, die fern von Gott sind und sein müssen. In solchen Fällen ist Ewigkeit etwas Entsetzliches; und in diesen Fällen ist durch den Gebrauch des Wortes „Äonen", die Ewigkeit nicht gefordert, sondern da bedeutet der Ausdruck "Zeiten von längerer Dauer", wie es solche namentlich in der neuen Welt geben wird.

Eine schlichte, aber gerade in ihrer Schlichtheit eindrucksvolle Benennung Gottes, möge noch genannt sein. In dem Lobpreis Gottes, zu dem sich Paulus beim Rückblick auf die Zeiten seines Lebens gedrängt fühlte (1Tim 1:17), wird Gott der König der Äonen genannt, dem Ehre und Preis gebühre in die Äonen der Äonen. Luthers Übersetzung: "der ewige König" wird der Lebensfülle nicht genügend gerecht, die in der Benennung "König der Zeiten" enthalten ist. Sie ist eine Auslegung des Namens Jehova, die ihn in seiner, allen Wechsel der Zeiten überdauernden, und überragenden Herrlichkeit und Treue preist. Es gibt einen König, der nie stirbt, dessen Thron ohne Wanken steht durch alles Geschehen hindurch. Und noch mehr: dieser König schuf und schafft die Zeiten, und durchwaltet sie mit seinem heiligen und heilschaffenden Regiment. Und wie er die großen Zeiten in seiner Hand hält, so auch die kleinen Zeiten des einzelnen Menschenlebens, das von ihm stammt, und sich an ihn kettet. Weil der Sohn auch der Mittler der Schöpfer ist und der Wirker der Werke Gottes, bis zu ihrer Vollendung, deshalb passt die Benennung für den Herrn Jesus Christus geradeso wie für den Vater. H. Reich hat im Anschluss an das Schiffsbrüchigenlied von Rud. Kögel der Gemeinde Jesu den folgenden Lobpreis in den Mund gelegt.

Wir sind dein Volk im Strom der Zeiten, du aller Zeiten Meister;
Wir sind dein Volk in Ewigkeit, du König aller Geister!
Und du bist unser O und A, du Anfang und du Ende.
Hoch ragt das Kreuz von Golgatha ob aller Zeiten Wende!

Der Anlass für die Ausführungen über den biblischen Ausdruck "Äon" war die Frage, ob die Bibel wirklich die Ewigkeit der Höllenstrafen lehrt. Dass sie von Gott die Ewigkeit aussagt im vollen Sinn des Wortes, und ebenso vom Reich Gottes, und von den Gliedern des Reiches Gottes, das ist gewiss. Wer des ewigen Lebens im Reich Gottes teilhaftig geworden ist, ist allem Vergehen und Verderben entnommen; der ist vor Gottes Angesicht, nicht nur so lange die Äonen sich dehnen, sondern auch, wenn sie als Zeitstufen zu Ende gegangen sind, und alle Zeit eingegangen ist in die Ewigkeit; wenn einmal alles Wirken Gottes von seiner Ruhe abgelöst ist. Gewiss wird auch die Ruhe Gottes und seines Reiches bewegte Lebendigkeit sein; aber das Ziel ist dann erreicht; die "Geschichte" ist abgeschlossen. Es wird wieder sein, wie es war vor aller Zeit, vor dem großen Schaffen und Wirken Gottes, nur dass das Ergebnis all der bewegten Zwischenzeit, derer Mittelpunkt das Kreuz auf Golgatha ist, hineingenommen ist in diese Ruhe Gottes und an ihr teilhat. Unserem schwachen Sinn fehlen an diesem Punkt nicht bloß die Worte, es fehlt auch die Möglichkeit des Erfassens. "Wenn das Vollkommene kommen wird, dann wird das Stückwerk aufhören". Wenn Gott uns ganz zu sich hingezogen hat und wir uns ganz haben ziehen lassen, dann werden wir nicht bloß bei ihm und bei Christo sein, sondern auch ihn und alles verstehen nach dem Maß unseres Erkanntseins durch ihn.

Aber entsetzlich wäre schon die Vorstellung, dass die Qual des Ausgeschlossenseins von ihm in die eigentliche Ewigkeit hinein, und durch sie hindurch wäre. Da bietet sich zum Verständnis die richtige Bedeutung des Wortes "Äon" an. Das Ausgeschlossensein kann durch die Äonen hindurchgehen, die dem gegenwärtigen Weltlauf folgen, und der eigentlichen Ewigkeit vorausgehen. Wenn diese Äonen zu Ende gegangen sind, dann gibt es kein Gebiet der Schöpfung mehr, das außerhalb von Gottes Reich wäre. Entweder haben sie aus ihrer, nach dem letzten großen Gericht, der in die Äonen hinein dauernden Qual, der Entfernung von Gott den Rückweg nach ihm gesucht und ihn gefunden, und sind als die letzten noch angenommen worden. Oder haben sie sich in ihrem Todeszustand, abgeschnitten von der Lebenszufuhr von Gott, verzehrt, oder sind sie von Gott dem endgültigen Tod ausgeliefert worden. Dann ist der Tod verschwunden. Der treue Knecht Gottes, Jesus Christus, hat sein Werk ganz getan und übergibt alles in des Vaters Hände. Nun ist am Ende der Äonen, nach den Äonen, der eigentliche Äon angebrochen, der Äon Gottes, die Ewigkeit. Da ist Gott wirklich alles in Allen und in Allem.

