Der "Amen und "der Jünger der da zeugt"

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nach dem gleichnamigen Buch von Andrew Jukes

"Der neue Mensch und das ewige Leben"

Gedanken über das zwölffache "Wahrlich, wahrlich!" des Sohnes Gottes im Evangelium Johannes



Einleitung: Der "Amen und "der Jünger der da zeugt"

1. "Das erste "Wahrlich, wahrlich" - Die Heimat des Neuen Menschen
2. Das zweite "Wahrlich, wahrlich" - Die Geburt des Neuen Menschen
3. Das dritte "Wahrlich, wahrlich"' - Das Gesetz des Neuen Menschen


Einleitung:

Der "Amen und "der Jünger der da zeugt"

Offb 3:14 Und dem Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe: Dies sagt der «Amen», der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes:
Joh 21:24 Das ist der Jünger, der von diesen Dingen zeugt und der dies geschrieben hat; und wir wissen, daß sein Zeugnis wahr ist.


Was ist Wahrheit?

Nichts kennzeichnet die heutige Zeit mehr als der Tod des Fragens und des Zweifels, der in so großem Maß alle Bereiche des Denkens und jede Schicht der Gesellschaft durchdringt. Es gab wohl zu keiner Zeit der Weltgeschichte so viel geistige Tätigkeit, Spaltung und Anarchie der Meinungen, als wir jetzt allenthalben um uns her erblicken. Die Wissenschaft hat so viele Felder eröffnet, wo überall noch Vieles ungelöst ist; - die Philosophie hat die Natur und ihre Abstammung des Menschen so tief ergründet und Vieles, was früher angenommen wurde, über den Haufen geworfen, wenig Gewisses aber an dessen Stelle gesetzt - während die immer komplizierter werdenden Zustände unter den Menschen uns zu Fragen über deren rechtmäßige Ansprüche und das ihnen widerfahrende Unrecht zwingen, auf welche von allen Seiten allerlei widersprechende Antworten erklingen, - vor allem ist die Kirche, welche eine Führerin und ein Licht der Menschen hätte sein sollen, so zertrennt und unfähig, sich selbst zu leiten, viel weniger denn die Welt - so dass Tausende fragen, ob es überhaupt eine Gewissheit für den Menschen gibt oder geben kann, ob nicht alles, was man als Wahrheit angenommen hat, nur Wahrscheinlichkeit ist, ob es daher nicht besser ist, zu bekennen, dass wir niemals über das Mutmaßen hinaus kommen können, selbst betreffs jener Punkte, über welche unsere innersten Seelen beständig dringend nach mehr Licht verlangen?

Nun aber gab es ein anderes Zeitalter, welches in vielen dieser Punkte dem gegenwärtigen glich, das Zeitalter nämlich, in welchem die Zivilisation der alten Welt zusammenstürzte, da nicht nur Griechenland und Rom bankrott schienen, wenigstens was das Forschen nach Wahrheit anbelangte, sondern wo auch Israel, welches zum Licht der Völker gesetzt war, wie die Sonne in Finsternis verwandelt wurde und wie der Mond in Blut. Wie immer, so war es aber auch damals: als die Nacht am dunkelsten war, brach der Morgen an. Mitten in jenes finstere Zeitalter trat derjenige ein, welcher dem Zweifel mit der Wahrheit begegnen konnte. Er war allezeit in der Welt gewesen, obgleich die Welt Ihn nicht kannte; Er gab jederzeit allen die, die Ihn aufnahmen, Licht und Macht, Gottes Kinder zu werden. Jetzt aber wurde Er Fleisch und erschien mit einem Glauben, welcher die Welt überwand, und mit einer Wahrheit, welche die Finsternis zu Licht machte. Er argumentierte nicht. Er war die Wahrheit und gab Zeugnis für die Wahrheit, und die, welche Sein Zeugnis annahmen, versiegelten es, dass Gott wahrhaftig ist, und dass Er Seine Geschöpfe nicht verlässt.

