Briefe an die Thessalonicher

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Abschrift des Buches: Heilsgeschichtliche Entfaltung im Neuen Testament
Verfasser: E. W. Bullinger (1874)

Herausgeber:
Manfred Mössinger, 76307 Karlsbad, Eigenverlag (1993)
In englischer Sprache:
The Foundation of Dispensational Truth

Weitere Bücher unter: Abschriften

Kapitel davor:
II. Die Früh-Briefe des Apostels Paulus

a) Briefe an die Thessalonicher

Der 1. Thessalonicherbrief

Das erste Buch der Heiligen Schrift, das in dieser Phase entstand, nach der Verkündigung von Apg 3:19-26 durch Petrus, ist der erste Brief des Paulus an die Thessalonicher. Außer 1. Thessalonicher war alles mündlich. Wenn wir nicht glauben, dass Gott sein Volk Israel verspotten wollte, dass er also gar nicht die Absicht hatte, "Jesus Christus zu senden" und "alles wieder herzustellen" und alle Prophezeiungen zu erfüllen, dann müssen wir glauben, dass sein erstes schriftlich überliefertes Wort, das dieser Verkündigung folgte, zwangsläufig eine besondere Beziehung dazu haben musste.

Der Brief geht von dieser Verheißung Gottes aus, und wenn wir ihn nicht in diesem Licht lesen, ist es uns unmöglich, die Lehre zu begreifen, die Gott damit vermitteln wollte. Der Brief war an eine Gemeinde von Menschen in Thessalonich gerichtet, die das Zeugnis gläubig angenommen hatten, das sie von denen erhalten hatten, die die Worte des Sohnes Gottes bekräftigten. Es war keine moderne "Kirche" mir ihrer Organisation und Institution, sondern eine einfache Gemeinde von solchen, "die das Wort aufgenommen" hatten von Petrus und Paulus, und die sich bekehrt hatten, "zu warten auf seinen Sohn vom Himmel."

Paulus lehrt in der Synagoge

Die Verheißung war gegeben. Paulus hatte die Botschaft dorthin gebracht, und Apg 17 berichtet uns, wie er hinkam und was er sagte. "... da war eine Synagoge der Juden. Wie nun Paulus gewohnt war, ging er zu ihnen hinein und redete mit ihnen an drei Sabbaten von der Schrift."

Er sprach nicht aus seinen Gedanken, sondern aus der Schrift. Er gründete keine Kirche mit ihren Ämtern, Institutionen und Organisationen. Nein, er brauchte nur die Heilige Schrift. Das war die ursprüngliche Schrift, keine modernen, bibelkritischen Schriften. Er brauchte nichts an modernen Methoden, Tricks und Erfindungen, die das Hauptthema eines verbrauchten Systems "organisierten Christentums" sind, denn er hatte alles, was er brauchte, im "Wort der Wahrheit", im geschriebenen und lebendigen Wort. So redete er mit ihnen von der Schrift, "tat sie ihnen auf und legte ihnen dar, dass Christus leiden mußte (das hatte auch Petrus in Apg 3:18 gesagt) und von den Toten auferstehen und dass dieser Jesus, den ich so sprach er euch verkündige, der Christus ist" (Apg 17:3).

Was er noch verkündete, geht aus der Anklage hervor, die gegen ihn und Silas vorm Magistrat erhoben wurde. Demnach hatte er gesagt, "ein anderer sei König, nämlich Jesus" (Apg 17:7). Damit hatte er die Verkündigung des Petrus bestätigt. Ihr "Werk im Glauben" (1Thes 1:3), bestand darin, dass sie sich bekehrt hatten "zu Gott von den Abgöttern" (1Thes 1:9), dasselbe Wort "bekehrt euch" hatte Petrus in Apg 3:19 benutzt. Das war ihre "Arbeit in der Liebe" (1Thes 1:3),, "zu dienen dem lebendigen und wahren Gott" (1Thes 1:9). Das war ihre "Geduld in der Hoffnung" (1Thes 1:3), dass sie sich Gott zuwandten "zu warten auf seinen Sohn vom Himmel" (1Thes 1:10).

Der Himmel hatte ihn aufgenommen; von dort sollte er gesendet werden (Apg 3:20.21). Deshalb warteten sie "auf seinen Sohn vom Himmel." Sie erwarteten Jesus, der von dem zukünftigen Zorn errettet. Johannes der Täufer hatte mit den gleichen Worten gewarnt (Mt 3:7). Der Herr hatte davon gesprochen (Lk 21:22.23). Der Apostel sagt in 1Thes 2:16 nochmals: "Aber der Zorn Gottes ist schon in vollem Maß über sie gekommen" (eis telos). Aber in 1Thes 5:9 kann er sagen: "Gott hat uns nicht bestimmt zum Zorn, sondern das Heil zu erlangen durch unsern Herrn Jesus Christus," deshalb warteten sie auf Gottes Sohn vom Himmel.

Der Apostel zählt sich also selber mit zu denen, die auf die Errettung warten. Von denen, die für ihr eigenes Versäumnis eine Ausrede suchen, ist es Paulus zur Last gelegt worden, er hätte sich im Irrtum befunden mit diesem Warten auf den Herrn. Aber das ist jedenfalls eindeutig, dass er es für sich selber und für die Empfänger seines Briefes als durchaus gegenwärtige Erwartung ansah eine Erwartung, deren Erfüllung sie sich miteinander und gleichzeitig erfreuen würden.

Gott hatte versprochen, seinen Sohn zu "senden". Das war der Grund, warum Paulus und die in Thessalonich, an die er schrieb, warteten. Paulus sehnte sich danach, sie "von Angesicht zu sehen, mit großem Verlangen. Darum wollten wir zu euch kommen, ich, Paulus einmal und noch einmal, doch der Satan hat uns gehindert." Aber er hatte dennoch Freude, wenn er daran dachte, dass es nicht für lange sein würde. Darum fragt er: "Denn wer ist UNSERE HOFFNUNG oder Freude oder unser Ruhmeskranz seid nicht auch IHR es vor unserm Herrn Jesus, wenn er kommt? IHR seid ja UNSRE Ehre und Freude“ (1Thes 2:17-20).

Im dritten Kapitel gibt er nochmals seiner großen Sehnsucht Ausdruck (1Thes 3:5-10) und betet dann: "Er selbst aber, Gott, unser Vater, und unser Herr Jesus lenke UNSERN Weg zu EUCH hin. Euch aber (auf jeden Fall) lasse der Herr wachsen und immer reicher werden in der Liebe untereinander und zu jedermann, wie auch wir sie zu euch haben, damit EURE Herzen gestärkt werden und untadelig seien in Heiligkeit vor Gott, unserm Vater, wenn unser Herr Jesus kommt (parousia oder Anwesenheit) mit allen seinen Heiligen (Engeln)“ (1Thes 3:11-13).