Vertragen sich einige Schriftstellen von ausgeprägter Art mit den ausgeführten Gedanken über Zeit und Ewigkeit im biblischen Sinn? So die tiefernste Stelle, mit denen Jesus seinen Unterricht über die letzten Dinge geschlossen, und damit überhaupt sein Wort vor dem Eintritt seines Todesleidens beendigt hat, Mt 25:46: „Und dann (wenn nämlich das Urteil gesprochen ist) werden sie wegtreten (nämlich vom Richterthron; der Sinn kann aber auch sein: dann werden sie auseinandergehen; nämlich die Gesegneten und die Verfluchten - denn beieinander bleiben, wie noch vor dem Thron, trotz der Gegenüberstellung, dürfen und können sie nicht); die einen zu ewiger Bestrafung (das Wort "Pein" in der Lutherbibel entspricht dem Sinn des griechischen Wortes nicht ganz), die Gerechten aber zum ewigen Leben"? Als Strafort und Strafart ist genannt das ewige Feuer, das bereitgestellt, bestimmt für den Teufel und seine Engel. Dieses Wort Jesu soll seines tiefen Ernstes nicht entkleidet werden, sonst lädt man eine große Schuld auf sich. Es wird beim letzten Gericht zu einer großen Scheidung kommen, auch von solchen, die in der irdischen Welt und Zeit, ganz nahe beieinander waren. Die einen stehen nach dem letzten Gericht unter dem Fluch Gottes, die andern unter seinem Segen. Der Trennungsstrich wird gerecht, aber scharf gezogen werden. Wenn er jetzt bereits gezogen würde, wohin würde ich gewiesen? Es muss einst furchtbar sein, angesichts der ewigen Freude der Erlösten, dahin zu gehen im Fluch und in den Fluch. Es muss furchtbar sein, der teuflischen Welt zugeteilt zu werden, mit ihren, uns jetzt noch nicht ganz bekannten Schrecken. Es muss furchtbar sein, der Strafe zu verfallen mit dem Bewusstsein, sie selbst herbeigeführt und verschuldet zu haben. Es muss furchtbar sein, wegzugehen ohne Hoffnung.

Die Verfluchten werden bei ihrem Weggehen keine Hoffnung haben; aber hat GOTT das Tor für alle Ewigkeiten geschlossen? Samuel Keller hat nicht unrecht, wenn er in seinem bereits genannten Buch sagt: der Strafe (und so wird ja die Pein der Verfluchten genannt) sei eigentlich die zeitliche Begrenzung eigen. Eine endlose Strafe für ein Vergehen mit zeitlichen Begrenzung tue nicht nur dem natürlichen Empfinden, sondern auch dem Rechtsgefühl weh. Aber muss nicht das natürliche Gefühl und das Rechtsgefühl, obwohl es angesichts der Heiligkeit Gottes besonders ernst sich regt, zum Schweigen gebracht werden angesichts der bestimmten Aussage "ewige" Strafe? Und wenn die Strafe trotzdem als begrenzt anzunehmen wäre, wäre dann nicht auch das Leben der Erlösten als begrenzt anzunehmen, so dass sie nicht immer bei Gott und Christus sein dürften? Es steht ja das Wort "ewig" gleichlautend neben Strafe, und neben Leben. Keller verweist in letzter Hinsicht auf eine Bemerkung des ehrwürdigen altwürttembergischen Schriftforschers Bengel, der sage, das Wort "ewig" habe in diesem Vers, trotzdem es so nahe beieinander stehe, und obwohl es gleichbedeutend gebraucht scheine, nicht ganz den gleichen Sinn. Unserer deutschen Sprache fehlt ein Wort, das den unterschiedlichen Sinn in einer Benennung zusammenfasst. Wir müssen es unübersetzt lassen, wenn wir es begreifen wollen. „Äonisch: "die einen gehen in die äonische Strafe, die andern ins äonische Leben. "Was soll aber das heißen?"

Es wird hier die äonische Strafe und das äonische Leben von der dann abgeschlossenen Strafe, und dem dann abgeschlossenen Leben unterschieden. Wann wird der schärfste Trennungsstrich gezogen werden? Nicht beim leiblichen Sterben, wiewohl der Tod einen tiefen Einschnitt bedeutet. Es gibt aber einen noch tieferen Einschnitt: das ist das letzte Gericht. Der Tod ist der tiefe Einschnitt für den Einzelnen, der bald da, bald dort, in jedem Augenblick, gemacht wird in ununterbrochener Folge. Das letzte Gericht dagegen macht den Schnitt gleichzeitig für alle. Vor dem letzten Gericht liegt das irdische Leben und der Aufenthalt in der Totenwelt (bei den, schon vor dem letzten Gericht zur Vollendung Gelangten, das Leben im Himmel, und das Leben mit dem wiederkommenden Herrn auf der Erde in verklärter Gestalt), diese beiden Abschnitte gehören zusammen, trotzdem ist auch die Zwischenzeit zwischen Tod und Gericht zu nennen, selbst wenn sie sich für den älteren Teil der Menschheit bereits in die Jahrtausende gedehnt hat. Für uns Heutige dehnt sich die Zwischenzeit nicht mehr so lange; denn wenn Christus gekommen ist, geht es über das 1000-jährige Reich rasch hinüber dem letzten Gericht entgegen. Bereits in dieser Zeit vor dem Gericht gibt es Leben, und gibt es Strafe. Nicht bloß das naturhafte Leben, sondern Leben aus Gott, in der irdischen Lebenszeit, und bei den Vollendeten in ihrem leiblosen Zustand, und erst recht in ihrer verklärten Gestalt. Und Strafe gibt es auch, hier und in der Totenwelt; in der letzteren in abgestuftem Maß: bei den einen in peinlichen Nöten (so bei dem Reichen in Lk 16:19-31), bei den anderen im schmerzlichen Ablegen von Gebundenheiten, im Entbehren der vollen Gottesgemeinschaft, und im Harren müssen auf sie. Aber beides, das Leben und die Strafe, ist vor dem letzten Gericht nicht „äonisch", sie gehen noch nicht über das gewöhnliche Zeitmaß hinaus.

Anders wird es beim jüngsten Gericht. Die Totenwelt, der Hades ist dann nicht mehr. Er hat die dort Verwahrten hergeben müssen vor Christi Richterthron, wo über sie die Entscheidung fällt. Mit Dank und Freude werden viele sich dann in Gottes Reich herbeigerufen hören; Jesus hat in der Beschreibung des letzten Gerichts Mt 25:31-46 auch die freudige Überraschung beschrieben, die dann laut werden wird nach schmerzlichem Harren, nicht bloß das peinliche Gefühl derer, denen das Erbarmen und die Freundlichkeit entzogen wird. Den dann zu Gott, und in Gottes Reich Gerufenen, öffnet sich das Leben zur Gemeinschaft mit Gott und Christus. Und weil Gott und Christus ewig bleiben, ist auch das Leben, in welches SIE eingehen, ewig im vollen Sinn des Wortes. Für die anderen dagegen beginnen nun, nach der verhältnismäßig kurzen Spanne der irdischen Zeit, und der Zwischenzeit, die "Äonen" mit ihren längeren und kürzeren Zeiträumen, und es beginnt eine Pein, die "in den Äonen der Äonen“ währen kann; wir könnten in unserer Sprechweise sagen: bis in die fernsten Zeiten, soweit man überhaupt noch von Zeit reden kann. Diese Strafe ist nicht Leben, sondern Tod - Tod hier im tiefen göttlichen Sinn gefasst. Mit dem Sich-schämen-müssen, mit der Strafe des bösen Gewissens begann im Paradies der Tod. Er setzte sich fort mit Gottes irdischen Strafen und im Sterbenmüssen. Er kann sich fortsetzten über den leiblichen Tod hinüber in der Totenwelt, wo die Gemeinschaft mit Gott fehlt, auch wenn es dort Lebens- und Lichtzuflüsse von Gott gibt. Der Tod hat aber zwei Ausprägungen. Die eine Ausprägung wurde eben beschrieben, die andere Ausprägung des Todes ist die Strafe, der im letzten Gericht dem Fluch Anheimfallenden. Sie erfolgt am Ort der Qual. Die Zuteilung an diesen Ort am letzten Gericht wird in Offb 20:14 der zweite Tod genannt.