Der "Amen" in Person

Die Wahrheit lebt noch immer. Was Er damals sagte, das sagt Er auch jetzt. Himmel und Erde werden vergehen, aber Seine Worte vergehen nicht. Seine Geschöpfe bedürfen Seiner, denn Er hat sie für sich Selbst gebildet, und Er allein kann ihre Bedürfnisse stillen. Ihr Verderben war jene Lüge, welche ihnen den Tod brachte. Ihr Heil ist die Wahrheit, welche ewiges Leben gibt. Daher kam er zu jeder Zeit als Prophet, Priester und König lehrend, tröstend, herrschend, passte die jeweilige Offenbarung Seiner Selbst unserem jeweiligen Bedürfnis an, warnte, wo es der Warnung bedurfte, tröstete und half, wo man der Hilfe und des Trostes bedurfte. Hat Er keine Botschaft für ein zweifelndes Zeitalter? Kann er denjenigen keine Gewissheit geben, welche, der Meereswoge gleich, vom Winde getrieben und geschaukelt werden? Er erschien inmitten Israel, das durch die Sekten der Pharisäer und Sadduzäer verwirrt war; für diejenigen aber, welche Ihn aufnahmen, gab es eine Gewissheit und Ruhe. Ist Er denn jetzt fern von uns? Jener letzten apokalyptischen Gemeinde, welche, wie viele glauben, den Zustand der bekennenden Kirche gerade vor dem Wiederkommen unseres Herrn vorbildet und welche, obgleich frei von gewissen Sünden, die etliche der früheren Gemeinden schmerzlich entstellt hatten, mehr als alle anderen von einem Geist der Unwahrheit und des Selbstbetrugs beseelt war und von sich sagte: "Ich bin reich", und "nicht wusste", wie ihr Stand eigentlich war, dass sie nämlich bei allen Gaben "elend, jämmerlich, arm, blind und bloss sei" - dieser Gemeinde erscheint der Herr und redet zu ihr als "Amen, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Kreatur Gottes" (Offb 3:14-17). Sagt uns nicht dieser Titel, dass wir in Ihm Gewissheit im Zweifel, Hilfe in der Not haben können, wenn wir auf Seine Stimme merken?

Dieser "Amen" hat Selbst etliche denkwürdige Amen ausgesprochen, und vielleicht sind unter allen Seinen Worten keine anderen so wichtig, wie diejenigen, welche mit einem solchen wiederholten Amen beginnen, durch welches Er wie durch eine Trompete auf die so eingeleiteten Worte aufmerksam macht, als habe Er es vorausgesehen, wie schwer wir sie begreifen würden. Von den auf diese Weise aufgezeichneten Aussprüchen werden uns zwölf berichtet, und zwar alle in dem Evangelium des Johannes. Und wenn unter dem Gesetz das Amen das Urteil des treulosen Weibes besiegelte und das Wasser des Heiligtums in einen Fluch verwandelte, wenn sie die Hure gespielt hatte (4Mo 5:22), - wenn das Amen des Volkes Gottes dessen Fluch bestätigte, wenn es von Ihm abweichen und Gräuel tun sollte (5Mo 27:15-26) - wenn das Amen den Segen beschließt, der im Geist in der Gemeinde ausgesprochen wird (1Kor 14:16) - wenn dasselbe verdoppelte Amen die drei ersten Bücher der Psalmen, welche dem Alten und Neuen Bund zugehören, besiegelt und beschließt1 - was sollen wir dann von jenen Aussprüchen unseres Herrn selbst sagen, welche Er in Seiner verdoppelten Versicherung bezeichnet hat? Kann ich meinen Brüdern besser dienen, als indem ich ihre Aufmerksamkeit auf diese Amen hinlenke, welche von dem "Amen" ausgesprochen wurden - auf die treuen Aussagen des treuen une wahrhaftigen Zeugen?

1 Im Hebräischen sind die Psalmen in fünf Bücher aufgeteilt. Von diesen enden die drei ersten mit dem zweifachen Amen, welche die Septuaginta mit genoito, genoito übersetzt und die Vulgata; fiat, fiat. Unser Übersetzung bewahrt das hebräische Amen. Siehe Ps 41:14 - Ps 72:19 - Ps 89:53. Das vierte Buch endet mit Amen Hallelujah! Siehe Ps 106:48, wo die Septuaginta auch das zweifache genoito beibehält. Das fünfte Buch endet mit Hallelujah allein, siehe Ps 150:6.

Amen, Amen

Vorher aber schicke ich eine oder zwei Bemerkungen über die Form der Worte selbst voraus und über die Tatsache, dass dieselbe nur in einem der Evangelien vorkommt!

