Die Geburt Isaaks

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Aus dem Zweimonatsheft für gläubige Schriftforscher:
"Das prophetische Wort“ (Jahrgang 1923-25)
Begründet von Professor E. F. Ströter

Herausgegeben von Heinrich Schaedel
Maranatha-Verlag, Klosterlausnitz i. Thür.

Siehe weitere Abschriften

Das erste Buch Mose

von: Prof. E. F. Ströter
Inhaltsangabe: 1Mo 1-50

8. Die Geburt Isaaks

Einundzwanzigstes Kapitel

Dreimal hören wir in 1Mo 21:1.2: „wie Er geredet“, d. h. versprochen, verheißen hatte. Daraus tritt uns entgegen, dass wir es hier mit Vorgängen zu tun haben, für die es keinen andern Grund geben kann, als das allmächtige, schöpferische, mit allen Hindernissen fertig werdende Wort unseres großen Gottes. Es gibt nichts so Großes, so Unfehlbares, so Gewisses für die Erfüllung dessen, was Gott geredet hat, als die Tatsache: unser Gott kann tun, was Er will. O dass wir loskämen von unserer Überschätzung des geschöpflichen Willens und eine Schätzung bekämen für das Allvermögen unseres großen Gottes!

Ohne dass wir es ahnen, betragen wir uns doch als Kinder unserer Zeit, d. h. ohne dass wir es uns eingestehen, werden wir überströmt, überstürzt mit allen möglichen Betätigungen des menschlichen Leistungsvermögens. Unvermerkt und ungewollt wächst in uns in ganz ungebührlicher Weise der Eindruck: ja, wir Menschen können doch etwas! Das ist ja nicht von uns gesucht, aber wir können uns der Macht solcher Strömungen nicht entziehen.

Das einzige Gegenmittel ist, dass wir unsern Geist häufiger und tief versenken in diese Bezeugungen der schöpferischen Allmacht und des rettenden Allvermögens unseres Gottes, der des Todes lacht, aller Hindernisse spottet, für Den es das Wort „unmöglich“ einfach nicht gibt, wenn Er Sich etwas vorgenommen hat.

Es handelt sich für Gott darum, auf dem Boden des Glaubenslebens den durchschlagenden Beweis dafür zu erbringen, dass Er aus dem Tode Leben zu schaffen vermag, wie das in Röm 4:17-21 und Hebr 11:11.12 hervorgehoben wird. Der in letztgenannter Schriftstelle erwähnte zahlreiche Same ist längst noch nicht am Ende seiner Fülle angelangt. Gott hat ein paar Jahrtausende gebraucht, um Same Abrahams hervorzubringen, alle auf demselben Wege erzeugt durch die schöpferische Kraft des lebendigen Gottes, durch den Geist des Lebens, der mit dem Tode fertig geworden ist, und der sich von keinem Tode und Verderben in irgend einer Weise hemmen oder aufhalten lässt.

„Der Herr tat, wie Er geredet, verheißen hatte“. Wollen wir doch an solchem Worte in unserem inwendigen Menschen gesunden, und von keiner anderen Seite her etwas erwarten. „Was Er geredet hatte“: Das ist das Maß, der Messstab; und der Inhalt dieses Wortes ist so unmessbar, dass wir es gar nicht ausschöpfen können.

Der Name Isaak (1Mo 21:3) ist von dem Zeitwort „Lachen" abgeleitet. Hier lacht Sara nicht mehr ungläubig, sondern frohlockend, jauchzend, dass Gott ihre Niedrigkeit und Schmach angesehen hat, dass sie die Mutter eines solchen Sohnes geworden, auf den Gott so wunderbare Dinge gesetzt und mit dem Er so gewaltige Absichten vorhatte.

Von diesem Vorhaben Gottes muss Sara eine Ahnung gehabt haben. Aber am herzlichsten hat wohl sozusagen Gott Selbst gelacht darüber, dass Er so gründlich fertig wurde mit allem menschlichen Unvermögen und Todeswesen. Da kann man so tief in dem Herzen unsers Gottes lesen und gewahr werden, was für eine unbeschreibliche Freude es für Ihn sein muss, wenn es Menschen gibt, die Ihm zutrauen, nur weil Er es gesagt hat, und die sich durch keine Berge von Hindernissen abhalten, Ihm das zu glauben, dass Er nie in Verlegenheit kommt, und dass Er mächtiger ist als alles Todeswesen.

Die Einführung der Beschneidung geht der Geburt Isaaks um dreizehn bis vierzehn Jahre voraus. Abraham war neunundneunzig Jahre alt, als Ismael beschnitten wurde (1Mo 17:24.25). Ismael entstammt auch dem Haushalt des Glaubens, ist also nicht das Erzeugnis reinen Unglaubens, sondern das Ergebnis einer allerdings sehr bedenklichen Vermischung von Glauben und Selbsthilfe, wo man nicht an das Ende seines eignen Ichs gekommen ist, aber im Glauben lebt und auch den Verheißungen Gottes ihren Raum lässt.

Jenes ganze Vorgehen Abrahams und Saras, das zur Erzeugung Ismaels führte, darf nicht gebrandmarkt werden als einen Abfall von Gott, als schieren Unglauben. Das wäre Unrecht im höchsten Grade. Sowohl Abraham wie Sara wurden dazu veranlasst durch ihren Glauben an die Verheißungen Gottes (s. die Auslegung des Galaterbriefes: Frei von Gesetz). Nur konnten sie nicht warten, bis Gottes Zeit gekommen war. Das ist nicht nackter Unglaube, nicht Verneinung des göttlichen Wortes, wohl aber gewissermaßen eine Entgleisung, eine Kundgebung fleischlicher Ungeduld.