War dieses Kommen nicht sehr nahe für diese gläubigen Thessalonicher? Sie hatten den Aufruf des Petrus befolgt und Buße getan und sich zum Herrn bekehrt, und nun warteten sie auf die baldige Erfüllung der Verheißung des Herrn. Für sie war es keine Sache ferner Zukunft. Es konnte sich nicht auf ein Kommen beziehen, das selbst heute noch weit vor uns liegt. Es war eine nahe, damals geradezu aktuelle Erwartung, die für gerade diese Gläubigen, an die der Brief adressiert war, verwirklicht werden sollte - eine Erwartung, die sie persönlich in Freude erleben würden.

Frage nach den Entschlafenen

Im vierten Kapitel gibt er eine weitere Offenbarung der Wahrheit über diese Hoffnung - eine Wahrheit, die die Zwölf nicht offenbaren konnten. Sowohl sie, als auch er hatten viel von den Lebenden gesprochen; viel über ihre Buße und Bekehrung zum Herrn und darüber, dass sie den Herrn vom Himmel gesendet erwarten sollten. Was wäre aber nun mit den inzwischen Entschlafenen (dieser Ausdruck ist allen sorgfältigen griechischen Texten gemeinsam, einschließlich Tregelles)? Wie würden sie am Kommen des Herrn beteiligt und der "Ruhmeskranz" des Apostels sein können?

Diese Entschlafenen hatten Buße getan. Sie hatten sich zum Herrn bekehrt und hatten auf ihn gewartet. Um diesem Problem zu begegnen, tröstet sie der Apostel "mit einem Wort des Herrn." Damit beantwortet er ihre Fragen, lindert ihren Schmerz und gibt ihnen Hoffnung. Er sagt: "wir wollen euch aber, liebe Brüder, nicht im Ungewissen lassen über die, die entschlafen sind, damit ihr nicht traurig seid wie die andern, die keine Hoffnung haben. Denn

A a - Wenn wir glauben
b - dass Jesus gestorben
c - und auferstanden ist,
A a - so (glauben wir)
b - wird Gott auch die, die entschlafen sind,
c - (aus dem Tode zurück) durch Jesus mit ihm einherführen."

In diesem Vers haben wir zwei korrespondierende Aussagen. Die eine bezieht sich auf den Herrn, die andere auf sein Volk. Jeweils die erste (a und a) handelt vom Glauben, die zweite (b und b) vom Tod und die dritte (c und c) von der Auferstehung.

Der Herr war gestorben. Aber Gott, der "den großen Hirten der Schafe, unsern Herrn Jesus, von den Toten heraufgeführt hat" (Hebr 13:20), werde in gleicher Weise, durch Jesus (wie in 2Kor 4:11), auch die Entschlafenen aus dem Tode zurück bringen.

Das war nicht nur eine Behauptung des Apostels. Er bestätigte nur das Wort, das der Herr schon zu Martha geredet hatte, als er ohne von der Gemeinde oder der Offenbarung des Geheimnisses zu reden ihr eine weitere Tatsache über die Auferstehung mitteilte.

Martha glaubte an die erste und zweite Auferstehung, aber es gab noch eine andere. Sie hatte anfangs zum Herrn gesagt: "Herr, wärest du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben." Auf diese Worte hin belehrte sie der Herr. Er sagte ihr, dass seine Gegenwart die Auferstehung bedeute, wie sie richtig gesagt hatte, aber sie bedeutete noch mehr: Sie bedeutete nicht nur die Bewahrung des zeitlichen Lebens, sondern auch die Auferstehung für die, die gestorben waren, und die Bewahrung zum ewigen Leben für diejenigen, die "leben und übrig bleiben" ihn also als "das Leben" kennen. Seine Worte (Joh 11:25.26) können so gelesen werden:

B - Ich bin die Auferstehung
C - und das Leben.
B - Wer an mich glaubt, der wird leben (wieder, in der Auferstehung), auch wenn er stirbt;
C - und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.

Dieses Wort des Herrn war es, was Paulus bekräftigte, als er schrieb:

"Denn das sagen wir euch mit einem Wort des Herrn, dass wir, die wir leben und übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn, denen nicht zuvorkommen werden, die entschlafen sind. Denn er selbst, der Herr, wird, wenn der Befehl ertönt, wenn die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes erschallen, herabkommen vom Himmel, und zuerst werden die Toten, die in Christus gestorben sind, auferstehen. Danach werden wir, die wir leben und übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden auf den Wolken in die Luft, dem Herrn entgegen; und so werden wir bei dem Herrn sein allezeit. So tröstet euch mit diesen Worten untereinander" (1Thes 4:13-18).

Die Hoffnung Israels wird ausgesetzt

Paulus bekräftigt hier, was der Herr in Mt 24 gesagt hatte. "Sogleich aber nach der Bedrängnis jener Zeit..." (die innerhalb dieser vierzig Jahre der Bewährung, die von der Apostelgeschichte abgedeckt sind, stattgefunden hätte, wobei die Wunderzeichen am Himmel und auf der Erde gesehen worden wären, die von Joel vorhergesagt waren (Joe 3:3.4), wie Petrus am Tag des Pfingstereignisses erklärte, dass es "DAS" sei, was angekündigt und vorgedeutet wäre): "... dann wird erscheinen das Zeichen des Menschensohns am Himmel. Und dann werden wehklagen alle Geschlechter auf Erden und werden sehen den Menschensohn kommen auf den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit. Und er wird seine Engel senden mit lauten Posaunen, und sie werden seine Auserwählten sammeln von den vier Winden, von einem Ende des Himmels bis zum andern" (Mt 24:29-31).

Diese "laute Posaune" ist die "Posaune Gottes" in 1Thes 4:16; und das "Sammeln" ist das Sammeln derer, "die wir leben und übrigbleiben." Das ist die Aufgabe, die den Engeln zugewiesen ist, aber die Auferstehung derer, die entschlafen sind, sollte von Gott selber "durch Jesus" bewirkt werden.