Das große Endziel

Bleibt dieser Tod endlos? In dem schon besprochenen Zusammenhang von 1Kor 15:24-28 wird das Werk Christi als zu Ende geführt bezeichnet, wenn er den letzten Feind, die letzte Gott feindliche Macht, unwirksam gemacht und beseitigt habe. Der letzte Feind sei der Tod. Dann sei das REICH Gottes in vollem Sinn zum Reich GOTTES geworden. Wie kann der Tod ein FEIND Gottes genannt werden, also eine Macht, die sich der Regierung Gottes in den Weg stellt?. Er ist es ja selber, der den Tod verordnet hat als Strafe! Der Tod ist ja ein Erweis seiner Heiligkeit, wodurch er zwischen sich und dem Unheiligen die Trennung stiftet, die Scheidewand aufrichtet. Denn der Mensch stirbt an der Trennung von Gott. Und unser Gewissen muss diesem Verfahren Gottes recht geben: der Unheilige und das Unheilige gehört nicht zu dem, der heilig ist, und zu dem, der rein ist. Von diesem Gesichtspunkt aus erscheint der Tod nicht als Feind Gottes, sondern als sein Diener. Und doch ist das tiefere innere Empfinden bei Paulus, wenn er den Tod als Gottes Feind bezeichnet, oder vielmehr als einen Gegner, der sich der vollen Herrschaft Gottes in den Weg stellt. Freilich ist auch der Tod Gottes Diener; aber er ist ein leidiger Diener, dessen Dienst ihm keine Freude macht. Gott ist der Gott des Lebens. Dem Tod überantworten zu müssen ist ihm selbst ein Schmerz, ein Leid. Es gibt Leid auch bei Gott. Sein Leid ist an der Sünde entstanden. Sein Leid besteht darin, dass er der Sünde gegenüber in seinem Geben beschränkt ist; dass er vom Sünder, die ihm schon gewährten Gaben wieder zurückziehen muss. Seine Freude ist seine Vaterschaft, die er als Schöpfer des Lebens betätigt. Wie gerne schafft er Leben! Wie schmerzlich ist es für ihn, das Leben umzuwandeln in sein Gegenteil, in den Tod! Seine Regierung drängt dahin, im Vollmaß sein göttliches Leben seinen Geschöpfen mitzuteilen. Er kann das ja aus inneren Gründen nicht auf einmal tun. Seine Geschöpfe müssen zur Aufnahme seines Lebens erst zubereitet werden und sich zubereiten lassen. Die zu solcher Zubereitung nötige Zeit reut ihn nicht. Aber die Hinderung, die aus teuflischer und menschlicher Schuld, der Zuteilung seines Lebens an seine Geschöpfe entsteht, die schmerzt ihn. So wird der Tod für seine Regierung ein Hemmnis, obwohl dasselbe seine eigene Antwort auf den sündigen Willen ist.

Die Bedeutung des Kreuzes

Gottes Abbild ist sein Sohn. Wir sehen bei Jesus die gleiche Stellung zum Tod. Zum Tod um ihn. Vor der Grab des Lazarus und am Grab selber geriet er in heftige innere Bewegung (Joh 11:33.38). Diese Bewegung schloss mehr ein, als die Teilnahme mit den Weinenden, und den Unwillen über den Unverstand der Zuschauer. Er stand dem Tod gegenüber. Der Tod ist Gottes Werkzeug, aber das des Teufels ebenso. Er ist ein Bote der Heiligkeit Gottes; aber zugleich Zeuge vom Sieg des Teufels, der Gottes Werk stört und zerstören will; der seine im Töten gipfelnde Herrschermacht geltend macht, und zwar auf dem Boden des Rechts; der Gott schlagen will mit Gottes Mitteln, auch wenn er selbst darüber zugrunde ginge. Daher die Erregung Jesu. Sie kehrte wieder in Gethsemane, als der Tod ihn selbst zu überschatten begann, als er mit Willen ihn zu übernehmen sich anschickte. Er nahm ihn aus des Vaters Hand als Kelch von ihm. Aber der Teufel wollte ihm den Kelch auch reichen, den gleichen Kelch. Das Leben und die Reinheit sträubten sich gegen das Sterben; noch mehr gegen das Dahingegebenwerden an den, der des Todes Gewalt hatte, den Teufel. Er siegte, indem er auch das Dahingegebensein in den Zugriff des Teufels aus Gottes Hand annahm. Er musste aber diesen Zugriff tragen, indem nicht bloß Menschen, wie ein Abschaum aus der Hölle sich an ihm und am Heiligsten, was er war und was er hatte, vergriffen, sondern indem er auch die Lösung von Gott, die der teuflischen Welt eigen ist, und die sie zu verbreiten eifrig ist, tragen musste. Am Kreuz hat nicht bloß Jesus geschrieen, sondern Gottes Herz schrie auch auf. Er musste, um seiner Heiligkeit willen, seinen einzigen Sohn dem Teufel überlassen. Aber als der Wille Jesu Gott selbst festhielt, auch als Gott sich ihm entziehen musste, da war der Kampf gegen den Teufel entschieden. Das "mein" im Schrei der Gottverlassenheit hatte den Sieg errungen.

