Von der Finsterniswelt

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Abschrift des Heftes: Die Schöpfung - ein Abbild der Herrlichkeit Gottes
Julius Beck (1887-1962) stammt aus Altingen.
Er war Mittelschullehrer in Calw, nach 1945 Rektor.

Aus der Reihe: Vätererbe Bd. VIII
Verlag Ernst Franz Metzingen, Württ.

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Inhaltsverzeichnis

Die Schöpfung als Abbild der Herrlichkeit Gottes

3. Von der Finsterniswelt

Sowohl die Lichtswelt als die Finsterniswelt gehören der Unsichtbarkeit an. Ihrem Wesen nach bilden sie Gegensätze zueinander. Doch ist die Finsterniswelt nicht als solche geschaffen worden. Ähnlich wie unsere sichtbare Welt war sie zu Anfang eine Lichtswelt, wurde aber durch den Fall ihres Fürsten, des Lucifer, finster - genau so, wie unsere Erde, die durch den gefallenen Lucifer „wüst und leer“ wurde. Der Teufel vermag wohl aus einer Lichtswelt eine finstere, nicht aber aus einer finsteren Welt eine Lichtswelt zu machen. Dazu bedarf es der Allmacht des Schöpfers; Satan aber ist kein Schöpfer.

Es leuchtet ein, dass die Offenbarung Gottes in den verschiedenen Welten ebenfalls verschieden ist. Gott offenbart sich in der Lichtswelt als Liebe, in der Finsterniswelt als Zorn. Jedoch kommt der Zorn nicht unmittelbar von Gott; von Ihm geht nur Licht und Liebe aus. Aber so, wie Lucifer in seinem widergöttlichen Wollen eine Welt des Lichtes in eine Welt der Finsternis zu wandeln vermag, so vermag auch der widergöttlich eingestellte Mensch den Strom von Liebe, der aus Gott in die Menschen ausfließt, in einen Zornesstrom zu verwandeln. Es liegt in dem Gesetz der Liebe, dass sie da, wo ein Geschöpf sie ablehnt, sich in Zorn verwandelt. „Feuer (des Zornes) ging aus von der Liebe und verzehrte die Übeltäter.“ Will das Geschöpf anders, als der Schöpfer will, dann ist die widergöttliche Einstellung bereits gegeben. Als Reaktion auf die Ablehnung seiner Liebe entzieht Gott seinem Lebensausfluss die Kräfte des Lichts und der Liebe. Im Geschöpf offenbart sich dann nur noch die finstere Grundlage des Lichtes, das Feuer, welches ohne das Licht ein Zornfeuer ist. Die ganze Hölle muss diesen Zorn Gottes hinnehmen wegen ihrer antigöttlichen Einstellung, vorab ihr Fürst, der Satan. Er ist geradezu der Träger der Finsternis geworden, so wie er vor seinem Fall ein Träger des Lichtes war. Diese Zornesoffenbarung, die durch das Geschöpf selbst verursacht wird, heißt auch das Böse - oder die Sünde. Sie bedeutet ein Unrecht und eine Ungebühr des Geschöpfes gegenüber seinem Schöpfer, dem es Gehorsam schuldig ist.