Die höchste Bewährung des Glaubens wurde ihnen erst durch dreizehnjähriges Warten nach der Geburt Ismaels. In den dreizehn Jahren des Schweigens gab es keine Offenbarung, gewiss eine Zeit schwerer Prüfung. Abraham war auf sich selbst angewiesen und durfte beobachten, was ihm aus der Hagar entstanden war.

Ismael ist also das Ergebnis d e s Glaubens, der noch nicht die höchste Läuterung erfahren hat, der noch nicht durch geduldiges Ausharren bewährt ist bis aufs Äußerste, der noch nicht mit den letzten Möglichkeiten gerechnet hat, die sich dem menschlichen Denken und Überlegen bieten. –

Gott aber kann warten; und Er lässt auch Seinen treuen Knecht Abraham warten, weil Gott Seiner Sache ganz sicher ist. Er kommt ja nie in Verlegenheit. So konnte Johannes der Täufer sagen: „Gott vermag aus diesen Steinen Kinder zu erwecken“ (Mt 3:9).

Nun aber ist der Sohn der Verheißung geboren, und durch die Beschneidung (1Mo 21:4) muss es sich zeigen, dass der Weg des Glaubens auch des verheißenen Sohnes und Erbes ein Weg ist, der das Abtun des Unrats am Fleische als seinen Grund hat. So wird schon der unbewusste Lauf des Kindes der Verheißung gekennzeichnet als Opfergang, bei dem es aufs Blutvergießen ausging.

Das Wort in Röm 15:8 ist eine merkwürdige Anwendung der Schrift. Das Kindlein Jesu wurde ja auch beschnitten am achten Tage. Paulus sagt nun sehr bezeichnend, Jesus sei der Beschneidung unterworfen worden um der Wahrheit Gottes willen, nicht weil Er Selbst eines Abtun des Unrats am Fleische benötigt hätte, sondern weil es sich um die Erfüllung aller Gerechtigkeit Gottes handelte.

Zufall war es gewiss nicht, dass Abraham hundert Jahre alt war, als Isaak geboren wurde (1Mo 21:5).

Ein großes Fest wurde nicht bei der Geburt oder der Beschneidung Isaaks gefeiert, ähnlich wie bei unsrer Tauffeier, sondern bei seiner Entwöhnung (1Mo 21:8), da er nicht mehr an der Mutter hing und eine gewisse Selbständigkeit erlangt hatte.

Das wird eine geistliche Bedeutung haben. Der größte Freudentag ist nicht der, da ein Mensch zur Kindschaft kommt, sondern da ein Kind Gottes zur Entwöhnung gelangt; wenn es dahin kommt, dass ihm statt der Milch feste Speise geboten werden darf.

Die Freude über die Geburt eines Kindes Gottes ist wohl berechtigt, aber es sieht gar traurig aus im Haushalt des Glaubens, weil noch so viele Kinder mit der Milchflasche herumlaufen, Milch verdünnt mit Wasser und Zucker! Wie wenig Freude ist im Hause Gottes über die Entwöhnung! Es wird sogar als etwas Fragliches, Bedenkliches erachtet, wenn Kinder Gottes das Verlangen haben, weitergeführt zu werden in der Erkenntnis und Liebe Gottes.

Vertreibung der Magd

Die richtige Deutung der Sara und Hagar gibt uns der Galaterbrief (s. Ströter: Frei vom Gesetz). Für den natürlichen Sinn ist die in 1Mo 21:9-13 berichtete Geschichte der Austreibung der Magd mit ihrem Sohne Ismael eine große Härte, aber die Weisheit der Weisen soll an diesem Wort zuschanden werden.

Wenn ein Mensch Gottes, der im Glauben wandelt, wirklich zur Erlangung der Kindschaft gebracht worden, und diese Kindschaft zu einer gewissen Reife und Mündigkeit gekommen ist, dann stellt es sich heraus, dass die früheren Früchte unsers Glaubenslebens unsrer spotten (1Mo 21:9) und nicht dem entsprechen, was wir von ihnen erwarten zu dürfen glauben, ja dass sie eine tiefwurzelnde Gegensätzlichkeit oder sogar Feindschaft bedeuten gegen das Kindschaftsverhältnis. Diese Erscheinung ist uns gar nicht fremd.

Auf dem Boden der großen Reichsführung Gottes mit Israel tritt uns deutlich entgegen, dass der natürliche Same Abrahams sich erweist als der ausgeprägteste Gegner, da der große Isaak erschien. Sie waren Kinder der Hagar, nicht der Verheißung Kinder. Sie entstammten dem Haushalt des Glaubens wie Ismael, aber sie trachteten ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten. Und Ismael treibt Mutwillen mit Isaak und spottet sein! Dann aber muss Ismael hinausgestoßen werden! Das hat Gott im großen Stiel getan. Das ganze Volk Israel, die Kinder des Reichs in die äußerste Finsternis hinausgestoßen und F r e m d e kommen zur Kindschaft (Gal 4:28-31).

Ismael ist nicht verdammt, nicht verloren. Es ist keine Rede davon. Er ist nicht verflucht, sondern hat eine große Verheißung (1Mo 21:13). Er ist ein großes Volk im großen Haushalt Gottes geworden, weil er Abrahams Same ist. Gott hätte ja Ismael von wilden Tieren zerreißen lassen können. Er hat es aber nicht getan, weil Er ihn vielmehr gebrauchen wollte.