Das Kreuz ist der Sieg des Todes und zugleich seine Überwindung. Am Kreuz hat Gott mit dem Tod gerichtet, indem er den Tod seines eigenen Sohnes mit aller, gegen den Sünder gerichteten Schärfe vollzog und vollziehen ließ; mit einer Schärfe, die alles menschliche Wesen, auch das scheinbar frömmste, dem Tod überantwortet. Leben gibt es vor Gott seit Golgatha bei seinen Geschöpfen nicht mehr. Kein Leben kann sich vor ihm seitdem mehr behaupten als lebensfähig, und als zu Recht bestehend. Seit der Eine starb, ist die Gesamtheit gestorben, ist alles vor Gott im Todeszustand (2Kor 5:14). Aber der Sieg des Todes ist zugleich die Überwindung des Todes, und der Beginn des Lebens. Der Gekreuzigte ist Todesgeruch und Lebensgeruch in einem. Darum wird das Kreuz geflohen als Stätte des Todes, und aufgesucht als Stätte des Lebens. Weil am Kreuz der Tod gerichtet ist, deshalb war die Auferstehung Jesu, die rechtmäßige Folge seines Sterbens, war seine Auferweckung die rechtmäßige Folge seiner Hinrichtung für die Sünde. Am Kreuz ist die Sünde hingerichtet worden (Röm 8:3).

Seit Golgatha hat das Leben nicht mehr Recht, und der Tod nicht mehr Recht. Wer sein Leben behaupten und pflegen will, ist durch Golgatha gerichtet; wer dem Anspruch auf das Leben entsagt, und sich in Gottes Todesurteil fügt, erhält vom Gekreuzigten das Leben. Aber der Tod will sich noch nicht behaupten; der Teufel will sein Todesregiment noch nicht aufgeben. So ist seit Golgatha der Tod letzten Endes zum Feind der Herrschaft Christi, und damit der Herrschaft Gottes geworden. Er wird von Christus noch ohnmächtig gemacht und vernichtet; in langer Arbeit, und indem der Tod sich an den, trotz Christi Kreuz Widerstrebenden auswirken muss, bis in die letzten Folgeerscheinungen hinaus, auch in der kommenden neuen Welt. Aber Jesus führt seinen Kampf gegen Sünde, Tod und Teufel seit Golgatha auf Siegesboden. Sein SIEG muss sich auch noch auswirken bis in die letzten Folgen. Er hat sich dann ausgewirkt, wenn er den Tod und den Todeszustand aus dem ganzen Gebiet der Schöpfung hinausgetan hat. So lässt Offb 20:14 Raum für die letzte durchgreifende Tat Christi, wie sie 1Kor 15:26 genannt ist.

Stimmt dazu das Schlussbild in Offb 21. und Offb 22.? Ist nicht auch dort der Gegensatz zwischen Seligen und Verdammten verewigt, namentlich durch das "aber" des Verses in Offb 21:8, wo ein Kreis von Geschöpfen Gottes abgetrennt wird von den seligen Bezirken der neuen Welt, indem diesem Kreis der Feuersee zugeteilt wird? Als der Zwiespalt auch in der neuen Welt?

Dass die neue Welt mit einem Zwiespalt beginnt, ist ja nicht verwunderlich, weil ihr das letzte Gericht vorausgeht, das nicht bloß mit Segen, sondern auch mit Fluch ausgeht. An diesem Punkt liegt die Schwierigkeit nicht. Sie entsteht erst, wenn angenommen werden müsste, dass der Zwiespalt, mit dem die neue Welt ihren Anfang nimmt, nie aus ihnen weichen, also nicht bloß durch die dann noch kommenden Äonen, sondern auch durch die Ewigkeit selbst bleiben werde. Lässt nun das Schlussbild der Offenbarung, welches zugleich das letzte Wort der Bibel ist, noch eine weitere Entwicklung offen? Diese Frage wird bejaht werden müssen aus dem Inhalt des Schlussbildes heraus. Die neue Welt, die Johannes sah, ist nur in einem Stück ganz vollendet: nämlich in ihrem Mittelpunkt, dem neuen Jerusalem. Die neue Welt selbst aber bedarf noch der Vollendung. Sie muss in die Heiligkeit des Mittelpunkts hineinwachsen. Darum gibt es einen Verkehr von außen nach innen, und ein Zuströmen des Lebens von innen nach außen. Unreines kommt in die Stadt nicht hinein; aber verschlossen sind die Tore auch nicht.

Die neue Stadt gleicht dem Paradies. Aber das alte Paradies wurde geschlossen; dagegen bleibt das neue offen. Darf nicht angenommen werden, dass das Licht der Stadt auch über die Stadt hinaus in die neue Welt hineinleuchtet, dass das Lebenswasser auch nach außen fließt, dass die Heilkraft, die sogar den Blättern der Lebensbäume innewohnt, auch den Außenbezirken zukommt, dass der Dienst der Knechte Gottes, sich nicht bloß dem Thron Gottes zuwendet, sondern im Namen dessen, der auf dem Thron sitzt, auch den noch draußen Stehenden zugute kommt? Wenn es so ist, dann wird das Recht zum Eingang in die Stadt von den Außenbezirken denen zuteil, die im Licht selbst licht werden; die, von dem Lebenswasser trinkend, das Leben in sich aufnehmen; die von den Lebensbäumen essend, heil werden, die sich den Dienst der Knechte Gottes gefallen lassen. Dann gilt auch in der neuen Welt noch der Ruf, in welchem alle Gnade und Freundlichkeit Gottes sich zusammenfasst: Komm! Es wird auch in der neuen Welt bei vielen noch Heilung und Ausreifung nötig sein. Es wird mancher nur, wie ein Brand aus dem Feuer in die neue Welt hineingerettet, sogar mancher von den Knechten Gottes, die auf dieser Welt sein Werk trieben, und zu treiben meinten, deren Werk sich aber nicht als feuerbeständig erwies (1Kor 3:12-15).

Die obige Auffassung sieht das Schlussbild der Offenbarung nicht als ein ruhendes Gebäude, sondern in lebendiger Bewegung. Die endgültige Gestalt des Gottesreichs ist mit der Neuschöpfung von Himmel und Erde eingeleitet; aber bis die Neuschöpfung zum vollendeten Reich Gottes wird, bedarf es noch Arbeit und vieler Zeiten. Nun kommen die Äonen, bis es vollendet ist. Christus kann seine Herrschaft beim Beginn der neuen Schöpfung noch nicht dem Vater zurückgeben; denn er hat noch zu tun. Er hat ja zur Zeit (Offb 11:15) die eigentliche Herrschaft über die Welt noch gar nicht angetreten; das tut er erst bei seinem Wiederkommen. Und auch das 1000-jährige Reich ist ja nur der Antritt der Herrschaft am Abend der alten Welt; und sie ist zwar siegreich, aber sie hat noch mit der Weltsünde zu ringen. Der volle Regierungsantritt erfolgt erst mit dem Anbruch der neuen Welt. Er teilt (Offb 11:15) die Herrschaft mit dem Vater, aber es währt noch Äonen durch, bis er sie in des Vaters Hände zurücklegen kann. Und seiner Knechte königlicher Dienst geht in der neuen Schöpfung ebenfalls durch die Äonen hindurch, bis das Ziel erreicht ist. Was hätten er und seine Knechte noch auszurichten, wenn der Beginn der neuen Schöpfung schon die Endvollendung wäre? Nun aber handelt es sich um die Durchheiligung der ganzen neuen Welt, dass die ganze neue Welt die heilige Art des Mittelpunkts erhalte.

