Rebekka

Aus Bibelwissen
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Aus dem Zweimonatsheft für gläubige Schriftforscher:
"Das prophetische Wort“ (Jahrgang 1923-25)
Begründet von Professor E. F. Ströter

Herausgegeben von Heinrich Schaedel
Maranatha-Verlag, Klosterlausnitz i. Thür.

Siehe weitere Abschriften

Das erste Buch Mose

von: Prof. E. F. Ströter
Inhaltsangabe: 1Mo 1-50

9. Rebekka

Vierundzwanzigstes Kapitel

Wir haben hier das wunderschöne Brautkapitel des ersten Buches Mose.

Es fällt zunächst auf, dass der Name des Knechtes, der den großen Auftrag bekam, für den Sohn Abrahams eine Braut zu werben, in diesem Kapitel gar nicht erscheint. Wir wissen ja aus andern Schriftworten, dass es Elieser war, dessen Name bedeutet: „mein Gott ist Hilfe“. Diesen Namen hat er hier erlebt. Sein Gott gab Gelingen zu dem großen Unternehmen, zu dem er ausgegangen war.

Man darf ja wohl in der Weglassung des Namens nicht eine Willkür oder Vergesslichkeit des Schreibers erblicken, sondern es ist darin wie in allen einzelnen Zügen dieser Gottesoffenbarung eine Bedeutung zu erkennen.

Wenn für uns Isaak ein Abbild des großen Sohnes Gottes ist, und wenn Abraham im Haushalt des Glaubens als Vater vor uns steht, dann liegt es ja sehr nahe, in aller Ehrfurcht bei diesem Knechte Elieser an den treuen Geist zu denken, der ohne Nennung Seines Namens hinausgeht, um für den Sohn des Vaters die Braut zu werben. Es deckt sich das ja ganz mit der Aussage des Herrn in Bezug auf den Heiligen Geist: „Er wird nicht von Sich selbst reden; von dem Meinen wird Er es nehmen; Er wird Mich verherrlichen“ (Joh 16:13.14).

Werbung und Sammlung der Braut

Das sind Worte, die von der Gemeine zu wenig berücksichtigt werden. Daneben versteht es sich von selbst, dass bei diesem Knechte Abrahams gedacht werden darf an alle Knechte und Propheten Gottes, die in dem Geiste der Weissagung, der Wahrheit, hinausgegangen sind und noch hinausgehen werden zur Werbung und Sammlung der Braut, die es auch nur von dem Seinen nehmen, und nur das eine Ziel haben, den Willen und wunderbaren Rat des Vaters mit Seinem Isaak zur Durchführung zu bringen.

Deutlich aber wird es unterstrichen, dass dieses Weib unter keinen Umständen genommen werden soll von den Töchtern der Kananiter (1Mo 24:3). Zu dem Hause Abrahams, zu seiner Verwandtschaft wird der Knecht hinausgesandt.

Es ist anerkannter Grundsatz für alle Schriftauslegung, dass uns da, wo zum ersten Mal ein biblischer Begriff begegnet, ein deutlicher Schlüssel gegeben ist für die Bedeutung dieses Begriffs. Hier begegnet uns zum ersten Mal der Brautgedanke. Berechtigt ist also, an dem Zuge festzuhalten, dass in den Gedanken Gottes die Braut genommen werden soll aus dem Hause Abrahams. Aus der eignen Familie oder Nachkommenschaft war es nun nicht möglich, sie zu nehmen. Erst Dina ist ja die erste weibliche Nachkommenschaft, die wir finden. Wenn aber der Gedanke überhaupt im Bilde ausgesprochen werden soll, die Braut müsse dem Hause des Abraham entstammen, so konnte er nur in der Gestalt zum Ausdruck gebracht werden, wie es 1Mo 24:4 geschehen ist. Allen Einwendungen entgegen halten wir daran fest, dass eine genauere Fassung dieses Gedankens gar nicht möglich war.

Der Knecht erfährt eine Zurechtweisung, als er um den Erfolg seines Zuges besorgt ist (1Mo 24:5-8), wie es bei Abraham offenbar nicht der Fall war. Der Knecht muss sich sagen lassen, er habe nur zu sorgen für die Ausführung seines Auftrags; der Erfolg sei nicht seine Sache; der liege in Gottes Hand.