Der erste Ursächer der Finsternisoffenbarung - oder des Bösen - ist Lucifer. Er war, als er aus den Händen des Schöpfers hervorging, ein herrliches Abbild des Eingeborenen Sohnes; jedoch Geschöpf von Gott, nicht Geburt aus Gott. Als Abbild dessen, der das Licht der Welt ist, war auch Lucifer ein Lichtträger und die zentrale Lebensquelle seines Königreichs. Als „Ebenbild“ Gottes - nicht als „Gleichbild“ wie der Sohn - war er sozusagen versuchlich, wie es später auch der Mensch war. Die Möglichkeit, versucht zu werden, schließt die Würde eines Ebenbildes nicht aus, gehört vielmehr notwendig dazu. Ebenbild Gottes kann nur sein, wer es freiwillig, aus Liebe zu Gott ist. Ob Lucifer selber die Weichen zur Versuchung hin stellen konnte, oder ob sie ihm anderwärts gestellt wurden, bleibe eine offene Frage. Auf alle Fälle war er versuchlich, bestand aber die Versuchung nicht. Bei der Versuchung ging es um die Erreichung eines höheren Lebensstandes, dessen Herrlichkeit wohl unmittelbar an den herrlichen Stand des Sohnes Gottes grenzte. Er hätte sich mit der ihm vom Schöpfer verliehenen Herrlichkeit zufrieden geben und jede Versuchung nach einer anderen Richtung hin abweisen sollen. Die größere Herrlichkeit des Sohnes aber erschien ihm erstrebenswert - und auch erreichbar. Er hoffte, durch Anspannung seines gewaltigen Willens sich von der Stufe eines Geschöpfes auf die höhere Stufe eines Gottes emporschwingen zu können, um dann zu „sein wie Gott“. Dieser frevle Versuch, dessen Ende und Auswirkung er offenbar nicht abschätzen konnte, misslang. Statt in die Höhe zu steigen, fiel er in die schrecklichste Tiefe hinab! Denn Gott, die Quelle alles Lebens, versagte ihm alsbald den Zufluss seiner Liebe; nur noch finsteres Zorneswesen erfüllte das undankbare und anmaßende Geschöpf. Lucifer war zum Satan geworden! Er ist es heute noch.

Sein Streben, selber Gott und unabhängig von Gott sein zu wollen, bedeutete eine frevelhafte Überschreitung der Grenzen seiner Geschöpflichkeit, ein Umstand, auf den er sicher vom Schöpfer vor der Tat aufmerksam gemacht worden war. Der Gott der Liebe lässt kein Geschöpf blindlings in sein Unglück hineinlaufen.

Gott als die einzige Lebensquelle hat die Geschöpfe, sowohl die kleinsten als die größten, so geschaffen, dass sie von Ihm abhängig sein müssen, wenn sie glücklich sein wollen. Diese Regel ihres Lebens war keineswegs ein hartes Gesetz. Doch besaß, außer seinem Sohn, der eine Geburt aus Gott ist, kein Geschöpf das Leben in sich selbst. Seine Abhängigkeit vom Schöpfer sollte sich beim Geschöpf darin zeigen, dass es darauf angewiesen war, aus seinem Schöpfer Licht, Kraft und Leben anzuziehen. Nur so ließ sich sein Lebensstand aufrechterhalten. Jesus drückt diese Funktion im Gleichnis vom Weinstock und den Reben so aus, dass die Rebe ihren Saft aus dem Weinstock zu beziehen habe; sie kann nicht für sich existieren, weder auf geistlichem noch auf natürlichem Gebiet. Das heißt aber, dass das Geschöpf „in seinem Schöpfer bleiben“ müsse und Ihn „lieben“ soll von ganzem Herzen. Dieses Lebensgesetz der Liebe, das ein geradezu herrliches Gesetz ist, galt einst für Lucifer - und gilt bis auf den heutigen Tag auch für den Menschen, der im rechten Verhältnis zu seinem Schöpfer stehen will. Das Wesen der Liebe aber bringt es mit sich, dass nicht bloß Leben aus dem Schöpfer in das Geschöpf einströmt, sondern auch Leben aus dem Geschöpf in den Schöpfer hinüberfließt. Das heißt „Gemeinschaft miteinander haben“. Dieser Gemeinschaft mit seinem Schöpfer entzog sich Lucifer; er selber wollte Lebensquelle spielen - und verlor darüber, was er nie gedacht hätte, sein Leben, seine Seligkeit und seine Herrlichkeit. Heute noch ist er infolge jener Untat das finsterste und unseligste Geschöpf, das sich aber alle Schuld an seinem traurigen Zustand selbst zuzuschreiben hat. Von Gott her wurde ihm nicht nur der Lichteszufluss gesperrt; in ihm selbst taten sich, nach dem ihm unbegreiflichen Gesetz seines Lebens, Abgrundstiefen der Finsternis auf. Er war jetzt eine „Quelle“ geworden, aber eine Finsternisquelle, aus der die Bäche Belials ihren Ursprung nahmen. Als Satan war er jetzt zum Mittler der Finsternisoffenbarung Gottes (gemacht) worden; ob gern oder ungern, darüber stand ihm keine Entscheidung zu. Er hatte mit dem Feuer gespielt, und das Feuer (des Zornes Gottes) hatte ihn ergriffen. Aus Notwendigkeit seines kreatürlichen Wesens - und nach dem gerichtlichen Willen Gottes - muss er nun Mittler aller Finsternisoffenbarung sein, der nicht nur selbst Finsternis ist, sondern auch in anderen Geschöpfen zum Erwecker der Finsternis, d. h. des Bösen, wurde. Man denke an den Sündenfall Adams!