Vernichtung der Verfluchten?

Ist die Arbeit mit der Heiligung durch das letzte Gericht Hindurchgeretteten völlig beschrieben? Oder darf noch ein weiterer Ausblick gewagt werden, dass sie sich, auch den im Gericht mit dem Fluch Belegten zuwende? Bestünde die Meinung zu Recht, die keine Änderung des letzten Gerichtsspruches mehr kennt, und die mit der Endlosigkeit der Strafe rechnet, dann haben Christus und die Seinen an den Unseligen keine Arbeit mehr; sein Dienst an ihnen wäre mit der Überantwortung in die Pein erledigt. Aber eine Aufhebung des Todes käme dann, wenn es so wäre, nie zustande. Der Todeszustand bestünde dann in Ewigkeit fort. Würden die Gottlosen alle vernichtet, oder der Selbstverzehrung überlassen, so könnte man von einer eigentlichen Arbeit auch nicht sprechen, wenigstens von einer Heilandsarbeit nicht. Es würde sich nur um Bestätigung des Richteramts handeln. Darf die Hoffnung gewagt werden, dass es in der neuen Welt noch eine HEILANDSarbeit geben werde, nicht bloß an den, durch das Gericht Hindurchgeretteten, sondern auch an den Verfluchten?

Wir denken bei den Verfluchten zunächst an den verfluchten Teil der MENSCHHEIT. Einen solchen gibt es ja. Das wird mit großem Ernst in der ganzen Schrift bezeugt. "Schrecklich ist es, in die Hände des Gottes zu fallen, der da lebt!" (Hebr 10:31) Auch Jünger Jesu dürfen aus der Furcht Gottes nicht herausfallen; denn "unser" Gott ist ein verzehrendes Feuer (Hebr 12:28.29). WEIL Gott den Glaubenden durch den Heiligen Geist das Wollen möglich macht, und zum Vollbringen behilflich ist, deshalb müssen sie zur Beschaffung ihres Heils tätig sein mit Furcht und Zittern (Phil 2:12.13). Das sind einige wenige von den vielen Schriftstellen, die nicht nur der Welt, sondern gerade den Glaubenden, den ganzen Ernst ihrer Berufung vor die Seele stellen und die Gefahr zeigen, der sie nur entronnen sind, wenn sie in der Glaubensstellung beharren mit ganzem Fleiß. Trotz dieses Ernstes wagen wir, im Blick auf Jesum und auf sein Kreuz, die Frage, ob für die im Gericht Verfluchten die Türe sich ganz geschlossen habe. Durch seine Menschwerdung ist der Sohn Gottes in die Menschheit eingetreten und ein Glied an ihr geworden. Er ist aber kraft seines göttlichen Amts nicht bloß ihr Glied, sondern ihr Haupt. Sterbend hat er als Glied und Haupt der Menschheit den Menschheitstod auf sich genommen, indem er sich zur Menschheitssünde machen ließ, und den Menschheitsfluch trug. Als Vertreter der Menschheit ist er vom Tod erstanden.

Lamm und Menschensohn ist er geblieben auf dem Thron der Ehren. Als Menschensohn wird er wieder kommen. Der Menschheit wendet sich sein Regiment zu. Die Menschheit sammelt sich beim Gericht vor seinem Thron. Könnte er es ertragen, wenn er zwar eine ungezählte Schar vom Brüdern bekommt, wenn aber ein großer Teil der Menschheit noch seinem gerechten Spruch an ihrer Schuld, und an ihrem Widerstand rettungslos dahinsiechen würden? Oder gilt es auch noch in der neuen Welt, was Joseph von seinen, ihm ungünstig gesinnten Brüdern sagte, und was er später nach Verübung ihrer Schandtat an ihnen übte: „Ich SUCHE sie"? (1Mo 37:16). Es mag dann gehen, wie damals: Josephs Herz wallte gegen seine Brüder, als er sie hart behandelte. Sie mussten erst weich, werden im Vollmaß des inneren und äußeren Elends. Er ersparte ihnen nichts. Das Recht musste seinen Lauf nehmen. Seine Brüder wussten gar nicht, ob das Elend noch enden werde. So mag's sein, dass die im letzten Gericht Verurteilten, den ganzen Jammer des Gottverlassens und der Gottverlassenheit, den ganzen Jammer der Heilandslosigkeit durch Äonen durchkosten müssen, bis zum völligen Zusammenbruch, bis sie nur noch um Gnade schreien können. Aber vielleicht ist doch zu hoffen, dass im Jammer sich nicht jeder Verurteilte verhärtet, sondern dass mancher auch weich wird, und dass dann der Augenblick kommt, wo die Gnade näher tritt. Vielleicht nicht auf einmal; vielleicht zuerst nur mit einem schwachen Schimmer, vielleicht so, dass der Verurteilte stückweise erst die ganze Tiefe seiner Schuld durchkosten muss. Wir reden menschlich. Aber es ist um die Gnade ein heiliges Ding, nicht bloß, wenn sie vor dem letzten Gericht, oder aus ihm heraus rettet, sondern auch, wenn sie sich durch die volle Schärfe des Gerichts hindurch erzeigt.