Was nun die Worte "Amen, Amen" anbelangt oder, wie Luther übersetzt, "Wahrlich, Wahrlich" - denn Amen bedeutet einfach "Wahr" oder "Wahrheit" (Siehe Jes 65:16 "Im rechten Gott" heißt im Hebräischen "Gott Amen") - bezeugt nicht schon diese Ausdrucksweise etwas von unserem Zustand und von der Gnade dessen, der wenn wir nicht das Flüstern Seiner Liebe vernehmen könnten, eine neuen und ungegewöhnliche Anredeweise gebraucht, wenn er nur irgendwie uns aufrütteln und in Gemeinschaft mit Sich ziehen kann? "Wahr, Wahr, Ich sage es euch", sagt die Wahrheit. Beweist nicht eine solche Sprache, dass wir des Lichtes bedürfen, dass wir schwerhörig sind und nur durch etwas Auffallendes zum Aufmerken gebracht werden können? Ist es nicht als sagte Er: Ich muss mit denen reden, die mir nur auf einen Eid hin glauben wollen oder als Zeugen in dem Gerichtshof? Denn dies ist ja nicht die Sprache eines Freundes zum anderen. Welcher Freund muss zu seinem Freund sagen: Amen, Amen, Wahrlich, Wahrlich? Es bekundet vielmehr eine Entfremdung - dass wir so wenig von Christi Sinn wissen une so wenig von Seinem Beispiel lernen können, dass wir ungewöhnlicher und feierlicher Versicherungen bedürfen, um Ihm zuzuhören. Es ist als bedürften wir Seines Eides und Seiner Bürgschaft, um Ihm glauben zu können. (So sagt Augustinus, Tractat in John. XLI § 3).

Doch zeugt diese Sprache auch von Ihm, dass Er Sich nämlich auch hierzu herablässt, dass Ihm keine falsche Scham oder Stolz davon zurückhält, den wahren Stand der Dinge zu bezeugen, wenn nun doch eine Kluft, eine Entfernung zwischen Ihm und uns besteht, dass Er dennoch uns eben da begegnen will, wo wir uns befinden - und sollte auch das Flüstern Seines Geistes von dem Ungestüm und den Begierden unseres Fleisches übertönt werden, so wird Er uns doch nicht uns selbst überlassen, sondern wird Worte gebrauchen, welche, wenn sie auch nicht so sind, wie Er sie wünschte, noch auch wie sie Ihm am besten gefallen, doch der Art sind, wie sie unserem Bedürfnis entsprechen. Daher sagt Er: "Amen, Amen", damit wir durch ein solches Zeugnis aufgeweckt werden. Haben wir dann Seine Worte erst einfach auf Seine Autorität hin, obschon ohne gebührendes Gefühl ihrer Wahrhaftigkeit und Seligkeit, angenommen, so werden wir seiner Zeit deren Kraft erkennen lernen, dass sie Geist und Leben sind (Joh 6:63), und werden es auch aus eigener Erfahrung merken, dass "Wer an den Sohn glaubt, der hat solches Zeugnis von Ihm" (1Jo 5:10) un ddas "Wer Sein Zeugnis annimmt, der bezeugt, dass Gott wahrhaftig ist" (Joh 3:33).

Der Jünger, der da zeugt

Dieses Amen, Amen wird nur in den Evangelien jenes Apostels erwähnt, welcher sich "den Jünger nennt, der da zeugt" (Joh 21:24). Und dies mag in etwa unsere Gedanken an einen Vorwurf erinnern, welcher in dieser eigenartigen Redeweise liegt. Vielleicht muss die Wahrheit, weil sie unser Fassungsvermögen so sehr übersteigt, zuerst auf ein Zeugnis hin angenommen werden! Es steht fest, dass Johannes Christus in einer viel tieferen Beziehung darstellt als einer der anderen Evangelisten. Johannes sagt von dem Wort, welches bei Gott war und welches Gott war, der eingeborene Sohn, welcher Gottes eigenstes, ewiges Leben wieder in unsere fleischliche Natur zurückbringt; und zwar offenbart und erläutert Er dasselbe in erster Linie den Menschen an Seiner eigenen Person, damit wir so aus Seiner Fülle heraus dasselbe auch empfangen und offenbaren können. Bei einem wie Er muss sich natürlicherweise vieles finden, was die natürlichen Gedanken der Menschen übersteigt und welche daher, wenn es hier ausgesprochen wird, dunkel und geheimnisvoll erscheinen muss; auch kann es fleischlichen Menschen nur als eine Wahrheit bezeugt werden, deren Ursache sie vielleicht einst erkennen, welche sie aber immer zuerst im Glauben auf göttliche Autorität hin annehmen müssen. Worte wie diese: "Ihr müsst aus dem Wasser und aus Geist geboren werden" und: "Wenn ihr nicht esst das Fleisch des Menschensohnes und trinkt sein Blut, so habt ihr kein Leben in euch", müssen denjenigen, der sie zuerst vernahm, wie Rätsel erschienen sein, wenn wir uns auch durch lange Bekanntschaft mehr oder weniger an die Worte gewöhnt haben.