Es ist ja bekannt, dass der Islam zu seinen Hauptträgern die Söhne Ismaels hat, und auch, welch große Bedeutung er hat zur Züchtigung einer verderbten Christenheit. Unheimlich ist das Vordringen des Islams, und eine entnervte Christenheit, die zu Hause den Abfall predigt, darf gewiss sein, dass Gott diese Zuchtrute noch nicht zurücknehmen, sondern weiteren Gebrauch davon machen wird.

Die Zukunft dieses Volkes aber wird geschildert im Zusammenhang mit einer der großartigsten Verheißungen für das Volk Israel im Propheten Jesaja, wo die Nachkommen Ismaels deutlich mit Namen genannt sind (Jes 60:7), wie das weiter oben schon berührt worden ist. Wenn Gott Sein Volk herstellen wird, dann wird auch Ismael sich zum Herrn bekehren. Hüten wir uns, einen verkehrten Maßstab zu gebrauchen und aus der Schrift herauszulesen, was nicht drinnen steht.

Es gibt nicht bloß Gerettete und Verdammte; es gibt auch sich durch Jahrtausende hindurchziehende Verwaltungen, Einrichtungen, Ordnungen, für die wir um der Untreue des Haushaltes des Glaubens willen jetzt noch keine befriedigende Lösung finden können, die aber von Gott zu schweren Züchtigungen benutzt werden, -- eine ernste Kehrseite für den einzelnen Gläubigen.

Es gibt also ein Glaubensleben, das zwar die Kindschaft einschließt, aber nicht zur Erbschaft führt. Aus dem Ismael wird kein Isaak! Jede Möglichkeit also, mit uns selbst zu rechnen, müssen wir in den Tod geben; und solange ein Mensch auch im Glauben noch mit den Werken des Fleisches umgeht und sein Heil dadurch fördern will, verschließt er sich die Freiheit und das Erbrecht eines Kindes. Er geht nicht verloren, aber er erbt nicht mit dem gläubigen Isaak, mit den Söhnen der Freien.

Es ist schwieriger, sich von diesen Erzeugnissen zu trennen, die mit dem Glauben vermengt sind, als den eigenen Willen aufzugeben. Da kommen furchtbare, tiefe Gebundenheiten zum Ausdruck. Gott aber sagt: „Lass dir es nicht missfallen des Knaben und der Magd halben“ (1Mo 21:12).

Es gibt unendlich viel Ismael-Christentum heutzutage, das mit Werken umgeht, aber auf dem Boden des gläubigen Bekenntnisses steht. Eine Abneigung Ismaels gegen Isaak ist auch da. Beide sind ja Kinder Abrahams. Doch die Schrift ist unerbittlich; sie sagt: „Treibe die Magd hinaus mit ihrem Sohne“ (Vers 10); er soll nicht erben mit dem Sohne der Freien. Das sind Dinge, die uns in tiefster Seele bewegen, die etwas unsagbar Schmerzliches für uns haben, und mit denen wir uns an der Hand der Schrift auseinandersetzen müssen, damit wir nicht des Vorrechtes verlustig gehen und Ismaele werden.

„In Isaak soll dir der Same genannt werden“ (1Mo 21:12), nämlich Christus und die dem Christus angehören (1Kor 12:12), die durch das Evangelium zu wirklicher Freiheit berufen sind, die natürlich dann auch zur Entwöhnung kommen müssen, die ausreifen und dann hinaufgelangen zu dem Maße des vollen Wuchses des Christus (Eph 4:13). Alles das kann es ja auf dem Boden eines bloß ismaelitischen Christentums nicht geben. Darin aber liegt der Schlüssel für die schmerzliche und doch aber auch befreiende Lösung der peinlichen Lage, in der sich die Kinder des Glaubens dem Ismael gegenüber befinden, der heute das „Heft“ in der Hand hat im Haushalt des Glaubens.

Der Magd Sohn schwingt die Geißel im Hause Gottes über die Söhne Isaaks. Das ist tief erschütternd. Aber der Magd Sohn wird nicht erben mit dem Sohn der Freien. Darum hat kein Brief höhere Bedeutung für die Gläubigen von heute als der Galaterbrief, der von der Freiheit handelt, zu der Christus uns befreit hat. Und das ist so schwer zu erkennen, weil wir umgeben sind von einem ungemein tätigen evangelisierenden Ismaeltum, da man unsrer spottet.

Indes wollen wir uns darüber nicht aufregen und uns hüten, mit fleischlichen Waffen dagegen anzukämpfen, auf dass wir uns nicht unsrer Freiheit begeben. Wir wollen dabei bleiben: „Sind wir Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi“ (Röm 8:17).

Abimelech redet mit Abraham

Der folgende Abschnitt beginnt mit den Worten: „Zu derselbigen Zeit redete Abimelech ... mit Abraham“ (1Mo 21:22). Das war also nicht von ungefähr und hing wohl damit zusammen, dass die Geburt des für den Philister unerwarteten, von dem gläubigen Abraham jedoch längst erwarteten Sohnes der Verheißung einen tiefen Eindruck auf den uns als gottesfürchtig erkannten Philisterfürsten gemacht hat. So bringt ihn diese Erweisung der Kraft Gottes zu Abraham.

Darin liegen ganz verwandte Züge mit dem, was wir bei des großen Isaaks Geburt finden. Da kamen die Weisen aus dem Morgenlande, Ihn anzubeten und taten ihre Schätze auf. In der Prophetie des Jesaja findet sich derselbe Zug (Jes 60:6; vgl. Ps 72:10.11). Sowie der Same der Verheißung, der Sohn Gottes in die Erscheinung tritt, geht eine mächtige Bewegung auch durch die außerhalb des Glaubenshaushaltes liegende Völkerwelt. Das ist von hoher Bedeutung und köstlich für uns zu erkennen. Durch die Geburt Isaaks wird der Philisterfürst zu der Anerkennung gebracht, dass Gott mit diesem seltsamen Fremdling Abraham sei.