Ob nicht, um der im Gericht Verfluchten willen, die Zeiten der neuen Welt sich so dehnen, dass von Äonen der Äonen gesprochen werden muss, bis die Äonen endlich eingehen in den großen Sabbat der ewigen Ruhe Gottes? Die Pein des Gerichts mag, bis die Gnade eingreifen kann, bis in ferne Zeiten weitergehen. Wenn es auf die beschriebene Weise noch späte Rettung gibt, wie nicht wenige Gottesmänner es bestimmt geglaubt haben, dann mag es sein, dass sie den Geretteten nicht allen zu gleicher Zeit zuteil wird, sondern nach dem Maß ihres inwendigen Standes. Der Fragen bleiben noch manche. Aber manche Antwort ist noch versagt. Ob auch die Welt der höllischen Geister noch der Gnade fähig, und teilhaftig werden können, das wissen wir nicht. Stellen wie Eph 1:20-22, wo von der in Christo verliehenen Herrschermacht über jede Art von Mächten auch in den kommenden Weltzeit gesprochen wird, und Kol 1:20, wo von Gottes Plan die Rede ist, auf Grund des blutigen Friedensschlusses am Kreuz, das Weltganze mit sich zu versöhnen, können in dieser Richtung gedeutet werden. Ob diese Bereitschaft Gottes zum Ziel gelangt, ob die Gnade Gottes nach dem Gericht, noch in den fernsten Zeiten sich den finsteren Mächten zuwenden kann, und ob dieselben dann fähig sind, unter der Pein des Gerichtetseins die Gnade zu fassen, das wissen wir nicht, und dafür brauchen wir nicht zu sorgen. Erreicht wird das Ziel doch, dass der durch die Schöpfung gehende Zwiespalt aufhören muss, unter voller Erweisung der Heiligkeit Gottes, die mit seiner Gnade eins ist; und das Reich Gottes wird zustande kommen in seiner abgeschlossenen Gestalt, wo Gott sein kann Alles in Allen und in Allem.

Nachwort

Bemerkungen zu etwaigen Einwendungen

Wir stehen am Ende. Aber ein Nachwort ist noch nötig. Es wäre wohl begreiflich, wenn manche Ausführungen in diesem Buch ernsten Einwendungen begegnen würden. Als schwerster würde nicht der empfunden, dass sie in wichtigen Punkten fehlgreifen können. Das ist wohl möglich. Die vorgelegten Gedanken haben keinen Anspruch darauf, eine Art Weissagung zu sein; auch die Bezeichnung: Auslegung der Weissagung trifft nicht ganz auf sie zu, wiewohl sie das Bestreben haben, sich an die biblische Weissagung zu halten, und ihr nachdenkend nachzugehen. Es kann sein, dass der Hauptgedanke dieser Schrift, nämlich die Zahl 666 auch als Zeitbezeichnung verwendbar sei, und in Rückschau und Ausschau einen Blick in den abwegigen Gang der Christenheit auf das Antichristentum zu gebe, dem tatsächlichen Fortgang der göttlichen Regierung nicht standhält. Trotz dieser Möglichkeit hat der Verfasser die Zuversicht, dass die vorgelegten Gedanken weder für das Verständnis der Wege Gottes, noch in praktischer Hinsicht wertlos seien. Es wird keine Zustimmung des Kopfes zum Leitgedanken begehrt, noch weniger ist das Auflegen eines Glaubensjochs beabsichtigt, was auch gar nicht möglich ist, da niemand über den Glauben eines anderen Herr ist. Es war eine Aussprache von Gedanken, die den Verfasser seit langem bewegt, ja umgetrieben haben. Wem der Leitgedanke als unwahrscheinlich vorkommt oder zuwider ist, und wer trotzdem beachtenswerte Gedanken in dieser Schrift findet, der möge getrost den ersteren als ein Gerüst für diese Gedanken ansehen, das abgebrochen werden kann, wenn die Gedanken ausgesprochen sind; oder als eine Brücke, die zu ihnen hinüberführte, die man aber nachher nicht mehr nötig hat; oder als eine Krücke, die weggelegt werden kann, nachdem sie ihren Dienst getan hat. Wenn diese Schrift nachdenklich macht, dann hat sie schon einen Dienst tun dürfen.

Viel ernster findet der Verfasser die Frage, die er an sich selber gestellt hat, ob bei Verwendung von Zahlen für den Blick in die Zukunft, nicht eine klare Warnung der Schrift auf die Seite geschoben sei. Laut Mt 24:36 in Verbindung mit Mk 13:32 hat Jesus der Bezeugung seines Wiederkommens den Satz beigefügt: „Von jenem Tag aber, und von der Stunde weiß niemand, nicht einmal die Engel im Himmel, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater." Apg 1:6.7 hat der Auferstandene und Auffahrende die Beantwortung der Frage seiner Jünger nach der Zeit abgelehnt, in welcher er Israel, in die ihm innerhalb der Völkerwelt zustehende bevorrechtigte Stellung, wieder einsetzen werde. Auch dort findet sich die Aussage, dass Zeiten und Stunden, selbst wenn Menschen ihren Eintritt nicht kennen, festgesetzt seien.

Es kann auch 1Thes 5:2 beigezogen werden: „Mit dem Tag des Herrn ist's wie mit einem Dieb in der Nacht: in DER Weise kommt er". Doch liegt dieses Wort des Paulus nicht ganz auf der Linie der obigen Worte; denn der Zusammenhang des Textes zeigt, dass mit diesem Gleichnis die Überraschung der Welt beschrieben wird, die ahnungslos in diesen Tag hineingehe, während die Gemeinde Jesu von diesem Tag gerade nicht in solcher Weise überrascht werde (1Thes 5:4). Darum hat Paulus die Gemeinde zu Thessalonich in seinem zweiten Brief auf ein bestimmtes Zeichen hingewiesen, das die Nähe des Kommens des Herrn anzeige, nämlich auf das Kommen des Antichrists. Er hat sie geradezu gewarnt, den Tag Christi früher zu erwarten, und sich auf solche Weise in aufgeregtes Wesen versetzen zu lassen. Der Abfall, und das Offenbarwerden des Menschen der Sünde, müssen diesem Tag vorausgehen. Wenn das Wiederkommen Christi früher in Aussicht gestellt werde, so sei das eine Täuschung (2Thes 2:1-3). Dieses apostolische Wort ist auch von Wichtigkeit, nämlich gegenüber einer zu baldigen Erwartung des Tages Christi, ehe nämlich die Voraussetzungen für dessen Eingreifen erfüllt sind. Vielleicht darf auch gesagt werden, dass das Wort Jesu in Apg 1:6.7 nicht ganz auf der Linie von Mt 24:36 und Mk 13:32 steht. In jenem letzten Abschiedswort an die Jünger, hat Jesus von seinem eigenen Nichtwissen der Zeiten und Stunden nicht gesprochen, das er noch in der Rede über die letzten Dinge betont hatte. Geht die Annahme fehl, dass die Zeit seines Nichtwissens dieser Dinge mit der Zeit seiner Erniedrigung zu Ende ging?

