Von der Offenbarung Gottes

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Abschrift des Heftes: Von der Offenbarung Gottes im Sohn
Julius Beck (1887-1962) stammt aus Altingen.
Er war Mittelschullehrer in Calw, nach 1945 Rektor.

Aus der Reihe: Vätererbe Bd. VI
Verlag Ernst Franz Metzingen, Württ.

Siehe weitere Abschriften
Inhaltsverzeichnis

Von der Offenbarung Gottes im Sohn

1. Von der Offenbarung Gottes

Gott ist ein sich offenbarendes Wesen; Er will seinen Reichtum nicht für sich behalten, sondern seine Geschöpfe daran teilnehmen lassen. Auch der Mensch, sein Ebenbild, will sich offenbaren. Es besteht jedoch ein großer Unterschied zwischen der Offenbarung Gottes und derjenigen des Menschen. Gott kann und will sich selbst offenbaren; das aber ist nicht Aufgabe und Bestimmung des Menschen. Seinem Schöpfer gegenüber ist der Mensch ein Offenbarungswerkzeug, ein Leuchter, auf welchem das göttliche Licht brennt. Will ein Mensch im eigenen Geist sich selbst offenbaren, so ahmt er Gott in falscher Weise nach. Das tut der Teufel, ohne Gott zu sein. Auch er sollte nur Werkzeug sein wollen.

Offenbart sich Gott selbst - aus sich selbst, so offenbart Er Herrlichkeit; denn sie ist sein Wesen. Der Begriff „Herrlichkeit“ kann sachlich oder auch persönlich gefasst werden. Die persönliche Herrlichkeit Gottes ist der Eingeborene Sohn Gottes. Wohnt dem Menschen Armut und Schwachheit inne, so ist in Gott Kraft und Reichtum und Leben. Sachlich gesprochen ist dies Gottes „Herrlichkeit“. Sie hat göttlichen Charakter. Die vom Menschen geoffenbarte Selbstherrlichkeit ist weithin Einbildung, weil er selbst keine eigene Offenbarungsquelle, sondern nur Werkzeug jener Urquelle ist. Menschliche Offenbarung ist in dem Maß wertvoll und gehaltvoll, als dadurch irgendwie göttliches Wesen geoffenbart wird. Menschen, die nur von sich zu sagen wissen, langweilen.

Die Offenbarung Gottes in seinem Sohn, d. h. in seiner Herrlichkeit, ist eine Geburt; darum: der „Eingeborene“ Sohn! Die Offenbarung Gottes im Geist, der von Vater und Sohn ausgeht, ist nicht mehr Geburt, sondern Ausfluss. Offenbart sich Gott außer sich im Geschöpf, so ist diese Offenbarung weder Geburt noch Ausfluss, sondern Schöpfung.

Die Stufe der Geburt

Groß ist der Gedanke, dass sich Gott auch im Menschen auf der Stufe der Geburt offenbaren will. Das bedeutet, dass Er im Menschen sich selbst in seinem Sohn geburtsmäßig offenbaren will. Diese hohe Stufe der Offenbarung findet erst seit dem Tod Jesu statt. Bis dahin erfuhren Menschen, die sich Gott öffneten und seinen Willen zu tun sich bemühten, mancherlei Einflüsse durch den Geist Gottes. Oft hat der Geist große Helden aus ihnen gemacht; aber nie kam es zu einer Gottesgeburt in ihnen. Es ist darum durchaus verständlich, wenn der gelehrte und fromme Nikodemus mit dem Gedanken einer „Geburt von oben“ nichts anzufangen wusste. Eine solche Geburt gab es bis dahin überhaupt nicht. Sie konnte - auch in den Jüngern Jesu - erst nach Jesu Verklärung geschehen, nachdem Er zum Stammvater aller geistlichen Menschen geworden war. Durch die Geburt von oben wird der Mensch erst zu seiner wahren Würde eines Kindes bzw. Sohnes Gottes erhoben. Jedes Wesen, das den Namen „Mensch“ trägt, trägt auch den Keim und die Anlage zu einem „Sohn“ Gottes schöpfungsmäßig in sich. Doch bedarf es des besonderen göttlichen Willens und Wohlgefallens, dass dieser Keim zur Geburt, d. h. zur Entwicklung kommt. Diese Entwicklung umfasst die geistliche Erweckung, Erleuchtung, Auferstehung, Heiligung und Verherrlichung. Erst jetzt hat der Keim seine Ausgeburt - im Bilde Gottes erreicht; dieses ist auferstehungsfähig - in göttlicher Herrlichkeit!