Derselbe Zug findet sich in Joh 17:23: Ich bitte, „dass sie zu vollendeter Einheit gelangen, auf dass die Welt erkenne, Du habest Mich gesandt“, nur ist er hier tiefer und großartiger durchgeführt. – Von der zukünftigen Gemeinschaft der Söhne Gottes mit dem Sohne Gottes werden Kräfte ausgehen, die die Welt, den Philister, zu den Füßen des Sohnes Gottes bringen werden, wovon eine Gesundung der Welt ausgehen wird.

Abraham geht nun ein Bündnis ein, aber nicht ohne Gericht. Zuerst muss klargelegt werden, dass Abimelech sich an Abraham und seinem ganzen Haushalt versündigt, dass er ihm einen Wasserbrunnen genommen hat, den nicht der Philister gegraben (1Mo 21:25).

Die Gesundung der Welt kann nicht eher erfolgen, als bis sie erkennt, dass nur die Männer des Glaubens Wasserbrunnen graben. „Wer an Mich glaubt, wie die Schrift sagt, von des Leibe werden Ströme des lebendigen Wassers fließen“ (Joh 7:38). Das Vornehmste, was uns von Isaak gemeldet wird, ist, dass er einen Wasserbrunnen nach dem anderen gegraben hat.

Abraham legt ein kostbares Zeugnis ab von der hohen Bedeutung der Wahrheit des Opfers durch die Schlachtung der sieben Lämmer (1Mo 21:29.30), um etwas zwischen Gott und Menschen in Ordnung zu bringen. Die Zahl bedeutet eine göttliche Vollkommenheit. Aufgrund dieser einfachen sinnbildlichen Handlung vollzieht sich das Bündnis zwischen Abraham und Abimelech. Daher kommt auch die Namensgebung (1Mo 21:31) Beerscheba. In Scheba finden wir dieselbe Wurzel wie in Sabbath, Sieben.

Einführung des ewigen Gottes

In 1Mo 21:33 begegnet uns zum ersten Mal in der Schrift der Name „ewiger Gott“, der Gott der Zeitalter (olam). Vor der Geburt Isaaks kommt dieser Name nie vor (s. Ströter: Was versteht die Schrift unter Ewigkeit?). Aus dem Zusammenhange wird uns klar, warum er erst jetzt in die Erscheinung treten kann. Er hat zu seiner Voraussetzung das Erscheinen des verheißenen Samens, des Erben der Verheißung, der ein Abbild ist des Vollstreckers all der großen Gedanken und Absichten, Wege und Ziele Gottes mit Seiner ganzen Schöpfung, die beschlossen sind in Dem und für Den Er diese wunderbare Anordnung der Zeitalter getroffen hat.

Sie haben keinen andern Zweck als der Rahmen und Boden zu sein, auf welchen sich in geordneter Folge nach Seinem göttlichen Plan die verschiedenen mannigfaltigen Schätze der Herrlichkeit, Macht und Weisheit des Sohnes Gottes entfalten sollen. Dazu gebraucht Gott die Zeitalter. Das kann jedes einfache Kind Gottes begreifen.

Gott greift in der Offenbarung des Sohnes keineswegs mit Augenblickserscheinungen ein, sondern Er nimmt Sich Zeit. Zunächst einmal sehr viel Zeit, um nur eine auserwählte Linie in der Menschheit, um eine dünne Linie im auserwählten Volke, die immer dünner und dünner wird, um nur die wenigen Auserwählten auf die Erscheinung des Herrn vorzubereiten.

Es war ein kleiner Kreis, der wirklich auf den Trost Israels wartete. Und als der Sohn Gottes da war, strömten Ihm zuerst helle Haufen zu, die sich speisen, trösten, segnen ließen. Wie viele aber harrten bei Ihm aus? Eine ganz kleine Auslese! Die Anderen dachten nicht an die Gedanken Gottes; es war ihren Augen verborgen. „Viele sind berufen, aber Wenige sind auserwählt“ (Mt 22:14).

Und in unserem Zeitalter sehen wir dasselbe. Vor den Ohren vieler Völker wird geredet von großen Dingen und doch wie wenige sind es, denen Gott wirklich das Geheimnis Seines Willens kund tun kann in Christo Jesu. Die große Masse der Gläubigen bleibt ja bei sich selbst hängen und sieht das ganze Heil Gottes nur in dem engen Rahmen der eigenen Seligkeit. Die Christenheit kennt Ihn – natürlich. Er hat uns ja geheilt, gesund gemacht! Erfahrungschristentum haben wir massenhaft. Gerade wie damals! Massen hatten Erfahrungen gemacht, konnten stundenlang davon reden: o, wer kennt d e n Jesus nicht! Aber als sie den Weg gehen sollten, den der Sohn sie gehen hieß, da flohen sie! Vor solchen Vorkommnissen brauchen wir nicht zu erschrecken. Dass sich solche Linien wiederholen, ist ein schlagender Beweis, dass wir uns auf richtiger Fährte befinden.

Es ist sehr beschämend, wie viele treue Knechte Gottes sich hinreißen lassen zu einem anderen Evangelium, das doch kein Evangelium ist, z. B. das Evangelium der Volksseele. Wir müssen dem Volke die Religion erhalten, die Volksseele erneuern: so schwirrt es um uns her. Natürlich können sie das; aber sie sollen sich nur nicht beikommen lassen, die Gedanken Gottes erkannt zu haben.