Gott hat also das finstere Prinzip nicht erweckt; denn „Gott ist Licht, und in Ihm ist keine Finsternis“. Seine Offenbarung ist vollkommen und geschieht in lauter Licht und Liebe. Ohne das frevelhafte Tun Lucifers wäre der Zorn Gottes, d. h. das Böse, ewig verborgen geblieben. Gott müsste seine Lichtsnatur verleugnen und sich selbst widersprechen, wenn Er sich anders als in Licht und Liebe offenbaren wollte. Lucifer ist der Erwecker und Entdecker des Bösen geworden, weil er nicht an Gott, der Quelle alles Guten, bleiben wollte.

Die Frage nach dem Warum des göttlichen Handelns ist durchaus keine müßige Frage; die Antwort wirft ein Licht auf den Fall des Menschen, den Gott ebenfalls nicht verhindert, sondern nach seiner unergründlichen Weisheit „zugelassen“ hat. Gott handelte nicht aus Not, wenn Er Lucifer seinen falschen Weg gehen ließ; Er war seines Geschöpfes durchaus mächtig, so dass keine Notwendigkeit für Gott vorlag. Auch nicht etwa der geheime Wunsch, dass sich die Finsternis, die ohne Emanzipation nicht böse ist, in selbständiger Weise offenbare. Gott handelte aus weisen Absichten! Er hat für seine Schöpfung einen großen und herrlichen Plan erdacht schon vor Grundlegung der Welt; Er sah voraus, dass sich dieser Plan dennoch vollziehen lasse und sich sogar rascher vollende, wenn Er den Satan rumoren und ihn seinen bösen Willen ausführen ließ. Denn Zwang oder Gewalt gegen ein Geschöpf ist seiner Gottheit unwürdig. Gott entschloss sich, den Abfall Lucifers für seine eigenen Zwecke auszuwerten, was aber für Satan selbst keinerlei Entschuldigung oder Entlastung bedeutet.

Mit göttlicher Überlegenheit „lief Er dem Satan den Rang ab“, um menschlich zu sprechen. Er setzte dem widergöttlichen Streben Satans zeitliche und dynamische Grenzen: „Bis hierher und nicht weiter; hier sollen sich legen deine stolzen Wellen!“ Nach seinem Liebesplan soll alles Finstere und Böse wieder aus der Schöpfung entfernt werden; so soll namentlich auch der Sündenfall des Menschen wieder behoben werden.

Erstaunlich an diesem göttlichen Liebesplan ist die Tatsache, dass Gott selbst „die Strafe - auch für das ungebührliche Tun Satans - auf sich nahm“, indem Er seinen Sohn in die Welt sandte, damit Er hier für die ganze Schöpfung das Schuldopfer werde. Hätte doch Satan sagen müssen: „Ich bin’s, ich sollte büßen!“ Aber zu solch lichtvoller Erkenntnis vermag sich ein satanisches Wesen 276 nicht emporzuschwingen; auch dem Menschen fällt dies bitter schwer. Als „Entgelt“ für das große Opfer, das Gott brachte, kann die größere Herrlichkeit Jesu gelten, der durch Auferstehung und Himmelfahrt nach seinem menschlichen Wesen vergöttlicht wurde. Ebenso die Tatsache, dass die „zweite“ Schöpfung viel herrlicher werden soll, als es die erste, von Satan verwüstete Schöpfung, war. All unser Denken aber übersteigt die Absicht Gottes, auch den Satan einst in diese neue Schöpfung hineinzuziehen, was einer Rückführung Satans in seinen vormaligen Stand des herrlichen Lucifer gleichkäme. - Wir gefallenen Menschen aber freuen uns über Gottes Liebesabsicht: „Ich mache alles neu!“ - und bitten: „Ach, mach ein neu Geschöpf aus uns in unsern Gnadenjahren!“

