Das Geheimnis

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Abschrift des Heftes: Das Geheimnis
Verfasser: E. W. Bullinger (1837 - 1913)

Einzig autorisierte Übersetzung nach dem Englischen
Grube’s Verlag, Düsseldorf

siehe weitere Abschriften

Vorwort

von Prof. E. F. Ströter

In dem vorliegenden Büchlein darf sein Verfasser der gläubigen Gemeine des Herrn einen großen Dienst leisten. Es ist die große Freundlichkeit dessen, der ja „Seines Leibes Heiland“ ist, dass Er den Leib also gegliedert hat, dass dessen Wachstum bedingt ist durch gegenseitige Handreichung der Glieder untereinander. Wir danken dem herrlichen Haupte für diese Arbeit eines lieben Bruders englischer Zunge.

Es ist an der Zeit, dass die wartende Gemeine zunächst zur vollen schriftmäßigen Klarheit komme, durch den Geist der Weisheit und Offenbarung, über ihre wahre Stellung „in Christo“, und über das „Geheimnis“ Seines Willens, das Gott ihr kundgetan hat (Eph 1:9). Wir haben zu lange gekrankt an frommer Selbstsucht, die immer nur an die eigene, persönliche Seligkeit und Herrlichkeit denkt, und kaum einen Blick hat für die wahre Hoheit und Herrlichkeit des „Einen neuen Menschen“ in Christo (Eph 2:15), und die dann auch irre geht und fehlgreift in ihren wohlgemeinten Bestrebungen, durch fortgesetzte Neubildungen von Gemeinschaften und „Richtungen“, der Einheit des Leibes Christi zu einem entsprechenden Ausdruck zu verhelfen.

Dr. Bullinger’s Schriftchen wird klärend und lösend wirken bei allen, die sich dem einfachen und großen Inhalt der apostolischen Verkündigung dieses „Geheimnisses“ nicht verschließen, d. h. die nicht um jeden Preis an hergebrachten und geschichtlich gewordenen Gemeinde- und Kirchenbegriffen festhalten wollen.

Es ist nicht l e i c h t e K o s t. Es ist starke und stärkende Speise für Gottesmenschen mit geübten Sinnen. Es will prüfend und sorgfältig gelesen werden. Es setzt eine mehr als elementare Bekanntschaft und Vertrautheit mit der ganzen Schrift voraus. Wem die abgeht, der mag sich leicht an manchem stoßen, was sich dem Verfasser als durchaus klar und folgerichtig ergibt aus dem ganzen Wort, dessen großen, organischen Zusammenhang und wunderbar reiche Gliederung er in seltener Weise erschaut hat.

Wir wünschen dieser Arbeit einen weiten ernsten und forschenden Leserkreis. Sie wird, wenn weise benutzt, der Ausgestaltung des Leibes Christi zu seiner Vollendung großen Vorschub leisten.

Dazu segne der Herr den Lauf dieses Schriftchens auch durch die Kreise der Gläubigen deutscher Zunge.

Charlottenburg, im Juli 1906
Ernst F. Ströter


I. Das Geheimnis

von E. W. Bullinger

Die Bedeutung des Wortes

Es gibt für die Gemeinde Gottes keinen Gegenstand von größerer Wichtigkeit als den, welcher im Neuen Testament „Geheimnis“ genannt wird. Nicht jeder Christ ist fähig, dieses zu verstehen; sondern nur diejenigen, welche dem Zeugnisse Gottes in Bezug auf die Erlösung im Blute Christi glauben, und hierdurch gleich Abraham gerechtfertigt wurden, und durch den Glauben an Sein Wort und im „Gehorsam des Glaubens“ sich für in Christo gestorben und auferstanden halten, und deren Bürgertum jetzt im Himmel ist. Diese allein sind geeignet, die wunderbare Offenbarung des „Geheimnisses Gottes und Christo“ zu verstehen.

Das Evangelium Gottes von Seinem Sohne Jesu Christo war durch die Propheten in den heiligen Büchern verheißen, wie wir Röm 1:1-3 lesen; dagegen war das Geheimnis von dem Leibe des Christus niemals geoffenbart, und konnte deshalb nicht durch die Propheten im Alten Testament verzeichnet werden.

Dieses war der Gegenstand einer b e s o n d e r e n Offenbarung an die Apostel, Propheten und Heiligen des Neuen Testamentes durch Paulus, durch welchen dieses Geheimnis zuerst menschlichen Ohren kundgetan wurde.

Als die Christen in den frühesten Tagen der Geschichte der Christenheit ihre erste Liebe verließen, war diese kostbare Offenbarung nachweisbar die erste, welche verdunkelt wurde und aus den Augen entschwand. Danach wurde die Lehre vom Heiligen Geiste in der Gemeinde mehr und mehr unklar, besonders weil die zugrunde liegende Wahrheit der

R e c h t f e r t i g u n g durch G l a u b e n allein

verdrängt wurde.

Diese kostbaren Wahrheiten sind in diesen letzten Tagen aus dem wunderbaren Schatze Seines Wortes teilweise wieder auf den Leuchter gestellt worden, aber wohl nicht in ihrer alten Frische und Klarheit.

Unser Zweck ist nun, vertrauend auf die Güte des Herrn und die Hilfe des Heiligen Geistes, die segensreiche Wahrheit von dem „Geheimnis“ leuchten zu lassen, und als ein „guter Schriftgelehrter“ zu versuchen, aus des Meisters Schatzkasten das herauszuholen, was alt und doch neu, neu und doch alt ist.

Es wird gut sein, gleich im Anfang den Begriff „Geheimnis“ festzustellen, um Klarheit zu bekommen über die Bedeutung dieses Wortes.

Das Wort „Geheimnis“ griechisch mysterion, bezeichnet eine geheime Wahrheit oder Lehre, von der man nichts weiß oder wissen kann, die man nicht versteht, es sei denn, dass man darin eingeweiht würde.

Anmerkung des Übersetzers: Dieses Kapitel ist wesentlich gekürzt, da die deutsche Übersetzung „Geheimnis“ keiner so eingehenden Erklärung bedarf wie das englische Wort mystery, das weniger deutlich ist. Ähnlich verhält es sich mit dem englischen Worte church das sowohl Kirche, als Gemeinde bedeuten kann. Der Deutsche ist in dieser Beziehung besser dran, und man sollte deshalb den Unterschied zwischen Kirche und Gemeinde aufrecht erhalten. -

II. Die verschiedenen Geheimnisse des jetzigen Zeitalters

Nachdem wir die Tatsache festgestellt haben, dass das Wort mysterion - Geheimnis bedeutet, wollen wir nunmehr den Gebrauch des Wortes im Neuen Testament betrachten.

Es wird dort von mehreren Geheimnissen gesprochen. Eines derselben wird sogar das g r o ß e G e h e i m n i s genannt. Sie stehen alle mit dem gegenwärtigen Zeitalter zwischen dem ersten und zweiten Kommen des Herrn Jesus in Verbindung.

1. Das gegenwärtige Zeitalter

Im alten Testament war es nicht geoffenbart, dass ein Zwischenabschnitt sein würde zwischen den Leiden Christi und der Herrlichkeit, die darauf folgen sollte (Lk 24:26).

Die Leiden selbst waren durchaus kein Geheimnis, ebensowenig wie die Herrlichkeit danach, denn beide sind Gegenstand der Prophezeiungen im Alten Testament.

Beide sind klar und bestimmt offenbart. Bemerkenswert an diesen Prophezeiungen ist, dass wir wohl viele Prophezeiungen der Herrlichkeit haben ohne irgendwelche Erwähnung der Leiden, aber niemals eine Leidensprophezeiung ohne eine ausdrückliche Verbindung derselben mit der kommenden Herrlichkeit. Die Propheten, welche diese Prophezeiungen gaben, sowie alle, welche diese Worte lasen oder hörten, waren mit diesen zwei Tatsachen vollkommen vertraut; jedoch völlig in Unklarheit über eine etwaige Zwischenzeit, welche diese beiden Tatsachen trennen könnte. Sie wussten nicht, ob die Herrlichkeit sogleich auf die Leiden folgen würde, oder ob etwa ein Jahr, oder zehn oder hundert, oder tausend Jahre dazwischen liegen sollten. Darüber war kein Ausspruch vorhanden, und mussten sie natürlicherweise in Verlegenheit sein. Der Heilige Geist sagt uns auch (1Petr 1:10.11), dass sie geforscht haben, „auf welche oder welcherlei Zeit der Geist Christi, der in ihnen war, hindeutete, als er von den Leiden, die über Christum kommen sollten, und der Herrlichkeit danach zeugte.“ Da war nichts, das Licht werfen konnte auf die „welcherlei Zeit“, die zwischen dem Leiden und der Herrlichkeit vergehen sollte. Es war klar, dass beides nicht gleichzeitig sein konnte. Aber "welcherlei Zeit“ konnte dazwischen liegen?