Das Christentum, das so und so vieler Stützen bedarf, um sich erhalten zu können, ist ein Fehlschlag. Es ist gar nicht zu verwundern, dass ernste, denkende Menschen keine Achtung haben vor einem Christentum, das gestützt und gepäppelt werden muss. Das ist kein sieghaftes Christentum, das die Welt überwindet.

Der „ewige Gott“. Johannes sagt: „Ich habe euch Vätern geschrieben, weil ihr den kennet, der von Anfang ist“ (1Jo 2:14), Der die Anfänge gesetzt hat und natürlich auch die Ziele, in einer geordneten Folge von Zeiträumen, deren jeder Einzelne einem besonderen Zweck, alle insgesamt aber dem einen großen Endziele dienen, die Herrlichkeit des Sohnes zur Entfaltung zu bringen.

Es ist ja noch kein Kalender für die Zahl der Zeitalter (Äonen) gesetzt, aber einen Blick bekommen wir dafür aus Eph 2:7. Alles, was heute geschieht, ist nur Anbahnung für das Größere (Joh 14:12), und erst aus diesem Hervorbrechen aus den himmlischen Räumen wird ein neuer Fluss in die Zeitalter kommen und werden diese eine neue Füllung empfangen.

Abraham ließ sich durch seine Stellung in der Welt nicht aus der Fremdlingsstellung herausbringen (1Mo 21:34). Wenn uns auch die Welt dient, soll sie uns niemals aus der Fremdlingsstellung herausreißen dürfen. Nichts soll uns veranlassen und bewegen, sie aufzugeben.

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Gott versucht Abraham

Der Anfang von 1Mo 22:1: „Nach diesen Geschichten versuchte Gott Abraham“, ist ein deutlicher Wink, dass in diesen Darstellungen alles in einem bestimmten, gottgewollten Zusammenhang steht, dass auch in der Anordnung des Stoffes nicht die Willkür des Schreibers das Bestimmende gewesen ist, sondern der Wille Gottes.

Isaak ist nun ein heranwachsender Jüngling und weiß wohl schon etwas von den Dingen, um die es sich handelt. Das geht aus seiner Frage in 1Mo 22:7 hervor.

„Gott versuchte Abraham“: ein scheinbarer Widerspruch zu Jak 1:13, wo es heißt: „Gott versucht niemand“. Doch „Gott ist kein Versucher zum Bösen“: darin liegt der Unterschied. Versuchen heißt in diesem Sinne nur: auf die Probe stellen. Gott versucht die Menschen, nicht um sie zur Untreue zu verleiten, sondern um zu erkennen, ob sie unter versuchlichen Umständen wirkliche treu sein würden. Das ist berechtigt und verständlich.

„Hier bin ich!“ Hier und später auf Morija ist dies das einzige Wort aus Abrahams Munde an Gott. Abraham ist bereitwillig, weitere Mitteilungen von Gott entgegenzunehmen. Gott hat den schließlichen Ausgang der Sache in Seiner Liebe und Weisheit dem Abraham verborgen gehalten. Dadurch gewinnt diese Handlung Abrahams an Unmittelbarkeit und Frische, und an wirklicher Bedeutung als eine Tat des unbedingten Glaubensgehorsams, auch wo man ihre Tiefen gar nicht ermessen kann.

Dass diese Bereitwilligkeit nicht nur eine oberflächliche war, ergibt sich aus dem ganzen Zusammenhang. Sie ist kein: „Ja, Herr, aber ...“. Gott ist weit gekommen mit Seinem Freunde Abraham. Das hätte Gott gar nicht tun können vor zwanzig Jahren. Das wusste Gott; daher geschieht auch diese scharfe Prüfung nicht früher. Erst musste der Sohn der Verheißung geboren werden, den Abraham drangeben sollte, wie ja in allem, was Gott tut, eine gewisse Selbstverständlichkeit liegt.

Gott versteht es gut, uns dahin zu bringen, ohne Widerstand auch den liebsten Isaak dranzugeben; man soll nur Geduld haben und warten. Nur keine ungesunden Treibereien, da man meint, auf einer Glaubenskonferenz fix und fertig geworden zu sein, und nachher kommt alles ins Wanken, weil man sich in eine geistliche Fieberhitze hineingearbeitet hat, die kaum länger dauert, als man Zeit gebraucht hat, sie sich zu kaufen. O was wird da gesündigt an der Gemeine Gottes!

Das hängt aber damit zusammen, dass man Gott nicht nachgeht in Seinen Spuren, und dass man an den Abc-Büchern achtlos vorübergeht. Aber „alle diese Schrift ist nütze zur Belehrung, zur Bestrafung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, auf dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werke ausgerüstet“ (2Tim 3:16). Unser Gott versteht es vorzüglich, mit Seinen Kindern ans Ziel zu kommen, wie wir in Phil 1:6 lesen: „Der in euch angefangen hat das gute Werk, Der wird es auch vollführen bis an den Tag Jesu Christi“. Vor Gott stille werden und Ihm das zutrauen, ist das Größte dabei, größer als all der fromme Übereifer, mit dem man sich und andere abplagt.

„Hier bin ich!“ Abraham ist bereit, unbedingt seinem Gott gehorsam zu sein. Das wusste Gott; und nicht eine Stunde früher kommt Er mit Seiner solch furchtbaren Anforderung an Seinen Knecht heran. Gott war jetzt Seiner Sache ganz sicher.

Viermal unterstreicht Gott Seine Anforderung (1Mo 22:2): „deinen Sohn“, „deinen Einzigen“, „den du lieb hast“, den „Isaak“, in dem er sich selbst ein Lachen bereitet hatte. Er enthüllt ihm schonungslos die ganze Lage; und Abraham wird es gemerkt haben, dass in diesen Bezeichnungen eine deutliche Anspielung lag, es gälte hier einen vollständigen Bruch mit dem bei Abraham so zähen Festhalten an dem für ihn nicht leicht vergessenen Ismael.