Der Eingeborene Sohn ist die Herrlichkeit des Ursprungs, d. h. des Vaters. Diese Herrlichkeit des Vaters heißt auch urbildliche Herrlichkeit, und zwar im Blick auf den Menschen, dessen Urbild der Sohn - oder die himmlische Menschheit ist. Als die Gottheit sprach: „Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei“, da nahm sie diese urbildliche Herrlichkeit zum Modell des ersten Menschen Adam. Auch für den neuen, d. h. für den wiedergeborenen Menschen ist diese himmlische Menschheit das Urbild und die Urform. Ist der gefallene Mensch dem Tier und seinem Wesen weithin nahe gekommen, so kommt der aus dem Geist geborene Mensch in seinem Wesen wieder der Gottheit nahe - und kann jetzt wieder mit ihr in Lebensgemeinschaft treten.

Von der Erkenntnis Gottes

Ohne Selbstoffenbarung Gottes, der für alle seine Geschöpfe ein verborgener Gott ist, wäre eine Erkenntnis Gottes nicht möglich. Mit seiner Offenbarung gibt sich Gott zu erkennen. Eine unmittelbare Erkenntnis Gottes ist aber dem Menschen nicht möglich. Nur der Vater weiß, wer der Sohn ist; und nur der Sohn, wer der Vater ist. Menschen können nur in dem Maß an der Gotteserkenntnis teilnehmen, als Gott sich ihnen offenbart.

Eine solche Offenbarung wird vermittelt durch den Geist Gottes. So wie der Menschengeist weiß, was im Menschen ist, so weiß der Geist Gottes, was in Gott ist. Und dieser Geist aus Gott erforschet - nach Paulus - auch die Tiefen der Gottheit.

Jedoch muss der Geist Gottes dem Menschen erst geschenkt werden. Dies geschieht durch eine göttliche Zeugung im Menschen. Nun sieht der Mensch Gott nicht mehr nur im Lichte seines natürlichen Verstandes, sondern im Lichte des Geistes Gottes. „In deinem Lichte sehen wir das Licht!“ Eine solche Erkenntnis Gottes ist mehr oder weniger unmittelbar; weil sie nicht nur aus menschlicher Kraft, sondern aus der Kraft des Geistes Gottes kommt, heißt sie zentrale Gotteserkenntnis. Solche Erkenntnis des Göttlichen aber wird ein „Schauen“ genannt; die solche Erkenntnis haben, heißt man Zentralschauer. Ein jeder aus Gott geborene Mensch bekommt mit der neuen Geburt wieder eine Fähigkeit zu schauen, wenn auch nur in kleinstem Ausmaß.

Nunmehr ist der Geist Gottes der Offenbarer im Geist des Menschen. Er entdeckt unserem Geist, was in Gott und von Gott ist. Er kann uns sowohl die Tiefen der Gottesgeheimnisse, d. h. die Tiefen der Gottheit, als auch deren allerheiligste und tiefste Geburt offenbaren. Diese Geburt ist der Sohn des Vaters oder die Herrlichkeit des Vaters. Werden die verborgenen Tiefen der Gottheit als Ungrund bezeichnet, so heißt der in einem Grund sich offenbarende Gott der Urgrund.

Der Ungrund, dieser innerste Urquell der Kräfte Gottes, ist auch die tiefste Geburtsquelle der wirkenden und leidenden, der väterlichen und mütterlichen Kräfte und Eigenschaften Gottes, die sich aus den unergründlichen Tiefen in einen Grund seiner selbst einführen als A und O, als Anfang und Ende.

Es wäre ein unfruchtbares, fast vermessenes Beginnen des menschlichen Geistes, wollte er von sich aus auch die Unendlichkeiten und Unanfänglichkeiten Gottes ergründen. Denn der verborgene Gott will nur im Urgrund, d. i. in seinem Sohn erkannt werden. Es wäre vergeblich, wollte der Mensch in Eigenheit auch das Vorweltliche erforschen, oder aber dem nachspüren, was einst sein wird, wenn Gott alles in allem ist. In diesen Verborgenheiten Gottes sollte kein erschaffener Geist forschen.

Solange der von Gott erleuchtete Menschengeist dem Trieb des Heiligen Geistes folgt und in den uns gesetzten Grenzen bleibt, wird sein Forschen und Erkennen genussreich und beseligend sein. Denn alle wahre Erkenntnis ist nicht nur ein intellektueller Vorgang; vielmehr genießt der Menschengeist den Geist, „den er begreift“. Der Geistesgenuss beim Erkennen wächst in dem Maß, als der Gegenstand wächst, den wir erkennen dürfen. Gott aber ist der höchste „Gegenstand“ menschlicher Erkenntnis. Darum ist „Erkenntnis Gottes Genuss des ewigen Lebens“. Wer versuchen wollte, in eigener Kraft in die unergründlichen Tiefen Gottes einzudringen, würde alles Lichtes und aller Wärme wahrer Erkenntnis verlustig gehen. Denn niemand soll über den Raum hinausgehen, den uns Gott gesetzt hat. Doch braucht die forschende Seele den Geist nicht zu dämpfen und sich in ihrem Forschen nicht stören zu lassen, solange sie mit ihrem für das Göttliche geöffneten Auge in dem geoffenbarten Urgrund Gottes forscht. Denn da forscht der Geist Gottes mit ihr und die Seele genießt Leben und Wonne in solcher Erkenntnis.