Einen Ausweg aus der Schwierigkeit würde die Annahme zweier Messiasse bieten, eines Messias Ben-Joseph, welcher leiden, und eines Messias Ben-David, welcher die Herrlichkeit haben würde. Einige denken, dass die Frage Johannes des Täufers in Mt 11:3 sich auf diese alte Überlieferung bezog, als er zwei seiner Jünger sandte mit der Frage: „Bist du der da kommen soll, oder sollen wir eines anderen warten?“ Die moderne Kritik mag eine andere Alternative vorschlagen, aber die Schwierigkeit war da. Diese „welcherlei Zeit“ ist ohne Spuren. Dies ist die Bedeutung des Wortes „unausforschlicher Reichtum des Christus“. Es ist wahr, der Reichtum des Christus ist unerforschlich. Niemand kann den Reichtum berechnen, der in Christo aufgespeichert liegt für alle, die Glieder an Seinem Leibe sind. Doch dies ist nicht der Sinn von Eph 3:8. Ein ähnlicher Ausdruck kommt in Röm 11:33 vor und bedeutet „unausspürbar“, d. h. das, welches nicht verstanden werden kann; dies ist die Bedeutung des Wortes anexichniastos, unbegreiflich. Niemand konnte erforschen, „welche und welcherlei Zeit“ zwischen „den Leiden und der Herrlichkeit“ vergehen sollte. Sie war unausspürbar.

Da gab es Reichtümer, die aufgefunden werden konnten. Viele Verheißungen und Prophezeiungen über Christum konnten nachgewiesen, verstanden und durchforscht werden, zur Freude der Gläubigen. Die Propheten geleiteten ihre Leser von einer Bergesspitze zur andern, aber das dazwischen liegende Tal konnte nicht erforscht werden. Seine Minen konnten nicht entdeckt, noch deren Reichtümer gehoben werden. Wir, die wir durch Gnade in das Geheimnis eingeweiht worden sind, und die wir den Schlüssel haben, um jene Schätze zu heben, verstehen etwas von den Reichtümern in Christo. Aber da waren noch andre Reichtümer Christi, welche unausspürbar und unerforschlich waren. Verbunden mit diesem Geheimnis der gegenwärtigen Zwischenzeit, gab es, wie schon erwähnt, als Bestandteile desselben, verschiedene andere Geheimnisse: -

2. Die Dauer der Verstockung Israels

Röm 11:25
Dass Blindheit Israel widerfahren sollte, war kein Geheimnis, denn es war klar im Alten Testament geoffenbart. In dem Jahre, als der König Usia starb, hatte Jesaja eine herrliche Vision von Israels König, als Vorbereitung für die feierliche Sendung, zu welcher er ausersehen war: „Gehe hin und sprich zu diesem Volk: Hörend höret und verstehet nicht; sehend sehet und erkennet ihr nicht! Mache das Herz dieses Volkes fett, und mache seine Ohren schwer und verklebe seine Augen: damit es mit seinen Augen nicht sehe und mit seinen Ohren nicht höre und sein Herz nicht verstehe, und es nicht umkehre und geheilt werde.

Da sprach ich:

Herr, wie lange?

Wie lange? das war die große, sorgenvolle Frage des Propheten. Jesaja suchte und forschte fleißig, ,“welche und welcherlei Zeit“ angezeigt wurde. Wie lange, so fragte er, soll die Blindheit Israels dauern? Dieses Verhängnis der Blindheit wurde unter besonders bemerkenswerten Umständen angekündigt. Alles war dazu angetan, den Ernst und die Wichtigkeit des Augenblicks zu erhöhen. Und im Neuen Testament sehen wir nun diese Prophezeiung dreimal erwähnt. Mt 13:14.15; Joh 12:40; Apg 28:26. Die drei Zitate sind bemerkenswerterweise mit den drei Personen der Gottheit verbunden. In Mt 13:14 ist das prophetische Wort Jehovahs angeführt. In Joh 12:40 sehen wir, dass es die Herrlichkeit Christi war, die Jesaja sah. Apg 28:26 lesen wir: „Wohl hat der Heilige Geist gesagt durch den Propheten Jesaja“. Diese Blindheit an sich war der Gegenstand besonderer Offenbarung und kein Geheimnis; war es doch geoffenbart, dass sie so lange dauern sollte, als das Land verlassen bliebe. Aber eines war damit verbunden, welches verborgen war und erst nachher offenbart wurde (Röm 11:25), wo in Bezug auf diese Blindheit geschrieben steht: „Ich will nicht, Brüder, dass euch dieses Geheimnis unbekannt sei, auf dass ihr nicht euch klug dünket: dass Verstockung Israel zum Teil widerfahren ist, bis dass die Vollzahl der Nationen eingegangen sein wird.“ Hier ist das Geheimnis offenbart und die endgültige Antwort ist gegeben auf die Frage „Wie lange?“

Wir sind nun nicht mehr „unwissende“ in Bezug auf die Dauer der Verstockung „zum Teil“ und so wissen wir, wann dieser Beschluss verkündigt wurde und auch, wann er enden wird.

3. Die Geheimnisse des Reiches der Himmel

Mt 13:11.35
Es war kein Geheimnis, dass das Königreich, welches so lange vorhergesagt war, dennnoch verworfen werden, dass der König nicht aufgenommen würde und dass der Messias ausgerottet und zu dieser Zeit das Königreich nicht in Besitz nehmen würde. Dies alles ist klar durch göttliche Offenbarung kundgetan, denn viele Prophezeiungen bestätigen es. Jedoch, was sich ereignen sollte mit dem Königreich, so lange der König von ihnen verworfen würde, das wurde geheim gehalten. Es gibt kein Königreich ohne König, deshalb ist das Reich während Seiner Abwesenheit nicht in Kraft.

Im Alten Testament ist das Königreich prophezeit, in den Evangelien und in der Apostelgeschichte verworfen, in den Episteln haben wir die Zwischenzeit der Verwerfung, während in der Offenbarung die zukünftige Aufrichtung des Königreichs in Gottes Kraft, in Gericht und Herrlichkeit vorhergezeigt ist. - In den Episteln haben wir die Zwischenzeit, hauptsächlich in Verbindung mit der Gemeinde. Wir lernen dort nicht, was mit dem Königreich geschieht; diesbezügliche Geheimnisse sind dort nicht offenbart. In Mt 13 beschreibt der Herr Jesus in den sieben Gleichnissen den Gang des Königreichs vom ersten Säen Seines Samens durch den Menschensohn an, bis zum endgültigen Besteigen des Thrones Seiner Herrlichkeit und zwar ohne Bezugnahme auf die Gemeinde.

Die Gemeinde ist, wie wir gleich sehen werden, nicht der Gegenstand dieser Gleichnisse, sondern sie ist ein anderes Geheimnis, ausdrücklich als „das große Geheimnis“ bezeichnet.

Diese Gleichnisse beziehen sich auf das Königreich und es ist uns deutlich gesagt, warum sie erzählt wurden und welches ihr Grundgedanke, sowie Zweck sei.

Im 10. Vers (Mt 13:10) kamen die Jünger und fragten Ihn: „Warum redest Du zu ihnen in Gleichnissen?“ Er antwortete ihnen: „Weil euch gegeben ist, die Geheimnisse des Reiches der Himmel zu wissen, jenen aber ist es nicht gegeben usw.“ In Vers 34 (Mt 13:34) lesen wir: „Dies alles redete Jesus in Gleichnissen zu der Volksmenge und ohne Gleichnis redete Er nicht zu ihnen; damit erfüllt würde, was durch den Propheten geredet ist (Ps 78:2) der da spricht: „Ich will Meinen Mund auftun zu einem Spruche, will Rätsel hervorströmen lassen aus der Vorzeit“. Folglich haben wir in den sieben Gleichnissen die Offenbarung dessen, was verborgen war bezüglich des Königreichs der Himmel, das heißt was sich begeben würde, als Folge der Verwerfung. Es ist uns gesagt, dass diese Dinge verborgen waren durch die Zeitalter hindurch, und ferner, dass wenn der Herr Jesus in Gleichnissen sprach, Er nicht redete, um die Geheimnisse der Menge zu offenbaren, sondern um sie ihnen zu verbregen, und damit die Jünger und wir sie nachher verstehen sollten. Es ist klar, dass wir die Gemeinde nicht in den Gleichnissen zu suchen haben, sondern bei allem, was wir sonst auch daraus lernen können, unterscheiden müssen zwischen diesen Geheimnissen des Königreichs und dem „großen Geheimnis“: Christus und Seine Gemeinde.

4. Das Geheimnis der Gesetzlosigkeit

2Thes 2:7
Die Verwerfung des Königreichs soll, wie uns das Wort sagt, sich zuspitzen in der Endzeit, bis zu der Zeit der Drangsale Jakobs (Jer 30:7), da der Mensch der Sünde offenbar werden wird. Seine Taten sind beschrieben und seine Ratschlüsse kundgetan. Er wird zu seiner bestimmten Zeit offenbar werden. Es ist uns gesagt, dass jetzt schon, ja bereits zur Zeit, als die Offenbarung gegeben wurde (2Thes 2:7), das Geheimnis der Gesetzlosigkeit sich regte. Schon jetzt merken wir die Spuren dieser geheimen Kraft. Gesetzlosigkeit tritt schon zutage. Wir sehen sie in der Familie, Gesellschaft, in Kirche und Staat. Sollten wir den Hauptzug bezeichnen, der unsere Zeit charakterisiert, so ist es Gesetzlosigkeit. Das ist die Wirkung des geheimen Ratschlusses und Willens des kommenden Antichristen, dessen öffentliches Erscheinen als Signal für das Ende des gegenwärtigen Zeitabschnittes sein wird, und dessen endgültige Vernichtung das Königreich der Himmel einleiten wird. Denn in den Tagen, wenn der siebente Engel im Begriff ist zu posaunen, dann ist „vollendet das Geheimnis Gottes, wie Er es verkündigt hat Seinen Knechten, den Propheten (Offb 10:7).