Der Herr belehrte seine Jünger dann auf einmal mit dem Gleichnis vom Feigenbaum und sagte: "... wenn seine Zweige jetzt saftig werden und Blätter treiben, so wisst ihr (aus Erfahrung), dass der Sommer nahe ist. Ebenso auch: Wenn IHR das alles seht, so wisst, dass er nahe vor der Tür ist. Wahrlich, ich sage euch: DIESES GESCHLECHT (Generation) wird NICHT (griech.: ou me, die stärkstmögliche Verneinung) vergehen, bis dies alles geschehen könnte. (Hier steht wieder an als Möglichkeitsform.) Himmel und Erde werden vergehen; aber MEINE Worte werden NICHT (griech.: ou me, die stärkstmögliche Verneinung) vergehen" (Mt 24:32-35).

Keine Worte könnten ernster, gewisser, nachdrücklicher oder unmissverständlicher sein. Jene Generation verging nicht, bis das alles stattgefunden haben könnte. Alles war von Israels Buße abhängig. Der Herr hatte Zeichen genannt, aus denen diese Generation wissen konnte, dass der Feigenbaum Blätter triebe, dass der Sommer der nationalen Wiederherstellung nahe sei, und dass "er nahe vor der Tür" sei (Mt 24:33). Das Zeichen war, dass viele in seinem Namen kommen würden, die sagten: "Ich bin der Messias." Dieses Zeichen fand statt, und wer auf die Worte des Herrn gehört hatte, sah es und wusste daher, dass das Ende dieser Phase nahe war, und dass es die letzte Stunde davon war (Joh 2:18).

Jakobus hatte geschrieben und gesagt, der Richter steht vor der Tür (Jak 5:9), und "das Kommen des Herrn ist nahe“ (Jak 5:8). Der Herr sandte dieselbe Botschaft nach Laodizäa: "Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an" (Offb 3:20).

Petrus verband in seiner Pfingstpredigt das Geschehen dieses Tages mit dem "Tag des Herrn," und zeigte wieder, dass diese Ereignisse das anzeigten, was Joel über den Tag prophezeit hatte: "Denn auf dem Berg Zion und zu Jerusalem wird Errettung sein (das ist das 'Erretten' aus 1Thes 1:10 und das 'Heil' aus 1Thes 5:8-10), wie der Herr verheißen hat, und bei den Entronnenen, die der Herr berufen wird" (Joe 3:5). Konnte das jemand bezweifeln, wenn sie Petrus predigen hörten: "Denn euch und euren Kindern gilt diese Verheißung, und allen, die fern sind, so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird" (Apg 3:19)? Wer die waren, "die fern sind," können wir aus Daniels Gebet (Dan 9:7) entnehmen:

*"Du Herr, bist gerecht, wir aber müssen uns alle heute schämen, die von Juda und von Jerusalem und von ganz Israel, die, die nahe sind, und die zerstreut sind in allen Ländern, wohin du sie verstoßen hast um ihrer Missetat willen, die sie an dir getan haben." Beim Vergleich mit Apg 2:14.22.36.39 und Joe 3:5 kann kein Zweifel darüber bestehen, wie wir all diese Schriftstellen zu verstehen haben).

Paulus stimmte in seinem bekräftigenden Zeugnis mit denen überein, "die es gehört hatten." Gehörte er nicht auch zu "dieser Generation", von der der Herr sprach? Sah er diese Zeichen nicht? Und benutzte er nicht auch die Fürwörter "WIR" und "UNS" mit besonderem Bezug auf sich selber? War es also nicht eine damals gegenwärtige Erwartung, die der Apostel und die Adressaten seines Briefes gemeinsam hatten?

Weil diese Tatsache nicht gesehen wurde, hat man gedankenlos Paulus beschuldigt, von einer falschen Voraussetzung ausgegangen zu sein. Es liegt ja tatsächlich auf der Hand, dass er davon als von einer Erwartung schrieb, die er persönlich hegte. Deshalb sagt man, er habe sich geirrt!

Aber gerade das ist unser Anliegen: Er hat sich nicht geirrt! Wie hätten Worte des Paulus in die Heilige Schrift gelangen können, die von der Annahme ausgegangen wären, dass Israel die angeboten Verheißung, Jesus Christus zu senden, ablehnen würde? Unmöglich. Alles war real und von ganzem Ernst.

Im fünften Kapitel (1Thes 5) spricht Paulus wieder vom "Tag des Herrn." Wie es Joel getan hatte, und wie es Petrus getan hatte, als er sagte, dass diese Gabe der Zungenrede zu Pfingsten "das" wäre, wovon Joel gesagt hatte, es werde "in den letzten Tagen" geschehen.

Paulus sagt dasselbe, aber er fährt fort und erklärt, wie "sie das Verderben schnell überfallen" wird, die das Zeugnis ablehnen, das ihnen damals gegeben wurde, und wie sie "nicht entfliehen" werden. Aber er fügt hinzu, dass es mit denen nicht so geschehen wird, die das Wort und das Zeugnis angenommen haben. Diese waren nicht "von der Finsternis." Sie schliefen nicht wie die andern, sondern waren wachsam. Sie warteten auf Gottes "Sohn vom Himmel“ (1Thes 1:10).

"Wir aber, die wir Kinder des Tages sind, wollen nüchtern sein, angetan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf das Heil. Denn Gott hat UNS nicht bestimmt zum ZORN, sondern dazu, das Heil zu erlangen durch unsern Herrn Jesus Christus, der für UNS gestorben ist, damit, ob WIR wachen oder schlafen, WIR zugleich mit ihm leben. Darum ermahnt euch untereinander, und einer erbaue den andern, wie ihr auch tut" (1Thes 5:8-11).

Der Apostel schließt dann den ganzen Brief mit einem Gebet, das mit noch einem Hinweis auf die parousia des Herrn alles zusammenfasst, die als so nahe betrachtet wird, dass die Leser dieses Briefes bewahrt werden möchten vor Tod und Vernichtung und zu denen gehören, die "leben und übrigbleiben" um "dem Herrn entgegen in die Luft" entrückt zu werden. Er sagt: "Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch (zu dem Ende; griech.: holoteleis) und bewahre euren Geist samt Seele und Leib (in jedem Teil; griech.: holokleron, d. h. lebendig) unversehrt, untadelig FÜR die Ankunft (parousia) unseres Herrn Jesus Christus. Treu ist er, der euch ruft; er wird's auch tun." - Gemeint ist hier die Verheißung von 1Thes 4:16, die zu Gottes Verheißung durch Petrus in Apg 3:19-21 eine Beziehung hat.