Wenn alle Knechte Gottes diese Lehre beherzigen wollten, gäbe es weniger nervöse Zusammenbrüche, weniger Hasten und Treiben, die zurückzuführen sind auf das sehr menschliche Verlangen, Erfolg zu sehen. Gott hat es fertig gebracht, die Bibel schreiben zu lassen, ohne das Wort Erfolg zu gebrauchen, während es bei uns das dritte Wort ist. Gottes Wort aber ist das Wort „treu“.

Die wenigsten Knechte Gottes haben großen Erfolg aufzuweisen gehabt. Wenn wir an d e n Knecht Gottes denken, Jesus: was war Sein Erfolg am Ende Seines Lebens? So kümmerlich und klein, dass nur das Auge des Glaubens irgend etwas erblicken konnte. Und denken wir an Noah, Jeremia und andere Knechte Gottes, wo war der Erfolg? Muss nicht auch Paulus in seinem hohen Alter über Vereinsamung klagen?

Erfolg kann ja auch nicht jeder Knecht Gottes vertragen. Für manchen ist es sein Untergang geworden, dass er so erfolgreich war. Es gehört zu dem gefährlichsten, was ihm begegnen kann; mit Zittern und Zagen mag er ihn entgegen nehmen. Treu aber muss er sein in der Ausführung des empfangenen Auftrags. Er ist alsdann entbunden, wenn seine Sendung erfolglos ist. Nur seinen Auftrag hat er auszuführen.

Unter keinen Umständen darf Elieser seinen Sohn Isaak mit in jenes Land nehmen. Das hätte ja so nahe gelegen, wenn jene Verwandten gesagt hätten: wir geben unsere Tochter nicht weg; Isaak mag hierher kommen. Man könnte das verstehen. Vielleicht hat Abraham in seinen Gedanken etwas Derartiges erwogen (1Mo 24:6).

Lieblich zu beobachten und lehrreich ist es, wie der Knecht sich stellt in Bezug auf sein Gebet und dessen Erhörung (1Mo 24:12-14). Er weiß durchaus in heiliger Keuschheit zu verbinden, was sich ihm naturgemäß entgegenstellt, was ihm an Umständen und Verhältnissen entgegenkommen möchte, mit der ganz bestimmten Bitte um Erhörung. Er kannte die Landessitte, wie sie heute noch besteht. Er bat nicht um ein besonderes Wunder, erwartete nicht etwa, dass Gott in wunderbarer Weise die Tochter dahinführen würde, wo sonst keine Töchter hin kämen. Das würde bei uns für besonders fromm gelten.

Der Knecht nimmt die Umstände, wie sie gegeben waren. Und der Herr fügte es, dass gerade Rebekka sich seinem Gebete gemäß verhielt. So ergab sich klar, dass sie die Auserwählte war, weil sie ganz auf die Gedanken einging, die das Herz des Knechtes bewegten ([1Mo 24:21]).

Wohl nicht nur die schöne Gestalt (1Mo 24:16), sondern die wunderbare Art, wie sie, von Gott getrieben, auf das einging, was er dem Herrn vorgelegt hatte, erregte seine Verwunderung. Aber er sagte ihr noch nicht den ganzen Rat und Plan Abrahams betreffs seines Sohnes Isaak. Wohl aber tut er etwas, was alle Auserwählten Gottes auch erfahren, noch ehe sie Einsicht bekommen in den ganzen Rat und Plan Gottes. Er gibt ihr aus den Schätzen seines Herrn Hauses und dann erst fragt er sie über ihr Herkommen (1Mo 24:23).

Es wird nicht berichtet, wie Rebekka dachte über die merkwürdigen, reichen Geschenke dieses Karawanenführers, der sie so belohnte für diesen einfachen Dienst der Tränkung der Kamele. Eine fürstliche Belohnung war es. Sie konnte wohl nicht ahnen, was dahinter steckte, ebenso wenig wie wir es ahnen können, was noch folgen wird, wenn wir die ersten kostbaren Schätze aus dem Hause des Herrn bekommen. Es ist so ganz natürlich, dass wir voll sind von dem, was uns zum ersten Mal so golden entgegenkommt und unsre Gedanken sind noch nicht auf das gerichtet, was sich dahinter verbirgt.