Von dem Fall Lucifers

Es ist nicht die Weise des Schöpfers, ein Geschöpf in eine absolute Vollkommenheit zu setzen; dies würde dem Gesetz seiner Gerechtigkeit widersprechen. Auch bei seinem Sohn, der Mensch war, erfolgte die Erhöhung erst nach seiner großen Selbstdemütigung: „Darum hat Ihn Gott erhöht...!“ Je höher ein Geschöpf organisiert ist, desto größer muss die Probe sein, die es zu bestehen hat, um in seine Vollkommenheit erhöht werden zu können.

Auch bei Lucifer, dem schönen Morgenstern, war dies der Fall. Auch er sollte erst seine Lebensprobe bestehen, bevor er in die Vollkommenheit gesetzt werden konnte, welche der Anlage seiner Natur entsprach. Die völlige Vollendung aber besteht darin, dass ein Geschöpf nicht mehr versuchlich ist; erst dann ist es vollkommen gut. Darum wehrte sich Jesus, als der reiche Jüngling Ihn mit dem Prädikat „gut“ anredete. Nur Gott, der Unversuchliche, ist „gut“ im biblischen Sinn. Die Lebensprobe Lucifers lag in seiner Geschöpflichkeit. Er war ein besonders herrliches Geschöpf, das nahe an den Sohn Gottes grenzte. Auch ihm war geboten: „Du sollst heilig sein, wie Ich heilig bin!“ Die Heiligkeit Gottes aber besteht u. a. auch darin, stets aus der Finsternis aus- und ins Licht einzugehen. Unter Finsternis ist hier keineswegs das Böse gemeint; Finsternis „an sich“ ist neutral, weder bös noch gut. Ist sie dem Licht untergeordnet, dann wirkt sie Gutes; macht sie sich aber selbständig und will sie ein eigenes Prinzip sein, dann wird sie das Böse. Ähnlich ist es beim Feuer, das über die Grenzen seines Herdes hinaustritt; jetzt wirkt es zerstörend, was ein Abbild des Bösen ist, das Tod und Verderben auswirkt. Auch Lucifer war so geschaffen, dass diese neutrale Finsternis der Wurzelgrund seines Wesens war. Diese hätte er nach dem Vorbild des Schöpfers immer ins Licht einführen sollen, was er auch lange getan haben mag; denn er war lange der Lichtesfürst seines Königreichs, zu dem auch die Erde gehörte. Dadurch, dass er das in der Finsternis seines Wesens liegende Begehren in das Licht einführte, befolgte er das ihm anerschaffene Gesetz. Dies bestand darin, alle seine Willens- und Liebeskraft in den Schöpfer einzuführen - und aus Ihm Licht und Leben zu holen. Solange Lucifer diesem Lebensrhythmus folgte, war er die Lebens- und Lichtesquelle seines Fürstentums. Nur unter dieser Voraussetzung konnte er auch „Lucifer“, d. h. der Lichtträger bleiben und sich seine anerschaffene Herrlichkeit bewahren. Je mehr er nahm aus der Fülle des Lichtes, d. h. dem Sohne, der die Herrlichkeit des Vaters war, umso vollkommener konnte sein eigenes Wesen werden. Auf diesem von Gott verordneten Weg hätte er zu seiner Vollendung aufsteigen sollen; denn nur der Genuss der vollkommenen Gaben aus der Quelle alles Lebens und Lichtes konnte ihn zu seiner absoluten Vollkommenheit führen.