5. Das Geheimnis um das Wort „Ecclesia“

Ehe wir das große Geheimnis der Gemeinde - des Leibes Christi - oder den mystischen Christus betrachten, wollen wir uns über den Gebrauch des Wortes E c c l e s i a klarwerden. Unser deutsches Wort Gemeinde wird in verschiedenem Sinne gebraucht. Gerade so ist es mit dem Wort E c c l e s i a im Worte Gottes. Wir sprechen von einer besonderen Gemeinde zu Rom oder Jerusalem, oder zu Antiochien; wir gebrauchen das Wort für eine Körperschaft bekennender Christen, und für den auserlesenen Teil der wahren Gläubigen unter ihnen. Ebenso wird das Wort e c c l e s i a, Gemeinde, in der Heiligen Schrift an vielen Stellen verschieden, wenn auch nicht immer in demselben Sinne gebraucht Das griechische Wort e c c l e s i a kommt 75mal in der Septuaginta, der griech. Übersetzung des Alten Testamentes vor, und ist die Wiedergabe von fünf verschiedenen hebräischen Bezeichnungen. Da es 70mal dasselbe Wort wiedergibt, können wir die andern vier Ausdrücke übergehen. Dieses hebräische Wort ist Kahal, der Ursprung des englischen Wortes Wortes call, d. i. Ruf. Die Bedeutung ist zusammenrufen, versammeln und ist gebraucht für jede Versammlung irgendwelcher Art. Wir finden es zuerst [1Mo 28:3]: „Dass du zu einem Haufen Völker werdest“, d. i. ein herausgerufenes Volk. Solches war Israel, ein Volk, von allen andern Völkern herausgerufen. In 1Mo 49:6 lesen wir: „Meine Seele komme nicht in ihren geheimen Rat und meine Ehre vereinige sich nicht mit ihrer Versammlung“. Hier ist das Wort Kahal nicht von ganz Israel gebraucht, sondern für die Versammlung derjenigen, welche herausberufen waren, um den Rat der Stämme von Simeon und Levi zu bilden.

Damit ist es gebraucht für die Anbeter, oder diejenigen aus Israel, die sich vor dem Tempel oder der Stiftshütte versammelten; z. B. in Ps 22:22: „Inmitten der Versammlung (Kahal) will ich Dich loben“. Vers 25: (Ps 22:25) Von Dir kommt mein Lobgesang in der großen Versammlung (Kahal). Dies ist auch die Bedeutung des Wortes in den Evangelien, ja sogar in der Apostelgeschichte, ehe die neue Bedeutung, welche der Heilige Geist dem Worte geben wollte, geoffenbart wurde. Wenn Christus sagte: „Auf diesen Felsen will Ich Meine Ecclesia bauen,“ so gebrauchte Er dieses Wort nicht in ausschließenden Sinne, in welchem es nachher gebraucht wurde, sondern im alten allgemeinen Sinne des Wortes, welches die ganze Versammlung Seines Volkes umfasste, was aber nicht die zukünftige Anwendung und Beschränkung des Wortes auf den Leib des Christus ausschloss, wenn dieses Geheimnis zu Seiner Zeit geoffenbart werden würde.

Wenn der Geist durch Stephanus redet von der Ecclesia in der Wüste (Apg 7:38), so meint er die Gemeinde Israel.

Wenn der Herr täglich zu der Ecclesia hinzutat (Apg 2:47), so tat Er zu der Zahl derjenigen hinzu, die sich versammelt hatten, Ihm zu dienen.

Wenn Saulus die Ecclesia Gottes verfolgte, so verfolgte er die Versammlung derjenigen, die Gott fürchteten, so wie Isebel und anderes sie verfolgten in vergangenen Zeiten.

Wenn in 1Kor 15:9 der Apostel sagt, er habe die Ecclesia Gottes verfolgt, so ist das Wort nicht in dem Sinne zu verstehen, den es nachher bekam, nachdem er die besondere Offenbarung erhielt, sondern in dem Sinne, den das Wort zu dieser Zeit hatte. Es bedeutet nur, dass er das Volk Gottes verfolgte, die Versammlung Gottes. Er spricht von einer vergangenen Tat seines Lebens, welche geschehen war vor der Offenbarung des Geheimnisses, und seine Worte müssen demgemäß ausgelegt werden. Wir dürfen nicht etwas hineinlesen, welches erst der Gegenstand künftiger Offenbarung war, und darum muss das Wort Ecclesia im Alten Testament, in den Evangelien und in der Apostelgeschichte im Sinne des früheren Gebrauchs aufgefasst werden als Versammlung des Volkes Gottes, und nicht in dem Sinne, den es in der Folge annahm, nach der späteren und besonderen Bedeutung die ihm vom Heiligen Geiste selbst beigelegt wurde.

III. Das große Geheimnis

In drei wichtigen Stellen der Schrift ist das große Geheimnis ausdrücklich und der Form nach geoffenbart. Anderes sind vorhanden, welche bestimmte Lehren darüber enthalten und darüber Licht geben. Wir wollen sie der Reihenfolge nach betrachten.

Kol 1:24-27

„Jetzt freue ich mich in den Leiden für euch und ergänze in meinem Fleische, was noch rückständig ist von den Drangsalen des Christus (d. h. mystischen Christus) für Seinen Leib, das ist die Gemeinde, deren Diener ich geworden bin nach der Verwaltung Gottes, die mir in Bezug auf euch gegeben ist, um das Wort Gottes zu vollenden: nämlich das Geheimnis, welches von den Generationen her verborgen war, jetzt aber Seinen Heiligen geoffenbart worden ist, denen Gott kundtun wollte, welches der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses unter den Nationen sei, welches ist Christus in euch, der da ist die Hoffnung der Herrlichkeit, den wir verkündigen indem wir alle Menschen ermahnen, und jeden Menschen lehren in Weisheit. Im 2. Kap. Vers 2 (Kol 2:2) sagt der Apostel „vereinigt in Liebe, und zu allem Reichtum der vollen Gewissheit des Verständnisses, zur Erkenntnis des Geheimnisses Gottes, in welchem verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.“ Hier lernen wir, dass dieses Geheimnis niemals zuvor kundgetan wurde, und dass in der Kundmachung desselben die volle Verkündigung des Wortes Gottes bestehe. So wird also das Wort Gottes heute nicht völlig gepredigt, wenn das Geheimnis nicht verkündigt wird.

Röm 16:25.26

Die Konstruktion des Römerbriefes ist ein Epanodos, d. h. das Ende korrespondiert mit dem Anfang, und die Anfangsworte müssen daher mit den Endworten verglichen werden. Da ist ein auffälliger Kontrast: Am Anfang haben wir „das Evangelium Gottes“ z u v o r v e r h e i ß e n durch die Propheten in den Heiligen Schriften. Am Ende das Geheimnis, welches v e r b o r g e n war von Beginn der Welt. „Dem aber, der euch zu befestigen vermag nach meinem Evangelium und der Predigt von Jesu Christo, nach der Offenbarung des Geheimnisses, das in den Zeiten der Zeitalter v e r s c h w i e g e n war, jetzt aber geoffenbart und durch prophetische Schriften nach Befehl des ewigen Gottes, zum Glaubensgehorsam an alle Nationen kundgetan worden ist.“ Hier ist wohl zu beachten, dass dieses Geheimnis durch b e s o n d e r e O f f e n b a r u n g kundgetan, und mit keinem Worte v o r h e r erwähnt wurde, da es von Ewigkeit her verborgen war. Noch eine andere Tatsache ist zu berücksichtigen: laut erstem Kapitel des Kolosserbriefes war es zuerst dem Apostel Paulus geoffenbart und in Röm 16:26 heißt es, dass es auch kundgetan wurde durch „p r o p h e t i s c h e S c h r i f t e n“. Weder bei „Schriften“ noch bei „Propheten“ ist im Grundtext der Artikel gebraucht. Dies waren nicht d i e Schriften des alten Testamentes, weil es heißt „jetzt“ kundgetan. Diese sind nicht die Propheten des Alten Testamentes, da nicht das Wort propheeton gebraucht ist, sondern propheetikon, also nicht das Hauptwort, sondern das Eigenschaftswort, welches übersetzt werden muss durch „prophetische Schriften“.

Diese Schriften wurden durch die Propheten niedergeschrieben, welche in den Anfangstagen der Gemeinde einen besonderen Zweig des Dienstes bildeten. Zu diesen prophetischen Schriften dürfen vielleicht vier Episteln, nämlich die beiden Thessalonicher- und die Korintherbriefe gerechnet werden. Der Herr Jesus hatte gesagt: „Siehe, Ich sende euch Propheten“ (Mt 23:34). „Ich will Propheten und Apostel zu ihnen senden“ (Lk 11:49). Diese Verheißung wurde zu ihrer Zeit erfüllt, denn wir lesen Eph 4:8.11: Hinaufgestiegen in die Höhe.... und hat den Menschen Gaben gegeben..... und Er hat etliche gegeben als Apostel, etliche als Propheten*.