Diese Verheißung galt allen, die dem Ruf zur Buße Folge leisten und sich zum Herrn bekehren würden. Er schließt mit den Worten: "Ich beschwöre euch bei dem Herrn, dass ihr diesen Brief lesen lasst vor allen Brüdern." Hätte Israel Gottes Ruf zur Buße befolgt, der durch Petrus ergangen war, dann wäre die Verheißung, Jesus Christus zu senden, erfüllt worden, und alles, was die Propheten gesagt hatten, hätte Bestand gehabt und wäre erfüllt worden, und alles wäre wiedergebracht worden. Aber Israel tat nicht Buße. Ein paar kleine Gemeinden hier und da "nahmen das Wort auf" (Apg 2:41; 1Thes 2:13) und gehorchten, aber das Volk als Ganzes verwarf den zweifachen Ruf von Petrus d. h. der Zwölf im Land und überall und den Ruf von Paulus in den Synagogen der Diaspora.

Unsere Erwartung heute

Aber für uns heute stellt sich die Frage: Hat Israel als ganzes Volk diese verheißene Segnung verwirkt, oder ist sie nur ausgesetzt? Wird "die Zeit der Erquickung" niemals kommen? Wird Gott niemals Jesus Christus senden? Und wird er doch nicht alles erfüllen, was die Propheten gesagt haben? Doch, er wird es gewiss tun. Und das ist der Grund, warum die zuerst geschriebenen Briefe in unserer kanonischen Ordnung in der Heiligen Schrift an letzter Stelle stehen. Die heilsgeschichtliche, historische und chronologische Reihenfolge spricht zu uns nicht mehr so wie damals zu ihnen. Für Gläubige von heute ist die kanonische Ordnung, wie wir sie nach göttlicher Weisung in die Hand bekommen haben, die Reihenfolge, die uns angeht. Auch wir warten auf den Herrn. Aber worauf gründet sich diese Erwartung? War die Verheißung unsern Vätern gegeben? War sie uns und unsern Kindern gemacht (Apg 2:39)? Ganz gewiss nicht.

Wo kommen dann wir "Sünder aus den Heiden" darin vor? Wieso nehmen wir diese Verheißung für uns in Anspruch? Haben wir irgend einen Anspruch auf ein "Erbe"? Worin besteht dieser Anspruch? Die Antwort auf diese Fragen ist der Schlüssel zur kanonischen Ordnung der Paulinischen Epistel. Wir als Heiden haben von uns aus keinerlei Recht und keinerlei Anspruch. Wir haben von unsern Vätern keine Verheißung geerbt. Aber wir haben und erben alles in Christus! Das aber lernen wir nicht aus den früheren Briefen des Paulus, sondern aus den späteren Briefen.

Am Anfang des Briefes an die Epheser werden wir an das ganze Geheimnis kommen. "Darum denkt daran, dass ihr,

  1. die ihr von Geburt einst Heiden wart
  2. und Unbeschnittene genannt wurdet von denen, die äußerlich beschnitten sind,
  3. dass ihr zu jener Zeit ohne Christus wart,
  4. ausgeschlossen vom Bürgerrecht Israels
  5. und Fremde außerhalb des Bundes der Verheißung;
  6. daher hattet ihr keine Hoffnung
  7. und wart ohne Gott in der Welt" (Eph 2:11.12).

In diesen sieben gewichtigen Aussagen erfahren wir unsere Position, die wir von Natur Heiden sind. Dann folgt das heilige Versprechen: "Jetzt aber IN CHRISTUS JESUS seid ihr, die ihr einst Ferne wart, Nahe geworden durch das Blut Jesu Christi" (Eph 2:13).

Aber wir fragen nochmals: Worauf beruht das, dass wir "Nahe" geworden sind? Die einzige Antwort ist in Eph 1 gegeben: "IN IHM sind WIR auch zu Erben eingesetzt worden, die wir dazu vorherbestimmt sind nach dem VORSATZ dessen, der alles wirkt nach dem RATSCHLUSS seines WILLENS; damit WIR etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit, die wir zuvor auf Christus gehofft haben. IN IHM SEID AUCH IHR, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, nämlich das Evangelium von eurer Seligkeit IN IHM SEID AUCH IHR, als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem heiligen Geist, der verheißen ist. welcher ist das Unterpfand unsres ERBES, zu unsrer Erlösung, dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit" (Eph 1:1-14).

Hier ist es, wo wir und unsere Leser dazugehören. Hier ist unser Rechtsanspruch. Wir haben alles und mehr nicht weil wir in Abraham sind, sondern weil wir "IN CHRISTUS" sind; nicht weil wir zum "Bund der Verheißung" gehören, der für Abraham und seinen Samen geschlossen wurde, sondern weil wir von Ewigkeit her dazu vorherbestimmt sind, weil er uns erwählt hat "ehe der Welt Grund gelegt war" (Eph 1:4). Das heißt, wie in 1Mo 1:2 berichtet, als die Welt, die damals bestand, zerstört wüst und leer wurde.

Das ist die einleitende Aussage der späteren Briefe des Apostels Paulus. Aber bevor wir das verstehen können, müssen wir uns die grundlegenden Lehren erarbeiten, die im Römerbrief dargelegt werden, der später geschrieben wurde als 1. Thessalonicher. Dort haben wir das große Thema von Juden und Heiden erklärt und fest begründet. Das ist es, warum dieser Brief jetzt als erster eingeordnet ist. Das ist es auch, warum es für uns heute notwendig ist, dass wir mit dem Römerbrief beginnen. Gläubige Juden und Heiden von damals konnten nur (genau wie es für sie notwendig war) mit den Briefen an die Thessalonicher beginnen.

Hier sehen wir, dass Gott für die kanonische Ordnung aller Briefe des Paulus einen Grund hatte. Sie hatten ihr Erbe in Abraham wir haben auch ein Erbe, aber wir haben es "in Christus." Und doch gibt es manche, die meinen, wir (als Heiden) seien benachteiligt und unserer Hoffnung beraubt, weil Israels Heil ausgesetzt ist! Aber es ist ganz umgekehrt. Wir sind es, die Israel der Verheißung von 1. Thessalonicher beraubt haben; und wie es so häufig und sprichwörtlich der Fall ist, gibt es den üblichen Streit um gestohlenes Eigentum.

Wenn wir zur Betrachtung der späteren Paulinischen Briefe kommen, in denen "der Geist der Wahrheit" die Verheißung aus Joh 16:12-15 erfüllt hat, der "in alle Wahrheit" leitet, werden wir sehen, dass wir gar nicht benachteiligt sind, sondern alles das gewonnen haben, was es jetzt zu wissen gibt über Gnade wie über Herrlichkeit.