Wir wissen ja, dass selbst einer, der ernstlich suchte, durch solche Worte zu der Frage getrieben wurde: "Wie mag solches zugehen?" (Joh 3:9). Hierin mag die Erklärung dafür liegen, dass sich Johannes den Jünger nennt, "der da zeugt". Andere mögen argumentieren, wie es Paulus tut; Johannes kann bei der Wahrheit, welche er zu lehren hat, nur zeugen. Denn das, was er uns sagt, betrifft das Wort, welches Fleisch wurde, Gottes Leben in der menschlichen Natur; er redet von Dingen, welche über den Menschenverstand hinausgehen, welche allerdings erkannt werden können, wenn wir ein geöffnetes Auge haben, welches aber bis dahin auf ein Zeugnis hin angenommen werden müssen. Die wiederholten Amen reden alle hiervon, indem ein jedes derselben eine spezielle Eigenart des himlischen Lebens behandelt, sei es, dass dieselbe an Christus, dem Sohn Gottes, oder an denjenigen gesehen wird, die aus Gnaden Seine Glieder genannt werden.

Das Amen und die Kirche

Da nun dieses der Inhalt der Amen ist, so mag es befremdend scheinen, dass die Kirche als solche nicht einmal darin genannt wird. Ohne Zweifel aber ist die Ursache hiervon die, dass mehr von den besonderen Eigenscahften des ewigen Lebens die Rede ist, als von der äußeren Form oder dem Leib, in welchem dieses Leben geoffenbart wird; und diese Eigenschaften leuchten vielleicht am hellsten auf, wenn das äußere Gefäß, in welcher dieses Leben gewohnt hat, zerstört und zerbrochen ist, so dass dieselben gerade mitten im Zusammenbruch der Kirche am meisten hervortreten, deren volle Herrlichkeit, wie bei ihrem Herrn erst durch Kreuz und Leiden erkennbar wird, welches sie von der Erde erhebt und den Himmel auftut. Keines Seiner größsten Werke auf Erden hat das ewige Leben in Ihm so sehr offenbart, wie dies durch Sein Kreuz und Seinen Triumph über den Tod durch die Auferstehung geschah. Der Wechsel aus dem Fleisch in den Geist, von der jüdischen Nation zur christlichen Kirche wurde auf dem Ruin und der Verurteilung der fleischlichen Heilsordnung erbaut und geoffenbart, obgleich das geistliche Leben schon immer durch die Heiligen des Alten Bundes in der Kirche wohnte, wenn auch nicht so entwickelt wie später. Gleicherweise wird dieses ewige Leben, von welchem diese Amen reden durch den Sturz oder das Aufhören der Kirche oder der christlichen Heilsszeit leuchtender als zuvor offenbar gemacht.

Gerade wie der Leib Jesu zunächst eine fleischliche Gestalt hatte, ehe diese Gestalt durch den Tod erhoben und verherrlicht wurde, so erscheint auch in Seinem mystischen Leib, der Kirche, Christus im Fleisch vor dem Christus im Geist, denn "der geistliche Leib ist nicht der erste" (1Kor 15:46). Daher redet auch dieses spezifische Zeugnis nicht von der äußeren Kirche als solcher, sondern nur von dem Neuen Menschen und dessen ewigem Leben, welche darin erwächst und wirkt, welches nicht nur der Kirche scheinbares Zuschandenwerden und ihre Schmach überleben wird, sondern welches sogar niemals so völlig erkannt wird, wie gerade bei diesem Zuschandewerden. Denn, wie Paulus sagt, "Wir die wir leben, werden immerdar in den Tod gegeben um Jesu willen, auf dass auch das Leben Jesu offenbar wird an unserem sterblichen Fleisch (2Kor 4:10.11). So ist selbst das lehrreich für uns, wenn bei diesen Amen kein Hinweis auf die Kirche gemacht wird, und bietet denjenigen viel Trost und Belehrung, die wie einst die Jünger sich an der Kreuzesschmach stoßen, welche sich doch immer bei dem wahren Leib Christi finden muss. Mögen solche den von Gott erwählten Weg, auf dem allein das ewige Leben völlig offenbar werden kann, hier kennenlernen!

Das ewige Leben

Obgleich diese Lehre vom ewigen Leben und dessen vielfältigen Wirkungen in allen Schriften des Neuen Testeamtentes enthalten ist, so tritt sie doch in besondere Weise in dem Evangelium des Johannes hervor; denn derselbe behandelt dieses Thema mit einer Beharrlichkeit, welche es zu dem Hauptgedanken seines Evangeliums, seiner Briefe und seiner Offenbarung machen. In verschiedener Weise zeigt er in jedem dieser Bücher die Wirkungen dieses Lebens erst an dem Fleisch Christi, dann an den Gläubigen, endlich an dem Lauf dieser Welt. In seinem Evangelum wird das ewege Leben in erster Linie an dem geliebten Sohn geschaut und nicht an denen, die Er mit Sich zu Söhnen und Erben macht; doch wird es an Ihnen gewiss nur an dem Erstgeborenen und Erstlingen erkannt, damit es durch Ihn von anderen empfangen werden kann. Daher zeugt Johannes von dem, "in welchem das Leben ist" (Joh 1:4) und sagt, dass "Gott die Welt so geliebt hat, dass Er Seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die na Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben" (Joh 3:16).