In 2Petr 1:19 haben wir einen Hinweis auf das „Wort“ dieser Propheten, welches das der alttestamentlichen Prophetie in Vers 21 (2Petr 1:21) gegenüberstellt. 2Petr 3:16 mag sich auch auf diese Schriften beziehen.

  • Es würde zu weit führen, den Gegenstand nach Gebühr zu behandeln. Wir geben folgende Punkte als Anleitung zu weiterem Studium.
1. Das Bestehen eines solchen Dienstes.
Barnabas, Apg 4:36, Stephanus Apg 6:10.15; Agabus Apg 11:28; Apg 21:10; Silvanus, Silas und Judas Apg 15:32; Manaen und Lucius von Kyrene Apg 13:1; Timothus „ein Mensch Gottes 1Tim 6:11; 2Tim 3:17 (Vergl. 5Mo 33:1 und 2Kö 4:7.) Die Töchter des Evangelisten Philippus Apg 21:8; andere Apg 8:17; Apg 10:44-46; Apg 19:6.

2. Die Ermahnungen, welche sich auf die Propheten bezogen:
1Thes 5:19 „den Geist löschet nicht“, d. h. unterdrückt nicht das Wirken des Geistes in diesen Propheten. Röm 12:6 Weissagung dem Glauben gemäß. Achte auch auf den Missbauch der prophetischen Gaben in Korinth (1Kor 14).
3. Beispiele prophetischer Kraft: Apg 5:3; 1Tim 1:18; Apg 13:2; 1Kor 14:24.25; Apg 21:1-14; 1Tim 4:1.
4. Wie im Alten Testament gibt es falsche Propheten deren Geist zu prüfen ist (Jer 5:31). Siehe 1Kor 12:3; Kol 2:18; 1Tim 4:1; 1Jo 4:1-3.

Eph 3:1-11

Diese Schriftstelle eröfnet uns völliger als die andern die Einzelheiten der Offenbarung des großen Geheimnisses.

„Dieserhalb ich Paulus, der Gefangene Christi Jesu für euch, die Nationen, wenn ihr anders gehört habt von der Verwaltung der Gnade Gottes, die mir in Bezug auf euch gegeben ist, dass mir durch Offenbarung das Geheimnis kundgetan worden, wie ich es zuvor in kurzem beschrieben habe, woran ihr im Lesen merken könnt mein Verständnis in dem Geheimnis des Christus, welches in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden, wie es jetzt geoffenbart worden ist* Seinen heiligen Apostel und Propheten im Geiste: dass die Heiden Miterben seien und Miteinverleibte, und Mitteilhaber Seiner Verheißung in Christo Jesu durch das Evangelium, dessen Diener ich geworden bin nach der Gabe der Gnade Gottes, die mir gegeben ist, nach der Wirksamkeit Seiner Kraft. Mir dem allergeringsten von allen Heiligem, ist diese Gnade gegeben worden, den Heiden den unausforschlichen Reichtum des Christus zu verkündigen (zu evangelisieren) und alle zu erleuchten, welches die Verwaltung des Geheimnisses sei, das von den Zeitaltern her verborgen war in Gott, der alle Dinge geschaffen hat, auf dass jetzt den Fürstentümern und Gewalten in den himmlischen Örtern durch die Gemeinde die mannigfaltige Weisheit Gottes kundgetan werde, nach dem Vorsatz der Zeitalter, welchen Er gefasst hat in Christo Jesu unserem Herrn.“

  • Dies kann unmöglich so zu verstehen sein, als ob es vorher schon in einer andern Form kundgetan sei, denn es ist wiederholt erklärt, dass dieses nicht der Fall sei.

Es ist keine Frage, dass sich diese Stelle auf mehr bezieht, als nur auf das E v a n g e l i u m. Das Evangelium, war niemals verborgen gehalten. Die gute Botschaft des Heils durch Christum allein, den Samen des Weibes, war von den ältesten Zeiten her geoffenbart (1Mo 3:15). Das Evangelium war der Gegenstand der Verheißungen des Alten Testamentes (Röm 1:1.2); es wurde Abraham (Gal 3:8) und Israel (Hebr 4:2) verkündigt. Ebenso wenig konnte das Geheimnis d i e Tatsache sein: „dass die Heiden mit den Israeliten gesegnet werden sollten“; dies war niemals ein Geheimnis. Der erste Segen, den Israel durch Abraham verheißen war, enthielt auch die Verheißung des Segens für die Heiden: „In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden „ (1Mo 12:3). Und wieder sagte der Herr von Abraham (1Mo 18:18). „In ihm sollen gesegnet werden alle Nationen der Erde“. Immer wird diese Verheißung wiederholt (siehe 1Mo 22:18; 1Mo 26:4 usw.).

Die Propheten in Israel benutzten dies beständig als Hauptinhalt ihrer Botschaft. Sie sprachen von der Zeit, da „alle Heiden Ihm dienen“ werden (Ps 72:11); „Gott sei uns gnädig und segne uns; Er lasse Sein Angesicht leuchten über uns! dass man auf Erden erkenne Deinen Weg, unter allen Nationen D e i n e R e t t u n g“ (Ps 67:1.2). In Röm 15:8-11 ist ausdrücklich erklärt: „Dass Christus ein Diener der Beschneidung geworden ist um der Wahrheit Gottes willen, um die Verheißungen der Väter zu bestätigen; auf dass die Nationen aber Gott verherrlichen möchten, um der Begnadigung willen, wie geschrieben steht (also nicht geheim gehalten ist). „Darum will ich Dich preisen unter den Nationen und Psalmen singen Deinem Namen (Ps 18:49). Und wiederum sagte Er: „Jubelt ihr Nationen mit Seinem Volke“ (5Mo 32:43). Und wiederum: „Lobet Jehovah, alle Nationen! Rühmet Ihn, alle ihr Völker!“ (Ps 117:1). Und wiederum sagt Jesajas: „Der Wurzelspross Isais, welcher besteht als Panier der Völker, nach Ihm werden die Nationen fragen“ (Jes 11:10). Solche Stellen könnten noch mehr genannt werden. Es gibt aber eine, welche in besonders feierlicher Weise die Segnungen der Nationen mit dem Erlösungswerk Christ in Verbindung bringt (Jes 49:6): „Es ist zu gering, dass Du Mein Knecht seiest, um die Stämme Jakobs aufzurichten und die Bewahrten von Israel zurückzubringen; Ich habe Dich auch zum Licht der Heiden gesetzt, um Mein Heil zu sein bis an das Ende der Erde.

Kein Wunder, das Simeon sagte (Lk 2:29-31): „Herr, nun entlässest Du Deinen Knecht, nach Deinem Worte, in Frieden; denn meine Augen haben Dein Heil gesehen, welches Du bereitet hast vor dem Angesicht aller Völker; ein Licht zur O f f e n b a r u n g der Nationen und zur Herrlichkeit Deines Volkes Israel“. Die Segnung der Nationen war ebenso wenig ein Geheimnis, als die Segnung Israels. Dasselbe Wort, welches das eine enthüllte, enthüllte auch das andere. Wir können unmöglich annehmen, dass das große Geheimnis, welches mit solcher Feierlichkeit und so bestimmt im Neuen Testament enthüllt wird, sich nur auf diese Segnungen der Nationen beziehe. Das war nicht „in Gott verborgen“; das war nicht „verborgen von den Zeitaltern her“; das war nicht „verschwiegen seit ewigen Zeiten“. Davon konnte nicht gesagt werden „in andern Zeitaltern nicht kundgetan“. Welchen Zweck konnte es haben, jetzt von einem Geheimnis zu reden, und noch dazu von einem „großen“ und durch Paulus etwas offenbaren zu lassen, das schon längst „kundgetan“ war?

Nein, d i e s e s war das G e h e i m n i s: das ein Volk herausgenommen werden sollte aus Juden und Heiden, welches mit Christo ein Leib in Christo sein sollte (Eph 3:9); - ein Leib, von welchem Christus das herrliche Haupt im Himmel, und Sein Volk die Glieder jenes Leibes auf Erden sein sollten; - „ein neuer Mensch“. Dies war das große Geheimnis, welches Gottes heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist geoffenbart wurde, und welches niemals einem Menschenherzen geoffenbart war, - der m y s t i s c h e Leib C h r i s t i.

IV. Der Leib Christi

Nunmehr kommen wir dazu, das große Geheimnis, den L e i b C h r i s t i zu betrachten. - „Christus und die Gemeinde“ - Christus, das herrliche Haupt Seines Leibes im Himmel und die Glieder auf Erden. Zweimal wird dieses als das g r o ß e Geheimnis bezeichnet in Eph 5:32 und in 1Tim 3:16. Nicht e i n W o r t war darüber gesagt, bis es durch den Apostel Paulus offenbar wurde. Wir haben nun die drei Haupt-Schriftstellen, welche die besondere Offenbarung enthalten, angedeutet.