Solch ein zähes Hängen an den Ergebnissen unseres Glaubenslebens sitzt tief und ist auch so menschlich. So schnell kommt man innerlich nicht davon los. Der andere Sohn ist ja draußen in der Wüste: das wird Abraham nie vergessen haben. Gott sagt hier aber: der zählt nicht mit; Isaak hier ist dein Einziger. Der Sohn der Magd soll nicht erben mit dem Sohn der Freien.

Es herrscht unter den Forschern kein Zweifel, dass unter dem Berg Morija, auf den Abraham gewiesen wurde, derselbe ist, auf dem später der Tempel Jehovas gestanden hat, wo der Brandopferaltar errichtet war. Das ist für uns eine nicht bedeutungslose Tatsache. Wir sind heute noch im Stande, diesen Hügel mit großer Sicherheit festzustellen als die erste Opferstätte, von der wir wissen, dass Jehova den Befehl gab, da sollte Ihm Brandopfer dargebracht werden.

Es verlautet nichts, dass Abraham mit seinem Weibe geredet habe. Dieses Schweigen ist ganz natürlich zu erklären aus der Zurückhaltung gegenüber der Mutter, die ein Vater übt, der solche Dinge viel lieber in seinem Herzen bewegt, als sie seinem Weibe zu sagen. Sara wird nicht befragt, zu Rate gezogen, auch nicht in demselben Sinne „versucht“, auf die Probe gestellt. Sie tritt unverkennbar in den Hintergrund.

Abraham auf dem Berg Morija

Auch seinen Knechten gestattet Abraham nicht, noch weiterhin Zeugen dessen zu sein, was sich nun begeben sollte (1Mo 22:5). Der Vorgang vollzog sich zwischen Abraham, Isaak und Gott allein. Ganz ruhig ordnet er an, dass seine Knechte zurückbleiben müssen. Was Abraham ihnen gegenüber ausspricht, darf nicht als eine fromme Täuschung ausgelegt werden. Denn der Geist Gottes bezeugt (Hebr 11:12): „Abraham dachte, Gott kann auch wohl von den Toten erwecken“. Damit zählte er; von diesem Glauben war er überführt, durchdrungen. Er stand also klar auf dem Boden der Auferstehungswahrheit. Das ist ein genügender Schlüssel für die Weisung an die Knechte zum Zurückbleiben mit der angegebenen Begründung.

Dass Isaak das Holz trägt zum Brandopferaltar (1Mo 22:6) ist eine köstliche Abschattung dessen, was wir später an dem großen Isaak sehen, Der Sein Kreuz trug! Feuer und Messer aber trägt der Vater.

In diesem Gange Abrahams nach Morija spiegelt sich ohne Trübung der Abglanz des tiefen Liebesrates Gottes vor den Ewigkeiten wieder, Seinen eingebornen Sohn dahinzugeben, das Ziel der göttlichen Gedanken. Darin gipfelt diese ganze Handlung, viel weniger in der Größe des Opfers, das Abraham gebracht hat.

Das ist das Herrlichste an diesem ganzen Vorgang, dass es Gott gelungen war durch Jahre und Jahrzehnte hindurch Schritt um Schritt, Lehre um Lehre, Unterweisung um Unterweisung, Führung um Führung, unvermerkt, ohne dass Er klar sehen konnte, Abraham dahin zu bringen, dass dieser Hauptgedanke in dem Herzen Gottes von Ewigkeit her in Abraham sich deutlich wiederspiegelte, so dass Gott Seine helle Freude daran haben konnte, wie das in 1Mo 22:16 zum Ausdruck kommt. -- Das war die Wiederherstellung des göttlichen Ebenbildes in dem gefallenen Menschen. Das Meisterstück Gottes in Abraham war also gelungen. Darum auch konnte Gott eine Bekräftigung Seiner großartigen Zusagen gewähren.

Wenn das unserm Gott möglich ist mit einem selbstsüchtigen Geschlecht, dann sind Ihm alle Dinge möglich. Man mag nachgraben und den Wurzeln nachspüren, die so tief in unser Wesen hineingedrungen sind und die menschliche Art so furchtbar verderbt und vergiftet haben, so dass sie sich satanischen Verführungsmächten zu irgend welchen Teufeleien ausliefert, wie das am erschrecklichsten dem Sohne Gottes zutage getreten ist: wenn es aber Gott möglich war, in der Schule des Glaubens in Abraham einen Menschen mit solchen Anlagen und Fähigkeiten wie wir, in dem die gleichen Möglichkeiten lagen wie in jedem Sohne Adams, dahinzubringen, so ganz zu handeln, wie es dem Herzen Gottes gefällt, dann brauchen wir nicht zu verzagen.

Abraham ist ein Musterbeispiel Gottes davon, was Gott fertig bringt in der Schule des Glaubens mit einem Geschlecht, wie wir sind, so dass auch der verlorenste Mensch festen Mut fassen kann, wenn anders er bereit ist, sich von Gott den gleichen Weg führen zu lassen.

Der Gipfel der Erziehung Gottes bei Abraham ist die Drangabe des einzigen geliebten Isaaks.

Es wäre ja bei ihm auch ein gewaltiges Opfer gewesen, wenn Gott die Opferung Ismaels gefordert hätte. Aber es handelte sich um die Drangabe dessen, was ihm von Gott gegeben war, des Trägers aller ihm gemachten Verheißungen. Abraham musste lernen, auf nichts, was von Gott ausgegangen war, in letzter Linie auf keine Gabe Gottes mehr zu blicken, sondern nur noch auf den lebendigen Gott Selbst. Er stand jetzt ganz ausschließlich dem Gott gegenüber, der „verheißen“ hatte und Der nun die Forderungen an ihn stellte, die Erfüllung der Verheißung in den Tod zu geben vor Ihm und dennoch an Ihm festzuhalten.