In seinem Brief, den er schrieb, als die anderen Apostel bereits heimgeholt waren, und Johannes der einzige Überlebende von den Zwölfen, welche mit Christus auf Erden wandelten, war, legt er seinen Brüdern das eine ans Herz, dass jenes ewige Lebe, dass er an Christus auf Erden gesehen hatte, ein Leben sei, welches in allen Gläubigen fortgesetzt und geoffenbart werden soll. Fürchtete etwa jemand, dass, wenn nun Joannes nicht mehr da sei, auch das letzte unbezweifelte Band an Christus der Kirche entrissen würde und dass dieselbe nun einer bloßen Tradition, die doch nur ungewiss wäre, überlassen bliebe oder einem Brief oder Schreiben, welches, da es der Auslegung bedürfe, falsch verstanden, ja sogar verfälscht werden könnte?

Die Antwort des Apostels darauf ist die, dass er ihnen von einem "ewigen Leben" gesagt hat, welches er "gesehen", ja ihnen "gezeigt" hat, dass auch sie berufen seien, Teil daran zu haben, weil uns Gott dieses Leben gibt und uns nicht nur zur Gemeinschaft mit einem Apostel einlädt, sondern mit Ihm Selbst, "zur Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem Sohn Jesus Christus" (1Jo 1:1-3), so dass wir also nicht mehr unser eigenes, selbstsüchtiges, natürliches Leben leben sollen, sondern "wandeln, gleichwie Christus gewandelt ist" (Joh 2:6), und "wir sind nun Gottes Kinder " (1Jo 3:1), daher "Wie Er ist, so sind auch wir in dieser Welt" (1Jo 4:17), und darum, "Wie Er Sein Leben für uns gelassen hat, auch wir das Leben für die Brüder lassen sollen" (1Jo 3:16), denn "hat uns Gott also geliebt, so sollen wir uns auch einander lieben" (1Jo 4:11).

Der ganze Brief ist nichts als eine wiederholte Versicherung "dass uns Gott das ewige Leben gegeben hat" und dass die Auserwählten dazu berufen sind, darin zu leben und es zu offenbaren (1Jo 5:11-12). Und was ist die Offenbarung Johannes anderes als die Kundgebung des Geheimnisses der Offenbarung und Entwicklung dieses ewigen Lebens in der weiten Sphäre einer gefallenen, aber erlösten Schöpfung, aus welcher das Böse durch das Eindringen und die Offenbarung des Lebens der Herrlichkeit und des Königsreichs des Sohnes Gottes endlich auf immer hinweg getan werden soll (Offb 16:15).

In Allem und Jedem betrifft das Zeugnis des Johannes das eine ewige Leben, welches alles überwinden und ererben soll (Offb 11:15).

Die letzte Stunde

Und wie mir scheint, ist dies die Lehre, welche mehr als irgendeine andere der Kirche und der Welt in unseren Tagen nottut. Denn wir können es an Vielem erkennen, "dass es die letzte Stunde ist"; und das "die letzte Stunde" mehr als alle anderen durch "viele Antichristen" gekennzeichnet ist (1Jo 2:18) - Mächte, welche den Platz in uns einnehmen möchten, welcher Christus und dem ewigen Leben, das Er gebracht hat, von Rechts wegen gehören - so bedarf dieselebe in ganz besonderer Weise eben das Zeugnis von diesem Leben, das Johannes vorzugsweise ablegt. Jeder, der anderen Apostel hat auch sein besonderes Zeugnis, das dem Bedürfnis der Kirche und des Einzelnen zu einer gewissen Zeit entspricht. In dieser Reihenfolge kommt die Wahrheit, welche Paulus lehrt, zuerst und nimmt bei der Kirche und bei der einzelnen Seele wie in der Schrift, den ersten Platz ein als die erste Lehre, derer wir bedürfen, um uns zum Frieden mit Gott durch den Glauben an Christus Jesus zu führen. Paulus kommt uns bei unserem ersten Ausgang entgegen, und zu dieser Zeit sind seine Worte betreffs unseres Verderbens und der Gerechtigkeit des Glaubens diejenigen, welche uns am angemessensten sind und welche daher auch natürlich am meisten von uns geschätzt und betrachtet werden. Zu dieser Zeit gibt uns die Lehre des Johannes, auch wenn wir sie lesen, eigentlich nichts.