Hier lag für ihn die Möglichkeit einer Versuchung, die er zur Wirklichkeit werden ließ. Als Geist sah er in die Tiefen der Gottheit und erkannte, dass das Leben Gottes, das nicht ein Werden und Vergehen, sondern ein absolutes Sein ist, höher war als sein geschöpfliches Leben. Diese Tatsache weckte in ihm eine Lust und einen Willen, auch im Sein existieren zu können wie Gott selber. Diese finstere Lust hätte er alsbald unterdrücken und in Gott, das Licht, einführen sollen. Seine falsche Lust nahm immer mehr überhand und entartete nach und nach zum Neid. Er sah mit neidischen Augen auf die göttliche Herrlichkeit, den Sohn, der mit dem Vater dasselbe Leben auf göttlicher Seinsstufe besaß. Ihm neidete Lucifer diesen Vorzug; denn offenbar sah er im Sohn auch eine Art Geschöpf, dem er gleichgestellt sein wollte. Das war eine Selbsttäuschung; der Sohn war eine Geburt aus dem Vater und wesensgleich mit dem Vater. Lucifer aber hatte keinen begründeten Anspruch, als Geschöpf ebenso hoch organisiert zu sein wie der Eingeborene Sohn vom Vater.

An dieser Klippe aber scheiterte Lucifer. Er nährte seinen Neid bis an den Punkt, an dem er die Zuflüsse des Lichtes ablehnte, um damit zu zeigen, dass er auch eine absolute Existenz besitze - und das Leben in sich selber habe, d. h. dem Sohne gleich sei. Das aber war nicht mehr Wahrheit, d. h. nicht mehr sein ihm anerschaffener Lebensstand, sondern Lüge; konnte doch Lucifer gar nicht „aus sich selbst und durch sich selbst, auch nicht sich selbst“ offenbaren. Das war Nachäffung des schöpferischen Gottes. Dieses nachgeäffte Leben war unecht; es war Lüge.

Wenn Gott sich aus seinen göttlichen Tiefen offenbarte und aus dem Ungrund in den Urgrund sich gebar, so vermochte Er eine solche Geburt aus den Schoßkräften des Lichtes und des Lebens zu vollziehen. Wenn aber Lucifer als Geschöpf dasselbe versuchte, dann konnte er nur aus dem ihm anerschaffenen Wurzelgrund seines Wesens leben. Dieser Grund, seine Lebenshypostase, war aber Finsternis - und kein Licht wie bei Gott, der Quelle alles Lichtes. Denn Gott bleibt immer Licht, weil Er aus seiner „Finsternis“ des Ungrundes sich immer in das Licht des Urgrundes einführt. Das vermochte Lucifer nicht; er fand sich allein und ohnmächtig vor mit seiner Finsternis, nachdem er aufgehört hatte, diese - an sich neutrale - Finsternis in das göttliche Licht einzuführen.