Und das brachte Gott mit Abraham fertig, als Isaak ihm die herzzerreißende Frage stellte: Wo ist das Lämmlein zum Brandopfer? Gewiss ist es uns nicht verwehrt, zu glauben, dass in dem Herzen des Abraham noch ein Schimmer von Hoffnung gewesen ist, Gott möchte noch einen Ausweg wissen, dass ihm das Schaurigste erspart bleiben möchte; in seinen Handlungen aber ist das nicht zu erkennen.

Wie viel liegt Gott daran, uns Glaubensmenschen dahinzubringen, dass wir zurückgeführt werden auf den nackten Glauben, auf die unbedingte, schlechthin einzige Zuversicht: Gott kann unter allen Umständen Sein Wort wahr machen, auch wenn uns alles genommen wird. Darin liegt ja das Abgrundtiefe unsers Verderbens, unsrer Untüchtigkeit, dass wir dieses Vertrauen auf Gott haben wankend machen lassen; und eher kann Gott Seine Schöpfung nicht zur Wiederherstellung bringen, als bis auf den Boden der Menschheit das vollständig ausgeheilt ist. Erst dann kann Gott weiter gehen.

Dass Gott die Offenbarungszeitalter im weitesten Rahmen benutzt, um von allen Seiten her Sein Wort in Frage stellen zu lassen, ist uns ja nicht verborgen. Die echten Kinder Gottes dürfen durch nichts mehr wankend gemacht werden, sondern müssen sich allein auf den nackten Glauben stellen lassen. Unsere Erfahrungen lässt man uns, sowie es aber an das ungebrochene Wort Gottes geht, da entbrennt das Höllenheer.

Der Kampf wird noch heißer werden, und die Kinder Gottes werden nachher ausgezogen dastehen und nur noch das nackte Wort Gottes haben. Haben sie es nicht, dann werden sie eine Beute des Feindes. Darin liegt der Triumph unsers Gottes und die Bürgschaft Seines vollständigen Sieges über alle Machenschaften der Finsternis, wenn wir bei dem nackten Glauben stehen bleiben.

Bis die Verheißung von 1Mo 22:17 ausgeführt ist, braucht es noch einige Zeitäonen. „Die Tore Seiner Feinde“ ist nicht zu beschränken auf die Tore der Kananiter. Unser Kampf ist nicht wider Fleisch noch Blut; himmlische Feinde des Samens Abrahams gehören auch dazu.

Gott ist in Tausenden von Jahren an ganzen Völkern vorübergegangen und nur Seinen Weg auf einer schmalen Linie weitergegangen. Und nun sollte Gott ungezählte Menschengeschlechter preisgeben? Nicht nur die Zukünftigen werden bei dem in Vers 18 verheißenen Segen an die Reihe kommen, sondern auch die längst Verstorbenen.

Wo ist in 1Mo 22:19 Isaak geblieben? Er war ohne Frage bei dem Heimkehrenden. Dass er nicht genannt wird, ist sicher kein Schreibfehler des Mose. Als Schattenbild konnte es nicht geschickter dargestellt werden, dass man den Eingebornen, der aus dem Tode wiedergegeben ist, nicht wieder malt. Man lässt ihn im Geist auf der Höhe bleiben, allein mit dem Gott Abrahams. Das hat seine tatsächliche Erfüllung gefunden, als der Sohn Gottes nach der Opferung Sich zurückgezogen hat und nicht mehr unter Seinem Volk erschien, „damit die Schrift erfüllet würde“.

In den kurzen Worten der 1Mo 22:20-22 darf man den Anfang der Erfüllung der großen Zusagen von 1Mo 22:17 an Abraham erblicken. Die gesamte Verwandtschaft Abrahams nimmt schon teil an der verheißenen Mehrung. Wir haben also hier ein Angeld darauf. Zugleich wird am Schluss eine neue Persönlichkeit eingeführt (1Mo 22:23). Sara muss sterben, denn sie ist nur ein Schattenbild des himmlischen Jerusalems, unser aller Mutter, die nicht stirbt.

Der Reichtum göttlicher Gedanken ist so groß, dass eine Erscheinung nicht genügt, a l l e Seiten dieser Wahrheit hervorzuheben. Sie macht Raum zunächst für Rebekka, dann für Ketura, die Abraham viele nachgeborne Kinder bringt – ein Zug, der etwas Großes, Köstliches für unser Erwägen und Betrachten hat.

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Sarahs Begräbnisstätte

Eine eigentümliche Geschichte wird uns in diesem Kapitel erzählt, die einen Blick in die morgenländischen Verhältnisse gewährt, wie sie noch heute dort zu finden sind. Man kann da einen ganzen Ölbaumgarten kaufen, ohne dass einem das Grundstück gehört, und umgekehrt. Man kauft Baulichkeiten, ohne sich um das Grundstück im Geringsten zu bekümmern. Eigen angemutet wird man auch von der umständlichen höflichen Art, mit der der Handel abgeschlossen wird, auch heute noch. Man sieht, die Schriften sind auf dem Boden des Landes gewachsen und tragen das Gepräge der Völker in jenem Lande. Doch das berührt uns ja nur äußerlich.