Paulus ist unser Führer, und mit ihm sind wir mit unerer Annahme bei Gott, mit Kirchen- und Gemeinschaftsfragen beschäftigt, mit jenen Wahrheiten (mit anderen Worten) aber vielmehr mit der Wahrheit unter jenen Formen, welche Paulus uns stets mitteilt. Nehmen wir zu, so kommen wir bald zu jener Warheit, welche der Apostel Jakobus lehrt betreffs der Moralität, nämlich welche zu der christlichen Lehre gehört und sie begleiten muss. Fahren wir noch weiter fort, so kommen wir zu der Lehre des Petrus, welcher sich nicht wie Paulus an Gemeinden oder Gemeindelehrer wendet, sondern "an die Fremdlinge, die zertreut sind (1Petr 1:1-4) auf Erden und welche dennoch auserwählt sind zu einem "Erbteil, das ihnen aufbewahrt wird im Himmel". Seine Worte, welche so voll von den Leiden Christi und der Herrlichkeit sind, die darauf folgen sollte, und auch voll von unseren Leiden und unserer Herrlichkeit, wenn wir treu bleiben, sind nunmehr die Lehre, die uns am nötigsten scheint.

Noch einmal schreiten wir voran und kommen zur Gestalt des Johannes und zu dessen Zeugnis betreffs des ewigen Lebens, welches im Menschen wohnte und welches die Söhne Gottes darstellen sollen. Dies ist die Lehre, welche besonders angemessen erscheint zu einer Zeit, in der die Kirche verfallen ist und als in "der letzten Stunde", von welcher Johannes redet, ein fleischliches Regiment in der Kirche vorherrscht, so dass sowohl Johannes der Gemeinde schreibt, Diathrephes, ihn nicht annimmt und wehrt denen, die es tun wollen und stößst sie aus der Gemeinde aus (Joh 9:11). Johannes steigt himmelwärts gleich dem Adler2, wenn alles, was nur auf der Erde geschieht, fehlzuschlagen scheint. Zu einer solchen Zeit bedürfen wir mehr als nur Kirchenlehren; denn das ist eben der Jammer, dass Menschen an Ehrenstellen in der Kirche sind, welche Christi Leben und Werke nicht zu erkennen vermögen scheinen, wenn solche als eine gegenwärtige Wirklichkeit in Seinen verachteten und doch lebendigen Gliedern kundgetan werden.

2 Mit allgemeiner Übereinstimmung ist die vierte Cherubim-Gestalt, nämlich die des Adlers (siehe Offb 4:7), Johannes und seinem Evangelium zu allen Zeiten zugeschrieben worden.

Darum wird der Jünger, welchen Jesus liebhatte, der Zeuge des ewigen Lebens, welches nur um so heller leuchtet, wenn die Kirche verraten und ihre äußere Gestalt durch der Menschen Bosheit zerbrochen wird; jenes Leben, welches Gottes und welches am eindrücklichsten erkannt wird, nicht wo es dem Kreuz entgeht, sondern wo es über dasselbe triumphiert. Diese Lehre wird uns bis zuletzt erfüllen und wird gleich dem Johannes bleiben, bis Christus kommt, wie Er sagt: "So ich will, dass Er bleibe, bis dass ich komme, was geht es dich an? Folge du mir nach (Joh 21:22).

Das Leben des neuen Menschen

Diese Lehre ist es, welche in den verdoppelten Amen zusammengezogen ist und worin uns der Lauf und die Stufen jenes ewigen Lebens gezeigt werden, welches uns in Christo Jesu gegeben ist. Ich sagte bereits, dass es zwölf Aussprüche unseres Herrn gibt, welche auf diese Weise eingeleitet werden. Bei etlichen dieser Aussprüche erscheint das wiederholte Amen nur einmal, bei anderen zweimal, bei noch anderen dreimal; zweimal erscheint es nicht weniger als viermal, und zwar richtet sich, wenn ich nicht irre, die Zahl der Wiederholungen nach der Wichtigkeit oder anscheinenden Besonderheit des Zeugnisses, das sie begleiten. Doch gibt es nur zwölf Aussprüche, welche auf diese Weise vor den sonstigen Worten unseres Herrn aufgezeichnet sind.