Er musste im Gegenteil erleben, wie die Gesetze der Finsternis ihn erfassten, nachdem er sie in sich erweckt und in eine Selbständigkeit eingeführt hatte. Er ahnte vor seiner Tat nicht, dass diese Gesetze stärker und gewaltiger seien als sein Wille und seine Kraft. Da er die Lichteskräfte, in denen das Gesetz des Geistes und des Lebens herrschte, nicht mehr anzog, wurde er von den Finsterniskräften, die vom Licht nicht mehr in göttlicher Ordnung gehalten wurden, erfasst - und gegen seinen Willen beherrscht. Er war in diesen Dingen ein Unwissender und Unerfahrener; jetzt musste er mit der Finsternis die schlimmsten Erfahrungen machen, nachdem er durch seine Lust und seinen Willen das Gleichgewicht seines Wesens gestört hatte. Die ganze Gottesordnung wurde in ihm auf den Kopf gestellt und in ihr Gegenteil verkehrt. Unter der Herrschaft des Lichtes war die Finsternis untertan und leistete den Dienst, dem Licht als Spiegel zu dienen, auf dem es sich abschatten konnte. Durch das verkehrte Wollen Lucifers aber, in dem er nicht mehr vom Licht abhängig bleiben wollte, erhob sich - nach dem Gesetz seiner Natur - die Finsternis über das Licht und beherrschte das Licht. Diese furchtbare Tatsache war gegen alle göttliche Ordnung; Lucifer hatte damit dem Gesetz der Sünde und des Todes zum Herrschen verholfen, vor dem er sicher von Gott gewarnt worden war — wie Adam, der nicht essen sollte „von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen“! Lucifer hatte gegessen; darüber sind ihm die Zähne stumpf geworden. Aus dem lichtstrahlenden Lucifer war nun der Fürst der Finsternis geworden; die Geister, die er gerufen hatte, wurde er nicht mehr los. Das große Unheil war geschehen: Lucifer war vom Licht gewichen und hatte sich in ein eigenes Wesen gesetzt und sich selbst zu einem - falschen - Gott gemacht. Doch entließ ihn Gott nicht aus seiner Urfunktion, seinem Schöpfer zu dienen; auch als Teufel ist er Gottes Teufel, d. h. Gottes Diener, allerdings gegen seinen Willen, während er als Lucifer Gott „willig und mit Freuden“ diente. Als Erwecker des Finsternisprinzips muss er nun auch Offenbarer der Finsternis, d. h. Organ des göttlichen Zornes sein. In seinem gefallenen Wesen liegt nunmehr der unüberwindliche Drang, auch andere Geschöpfe auf seinen falschen Weg zu ziehen, damit auch sie „werden wie Gott“! Er muss nun als Folge seiner falschen Wahl unter dem Zwang der Finsternisgesetze leben - und Finsternis als Licht, ebenso das Licht als Finsternis ansehen. Ihm ist die Lüge zur Natur geworden, so dass er sie für Wahrheit hält. Wehe dem Geschöpf, das sich von ihm verlocken und in sein falsches Leben hineinziehen lässt! In ihm tut sich die Hölle und aller Zwang und alle Vergewaltigung der Hölle auf, unter der Satan, der gefallene Lichtesfürst, jetzt selbst leben muss. „Wie tief bist du gefallen, du edler Morgenstern!“ Und dazu das Echo des Dichters: „Ach, was hat Adams Fall auf diesem Erdenball nicht angericht’t!“

Satan als Erwecker des Zornes Gottes

Es liegt das große Problem vor, wie es neben der Liebe Gottes auch einen Zorn Gottes geben kann, weil doch Gott in seinem ganzen Wesen nur Liebe ist. „Der Vater ist die Liebe, der Sohn ist Liebe allein!“ Als Gleichnis mag die Sonne dienen: Ihre Strahlen erwecken im Sumpf tödliche Gifte, während sie auf der Wiese blühendes Leben hervorrufen. Dabei sind es dieselben Sonnenstrahlen, die das eine Mal Leben, im andern Fall den Tod bewirken. So rufen auch dieselben Sonnenstrahlen, die für jedermann ein liebliches Licht bedeuten, im menschlichen Auge Blindheit hervor, wenn sie unmittelbar ins Auge treffen.

Wo Gott sich nach seinem vollkommenen Willen offenbaren kann, da geschieht seine Offenbarung in Licht und Liebe. Wenn aber ein Geschöpf einen eigenen, von Gott abweichenden Willen geltend macht, so entzündet sich die Liebe Gottes daran - und es geht Feuer aus von der Liebe! Als Beispiel dienen die beiden im Verhältnis der Polarität stehenden Gestalten Jesus (als Menschensohn) und Satan. In und durch Jesus geschah eine reine Liebesoffenbarung des Vaters; denn sein Lebensgesetz war: „Nicht mein, sondern Dein Wille geschehe!“ Durch den dauernd widersprechenden Satan aber offenbart sich derselbe Gott im Zorn als Feuer, als Finsternis, weil Satan sich in seinem Willen Gott widersetzt.