Hier handelt es sich um das Begräbnis der Sara. Die Hethiter waren ein hervorragendes Volk des Altertums. Die Forscher graben merkwürdige Baudenkmäler aus der Hethiterzeit aus und haben uns allerlei Wissenswertes von ihr zu melden. Hier sehen wir aber, wie sich Abraham in diesem Geschäftshandel verhält. Einen verwandten Zug fanden wir bei der Verhandlung Abrahams mit dem Könige von Sodom (1Mo 14:22.23).

Die Hethiter erweisen sich ungemein ehrerbietig gegen Abraham (1Mo 23:6): „Du bist ein Fürst Gottes unter uns“. Das sind prophetische Züge von dem, was in der Völkerwelt geschehen wird, wenn Gott durch den Samen Abrahams alle Seine Gedanken hinausgeführt haben wird, wenn alle Völker sich vor Israel beugen werden.

Durch die schönen Worte (1Mo 23:11) lässt sich Abraham nicht bestricken. Er anerkennt das freundliche Entgegenkommen der benachbarten Hethiter, aber er hält sich seinen Rücken frei; es kommt ihm nicht in den Sinn, sich durch ein Geschenk binden zu lassen.

Wenn das die Gemeine Gottes verstanden, und sich niemals von der Welt etwas hätte schenken lassen, dann sähe es anders um sie aus. Aus jener Pipinschen Schenkung an die Kirche Roms ist der unselige Kirchenstaat geworden! Was hat das für Fluch gebracht?

Wie ernst hat Abraham das Wort genommen, ein Fremdling zu sein im verheißenen Lande. Der Heilige Geist bestätigt es in Apg 7:5. Nicht einen Fuß breit soll er im Lande besitzen. Das kommt noch! Hier erwirbt er nicht mehr als unbedingt nötig ist, um seine Tote zu bestatten; für den Bedarf seines lebenden Haushalts jedoch, um sich etwa dauernd niederzulassen, kauft er nichts an. Aus inneren Drang sah er sich genötigt, jenes Stück Land zu erwerben. Seine Berufung verstand er zu gut, als dass er sich etwas hätte schenken lassen – ein schlagender Beweis dafür, dass Abraham bei seinen Lebzeiten sich niemals als den rechtmäßigen Besitzer des Landes angesehen hat.

Damals war er hundert und siebenunddreißig Jahre alt. Baron Rothschild sagte einmal, als man ihm nahe legte, er solle Palästina für seine Volksgenossen kaufen: Das gehört uns ja! Mit größerer Berechtigung als er hätte Abraham so sagen können; aber er betrachtete sich als Fremdling auf dem Boden des verheißenen Landes und will sich dort nicht festsetzen, in großer Keuschheit des Glaubens.

Die gläubige Gemeine hat es nicht verstanden, sich fort und fort als Fremdling anzusehen. Früh genug ist man dazu übergegangen, das Christentum als eine feste Anstalt ansässig zu machen. Wir bauen Kirchen, Kathedralen, Klöster, -- und mit welcher Pracht! – als ob sie bestimmt wären, für immer dazusein. Alle diese Einrichtungen kommen ohne Frage eines Tages zum Abbruch. Wir können aber noch gar nicht angeben, welchen Verlust wir durch dieses Ansässigmachen erlitten haben. Kein Mensch würde die Gemeine ernst nehmen, wenn sie heute sagen wollte: wir sind Fremdlinge. Die Welt würde lachen! Fremdlinge? Und dabei kauft ihr ein Haus ums andre?

Nicht so Abraham! Er hat großen Wert darauf gelegt, ein Fremdling zu sein und zu bleiben, dabei aber stets ein Zeugnis für den Glauben abzulegen, dass ihm das Land einst gehören werde (1Mo 23:19). Wenn z. B. Joseph einen Eid nimmt von seinen Brüdern und deren Kindern, seinen Leichnam mit sich zu führen, nachdem die Stunde der Befreiung aus Ägypten geschlagen haben würde, damit er in dem verheißenen Lande begraben werden könnte, so ersehen wir daraus, wie tief in den Herzen dieser Väter des Glaubens die Zuversicht ihrer eigenen leiblichen Auferstehung gelegen hat und wie für sie diese Auferstehung ihres Leibes im innigsten Zusammenhang gestanden hat mit dem Geschicke des Landes. Sie haben wohl klar erkannt, dass die eigentliche Erfüllung der Absichten und Verheißungen Gottes mit dem verheißenen Lande auf keine andere Weise geschehen würde als durch Totenauferstehung. So haben sie im Gehorsam des Glaubens, getragen von dieser prophetischen Erkenntnis, Befehl getan, dass ihre Gebeine ruhen sollen in dem verheißenen Lande, um auch darin ein Zeugnis zu hinterlassen, dass sie damit rechneten, Gott habe in ihrem ersten Leben auf Erden als Pilgrime und Fremdlinge Seine Verheißungen erfüllt. Sie haben die Erfüllung der Verheißungen Gottes deutlich erst gesehen auf dem Boden der Auferstehung. Es handelt sich dabei aber nicht um eine rein geistige Auferstehung, sondern um eine sehr wirkliche, leibhaftige Auferstehung aus den Toten.

So geht durch diese patriarchalische Auffassung der reale strengwirkliche Zug, der damit rechnet, dass Gott ihre Leiblichkeit und den Boden, das Land, dem sie ihre Leichname anvertrauten, an jenem Tage in einer ganz bestimmten Weise heimsuchen werde; und der Umstand, dass sie sterben würden, ohne des Landes teilhaftig geworden zu sein, bedeutet für sie kein Hindernis, zu erkennen, dass alle Verheißungen erst durch den Tod hindurch und vermöge der Auferstehung zu ihrer Erfüllung gelangen werden.

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9. Rebekka (1Mo 24-26)