1. Der Aufbau des Leibes

Es gibt auch noch zwei andere Schriftstellen; 1Kor 12 und Röm 12, welche das besondere Bild - ein Leib - näher erklären, unter welchem das Geheimnis dargestellt ist. Die erste stellt den Gegenstand folgendermaßen ausführlich dar:


A) 1Kor 12:1-11: die Gemeinde und die neuen Gaben, welche ihr gegeben sind.
B) 1Kor 12:12-17: der Leib, seine Einheit
B) 1Kor 12:18-27: der Leib, seine Glieder (insgesamt 9 Aufzählungen)
A) 1Kor 12:28-31: die Gemeinde und die neuen Gaben, welche ihr gegeben sind.


In A und A haben wir die Gemeinde, in B und B den Leib. So wird die segensreiche Verbindung zwischen Christo und Seinem Volke dargestellt. „Denn gleich wie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich viele, ein Leib sind, also auch der Christus“ (1Kor 12:12). Dies kann natürlich der persönliche Christus nicht sein, es ist das, was man den m y s t i s c h e n C h r i s t u s zu nennen pflegt.

Wie werden nun errettete Sünder Glieder an diesem wunderbaren Leibe? Nicht nach den Lehrsätzen eines semipelagianischen oder araminaianischen Evangeliums, sondern entsprechend der f r e i e n G n a d e Gottes; „denn wir (1Kor 12:13) sind durch einen Geist alle zu einem Leibe getauft, ... und sind alle mit einem Geiste getränkt.“ Hier ist die Quelle, aus der die Einheit und Einigkeit des Leibes entspringen.

Die Glieder des Leibes sind solche, die (wie Abraham) den Zeugnissen Gottes glaubten, und von ihrem verlorenen Zustande, als Sünder, überführt, das große Heil in Christo annahmen. Es sind die, die gestorben sind, als Er starb, und die auferstanden, als Er auferstand; die sich mit Christo eins wissen, nicht Seinem Fleische nach - wie die Modernen lehren - sondern in Seinem Tode und in Seiner Auferstehung. Dieses ist der Inhalt der Wahrheit von dem Leibe Christi. Es ist unmöglich, dass ein Teil eines Leibes stirbt, während der andere fortlebt. Wenn ein Glied amputiert wird, hört der Leib auf, ein vollständiger Körper zu sein. Der Ausdruck „in Christo“ bedeutet, im mystischen Christus sein. Wir können nicht im persönlichen Christus sein, sondern nur als Glieder des mystischen Leibes „in Christo“. Wenn wir in „Ihm“ sind so müssen wir, als Er, das Haupt, starb, nach dem ewigen Ratschluss und Gericht Gottes, daher in Ihm gestorben sein. Wenn Er, das Haupt, im Himmel ist, so müssen wir, Seine Glieder, auch in den himmlischen Örtern in Ihm sein.

Indem wir diese wunderbare Wahrheit erforschen, wollen wir, bevor wir fortfahren, einen Augenblick anhalten und uns fragen, ob denn auch alle, die sich Christen nennen, wirklich Glieder Seines Leibes sind? Sind sie im Glauben mit Christo gestorben und auferstanden? Wissen sie alle dass, nachdem sie mit Christo gestorben sind, sie überhaupt nicht mehr zu sterben brauchen? Freuen sie sich der Tatsache, dass Tod und Gericht für die Glieder des Leibes Christi vorüber sind? Sind sie sich bewusst, dass der mystische Christus damit endet, dass der Leib „aufgenommen wird in die Herrlichkeit,“ dem Herrn zu begegnen? Ist dies die Hoffnung der großen Menge der Namenschristen? Wir haben nicht den Einzelnen zu richten. Aber wir wissen es als Tatsache, dass die Entrückung eine Wahrheit ist, die nur den Leib Christi betrifft. Die sehr ernste Frage, ob man nun aufgenommen oder zurückgelassen wird, sollte zum Nachdenken bringen, auf dass man hierüber Klarheit bekomme.

Der Tag naht, an dem der Leib vollendet sein wird und alle Glieder (die Vollzahl Röm 11:25) vereinigt werden, welche zum Teil jetzt noch in Trübsal sind. Welche Unzufriedenheit, Bitterkeit und Betrübnis, welch ein Murren zeigen die Glieder in der Stellung, welche sie als solche am Leibe einnehmen. Sie vergessen, dass es nicht heißt: sie sind eingesetzt, wie sie es gewollt, sondern dass g e s c h r i e b e n steht: „Gott hat die Glieder gesetzt, jedes einzelne von ihnen in den Leib, w i e es I h m gefallen hat“ (1Kor 12:18).

Die Glieder richten sich untereinander; von einigen denkt man, sie seien geringer als anderes usw.. O törichte Gedanken, es handelt sich nicht um unser Denken, sondern um das, was wir in Gottes Augen sind! Welche kostbare Wahrheit geht uns durch unsere Selbstsucht verloren. In 1Kor 12:26 lesen wir: „Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit,“ und man bezieht das auf die gegenseitigen Sympathien der Glieder untereinander ohne Rücksicht auf das Haupt. Wahrheit ist: dass Er gelitten hat und wir mit Ihm, Er ist geehrt und wir sind in Ihm geehrt. „Das Wort ist gewiss; denn wenn wir mit gestorben sind, so werden wir auch mit leben; wenn wir ausharren, so werden wir auch mit herrschen“ (2Tim 2:11.12). Und viel mehr noch: da haben wir die kostbare Wahrheit in 1Kor 12:21: „das Haupt kann nicht zu den Füßen sagen: Ich bedarf euer nicht“. Wie wunderbar, dass das große und herrliche Haupt im Himmel nicht zu den schwächsten, hinfälligsten und niedrigsten Gliedern auf Erden sagen kann, „Ich bedarf euer nicht“. Wir vermögen es nicht zu fassen, aber es ist so. Wir können uns nur beugen und anbeten.

2. Das Wachstum des Leibes

Wir lesen in Eph 1:22.23: dass alles von dem Haupte im Himmel kommt. Er ist von Gott erhöht, „der hat Ihn gesetzt zum Haupt der Gemeinde, welche Sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt, (d. h. Seine Glieder mit allen geistlichen Segnungen und Gaben.) Dasselbe ist auch in 1Kor 12:6 gesagt: „Es sind Verschiedenheiten von Wirkungen, aber derselbe Gott, der alles (diese Gaben) in allen (allen Gliedern) wirkt“. Es ist keine Kraft in diesem Ausdruck „alles in allen“, es sei denn, dass wir die notwendigen Worte dieser gekürzten Satzform aus dem Zusammenhang ergänzen. Das Haupt des natürlichen Leibes ist physiologisch die Quelle aller Gefühle und des Einflusses auf den ganzen Organismus. Die Nerven, obgleich verschieden im Bau, sind die Fortsetzung des Gehirns und halten eine geheimnisvolle Verbindung zwischen dem Haupte und den Gliedern aufrecht. Wenn ein Glied leidet oder Schmerz empfindet, so wird sogleich Nachricht nach dem Gehirn gesandt und augenblicklich tritt Hilfe und Mitempfinden ein. Nach unserer Auffassung ist es dieser Zusammenhang, auf den die genannten physiologischen Verse hinweisen, und die - was ihre Deutung auch sein mag - der menschlichen Wissenschaft weit voraus sind. Dies ist es, was die bisherige Auffassung so unverständlich macht und wodurch klare Übersetzung erschwert wird. Wir wollen versuchen, dieses deutlich zu machen, indem wir dazu gebrauchen erstens:

Eph 4:16

Es handelt sich um die Auferbauung des Leibes Christi (Eph 4:12) zu einem erwachsenen Manne (Eph 4:13), dass die Glieder „wachsen in allen Stücken an dem, der das Haupt ist, Christus, von welchem aus der ganze Leib zusammengefügt, und ein Glied am andern hängt durch Empfindungen (Gefühle*) der Darreichung, nach der Wirksamkeit in dem Maße jedes einzelnen Gliedes, für sich das Wachstum des Leibes bewirkt zu seiner Selbstauferbauung in Liebe“.

  • Das griech. Wort haphe, Gefühl, Berührung, Übertragung lat. junktura, kommt nur hier und in Kol 2:19 vor.
Es bedeutet nicht eine Verbindung, sondern einen Nexus, Band oder Zusammenhang, wodurch die Darreichung geschieht von einem Glied zum andern, und ist nicht so sehr das wirkliche Berühren als die gegenseitige Beziehung zwischen ihnen gemeint. Galen (2. Jahrh. v. Chr.) sagt, dass der Leib zum Teil seine Festigkeit der Gelenkverbindung (arthron) und zum Teil der Anhänglichkeit (symphysis) verdankt. Aristoteles (356 n. Chr.) spricht von zwei Verbindungsarten: Berührung und Cohäsion (symphysis); der Zusammenhang zwischen den verschiedenen Teilen ist notwendig zur Unterstützung untereinander, mit besonderer Berücksichtigung der Anpassung, und in gegenseitiger Zuneigung und Beeinflussung. Aristoteles spricht davon als von einer Ausströmung des Gefühles oder einer Empfindlichkeit, wie bei der Pflanze „Kräutlein rühr mich nicht an“ (pathetika). Aus diesem Grunde haben wir uns veranlasst gesehen, es mit dem Worte E m p f i n d u n g e n (engl. s e n s a t i o n) wiederzugeben.’'