Es ist das alleinige Vorrecht des Schöpfers, einen eigenen Willen zu haben. Und sein Wille ist nicht bloß ein Liebeswille, sondern auch ein vollkommener Wille. Nie reicht der Wille eines Geschöpfes, und sei es noch so hoch organisiert, an den heiligen Willen Gottes hin. Die Bestimmung des Geschöpfes ist es, Organ und Werkzeug des Willens seines Schöpfers zu sein - wie Jesus es war, durch den die größten Wunder und Zeichen geschahen und göttliche Herrlichkeit sich offenbarte, weil Er in der Ordnung eines Geschöpfes blieb. Sein Gehorsam gegenüber seinem Vater wird als eine seiner größten Tugenden bewertet. „Darum, weil Er gehorsam war, hat Ihn auch Gott erhöht!“

Es bedeutet eine Überschreitung der Grenzen eines geschöpflichen Wesens, wenn es einen eigenen, dem göttlichen entgegenstehenden Willen entwickelt - und sozusagen sein eigener Herr sein will. Damit will es tun und „sein wie Gott“, was ein frevelhaftes Beginnen ist. Denn dadurch trennt sich das Geschöpf willensmäßig von seinem Schöpfer, was ein Unding ist. Wie kann sich eine Pflanze von ihrer Wurzel lossagen? Immerhin vermag sich ein Geschöpf nur von der Liebesoffenbarung Gottes dadurch loszureißen, dass es sie nicht dulden will. Unmöglich aber ist es, dass sich ein Geschöpf von seiner Lebenswurzel, dem Wort Gottes, losreißt; es hätte dann überhaupt keine Existenz mehr. Der Schöpfer aber gestattet es keinem seiner Geschöpfe, und sei es das höchste Geschöpf, sein Leben auszulöschen; und Er selbst löscht kein Leben aus, das aus Ihm seinen Ursprung nahm. Es gibt keine Vernichtung gottgeschaffenen Lebens.

Das ewige Wort aber - oder der Sohn - ist aller Dinge Grund und Leben. In Ihm leben, weben und sind sie. Durch die Kraft des Wortes wurden alle Dinge hervorgebracht; durch dasselbe Wort werden sie in ihrem Dasein auch erhalten. Der Schöpfer ist auch der Erhalter seiner Geschöpfe, ja schließlich ihr Erlöser. Auf alle Fälle ist das Wort das Lebensband zwischen Schöpfer und Geschöpf, und niemand kann sich davon losreißen. Dieses Wort aber will sich durch alle Geschöpfe, vorab durch den Menschen — oder auch durch Lucifer, in lieblichster Weise offenbaren, was für das Geschöpf lauter Leben und Seligkeit bedeutet.

Eine solche Liebesoffenbarung geschieht, wenn sich Gott in allen sieben Grundkräften und Eigenschaften seiner göttlichen Natur offenbaren kann. Eine solche Offenbarung Gottes ist dann möglich, wenn sich das Geschöpf dem göttlichen Willen absolut unterordnet, wie dies Jesus als Menschensohn tat. Der Wille des Schöpfers bringt viel erhabenere und gewaltigere Wirkungen hervor als der Wille irgendeines Geschöpfes. Harmoniert aber das Geschöpf nicht mit seinem Schöpfer, sondern setzt sich - bewusst oder unbewusst - dem Liebeswillen des Schöpfers entgegen, dann entzündet sich der Schöpferswille im Geschöpf und erscheint als Zorn. Verantwortlich für diese Zornesoffenbarung ist jeweils das Geschöpf, das in eigener Machtvollkommenheit sich erhob und anders wollte, als sein Schöpfer will. Das Geschöpf bleibt damit in den vier ersten Feuerseigenschaften der göttlichen Natur stehen. Das aber ist Eigenmächtigkeit vom Geschöpf und ist gefrevelt gegen den Schöpfer, der seine Ehre keinem andern geben will. Hier aber greift das Geschöpf nach der Ehre des Schöpfers - und will selbst Schöpfer und Gott spielen. Gegen den Willen des Geschöpfes entwickelt sich beim Schöpfer ein „Widerwille“, und dieser bedeutet Zorn. Er entzündet sich an dem falschen Willen der Kreatur, die nicht in ihren Grenzen blieb. Die Kreatur überschreitet damit ihre gesetzten Grenzen - und handelt böse!