Ungrund und Urgrund

Ungrund bedeutet: ohne Grund. Die Gottheit im Ungrund hat sich noch in keiner Weise geoffenbart, weder durch Geburt oder Ausfluss noch durch Schöpfung. In ihrem Ungrund befindet sich die Gottheit außer aller Kreatur; in ihrer Unzugänglichkeit und Unergründlichkeit betrachtet, wird sie als Ungrund bezeichnet.

Dieser Ungrund der Gottheit ist in beständiger Lebensbewegung, wie es sich von der Lebensquelle nicht anders denken lässt. Die Lebensbewegung aber ist ein Geburtsprozess, wie das Leben Gottes eine ewige Geburt darstellt.

Dabei handelt es sich um eine Selbstoffenbarung der Gottheit des Ungrundes, die sich in einen Grund ihrer selbst, in den Urgrund, einführt. Der verborgene, dunkle Ungrund offenbart sich in dem lichten Urgrund, in dem Lichtsgrund der Herrlichkeit. Diese Geburt ist ein Prozess, durch welchen sich die Gottheit aus sich selbst und durch sich selbst offenbart; jedoch nicht in Geschöpfen, sondern in sich selbst. Diese Offenbarung geschieht nicht um gewisser Geschöpfe willen, die es bislang gar nicht gibt; sondern um der Gottheit selbst willen. Dabei führen sich die unergründlichen und unerforschlichen Tiefen der Gottheit in den Lichtsgrund, in den Saron der göttlichen Freiheit ein.

Diese Selbstoffenbarung, bei welcher sich die Kräfte und Eigenschaften der ungründlichen Gottheit in einen Grund einführen, geschieht ohne Anfang und ohne Ende, ja sie ist selbst Anfang und Ende, ist A und O. Was dabei offenbar wird, ist das Wort, das von Anfang war. Es wird auch das Lebenslicht genannt. Diese Einführung der Ungrundstiefen in einen fasslichen Grund bedeutet für die Gottheit eine gewisse Begrenzung der an sich unbegrenzten Gottheit des Ungrundes. Jedoch kann der geborene Gott in allem und durch alles sein, jenseits des Raumes aller Geschöpflichkeit und unberührlich von jeglicher Kreatur.

Durch die Offenbarung des Ungrundes im Urgrund entstehen aber nicht zwei verschiedene Götter - oder Persönlichkeiten. Der Gott des Ungrundes, der alle seine Fülle in den Urgrund einführt, ist derselbe Gott und dasselbe allerheiligste Wesen. Hat sich doch die Gottheit selbst in den Urgrund ergossen, aus den Tiefen ihres Seins und ihrer Allgegenwart in den mehr offenbaren und fassbaren Lichtesgrund.

Die unergründliche Geburtsquelle

Das göttliche Wesen, welches dabei herausgeboren wird in den Urgrund, ist die Herrlichkeit des Vaters, also dieselbe Gottheit. Jedoch ist zu unterscheiden der Vater als der zeugende und gebärende Gott - vom Sohn, der der gezeugte und geborene Gott ist. Alle Kräfte der ungründlichen Kraftquelle ergießen sich in den geoffenbarten Gott der mancherlei Kräfte. Der Vater ist die „ungründliche“ Geburtsquelle; jedoch wohnet im Sohn alle Fülle dieser ungründlichen Gottheit. Ihr gegenüber ist der gezeugte und geborene Sohn die urgründliche und ursprüngliche Herrlichkeit Gottes, welche sich später als Menschensohn auf Erden offenbart.

Vor seiner Offenbarung ist die Gottheit außer aller Natur und Kreatur im Ungrund der ewigen Freiheit; nach der Offenbarung ist sie die allerheiligste und anbetungswürdige Dreiheit von Vater, Sohn und Geist im Lichtsraum ihrer Herrlichkeit.

Bei der Herausoffenbarung des Ungrundes in den Urgrund handelt es sich jeweils um denselben Gott, da Gott nur sich selbst geoffenbart hat; jedoch sind die zwei verschiedenen Offenbarungsstufen zu unterscheiden, die mit den etwas geheimnisvollen Ausdrücken des Ungrundes und Urgrundes bezeichnet werden.

Es blieb die Offenbarung Gottes nicht auf dieser Stufe stehen; der verborgene Gott des Ungrundes hat sich immer weiter ausgesprochen und hat schließlich Geschöpfe, die Menschen, hervorgebracht, in denen Er ebenfalls seine Herrlichkeit - auf geschöpflicher Stufe — offenbaren will.

Lies weiter:
2. Der Vater als die „ungründliche“ Geburtsquelle