Die zweite Schriftstelle, die uns näheren Aufschluss gibt, ist:

Kol 2:19

„Das Haupt, aus welchem der ganze Leib durch die Gelenke und Bänder (Sehnen, welche die Teile verbinden) Darreichung empfangend und zusammenfügt, das Wachstum Gottes wächst“ (das Wachstum bewirket durch Gott). Wir werden hier nicht nur über die Einheit belehrt, sondern auch über das Wachstum. Dies ist das Endergebnis der Vorgänge zwischen Glied und Glied (Kol 2:10-14). Der Ursprung von allem ist Gott, der Christum gesetzt hat als Haupt über alle Dinge in diesem wunderbaren Leibe. Christus, das Haupt, ist die Quelle von allem, jedoch sind die Glieder zu Verbindungskanälen gemacht, und werden als solche gebraucht, um die gegenseitigen Beziehungen zu ihm und untereinander herzustellen. Die Erforschungen der modernen Physiologie geben und erhalten Aufschluss von der wunderbaren Genauigkeit dieser göttlichen Worte, welche durch den Heiligen Geist eingegeben, und in enger Verbindung mit der geistlichen Wahrheit sind. Denn der Heilige Geist macht uns zugleich mit der wichtigen Wahrheit in Kol 2:20 bekannt, um dann zu der praktischen Schlussfolgerung in Kol 2 zu führen. Und diese Wahrheit lautet: „Wenn ihr mit Christo gestorben sei,“ warum seid ihr den Satzungen der Menschen unterworfen? Warum erlaubt ihr den Menschen, euch zu binden mit Gelübden und Verpflichtungen und Abzeichen, indem sie sagen: „Berühre nicht, koste nicht, betaste nicht“. Alle diese Dinge vergehen, wie auch die Gebote und Lehren der Menschen. Wenn es nun so ist, dass ihr in Verbindung mit Christo den Elementen der Welt gestorben seid, wenn ihr nun mit Christo verbunden, auferstanden seid, was folgt notwendigerweise hieraus? Ist das Haupt des Leibes im Himmel, so sind die Glieder des Leibes auch dort, „in Christo“, Unser Ziel, unser Denken und Sinnen werden himmlisch sein und nicht irdisch. Denn ich sage es noch einmal, wenn ihr gestorben seid - und das seid ihr jetzt, was eure Stellung vor Gott betrifft - so lebt ihr in einer anderen Sphäre und auf einem anderen Boden, wo alles geistlich ist. Fleischliche Satzungen kommen keineswegs in dem Wachstum des Leibes zur Geltung. Alles ist geistlich, himmlisch und ewig.

Die Vollendung des Leibes

Wenn wir in dem Vorhergehenden vom Wachstum des Leibes gesprochen haben, was wird nun dessen Vollendung sein? Was wird „der erwachsene Mann“ sein? Wie wird diese Vollendung sich gestalten, und wann wird sie stattfinden? Das natürliche Ende eines natürlichen Leibes ist die Auflösung. Wird dies auch das Ende dieses Leibes sein? Was ist uns darüber offenbart? Wir haben die Offenbarung über seinen Platz im Ratschlusse Gottes, über seine Zusammensetzung und über sein Wachstum. Ebenso ist uns eine besondere Offenbarung bezüglich seines Endes zuteil geworden.

Sie ist die natürliche Folge aus der Beziehung zu Christo in Kol 3.. Da die Glieder mit Christo verbunden, gestorben und in Christo auferstanden sind, so ist auch unser Leben in Christo. Sollten wir auch entschlafen, so ist „unser Leben verborgen mit Christo in Gott“. Darum ist es ohne Frage, „wenn aber Christus, euer Leben geoffenbart wird, dann werdet ihr mit Ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit.“ (Kol 3:4) Es kann unmöglich anders sein, weil Haupt und Glieder nicht getrennt werden können. Und das Geheimnis ist in 1Kor 15:51 mit den Worten kundgetan:

“Siehe, Ich sage euch ein Geheimnis"

Welches? „Wir werden nicht alle entschlafen“. Wie? Ist es nicht dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben und danach das Gericht?“ (Hebr 9:27). Müssen wir nicht sterben? Nein! Gepriesen sei Gott! Es ist nicht notwendig! Die Glieder des Leibes wurden mit dem Haupte (Christus) gerichtet und auch gekreuzigt; deshalb ist keine Ursache vorhanden, noch einmal zu sterben oder in das Gericht kommen zu müssen (Röm 8:1). Wenn gleich etliche, so werden wir doch „nicht alle entschlafen“. Jedoch ob lebend oder schlafend, „wir werden alle verwandelt werden; in einem Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune; denn posaunen wird es, und die Toten werden auferweckt werden unverweslich, und wir werden verwandelt werden.“ (1Kor 15:51-53). „Wir wollen aber nicht Brüder, dass ihr, was die Entschlafenen betrifft, unkundig seid. Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, also wird auch Gott die durch Jesum Entschlafenen wiederbringen, (so wie Er Ihn aus den Toten wiederbrachte, Hebr 13:20). Denn dieses sagen wir euch im Worte des Herrn, dass wir, die Lebenden, die übrig bleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen keineswegs zuvorkommen werden. Denn der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme des Erzengels und mit der Posaune Gottes hernieder kommen vom Himmel, und die Toten in Christo werden zuerst auferstehen, danach werden wir, die Lebenden, die übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft, und also werden wir allezeit bei dem Herrn sein“ 1Thes 4:13-18.

O, welche eine gesegnete Wahrheit in welche wir hier eingeweiht werden! Wohl mag der Apostel sagen „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis!“ Wir wollen nicht, dass ihr unkundig seid“ (1Thes 4:13). Dies wird also das Ende des mystischen Christus sein. Der „erwachsene Mann“ ist dann gebildet, der Leib vollkommen, und wenn vollendet, wird er in die Herrlichkeit aufgenommen werden!

Wir haben nun bereits die drei wichtigsten Schriftstellen betrachtet in Bezug auf dieses Geheimnis. Es gibt jedoch noch eine vierte, welche den ganzen Inhalt der Lehre über die Offenbarung dieses Geheimnisses zusammenfasst, mit besonderer Bezugnahme auf das Ende des mystischen Christus:

1Tim 3:16

„G r o ß ist das G e h e i m n i s der Gottseligkeit (des wahren Glaubens) welches* im Fleische geoffenbart wurde.

*Für die Richtigkeit des Wortes „Gott“ in den meisten Übersetzungen gebraucht, sind nicht genügend Beweisgründe in den a l t e n Handschriften vorhanden, da in einigen derselben anstatt Gott „welche“ zu lesen ist; doch auch diese entbehren der genügenden Zuverlässigkeit. Wiederum andere alte Autoritäten lesen „welches“, und das ist auch unsere Annahme. Wir glauben, dass das ursprüngliche Wort das Neutrum ho = welches war, denn dieses stimmt überein mit dem Worte mysterion, welches auch ein Neutrum ist. Einige Schreiber, die den Sinn nicht verstanden haben ein s hinzugefügt, sodass aus dem ho ein hos = welcher (masculinum) wurde, welches den Sinn noch mehr verdunkelte. Endlich mochte noch ein späterer Schreber einen kleinen Strich durch das O gemacht haben, so dass daraus Th entstand. Die zwei Buchstaben ThS sind eine Abkürzung für theos Gott. Eine mikroskokpische Untersuchung hat ans Licht gebracht, dass in dem Alexandrinischen Text tatsächlich das Strichlein = anderer Tinte ist, und augenscheinlich durch eine fremde Hand hinzugefügt wurde. Dies ist unserer Ansicht nach die Entwicklung des Wortes, und wir glauben, dass im Original ursprünglich ho = welches gestanden hat.

Diese Stelle wird gewöhnlich als sich auf Christus persönlich beziehend aufgefasst. Jedoch so gelesen, wie sie gelesen werden soll, nämlich mit Bezug auf den mystischen Christus, offenbart sie uns in sechs Sätzen die ganze Fülle der Wahrheit über den Leib*.

  • Wenn wir im ersten Timotheus-Brief auf die Stellung achtgeben, welche dieses Geheimnis dort einnimmt, so finden wir, dass es dem Geheimnis der Gottlosigkeit entgegen steht. Der Aufbau des Timotheusbriefes ist folgender:
A) 1Tim 1:1.2 Segenswunsch.
B) 1Tim 1:3-20 Lehre.
C) 1Tim 2:1 - 3:13 Unterweisung.
D) 1Tim 3:14.15 Beabsichtiger Besuch und Wartezeit.
E) 1Tim 3:16 Geheimnis der Gottseligkeit.
E) 1Tim 4:1-12 Geheimnis der Gottseligkeit.
D) 1Tim 4:13-16 Beabsichtiger Besuch und Wartezeit.
C) 1Tim 5:1 - 1Tim 6:2 Unterweisung.
B) 1Tim 6:3-21 Lehre.
A) 1Tim 6:21 Segenswunsch.