Wir brauchen Israel die ausgesetzte Hoffnung nicht zu rauben, denn anstatt der Verheißung von 1Thes 4:17, "entrückt werden auf den Wolken in die Luft," haben wir die herrliche Verheißung der "himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus." Anstatt der Auferstehung der "Toten, die in Christus gestorben sind," haben wir die Verheißung der "Ausauferstehung", "der von den Toten" (Phil 3:11 K). Und obwohl doch die "Hoffnung Israels" ausgesetzt ist, bilden sich manche ein, wir seien benachteiligt. Gewiss können wir es uns leisten, ihnen ihre Hoffnung zu lassen, denn für uns gilt: "Ich vergesse was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist, und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus" (Phil 3:13.14).

Unsere Hoffnung "in Christus" bedeutet viel mehr für uns, als 1Thes 4:16 damals für Israel. Wir warten auch auf Gottes Sohn. "Unser politeuma (oder Regierungssitz) (Luther: Bürgerrecht) ist (bereits) im Himmel; woher wir auch erwarten den Heiland, den Herrn Jesus Christus, der unsern nichtigen Leib verwandeln (metaschematizo = Gestalt oder Aussehen verändern) wird, dass er gleich werde (summorphios = dieselbe Gestalt haben wie) seinem verherrlichten Leibe" (Phil 3:20.21).

Das ist unsere "selige Hoffnung." Möge der Herr es bald geschehen lassen!

Der 2. Thessalonicherbrief

Wir kommen jetzt zum zweiten Brief an die Thessalonicher, den Paulus wahrscheinlich weniger als ein Jahr nach dem ersten schrieb, während er noch in Korinth war. Das war wohl reichlich zwanzig Jahre nach der Auferstehung des Herrn.

Die vierzigjährige Bewährungsfrist für Israel war zur Hälfte vergangen, aber es blieb noch reichlich Zeit für die Erfüllung alles dessen, was die Propheten über die Wiederherstellung aller Dinge vorhergesagt hatten, das Aufkommen des Antichrist und die Wunder am Himmel und auf der Erde, die Joel prophezeit hatte (Joe 2:21-27), außerdem der Herr (Mt 24:4-35) und Johannes im Buch der Offenbarung.

Wir haben gesehen, dass das alles für diese Generation "nahe" war. Es sollte "bald geschehen" (Offb 1:1). Der Richter stand noch, er hatte noch nicht den Sitzplatz eingenommen. Er stand "vor der Tür" (Jak 5:9), und er klopfte noch an (Offb 3:20). Der Tag des Herrn war zwar noch nicht gekommen, aber er war "nahe vor der Tür" (Mt 24:33).

Die Trübsal hatte noch nicht eingesetzt, aber es waren Nöte an allen Enden aufgekommen für die, "die das Wort angenommen hatten" (Apg 2:41; 1Thes 2:13). Man fühlte den "Anfang der Wehen" der Trübsal, wie es der Herr vorhergesagt hatte:

"Dann werden sie euch der Bedrängnis preisgeben und euch töten. Und ihr werdet gehaßt werden um meines Namens willen von allen Heiden. Dann werden viele abfallen und werden sich untereinander verraten, und werden sich untereinander hassen. Und es werden sich viele falsche Propheten erheben und werden viele verführen. Und weil die Ungerechtigkeit überhandnehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten. Wer aber beharrt bis ans Ende, der wird selig werden" (Mt 24:9-13).

Die Gläubigen in Thessalonich machten erste Erfahrungen mit der Wahrheit dieser Worte. Das ging so weit, dass man dem Apostel nachsagte, er habe gesagt oder geschrieben, der "Tag des Herrn" sei schon da (2Thes 2:2). Das war der unmittelbare Anlass für den zweiten Brief, den Paulus an die Gläubigen in Thessalonich schrieb.

Als er den ersten Brief schrieb, konnte er Gott preisen für ihr "Werk im Glauben", ihre "Arbeit in der Liebe" und ihre "Geduld in der Hoffnung" (1Thes 1:3). Aber im zweiten Brief erwähnt er ihre "Hoffnung" nicht mehr! Er dankt Gott für ihren wachsenden Glauben und die zunehmende gegenseitige Liebe (2Thes 1:3), aber ihre Hoffnung erwähnt er nicht, denn die war von diesem falschen Bericht damals geschmälert, wenn nicht zerstört worden.

Im ersten Brief hatte er ihnen geschrieben, dass der "Tag des Herrn" kommen würde "wie ein Dieb in der Nacht", und dass "das Verderben" die Ungläubigen "schnell überfallen" würde. Aber die Gläubigen würde der Tag nicht wie ein Dieb überfallen, denn sie sollten den Helm der Hoffnung aufsetzen, der Hoffnung auf das Heil (1Thes 1:8), und auf die Errettung vor dem zukünftigen Zorn (1Thes 1:10).

Es ist nicht zu verwundern, dass ihre Hoffnung zusammenbrach, als sie die falsche Nachricht erhielten, derselbe Apostel hätte gesagt, der Tag des Herrn sei schon da, und sie wären nicht errettet worden. In diesem Falle hätte "der Tag" sie "wie ein Dieb" überrascht (1Thes 5:1-11).

Deshalb ermahnt er sie, sich nicht wankend machen zu lassen, in keinerlei Weise (weder durch durch eine Weissagung, noch durch ein Wort, noch durch einen Brief). Und er gibt ihnen ein sicheres Zeichen und Merkmal, indem er sagt: "... denn zuvor muss der Abfall kommen und der Mensch der Bosheit (Tischendorf und Tregelles haben hier "Gesetzlosigkeit) offenbart werden, der Sohn des Verderbens" (2Thes 2:3). Dann beschreibt er noch wie der sich offenbaren wird, so dass für sie kein Zweifel mehr bestehen konnte: Vor diesem Abfall und diesem Offenbarwerden konnten sie ganz gewiss sein, dass "der Tag des Herrn" noch nicht da war.

Schon als sie das Wort empfangen hatten, war das unter Schwierigkeiten geschehen, das erfahren wir aus Apg 17:5; und die Schwierigkeiten hörten nicht auf, wie wir aus 1Thes 2:14-16 entnehmen können. Hier müssen wir demnach den Grund suchen, warum dieser zweite Brief geschrieben wurde.

Der Apostel hatte ihnen "Ruhe" versprochen durch das Wort des Herrn, bevor jener Tag kommen sollte. Sie würden entrückt und errettet vor dem "Zorn" jenes Tages. Und nun schreibt er ihnen diesen zweiten Brief um der "Hoffnung" willen, die er ihnen gemacht hatte, und wegen der verheißenen "Vereinigung mit ihm" (2Thes 2:1).