Der Verfasser hat das Gewicht des Heilandsworts in Mt 24 schwer empfunden; es ist ihm auch bewusst, dass Berechnungsversuche schon manchmal zuschanden geworden sind. Jenes Wort behält seine ernste Bedeutung gegenüber aller Neugier und aller Überhebung, auch wenn sie sich für fromm achtet, und sich nur in Gedanken äußert. Was nun das in diesem Buch angestellte Forschen nach der Zeit anbelangt, so untersteht es ebenso diesem Ernst, und der Verfasser erkennt ihn willig an. Aber das darf doch ausgesprochen werden, dass der Hauptgedanke dieser Schrift, die Verwendung der Zahl 666 als Zeitangabe, gar nicht auf den Tag Christi hinausläuft, sondern nur auf das Ende des 6. Reichs. Für die Zeit des 7. Reichs ist nur die Vermutung ausgesprochen worden, dass dessen Zeitdauer sich VIELLEICHT aus einer etwas andersartigen Verwendung dieser Zahl ergeben könne. Selbst wenn der für das 6. Reich durchgeführte Hauptgedanke sich als richtig erweisen würde, so wäre das Forschen damit, nur bis in die Nähe der eigentlichen Endzeit gelangt, nicht einmal bis an dessen Schwelle. Die in der Schrift als kurz angegebene Zeit des 7. Reichs, kann sich auch länger dehnen als die vermuteten dreimal 6 Jahre. Aus dem Wort "kurz" lässt sich eine Zeitbemessung nicht mit Sicherheit herauslesen, wenn auch Schlüsse aus anderem Zusammenhang eine bestimmtere Zeitsetzung nahelegen.

Es ist also möglich, dass Christi Wiederkunft zur Aufrichtung seines Reichs auf Erden in der vorliegenden Schrift ZU BALD erwartet wird. Aber die Möglichkeit ist ebenfalls nicht ausgeschlossen, dass sie ZU SPÄT angesetzt ist, also näher bevorsteht. Eine Verwendung dieses Buches zu dem Gedanken, ein früheres Eintreten der Endzeit sei ausgeschlossen, wäre ein Missverstehen dieser Schrift. Wer meint, er habe zum Sündigen noch Zeit, und könne mit einer Lebensänderung abwarten, tut es auf eigene Gefahr, und erfüllt an sich selbst das tiefernste Wort am Schluss der Offb 22, in der ersten Hälfte von Offb 22:11. Die vorliegende Schrift will dem Ernst dienen, nicht dem leichten Sinn.

Übrigens ist es dem Verfasser schon oft aufgefallen, wie nachdrücklich an das Ende des gegenwärtigen Jahrhunderts, als an die entscheidende Wende der Menschheitsgeschichte gedacht, und in diesem Sinn davon gesprochen wird. Eine nähere Begründung dieser bestimmten Erwartung wird kaum gegeben. Vielleicht sind die vorgelegten Gedanken eine Stütze dieses weit verbreiteten Eindrucks.

So wie es im Anfang der Evangeliumsverkündigung Gottes Absicht war, den Zeitpunkt des Wiederkommens Christi zu verhüllen, so dass Paulus noch in den früheren Briefen mit der Möglichkeit, es zu erleben rechnete, während er in den späteren Jahren. sich auf das vorherige Sterben gefasst machte, so kann es auch nun, das die Menschheitsgeschichte ihrem Ausgang entgegeneilt, seine Absicht sein, stückweise den Vorhang zurückzuziehen, nicht zur Befriedigung der Neugier, sondern damit die Gemeinde Jesu sich rüste, und sichere Tritte tue. Darum kann ein Forschen nach der Zeit, wenn es sich der Schranken bewusst bleibt und bereit ist, sich durch Gottes Regierung korrigieren zu lassen, ein Dienst sein an der Gemeinde, zumal wenn die Linien der Weissagung beachtet werden. Im Eingang der Offenbarung (Offb 1-3) ist ja die letztere mit ihren vielen Einzelangaben ausdrücklich als eine Gabe Gottes bezeichnet, welche der Gemeinde durch die Vermittlung Jesu Christi zukomme.

Ein anderer Grund gegen die Ausführungen dieses Buches, der nicht leicht zu nehmen ist, wäre der: die darin ausgesprochenen Gedanken widersprächen der Gerechtigkeit und der Liebe, so die Gedanken über die kirchliche Entwicklung, über das Judentum, und über die Strömungen und Bestrebungen unserer Zeit. Einem solchen Einwand gegenüber kann nur gesagt werden, dass die ausgesprochenen Urteile rein sachlich gemeint sind, und keinen persönlichen Hintergrund, und keine persönliche Zielsetzung haben. Was die Kirchen anbelangt, so ist nicht bloß die Entwicklung der katholischen, sondern auch die der evangelischen Kirche ernst beurteilt; auch ist weder einer Freikirche, noch einer bestimmten freien christlichen Vereinigung das Wort geredet, als ob ein Anschluss bei solchen die Zugehörigkeit zum Reich Gottes sicherstelle. Gegenüber solchen Anwandlungen, bei Menschen Bergung suchen zu wollen, die allein der Herr geben kann, und menschliche Zusammenschlüsse zu bevorzugen, gilt ein Michael Hahn zugeschriebenes Wort, dass er neben das große Babel kein kleines setzen wolle.

Was die ernsten Worte über das Judentum anbelangt, so muss daneben gehalten werden, wie hoch im vorliegenden Buch Israel gewertet wird. Dem Verfasser sind nicht bloß gegenkirchliche, sondern auch antisemitische Gefühle fremd, zumal er treffliche Glieder der jüdischen Völker kennengelernt hat, und sie hoch schätzt. Weiter steht dem Eindruck vom abwegigen Gang der Bildung ein herzlicher Dank zur Seite, für alle die großen Gaben der Wissenschaft. Wenn hier bewegende Gedanken zur Sprache kamen, dann handelte es sich nicht um Personen, sondern um die hinter den sichtbaren Dingen stehende, und sie bewegende Mächte der unsichtbaren Welt. Es kommt die Zeit, da die Welt ganz Gottes sein wird; aber die Gegenwart steht noch unter dem beherrschenden Einfluss der finsteren Kräfte, und wird ihnen in noch stärkerem Maße unterliegen.