Selbstverständlich haben wir hier auch mit einer Wahrheit über den persönlichen Christus zu tun; doch haben wir mehr als das. In dieser Schriftstelle ist die Wahrheit über die Glieder ausgesprochen, wenn wir sie auf den mystischen Christus beziehen - das Haupt samt den Gliedern, und sie ist:

1. „Geoffenbart im Fleisch“; sowohl die Glieder (Eph 5:30), als auch das Haupt (Röm 1:3).

2. „Gerechtfertigt im Geiste“; eine Tatsache für Haupt und Glieder nach Röm 5:12 bis Röm 8:39 bestätigt.

3. „Gesehen von Engeln“; dies bestätigt Eph 3:10, wo uns gesagt wird, dass jetzt den Fürstentümern und Gewalten in den himmlischen Örtern die gar mannigfaltige Weisheit Gottes durch die Gemeinde kundgetan wird.

4. „Gepredigt den Heiden“, nicht nur der persönliche, sondern auch der mystische Christus (Leib Christi) ist jetzt allen Nationen verkündigt worden nach Röm 16:26; Kol 1:27 und Eph 3:8).

5. „Geglaubt in der Welt“; da es kundgetan ist zum Glaubensgehorsam, wie in Röm 16:26 geschrieben steht.

6. „Aufgenommen in Herrlichkeit“; denn so wir mitleiden - so werden wir auch mit Ihm verherrlicht werden, sagt uns Röm 8:17 und Röm 8:30: „welche Er gerechtfertigt hat, diese hat Er auch verherrlicht“.

Dies also ist das Ende des mystischen Christus, wie es sich auch mit dem persönlichen zutrug. Die Glieder warten auf die Aufnahme in Herrlichkeit, worin das Haupt vorangegangen ist. Dies ist unsere Hoffnung, „unsere herrliche Hoffnung“; das Warten auf den Sohn Gottes vom Himmel her, ist ein Teil unseres christlichen Berufes, und geht aus unserer Stellung in Christo hervor. Zwar wird das Studium dieses prophetischen Wortes von einigen Christen als etwas Unabhängiges, nach Belieben Aufzunehmendes betrachtet, doch bildet es die Grundlage für unsere so wichtige Stellung i n C h r i s t o.

Die vorher erwähnten sechs Sätze können auch wie folgt gegenübergestellt werden:

Nr 1 und 2: Wenn auch im Fleische geoffenbart, so wissen wir doch, was es ist „gerechtfertigt im Geiste“ zu sein.
Nr 3 und 4: Den Engeln in dem Himmel kundgetan und den Bewohnern der Erde geoffenbart.
Nr 5 und 6: Wenn auch jetzt noch in der Welt, durch Gnade den Zeugnissen Gottes glaubend, sind wir doch Wartende, um „a u f g e n o m m e n zu w e r d e n in H e r r l i c h k e i t“.

V. Weitere Schriftworte zum Geheimnis

Im Vorhergehenden haben wir bereits die vier wichtigsten Schriftstellen, welche die Offenbarung des großen Geheimnisses enthalten betrachtet: Röm 16:26; Eph 3:1-11; Kol 1:24-27 und 1Tim 3:16. Es gibt aber noch andere, welche sich darauf beziehen und uns die Sache näher beleuchten. Einige Schreiber behandeln dieselben, als ob sie sich auf verschiedene Geheimnisse bezögen; jedoch werden wir sehen, dass sie alle* nur auf das eine große Geheimnis Bezug haben und dasselbe in das rechte Licht stellen.

  • Natürlich mit Ausnahme derjenigen, die wir schon betrachtet haben, und welche sich auf die gegenwärtige Zwischenzeit, das Königreich, Israels Blindheit und das Geheimnis der Bosheit beziehen.

Eph 1:9-11

Hier lesen wir, wie dieselbe Gnade, welche Erlösung und Vergebung Seinem Volke brachte, gegen uns überströmend ist „in aller Weisheit und Einsicht“. Welches ist diese Weisheit? „Kundgetan das Geheimnis Seines Willens“. Diese Worte sind für uns unverständlich, es sei denn, dass wir das Wort „Geheimnis“ mit „geheimen Vorsatz“ übersetzen, d. h. das Geheimnis, das Gott sich vorgesetzt hatte nach seinem Wohlgefallen. Gott hat Seine Gnade gegen uns nun überströmen lassen in aller Weisheit, indem Er uns Seinen g e h e i m e n Rat, den Er sich vorgesetzt in Christo, offenbarte: um in der Fülle der Zeit „alles unter ein Haupt zusammen zu bringen in dem Christus, das was in den Himmeln und das, was auf der Erde ist, in Ihm, in welchem wir auch ein Erbteil erlangt haben, die wir zuvor bestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Rate Seines Willens.“

Hier haben wir das große Geheimnis, insofern der Vorsatz desselben in Betracht kommt, und in Eph 1:22 wird uns gesagt, dass der Gott unseres Herrn Jesu Christi, der Vater der Herrlichkeit, alles Seinen Füßen unterworfen, und Ihn als Haupt über alles der Gemeine gegeben hat, welche Sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles (die Glieder des Leibes) in allem erfüllt (mit geistigem Segen).

Eph 6:12

Hier betet der Apostel: „Auf dass mir Rede verliehen werde, im Auftun meines Mundes, um mit Freimütigkeit kundzutun das Geheimnis des Evangeliums“, d. h. die Lehre von dem mystischen Christus, welcher das große Geheimnis ist und der große Gegenstand des Evangeliums, d. h. der frohen Botschaft, welche Paulus geoffenbart und von ihm „m e i n Evangelium“ genannt wurde (Röm 16:25). In besonderer Weise war es ja auch sein Evangelium. Das Evangelium oder die frohe Botschaft von einem Heiland für verlorene Sünder ist niemals ein Geheimnis gewesen. Es war schon vorher dem Abraham verkündigt worden (Gal 3:8) und alle Heiligen Gottes freuten sich darüber. Aber die gute Botschaft, welche sich auf den Leib Christi bezieht, war verborgen gehalten, und konnte mit Recht des Paulus besonderes Evangelium für alle Nationen genannt werden. Es ist die frohe Botschaft von dem mystischen Christus. In 2Kor 4:4 heißt es „das Evangelium der Herrlichkeit des Christus“. Gott erhöhte Ihn und gab Ihn dem Leibe zum Haupte. Dies ist „das Geheimnis dieses Evangeliums."

Kol 2:2

Hier ist es „Gottes Geheimnis“ genannt, d. h. das Geheimnis, welches nach Gottes Willen in den vergangenen Zeitaltern verschwiegen gehalten war, aber zu Seiner Zeit kundgetan wurde. Er betet für die Heiligen zu Kolossä, dass „ihre Herzen getröstet sein mögen, vereinigt in Liebe und (auch zur Erlangung) zu allem Reichtum der vollen Gewissheit des Verständnisses, zur (Erlangung tieferer) Erkenntnis des Geheimnisses Gottes, in welchem verborgen sind alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis“. Alle Schätze göttlicher Weisheit sind im Geheimnis enthalten, d. h. im mystischen Christus. Dies ist das Geheimnis, welches wir nach

1Tim 3:9

als Hauptinhalt des Glaubens betrachten müssen: „die das Geheimnis des Glaubens in reinem Gewissen bewahren“. Hier ist wieder das große Geheimnis des mystischen Christus als Hauptinhalt des christlichen Glaubens hingestellt.

Alle diese Stellen beziehen sich auf das große Geheimnis; aber eine für uns besonders lehrreiche bedarf noch der Berücksichtigung; sie steht:

1Kor 2 und 3

In einigen Handschriften liest man in 1Kor 2:1 das Wort: Z e u g n i s, in anderen das Wort G e h e i m n i s. Nur ein kleiner Unterschied besteht zwischen diesen beiden Worten im Griechischen und wahrscheinlich hat ein Abschreiber, den Sinn des Satzes nicht verstehend, ein oder zwei Buchstaben in dem Worte verändert, und das Wort Zeugnis (martyrion) anstatt Geheimnis (mysterion) gesetzt. Die Heiligen zu Korinth waren nicht geistig befähigt genug, um über diese wunderbare Wahrheit belehrt zu werden. Im ersten Brief 1Kor 2:1 erklärt ihnen der Apostel: „Und ich, als ich zu euch kam, Brüder, kam nicht nach Vortrefflichkeit der Rede oder Weisheit, euch das Z e u g n i s Gottes verkündigend. Denn ich hielt nicht dafür, etwas unter euch zu wissen, als nur Jesum Christum und Ihn als gekreuzigt.“ Anstatt ihnen das Geheimnis zu verkünden, musste er sich auf die aller einfachsten Wahrheiten des Evangeliums beschränken. Er predigte nur den gekreuzigten Heiland. Er konnte nicht alle die großen Wahrheiten sagen, die in dem auferstandenen und verherrlichten Heiland eingeschlossen sind. Er predigte „das Evangelium der Gnade Gottes,“ aber er konnte nicht „das Evangelium der Herrlichkeit Christi“ proklamieren. Dieses begründet er, indem er weiter sagt: „Meine Rede und meine Predigt war nicht in überredenden Worten der Weisheit... aber wir reden Weisheit unter den Vollkommenen,“ (d. i. unter denen, die eingeweiht sind). Dieses Wort war die technische Bezeichnung für solche, welche in die alten „Geheimnisse“ (Mysterien) des Götzendienstes eingeweiht waren. „Ich konnte nicht Weisheit zu euch reden,“ sagte er, „wir tun es aber bei denen, welche eingeweiht sind,“ nicht eine Weisheit der Welt - „sondern wir reden Gottes Weisheit in einem Geheimnis, die verborgene, welche Gott zuvor bestimmt hat vor den Zeitaltern zu unserer Herrlichkeit,“ d. i. im Hinblick auf das große Geheimnis, welches in Gott verborgen und vor den Zeitaltern vorher bestimmt war. „Auch nicht die Fürsten dieses Zeitlaufs wussten davon,“ sagt er, aber, wie geschrieben steht: „Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat, und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat, denen, die Ihn lieben. Uns aber hat es Gott geoffenbart durch Seinen Geist.“