Für ihn und für sie war diese "Ruhe" sehr nahe. Er sagte, sie sollten Ruhe haben "mit uns" (d.h.: mit ihm selber und Silvanus und Timotheus) (2Thes 1:1), nicht "wenn" (wie in 2Thes 1:10) sondern "bei der Enthüllung des Herrn Jesu vom Himmel" (2Thes 1:7 K). Verse 7-10 nach Luther: "... wenn der Herr Jesus sich offenbaren wird vom Himmel her mit den Engeln seiner Macht in Feuerflammen, Vergeltung zu üben an denen, die Gott nicht kennen und die nicht gehorsam sind dem Evangelium unseres Herrn Jesus. Die werden Strafe erleiden, das ewige Verderben, vom Angesicht des Herrn her und von seiner herrlichen Macht, WENN ER KOMMEN WIRD, dass er verherrlicht werde bei seinen Heiligen und wunderbar erscheine bei allen Gläubigen, an jenem Tage; denn was wir euch bezeugt haben, das habt ihr geglaubt" (vgl. Apg 17:1-3).

Voraussetzung zur Erfüllung der Verheißung

Die Worte "wenn er kommen wird" sagen uns, dass noch bevor der Tag des Herrn mit all seinem "Zorn" offenbar wird, der Herr bereits gekommen sein wird, um sowohl den Schreiber wie die Leser des Briefes in seine "Ruhe" zu holen. Dieser Tag gehört zu all dem, was die Propheten geweissagt hatten, wovon Petrus in Apg 3:19-26 erklärt hatte, dass es in der Wiederkunft Jesu Christi erfüllt werden würde. Aber die Erfüllung der großen prophetischen Ankündigung war von der nationalen Buße abhängig.

Wir wissen, dass diese Bedingung nicht erfüllt wurde. Von Anfang an war die nationale Buße die einzige Voraussetzung der nationalen Errettung, wie man aus 3Mo 26:40-42 und Hos 5:15 usw. ersehen kann, und sie ist es noch heute. Diese Buße ist immer noch Zukunft, aber sie wird gewiß erfolgen. Die Prophezeiung davon wird sich erfüllen, wie Sach 12:10-14 und Mt 24:30 geweissagt und in [Offb 1:7] bestätigt.

All das zeigt uns, dass die Ruhe, von der der Apostel schrieb, damals als Realität und zwar sehr kurz bevorstehend angesehen wurde. Sie sollte nicht den Einzelnen durch das Sterben zuteil werden, sondern nach der Verheißung in 1Thes 4:17 gemeinsam und "zugleich." Damit gehörte sie zu dem "Senden" des Herrn Jesus, bevor er sichtbar kommen würde, wie das in 2Thes 1:7-9 beschrieben ist. Diese große Enthüllung wird nicht geschehen, bevor er zuerst gekommen ist, "dass er verherrlicht werde bei seinen Heiligen" (2Thes 1:10)

Da die Nation nicht Buße getan hat, wurde die Bedingung nicht erfüllt, und die damals nicht realisierte Hoffnung wurde ausgesetzt. Diejenigen, die nach der "Ruhe" ausgeschaut und sich gesehnt hatten, entschliefen und gehören nun zu den "Toten, die in Christus gestorben sind." Aber sie werden sich dennoch mit denen gemeinsam daran erfreuen, die "leben und übrig bleiben," wenn der Herr Jesus Christus kommt.

Aus dem allen folgt, dass dieselben Zeichen für die Offenbarung Jesu Christi heute gültig bleiben für alle, die Augen haben, zu sehen, und "Ohren, zu hören." Niemand braucht sich irre machen zu lassen; weder durch die Lehre einer Gruppe von Kommentatoren, die behaupten, der Herr wäre bei der Zerstörung Jerusalems gekommen, noch durch leeres Versprechen von Politikern, die uns einen Himmel auf Erden durch ihre verschiedenen politischen Systeme vorgaukeln; noch durch falsche Hoffnungen und Versprechen moderner Sozialisten (christliche und andere); noch durch gotteslästerliche Lehren der neuen Theologie, die von der "Verwirklichung des Königreiches Gottes auf Erden" ohne den König träumt, noch durch das fruchtlose Bemühen um "Frieden auf Erden," ohne zu erkennen, dass die Menschheit den "Friedefürsten" getötet hat.

Das alles stellt die Aussagen vom Wort Gottes auf den Kopf, denn das sichert uns zu, dass der Tag des Herrn nicht kommt, bevor der Abfall geschehen ist. Die Kirche sagt, er käme erst nach der Bekehrung der ganzen Welt. Die Welt erklärt, die Welt sei nicht schlecht genug, moderne Lehrer versichern uns, sie sei nicht gut genug! Und ohne um Gottes Wort zu wissen, arbeiten sie, um "die Wiederherstellung aller Dinge" zu bewerkstelligen, ohne die Wiederkunft Jesu Christ!

Kann es für uns einen zuverlässigeren Beweis geben, dass der Abfall, obwohl er seinen Höhepunkt noch nicht erreicht hat, doch schon weit fortgeschritten sein muss, wenn die moderne Bibelkritik in den Kirchen Einzug gehalten hat und das Geheimnis (der Geist und das Wirken) der Gesetzlosigkeit sowohl in der Kirche wie im Staat um sich greift?

Die Gläubigen in Thessalonich hatten ihre "Zeichen," und wir heute haben unsere, an denen wir merken, dass der Tag des Herrn naht. Aber welche Verheißung haben wir, davor gerettet zu werden? Welche Zusicherung haben wir, dass er uns nicht "überfallen" wird? Wo ist für uns die "Ruhe," die ihnen verheißen wurde?

Wir können gut verstehen, wie nahe die versprochene Ruhe für sie war, wenn wir diese Briefe, die in der Phase der Apostelgeschichte geschrieben wurden, in ihrer zeitlichen Reihenfolge lesen; aber nicht, wenn wir unsere jetzige Phase des Geheimnisses in sie hinein lesen. Aus diesem Grunde legen bis heute viele Gläubige großen Wert auf 1Thes 4, lassen aber 2Thes 1 außer acht.