Das erste Geschöpf, das diesen falschen und gefährlichen Weg beschritt, war Lucifer. Als Lichtsfürst vermochte er in die Tiefen der Gottheit zu schauen; er erkannte, dass das göttliche Sein eine höhere Existenz bedeutet als geschöpfliches Sein. In seinem Wesen lag verborgen die Möglichkeit, in dem Sinn versucht zu werden, dass er auch „sein wollte wie Gott“. Es ist aber nicht nur absolut unmöglich, sondern höchst frevelhaft, wenn sich ein Geschöpf einen solchen Gedanken anmaßt. Hätte er diesem Gedanken widerstanden, dann wäre nie das Böse zur Offenbarung gekommen. Es hätte keinen Fall Adams, keinen Tod und keine Hölle gegeben; auch hätte der Sohn Gottes nicht nötig gehabt, Mensch zu werden - und für seine abtrünnigen Geschöpfe sogar zu sterben.

Es widerstrebte dem Willen Lucifers, lediglich Organ und Funktionär des göttlichen Willens zu sein, wonach er all sein Licht und Leben aus dem Sohn, der Quelle des Lichtes, beziehen musste. Er glaubte, selbst zur Lichtesquelle werden zu können, wenn er dies nur mit aller Macht wolle. Darin irrte er gewaltig, richtete aber durch sein eigenes Wollen unheimliche Dinge an. Indem er versuchte, diesen Willen in sich zu erzeugen, durchschnitt er unbewusst das Band, das ihn mit dem Wort, der Lichts- und Lebensquelle verband. Sicher war er von Gott zuvor gewarnt worden, so etwas zu wollen oder gar zu tun. Aber er handelte eigenmächtig - und selbständig. Indem er seinen Willen vom göttlichen Willen abzog, entwickelte er eine falsche Willensmagie. Er trat aus den Grenzen seines Lebens, was die allerschlimmsten Folgen nach sich zog. War er, solange sein Gehorsam und seine Unterordnung unter den Schöpfer währte, im Licht gestanden, so erfasste ihn jetzt die Finsternis, deren er als ein Geschöpf nicht mächtig war. Stand er bislang in der Wahrheit, so trat er jetzt in die Lüge ein. Überall erreichte er das Gegenteil seines falschen Wollens. Er wollte aus sich selbst das Licht erzeugen - und wurde zum finstersten Geschöpf. Er wollte herrlich sein wie Gott; aus seiner Herrlichkeit aber entstand Schrecklichkeit, welche die Herrlichkeit der Hölle ausmacht. Sein Versuch, selbst Gott zu sein, schlug völlig fehl. Die Kräfte des Zornesfeuers Gottes, über die er nicht Macht hatte, erfassten ihn - und machten ihn zur Strafe für sein frevelhaftes Beginnen zum Werkzeug der Offenbarung aller Finsternis und alles Bösen. Lucifer ahnte zum Voraus nicht, dass sein Versuch ein solch furchtbares Ende nehmen werde.

Nun war er nicht mehr der „Lucifer“, d. h. der Lichtträger, sondern wurde ein finsterer Teufel - und damit zum Träger der Finsternis. Dieser furchtbare Fall Lucifers hätte sich vermeiden lassen, wenn er im Gehorsam gegen Gott geblieben wäre, wie dies Jesus tat - und wie dies alle Gottesmenschen wieder tun wollen. Auch wir treiben falsche, d. h. finstere Magie (= Willensbewegung), wenn wir uns im eigenen Ich erheben und unseren Willen tun wollen. Wie bei Lucifer im großen Ausmaß, so wird auch bei uns das Licht zur Finsternis. Und solche Finsternis „bedeckt das ganze Erdreich“, d. h alle Menschen; denn sie alle sind Sünder geworden, weil sie nicht den Willen Gottes tun. Solange der Mensch in dieser Stellung verharrt, ist auch er - in kleinerem Ausmaß als der Teufel - ein Offenbarungswerkzeug des Zornes Gottes - und „bleibt unter dem Zorn!“

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4. Wie Hölle entstand