Man versteht gewöhnlich diese Worte im allgemeinen Sinn, dass der natürliche Mensch die geistlichen Dinge nicht verstehen kann. Natürlich ist das eine Tatsache, wie auch an anderer Stelle bestimmt ausgesprochen ist; hier jedoch haben diese Worte einen anderen Sinn. Sie haben eine ganz besondere Beziehung zur „heimlichen Weisheit“, d. i. zum Geheimnis, und bedeuten, dass kein menschliches Wesen derartiges auch nur geträumt hätte. Es kam niemals in den Kopf eines sterblichen Menschen. „Aber Gott hat es durch Seinen Geist geoffenbart“. Der Apostel fährt nun in den Versen 1Kor 2:10.11 fort zu erklären, was er Inhalt des Geheimnisses sei und beweist, dass, wie keiner des anderen Geheimnisse wisse, so könne auch niemand Gottes Geheimnisse wissen, es sei denn, dass es Gott gefallen habe, sie ihm zu offenbaren, was Gott auch getan habe, wie 1Kor 2:12 sagt: „Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern der Geist, der aus Gott ist, auf dass wir die Dinge kennen, die uns von Gott (aus Gnaden) geschenkt sind, welche wir auch reden, nicht in Worten, gelehrt durch menschliche Weisheit, sondern in Worten gelehrt durch den Geist, mitteilend Geistliches Geistlichen oder mitteilend geistliche Dinge durch geistliche Mittel (Personen*)

  • Die drei Worte des griechischen Textes: pneumatikois pneumatika synkrinontes werden verschieden übersetzt. Das erste Wort steht im dritten Fall der Mehrzahl neutr. „geistliche“ (Dinge), während das dritte für sich dasteht. In 2Kor 10:12 kommt derselbe Ausdruck nochmals im N. T. vor und bedeutet wörtlich, trennen und wieder neu vereinen; folglich etwas erklären, wie es geschieht beim Auseinandernehmen und wieder Zusammenfügen, d. h. erklären durch Vergleichen eines Gegenstandes mit einem anderen, oder vergleichen mit der Absicht, etwas zu erklären, also kundtun, bekanntmachen, auslegen. In 4Mo 15:34 wird es gebraucht von denen, die den Mann festnehmen beim Holzlesen am Sabbattage, sie legten ihn gefangen, denn es war nicht genau bestimmt, was man mit ihm tun solle. Folglich kann es bedeuten, klar ausdrücken, bekanntmachen, erklären, auseinander legen. Die Worte oben bedeuten einfach, dass wir die Worte reden, „welche der Geist lehrt“, indem wir geistlichen Personen geistliche Dinge mitteilen.’'

Warum? Der nächste Vers erklärt, dass „der natürliche Mensch nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit und er kann es nicht erkennen; weil es geistlich beurteilt wird.“

Dann verfolgt Paulus in 1Kor 3:1 den Gedanken von 1Kor 2:1 weiter: „Und (auch) ich, Brüder, konnte nicht zu euch reden als zu Geistlichen, sondern als zu Fleischlichen, als zu Unmündigen in Christo. Ich habe euch Milch zu trinken gegeben, nicht Speise; denn ihr vermochtet es noch nicht, aber ihr vermöget es auch jetzt noch nicht, denn ihr seid noch fleischlich. Denn da Neid und Streit unter euch ist, seid ihr nicht fleischlich und wandelt nach Menschenweise? Denn wenn einer sagt: Ich bin des Paulus; der andere aber, ich des Apollos, seid ihr nicht menschlich?“

Die Hauptwahrheit in dieser Beweisführung ist, dass diese Korinther sich mit den Körperschaften der Menschen beschäftigen, wie es auch jetzt leider die meisten Christen tun, und deswegen gänzlich unfähig waren, die Wahrheit des e i n e n L e i b e s in sich aufzunehmen. Darum, weil sie die Glieder an die Stelle des Hauptes setzten, waren sie fleischlich, ungeistlich und nicht imstande, die Wahrheit über Gottes Geheimnis zu verstehen. So war es selbstverständlich, dass der Apostel, als er nach Korinth kam, sich vornahm, nicht über die einfachste, elementare Belehrung des Evangeliums hinauszugehen, dass er ihnen Milch geben, d. h. den gekreuzigten Christus predigen musste; denn sie waren nicht imstande, von einem verherrlichten Heiland etwas zu hören - von dem „Evangelium der Herrlichkeit Christi“, und von all den herrlichen Dingen, die uns von Gott gegeben werden, umsonst, und die Gott bereitet hat zu der Herrlichkeit der Glieder des Leibes, in Christo ihrem verherrlichten Haupte im Himmel.

Haben wir hier nicht etwas Praktisches zur Prüfung unserer eigenen Herzen? Wie ist unsere Stellung Gott gegenüber? Halten wir uns auf mit den Körperschaften und Spaltungen der Menschen, nach ihren eigenen Namen genannt, oder mit dem Namen, welchen ihnen andere Menschen gegeben haben? Wenn es so ist, sind wir ebenso wenig geistlich, nicht imstande, das Geheimnis Gottes in uns aufzunehmen. Kein Wunder, dass diese gesegnete Wahrheit so früh schon aus dem Glaubensbekenntnis der Kirche verschwunden ist. Kein Wunder, dass in unseren Tagen, wo diese Wahrheit wieder aufgelebt ist, so wenige sich bemühen sie kennenzulernen. Kein Wunder, dass viele ihre Wiederbelebung bedauern, da unsere heutige Kirchlichkeit dadurch bis ins Mark hinein gerichtet wird. Sie macht zunichte die Kirchen und Konfessionen, für welche die meisten sich abmühen; sie stempelt unsre Lieblingsideale zu Torheiten. Kein Wunder, dass die Christen zerrissen, geteilt und zerstreut sind, da sie ja nicht „den Leib unterscheiden“ (1Kor 11:29). Kein Wunder, dass man allerwärts erfüllt ist von verkehrten Plänen zur Wiedervereinigung der zerstreuten Sekten; wo solche Finsternis herrscht betreffend der Einheit des Geistes der Glieder untereinander und mit dem einen Haupte des Leibes in der Herrlichkeit, welche im Begriff ist, bald geoffenbart zu werden. Ach, dass wir zurückkehrten zur ursprünglichen Wahrheit! Hierin ist allein das Geheimnis der Wiedervereinigung zu suchen. Obgleich unter den Sekten zerstreut, und von Menschen als völlig getrennt betrachtet, sind die Glieder des Leibes dennoch in Wirklichkeit bereits völlig eins in Christo. Dies ist die einzige wahre Einigkeit welche existiert und, je mehr wahre Gläubige jetzt sich ihrer Stellung bewusst sind, als „gestorben mit Christo“ und auch auferstanden mit Christo, und hierdurch „in Christo“, umso mehr wird die Einheit der Glieder untereinander tatsächlich verwirklicht.

Auf diese Vollendung warten jetzt die Glieder des Leibes. Durch die wunderbare, uns aus Gnaden zugewiesene Stellung sind wir notwendigerweise von allen Körperschaften gelöst, welche menschlichen Ursprungs sind. Wir suchen in unseren Kirchenverbänden nicht etwas wieder herzustellen, was durch menschliches Verschulden verloren ging. Das Wort Gottes stellt eine solche Wiederherstellung nicht in Aussicht. Bis jetzt sind alle Versuche hierzu gescheitert, und haben nur den Bruch zwischen den Brüdern erweitert. „Die Einheit des Geistes“ ist jetzt lediglich Sache des persönlichen Glaubens, nicht der äußeren Darstellung. Es gibt jetzt keine objektive Einheit des Geistes, welcher wir uns anschließen können. Ist die rechte Wahrheit des Geheimnisses im Herzen angekommen, so erhebt sie die Glieder des Leibes hoch über alle menschlichen Pläne und Hoffnungen auf Vereinigung oder Wiedervereinigung. Sie führt uns sofort hinauf zu Christo in die himmlischen Örter, auf dass wir, wie Er fortan den Aufgang der Herrlichkeit „erwarten“. Daher sind wir nicht besorgt um die Erfüllung irgendwelcher Weissagungen. Das Ausschauen nach der Erscheinung Christi bildet den wahren Inhalt unserer Stellungnahme in Christo, es ist der Atem unseres Lebens. Wir erwarten Gottes Sohn vom Himmel und sehnen uns nach Seiner Erscheinung, auf dass wir werden

„aufgenommen in die Herrlichkeit“