Wir haben Verständnis und volle Sympathie für solche, die gerne hätten, dass in 1Thes 4 von uns die Rede wäre, die es als entscheidenden Inhalt unserer Hoffnung, das Kommen unseres Herrn betreffend, ansehen möchten. Aber wir können es dankbar loslassen, wenn wir sehen, dass wir eine bessere Hoffnung haben, an der wir uns umso mehr freuen können, da wir uns keinen Raub an Israels Hoffnung vorwerfen müssen, die nur ausgesetzt ist, und die auch noch ihre wunderbare und buchstäbliche Erfüllung finden wird.

Es kann trotzdem das Muster unserer Hoffnung sein, wie später in Phil 3:11.14 dargestellt wird. Die Verwirklichung unserer Hoffnung mag wohl nach der gleichen Vorlage gebildet sein wie die Ihrige. Die Anordnung der beiden Ereignisse kann gut die gleiche sein.

  1. Zuerst unsere "Aus-Auferstehung" (exanastasis), entsprechend ihrer Auferstehung (anastasis);
  2. dann unsere "Berufung in den Himmel," entsprechend ihrer Entrückung.

Was verlieren wir? Ist es nicht vielmehr ein großartiger Gewinn? Alles was wir zu tun haben, ist die Rückgabe gestohlenen Eigentums, indem wir aufgeben, was wir uns (vielleicht unwissentlich) angeeignet haben, und uns an dem erfreuen, was wirklich uns gehört, weil es uns von dem Erlöser, auf den wir warten, speziell zugeeignet wurde.

Wir und alle unsere Leser sind längst geheilt von einer unbewussten und biblischen Kleptomanie, durch die alle Segens-Verheißungen von Israel genommen, und der Gemeinde zugesprochen wurden, wobei wir uns wie Einbrecher verhalten, die nur Silber und Gold suchen und das Blech liegen lassen. So sind wir auch sorgfältig darauf bedacht, dass wir Fluch und Gerichte Israel überlassen und nur die Segnungen auf uns beziehen. In unserm Wahn lag Methode, aber er war trotzdem falsch. Wir wollen jetzt wahr und redlich sein und uns an dem erfreuen, was Gott uns verheißen, ja in Christus geschenkt hat, und in der Erwartung des Herrn leben (Phil 3:20.21) und auf unsere Berufung in den Himmel warten (Phil 3:14). Und wenn wir vorher entschlafen sollen, dann wollen wir in dieser seligen Hoffnung gewiss sein, die uns die "Ausauferstehung von den Toten" zusichert. Wir fragen nochmals: Was haben wir verloren?

Wenn wir in den Himmel berufen werden, sind dann keine Bibeln auf der Erde mehr nötig? Sollten die Zurückbleibenden, die dann zur Erkenntnis der Wahrheit kommen, ganz ohne Hoffnung gelassen werden, dem Schrecken vom Tag des Herrn zu entgehen? Oder sollten sie nicht wissen, was für sie in 1Thes 4 und Offb 5 vorgesehen ist?

Wenn wir ihnen 1Thes 4 wegnehmen und es zu unserer heutigen Hoffnung machen, was bleibt dann den Übriggebliebenen, sie vor dem zukünftigen Zorn zu retten oder andere aus der großen Trübsal herauszuführen? Wir lassen alle Schrift sich um uns als Mittelpunkt drehen! Aber wir sind nicht Alles und nicht Alle. Es gibt noch andere, die außer uns Erlösung brauchen und eine Hoffnung haben müssen. Es ist uns genug, ja es scheint zu gut, um wahr zu sein! Wir wollen deshalb die Dinge verlassen, die hinter uns liegen und uns ausstrecken nach dem, was vor uns liegt und jagen nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus (Phil 3:14).

2. Thessalonicher 2

Jetzt kommen wir zum zweiten Kapitel des 2. Briefes an die Thessalonicher. Hier erfahren wir mehr über alles das, was nach den Verheißungen der Propheten beim Kommen des Herrn erfüllt werden soll.

Der Apostel glaubte, was unser Herr gesagt hatte, und was die, "die es gehört haben" bekräftigten, nämlich dass sein Kommen nahe war (gr.: eggizo, Mt 3:2, übersetzt: "nahe herbeigekommen". Man vergleiche Mt 4:17; Mt 10:7; Mk 1:15, sowie Lk 10:9.11; Lk 21:20.28; Röm 8:12; Hebr 10:25; Jak 5:8; 1Petr 4:7 und eggus in Lk 21:31; Offb 1:3; Offb 12:10).

Aber das war etwas ganz anderes als die falsche Aussage, der Apostel habe gesagt, der "Tag des Herrn" sei bereits angebrochen. Das Verb enistemi bedeutet nicht dasselbe wie eggizo. So hatte der Tag des Herrn noch nicht begonnen, obwohl er nahe gekommen war. Auch als der Apostel 2Thes 2 schrieb, mussten noch zwei Ereignisse stattfinden: 1. Der Abfall und 2. die Offenbarung des Gesetzlosen.

Wir können gut verstehen, dass die Thessalonicher, "die das Wort empfangen" hatten (1Thes 2:13; vgl. Apg 2:41) und es glaubten, "in ihrem Sinn wankend" gemacht und erschrocken waren. Das Wort saleuo bedeutet 'erschüttert sein', also erregt und verstört (siehe Apg 17:13), und throeomai heißt erschreckt sein (es kommt außer hier nur noch in Mt 24:6 und Mk 13:7 vor, und bezieht sich auf die gleiche Ursache).

Für beides hätten sie Grund genug gehabt, wenn tatsächlich der "Tag des Herrn" schon gekommen wäre, denn der Apostel hatte ihnen verheißen, dass über sie der Tag nicht wie ein Dieb kommen werde (1Thes 5:4), sondern dass vorher die Toten auferstehen und die "leben und übrigbleiben" mit ihnen zusammen entrückt werden, dem Herrn entgegen in die Luft (1Thes 4:16.17). Das war der Trost, mit dem sie sich untereinander trösten sollten (1Thes 4:18; 1Thes 5:11).

Wenn aber der "Tag des Herrn" schon gekommen wäre, dann wäre dieser Trost verloren, die Ermahnung vergeblich gewesen. Sie hätten sich als Irregeleitete gefunden; die Apostel hätten sie getäuscht und ihre Hoffnung hätte getrogen. Es ist kein Wunder, dass der Apostel das Wort Hoffnung in 2Thes 2:3 nicht benutzt wie in 1Thes 1:3. Und es ist auch kein Wunder, dass er sie anfleht, sich nicht erschrecken zu lassen, und unbeirrt festzuhalten an der kostbaren Wahrheit der parousia oder (baldigen) Gegenwart des Herrn und ihrer Entrückung in die Luft, ihm entgegen.