Praktische Schlussfolgerungen

Es seien noch einige praktische Gedanken beigefügt. Was die Kirchen brauchen, und was jeder Christ nötig hat, das ist der Blick vorwärts. Die Einstellung nach oben in Glauben und Gehorsam wird vorausgesetzt; jedenfalls sollten diese vorhanden sein. Aber auch sie erhält ein besonderes Gepräge durch den Blick nach vorne. Das Glauben und Lieben der ersten Christenheit ist durch ihre reiche und lebendige Hoffnung mächtig beeinflusst worden. Aber der Blick auf die lichten Seiten der Zukunft genügt für die Einstellung nach vorne nicht. Diese enthält vielmehr ihre besondere Art, durch den Blick auf den schweren Ausgang der derzeitigen Menschheitsgeschichte. So hat der einzelne Christ auch nicht nur die lichte Ewigkeit vor sich, deren Inhalt des Vaters Reich und Kraft und Herrlichkeit ausmacht, sondern den Blick auf die eigene, noch nicht zum endgültigen Sieg durchgedrungene Versuchung, und auf die Gefährdung durch Tod und Teufel. Wir müssen aber über die Vereinzelung hinauskommen, die nur an die eigene Gefahr und an die eigene Seligkeit denkt, und müssen den Blick weit machen für den Gang der ganzen Menschheit, in die jeder einzelne gliedmäßig hineingestellt ist. Wenn nun die Einstellung auf die, der Menschheit bevorstehende Zukunft, im Licht der Schrift erfolgt und der bereits dahinten liegenden Geschichte, dann wird der Blick licht und trüb miteinander. Oder mit Fremdworten ausgedrückt; die allerdings nicht auf christlichem Boden gewachsen sind; der Christ, der an der Schrift und Geschichte wach wird, wird in Bezug auf die Menschheit, und auf die Welt Optimist und Pessimist in einem.

Zu solcher Einstellung nach vorwärts, gehört der klarbewusste Wille, die Wirklichkeit zu sehen, wie sie ist. Die Gefahr sich Täuschungen hinzugeben, sich Illusionen zu machen, ist groß. Je trüber eine Zeit ist, je mehr sie des Niederziehenden und Niederreißenden enthält, um so mehr sucht man sich an falsche Stützen zu klammern, und die Augen halb zu schließen, um nicht den ganzen Jammer sehen zu müssen. Wir müssen lernen, ohne zu verzagen; nicht klagend und jammernd, sondern betend, handelnd, leidend. "Predige das Wort, halt an, es sei zu rechter Zeit oder zur Unzeit!" oder in Menges Wiedergabe: „Verkündige das Wort, tritt damit auf, du magst gelegen oder ungelegen kommen!" (2Tim 4:2).

Haben die vorliegenden Gedankengänge nicht die Wirkung, dass sie von der Kirche abziehen? Diese Wirkung ist weder beabsichtigt, noch muss sie eintreten. Nur mahnen zu einer sorgsamen Behandlung der kirchlichen Fragen im Kleinen und im Großen. Es darf auch jede Gemeinschaft sich ernstlich prüfen, ob ihre Stellung und ihre Arbeitsweise die richtige ist. So lieb Kirche und Gemeinschaft einem Christenmenschen sein sollen und dürfen - über allen irdischen Erscheinungsformen des Christentums steht und stehe die eine, heilige Christenheit, die Gemeinde Jesu; und dass Er, der Herr selber, uns darin verankere, und uns darin den Dienst mit Freuden anweise.

Noch einen Blick auf die Jugend! Hat die Auffassung dieses Buches recht, dann wächst unsere Jugend in tiefernste Zeiten hinein. Schon wir Erwachsene fanden uns schwer in die neue Zeit hinein. Die Jugend ist dem Ansturm all der Zeitströmungen nicht gewachsen. Der alte, böse Feind hat gegen die Jugend den Hauptangriff angesetzt, weil er mit der Jugend die kommende Generation haben will. Vielleicht ist Jugendarbeit im Sinn des schlichten Evangeliums noch nie so nötig, so wichtig, so ernst, aber auch so aussichtsreich gewesen, wie in diesen Zeiten. Lasst uns die Jugend lieben und daran mitarbeiten, dass sie gewappnet sei. Es sind ja unsere Kinder!

"Euer und eurer Kinder ist diese Verheißung" (Apg 2:39).

Schriftstellen

Es mögen noch einige Schriftstellen in etwas freierer Übertragung folgen, welche die Ausführungen dieses Buches beleuchten:

"Es kommen noch Zeiten des Aufatmens von des Herrn Angesicht her, und er wird den, für euch bereits bereitgestellten Christus, nämlich Jesus, schicken. Auf diese Tage geht die Botschaft der ganzen Prophetenreihe seit Samuel einschließlich" (Apg 3:20.24)

"Von ihm KOMMT das rettende Heil; aber außer ihm gibt's im ganzen Bereich der irdischen Menschheit keinen, von dem eure Rettung und euer Heil ausgehen könnte" (Apg 4:12).

"Was Schöpfung heißt, harrt in gespannter Erwartung des Augenblicks, da die Söhne Gottes aus ihrer Verborgenheit ans Licht gestellt werden" (Röm 8:19).

"Ihr steht in der Erwartung, dass euer Herr Jesus, der ja der Christus ist, aus seiner Verborgenheit ans Licht gestellt werde" (1Kor 1:7).

"Durch Gott seid ihr dazu berufen, an seinem Sohn Jesus, welcher der Christus ist, und jetzt schon unser Herr, vollen Anteil zu bekommen" (1Kor 1:9).

"Allen, deren Liebe sich seinem Sichtbarwerden zugewandt hat, wird der Herr an jenem Tag den Kranz reichen, den er für die Gerechtfertigten bereit hält." (2Tim 4:8).

"Der Sohn Gottes soll der Erstgeborene sein unter einer großen Brüderschar" (Röm 8:29).

"Wie wunderbar reich ist Gott, wie weiß er alles einzurichten, und welch klaren Überblick hat er! Die alten Sprüche haben ganz recht, in welchem die Fragen stehen: "Gibt es jemand, der in des Herrn Sinn eingedrungen ist? Gibt es jemand, dessen Rats er bedurft hätte? Gibt es jemand, dem er zur Heimgabe einer Wohltat verpflichtet wäre? Vielmehr steht es SO: in ihm hat das ganze All seinen Ursprung, seinen Bestand und sein Ziel. Ihm gebührt anbetende Ehrung bis in die fernsten Zeiten. Ja, so ist es!" (Röm 11:33-36).

Das Reich muss uns doch bleiben! (Luther im Reformationslied)

"Denn Dein ist das Reich, und die Kraft, und die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen!" (Mt 6:13).