  • Der Erste redet von der Sphäre oder der W o h n s t ä t t e des neuen Menschen: der Himmel, der lang verschlossen war, ist dem Menschen jetzt wieder geöffnet (Joh 1:51).
  • Der zweite Ausspruch zeigt uns, auf welche Weise wir allein in diese neue Heimat eingehen können, durch eine neue G e b u r t, nämlich welche ein Gehen durch's Wasser einschließt, das heißt, einen Tod der gegenwärtigen Natur, durch die Kraft des Geistes Gottes (Joh 3:3.5).
  • Der Dritte berichtet über das L e b e n s g e s e t z dieses neuen Menschen, dass er nämlich nichts von sich selbst tut, sondern nur, was der Vater tut, dass daher, anstatt zu verlieren und gerichtet zu werden, wie der verderbte alte Mensch, welcher alles aus sich selbst heraus tut und alles verdirbt, der neue Mensch lebendig macht, wen er will, und auch Macht hat, das Gericht zu halten, denn er ist des Menschen Sohn (Joh 5:19-22).
  • Der Vierte sagt uns von seiner S p e i s e, dem lebendigen Wort, jenem Brot, welches vom Himmel kommt, auf dass der Mensch davon esse und nicht sterbe (Joh 6:26-58).
  • Der Fünfte zeigt uns die F r e i h e i t, welche er besitzt und mitteilt, die Freiheit von der Sünde nämlich, denn "wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht, und der Knecht bleibt nicht ewig im Hause, der Sohn aber bleibt ewig" (Joh 8:31-35).
  • Der Sechste gibt Zeugnis von seiner G ö t t l i c h k e i t, dass, gleich wie "Er von Gott ausging", er auch an Gottes Natur teilhat und in Wahrheit sagen kann: "Ich bin" (Joh 8:48-58).
  • Der Siebte beschreibt seinen D i e n s t , dass er wie ein Hirte erst mit seinen Schafen wandert, wo sie hingehen, und dann sein Leben für sie lässt, damit sie leben können (Joh 10:1-18).
  • Der Achte erschließt Sein O p f e r und dessen Früchte noch völliger und zeigt, dass das Weizenkorn allein bleibt, wenn es nicht erstirbt, dass es aber viel Frucht bringt, wenn es erstirbt, dass daher der, welcher sein Leben liebt, es verlieren wird, und der, welcher sein Leben auf dieser Welt hasst, es erhalten wird zum ewigen Leben (Joh 12:24-46).
  • Der Neunte zeigt uns seine N i e d r i g k e i t, und dass durch seine Erniedrigung Jünger gereinigt werden und Gott verkärt wird (Joh 13:1-32).
  • In dem Zehnten wird uns seine H e r r l i c h k e i t gezeigt, dass er nämlich Gott offenbart, so dass der, welcher den Sohn sieht, auch den Vater gesehen hat (Joh 14:8-14).
  • In dem Elften hören wir von seinem S c h m e r z und von seiner F r e u d e (Joh 16:16-25).
  • Der Zwölfte und Letzte zeigt uns seine V o l l e n d u n g; das Ende wie der Anfang dieses wunderbaren Lebens ist durch eine gänzliche Selbsthingabe in allen Stücken gekennzeichnet (Joh 21:15-23).

Dies ist die Reihenfolge, bei welcher jede Stufe eine weitere Wahrheit oder neue Anschauung des Leben des neuen Menschen erschließt, "Welcher nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit" (Eph 4:24). Die ersten sechs sind hauptsächlich lehrreich, die letzten sechs sind alle praktischer Art. Wie ich bereits sagte, ist es vorwiegend nicht die äußere Form, in welcher Christus zuerst erscheint, welche hier dargestellt ist, jene Gestalt, welche mehr die unsere als die Seine ist, der Schleier, welcher den eigentlichen Menschen verbirgt, - denn Er wurde in der Gestalt des sündigen Fleisches gesandt (Röm 8:3). "Er wurde Fleisch, (Joh 1:14), ja Er ist für uns "zur Sünde gemacht" (2Kor 5:21) - sondern vielmehr die "neue Kreatur (2Kor 5:17), welche unter jener äußeren Form verborgen liegt und darunter hervorbricht, wenn dieselbe, wie es sein muss, zerstört oder zerbrochen wird, um ihre wahre Herrlichkeit anzuziehen. Und welch ein Anblick ist dieser! In dem ganzen All gibt es kein Wunder, welches dem gleichkäme, was der Mensch in Gottes Ebenbild umgestaltet ist! -