Der Grund, warum sie nicht getäuscht worden sein konnten, war der, dass der Tag nicht kommen konnte, ohne zwei große Anzeichen, die wir oben genannt haben. Die Frage ist, ob das in der Lebenszeit derer eingetroffen ist, an die der Apostel schrieb, oder überhaupt inzwischen, oder jetzt, oder sollten sie noch geschehen?

Es gibt viele, die glauben, diese zwei Zeichen gesehen zu haben oder zu sehen. Es wird auch argumentiert, es sei sinnlos gewesen, ihnen Informationen zu geben über "Dinge, die gar nicht dringend waren und sie nicht einmal betrafen." Aber die Sache war sehr dringend. Es war wichtig für sie, zu wissen und zu begreifen, dass der Apostel sie nicht irregeleitet hatte, dass ihre Hoffnung weiterhin real und herrlich war. Es ging sie persönlich an, dass sie nicht wankend oder erschreckt wurden.

Der Apostel war angeleitet, auf den "Gesetzlosen" einzugehen, damit ihnen bestätigt wurde, dass er nicht bereits offenbar geworden sein konnte. Mehr noch, der inspirierende Heilige Geist wusste, dass die Worte noch uns heute in der späten Zeit betreffen würden. So dass wir nicht verführt werden oder annehmen sollen, der Tag des Herrn sei bereits gekommen. Wer meint, Nero sei der Gesetzlose gewesen, oder die Päpste würden ihn repräsentieren, der führt uns in die Irre, denn das würde uns der einzigen Anzeichen berauben, die Gott uns gegeben hat, damit sie unsere Wächter in dieser wichtigen Angelegenheit seien.

Die Bedeutung der Zeichen heute

Es geht uns mit diesen Zeichen wie den Gläubigen in Thessalonich.

Sie hatten die Verheißung, dass der "Tag des Herrn" sie nicht überraschen sollte (1Thes 5:4), und wir haben heute eine genau entsprechende Zusage. Sie warteten auf die anastasis oder Auferstehung ihrer entschlafen Mit-Gläubigen und auf eine Entrückung derer, die "leben und übrig bleiben," mit ihnen zusammen. Wir warten auch auf die ex-anastasis der entschlafenen Glieder des einen Leibes und auf die Berufung in den Himmel für sie und uns. Das letztere ist eine sehr gegenwärtige Hoffnung für uns (oder sollte es sein) wie es das erstere für sie damals war.

Dieselben Zeichen versichern uns, dass unsere herrliche Hoffnung erfüllt werden muss, bevor der Abfall ganz ausgereift und der Gesetzlose offenbart sein wird. Deshalb warten wir nicht auf diese Zeichen, sondern auf den Herrn. Wir erwarten nicht den Antichrist, sondern Christus.

Es ist wahr, wir sehen die Anfänge des kommenden Abfalls, des ersten der beiden Zeichen, und wir sehen genug, um zu sagen, welcher Art er sein und welche Formen er annehmen wird. Die Tageszeitungen sind voller Hinweise darauf, und wie in den Tagen der Apostel die Jünger aufschauen sollten, weil ihre Erlösung nahte, so sollen wir noch viel mehr auf unsere Berufung in den Himmel warten. Nichts darf unseren Herzen da im Wege stehen. Es sind keine irdischen Voraussetzungen noch vorher zu erfüllen. Es gibt nichts, das erst noch geschehen müsste. Nur ein Ruf muss ergehen, und das ist der Ruf dessen, auf dessen Stimme wir lauschen.

Das Wort (klesis) kommt elfmal vor und ist jeweils im Sinne eines göttlichen Rufes verwendet. Sei es der Ruf, der uns vor Gott in Gnade setzt oder vor ihm in Herrlichkeit darstellt. Das sind die zwei Teile seines Rufes; und wer immer den ersten gehört hat, muss auch den andern vernehmen. So begreifen wir, dass wir eine ganz besondere Hoffnung für uns haben, während die Hoffnung in 1Thes 4 für diejenigen ist, die zurückgelassen werden. Anstatt etwas zu verlieren, gewinnen wir einen unermesslichen Vorzug.

Die Verwirklichung der Hoffnung in 1Thes war von Israels Buße abhängig. Sie wird erfolgen (Offb 1:7), dann geschieht, was wir als herrliche Erfüllung in Offb 7 lesen. Wieso steht diese große Schar "aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen" vor dem Thron? Es wird kein Wort darüber gesagt, wie sie dorthin gekommen sind. Der Engel beantwortet Johannes die Frage, wer sie seien, indem er sagt: "Diese sind's, die gekommen sind aus der großen Trübsal." Das ist alles. Aber irgendwie müssen sie dahin gekommen sein. Und wie sollte es geschehen sein, wenn nicht durch das, was wir in 1Thes 4:15.16 lesen?

Hätte Israel Buße getan, dann hätte die Verheißung erfüllt werden müssen an denen, die das Wort der Verheißung gelesen und angenommen hatten; denn "alles, was die Propheten geredet hatten," wäre dann erfüllt worden, und diese Gläubigen wären "entrückt" worden, bevor der Tag sie überfallen konnte. In diesem Falle wäre Offb 7 der Bericht von der Erfüllung geworden. Aber Israel hat nicht Buße getan. Infolgedessen ist alles ausgesetzt, "was die Propheten geredet hatten," und 1Thes 4 und Offb 7 sind noch Zukunft und werden noch buchstäblich zur Vollendung kommen.

Die große Schar aus Offb 7 wird im Himmel geschaut, und sie können nur durch eine wunderbare Wegnahme dorthin gekommen sein, durch Auferstehung und Entrückung. Das ist klar, denn es ist mit Nachdruck gesagt, "so" als nur auf diese Weise werden sie bei dem Herrn sein allezeit.

Jetzt haben wir alles festgehalten, was in den ersten zwei Briefen, die an eine Versammlung von Gläubigen gerichtet wurden, nachdem der Herr in den Himmel aufgefahren war, über das Kommen des Herrn geschrieben steht.

Diese Briefe kann man aber nur dann richtig verstehen, wenn man sie in ihrer zeitlichen Reihenfolge und im Licht von Apg 3:19-26 und Apg 17:1-9 liest. Nur so kann man erfassen, was die Worte des Apostels an Warnung, Unterweisung und Hoffnung enthalten. Alles, was er sagte, hatte eine Bedeutung, und wir können seine Worte nur dann richtig interpretieren, wenn wir das Wort der Wahrheit recht teilen.

Lies weiter:
b) Briefe an die Korinther