Ein solcher Mensch gehört sowohl dem Himmel als der Erde an, ja noch mehr, Himmel und Erde gehören auch ihm, denn er ist ein "Erbe über Alles" geworden (Hebr 1:2). Er ist in der Tat das Urbild aller Welten, denn die Essenz aller Dinge, Materie und Geist, Sichtbares und Unsichtbares, Zeitliches und Ewiges liegt in ihm verborgen. Ja, er ist "das Ebenbeild und die Herrlichkeit Gottes" (1Kor 11:7 - Kol 1:15), denn es ist nichts in ihm, was nicht zugleich etwas von Gottes Wesen offenbarte; noch ist etwas in Gott, was nicht auch schon hienieden in dieser Welt an ihm gesehen werden könnte. Auf diese Weise ist er mit Allen verbunden: im Geist mit Gott und allen guten Geistern; denn sein Wille steht in Gemeinschaft mit dem Willen und Vorsatz Gottes, dem Vaer der Geister, der Geist ist, und durch den Leib mit der Welt und allen ihren Geschöpfen und Kräften, welche zu seiner Zeit unter Ihn, dem Haupt zusammengefasst und in Ihm versöhnt werden sollen, denn dieser neue Mensch soll alle Dinge an sich ziehen, wie ein Magnet Eisen an sich zieht; er ist imstande, mit allem zu handeln und Macht über Alle zu haben, nicht nur über Geschöpfe, sondern auch über Gott.

Der schattenhafte Sinnesleib, unser Gewand der Erniedrigung, verbirgt zur Zeit diesen neuen Menschen vor unseren Augen; doch gibt es Zeiten, wie es Christi Verklärung zeigt, wo von Etlichen, welche seine Miterben sind, schon hienieden ein Angeld seiner Herrlichkeit gesehen wird. Und obwohl der rechte Weg für diesen neuen Menschen jetzt wie vor Alters auf der Heerstraße des heiligen Kreuzes liegt, obgleich Schmach und Schmerz hienieden sein Teil sind, denn er ist allezeit ein von den Bauleuten verworfener Stein" (Mt 21:42), obgleich er hier nur ein dürftiges Willkommen zu erwarten hat, weil nur wenige wissen, was er eigentlich ist, oder, wenn sie es wissen, sich doch nur weniger in seiner Ernieddrigung der Ärmsten von dieser Welt Güter besitzt - obschon dem so ist, so dient ihm doch daa Alles. Alles ist sein; auch kann am Ende nichts seiner rechtmäßigen Autorität widerstehen.

Leben ist Licht

Natürlich können wir gemäß dem Gesetz, von welchem Paulus schreibt, nicht erwarten, alles zu verstehn, was von diesem Leben geschrieben steht, es sei denn, dass es in uns lebendig gemacht ist, in uns wächst und wirkt, denn "wer kann wissen, was im Menschen ist ohne der Geist des Menschen, der in ihm ist? (Mt 21:42). Selbst wenn wir dieses Leben besitzen, doch vorerst nur als Kindlein, und der Himmel sich noch nicht über uns geöffnet hat, werden wir finden, dass Vieles von dem neuen Menschen gesgat ist, welches für uns schwer zu verstehen scheint, obschon diegleichen Dinge täglich von etlichen unserer Brüder erfahren werden. Nehmen wir nur zu in der Erkenntnis des Herrn, so werden die Dinge, welche wir jetzt nicht erfassen können, uns eines Tages klarwerden, und wo wir jetzt nicht zu folgen vermögen, werden wir später folgen können! Gott hat für jede Stufe der Erntwicklung einen Weg bereitet, so wie Er auch für alle gesorgt hat. Es ist nicht von ungefähr, dass Er uns vier Evangelien gegeben hat, von welchen drei Christus, das heißt den neuen Menschen, entweder als Sohn Abrahams oder als Sohn Adams oder als den Diener Gottes zeigen, das heißt mehr in Seinen irdischen als in den himmlischen Beziehungen, damit wir als Kinder Abrahams und Adams oder als Gottes Diener so viel wie möglich von diesen niederen Anschauungen und Beziehungen erkennen lernen sollen, bis wir Ihn auch als den Sohn des Vaters zu sehen vermögen und, indem wir Ihn so sehen, auch lernen, als Gottes Söhne mit Ihm zu wandeln. In jedem Fall ist das Leben das Licht der Menschen. In eben demselben Maß, in welchem wir Seine Werke tun, werden wir auch Seine Lehre erkennen.

Dies ist also unsere Betrachtung, das ewige Leben, welches beim Vater war und welches uns geoffenbart ist. Die meisten Menschen sind heutzutage mit der bloßen Tradition von diesem Leben zufrieden und betrachten es als ein nahezu unerreichbares Ding oder als etwas, das sich doch nur in der zukünftigen Welt erreichen lässt; aber dieses Leben ist hienieden bereits offenbart worden und soll es auch fernerhin werden. Sehen heißt noch nicht Sein, aber die Erkenntnis kann uns helfen, nicht nur zu verstehen, was des Menschen wahrhaftiges Leben eigentlich ist, sondern auch dem näher zu kommen, der unser Leben und uns sehr nahe ist, damit wir also, indem wir des Herrn Klarheit mit aufgedeckten Angesicht schauen, in dasselbe Bild verwandelt werden. Amen


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1. "Das erste "Wahrlich, wahrlich" -