In großer Vorsicht fragt nun der Knecht weiter, um herauszufinden, ob nicht nur bei ihr persönlich, sondern auch in ihres Vaters ganzem Hause Bereitwilligkeit wäre, ihm freundlich und dienstwillig entgegenzukommen.

Die Eile Labans, dem Fremdling zu begegnen (1Mo 24:29.30), und den Eifer, ihn zu bedienen, verstehen wir gut aus der späteren Schilderung seines Wesens. Auf Kostbarkeiten verstand er sich. Laban nötigte den Knecht zum Essen; der aber ruhte nicht, bis er den Auftrag seines Herrn ausgeführt hatte (1Mo 24:33).

Der Heilige Geist hat, wo Er wirklich Auserwählte Gottes findet, kein eiligeres Geschäft, als ihnen den ganzen Rat und Willen Gottes, der sie auserwählt hat, kundzutun. Das ist ein großer, wichtiger, köstlicher Zug, an dem man auch vorübergegangen ist. Zuerst natürlich ist festzustellen, ob sie auf der ganzen Linie den Gedanken Gottes entgegenkommen.

Paulus sagt: „Wir wissen um eure Auserwählung; ihr seid unsre Nachfolger geworden und des Herrn, indem ihr das Wort aufnahmt unter viel Trübsal zur Freude des Heiligen Geistes“ (1Thes 1:4.6). Alsdann ist es des Knechtes Gottes dringendste Aufgabe, nicht zu ruhen, als bis er seinen ganzen Auftrag ausgeführt hat. Ein solcher Knecht war Paulus, und solche Knechte dürfen und müssen wir sein, wenn wir den Gedanken Gottes entsprechen wollen.

Der Rebekka wird, und mit ihr ihren Angehörigen, die ganze Sache von Anfang an durch den treuen Knecht erzählt (1Mo 24:34-49), wie es heute noch unser Gott mit Seinen Auserwählten macht, denen Er die ganzen kostbaren, inneren Zusammenhänge zeigt, in denen alles Einzelne steht, und wie ihre Lebensführungen nur den einen Zweck haben, sie der Auserwählung entgegenzuführen.

Rebekka hatte schon ein Angeld bekommen bei ihrem ersten Zusammentreffen mit dem Knechte. Nun sie ihren Beruf und Erwählung festgemacht hat (1Mo 24:51; 2Petr 1:10), wird sie unendlich reicher beschenkt (1Mo 24:53), immerhin aber nur als ein Vorbild dessen, was ihrer wartete, -- sollte sie doch das Weib Isaaks werden, dem Abraham alles gegeben, was sein war.

Wie aber Rebekkas Angehörige mit Gaben bedacht wurden, so sollen auch die Näher- und Fernstehenden, die Kreise und Völker, aus denen die Auserwählten dem Herrn zugeführt werden, großen Vorteil daraus haben, dass aus ihrer Mitte Auserwählte gesammelt werden – ein ähnlicher Zug, wie er uns in der Begegnung Abrahams mit Sodom begegnet ist. Die ganze Verwandtschaft wird mitgesegnet.

Rebekka wird (1Mo 24:58) vor die Frage gestellt, ob sie sofort mit dem Knechte ziehen wolle. Denn dass sie überhaupt ziehen würde, unterlag gar keinem Zweifel (1Mo 24:55-57). Sie drückt ihr inniges Einverständnis mit der ganzen Handlung aus. Das Geringere ist ja in dem Größeren miteinbegriffen. Sie zeigt damit, dass sie wirklich die Auserwählte Gottes ist. Wie ja Gott auch von uns nur fordert, dass wir auswirken lassen, was Er Sich vorgenommen hat (Phil 2:13).

Von dem Brunnen der Betrachtung des Lebens (1Mo 24:62) kommt Isaak, als er seiner Braut begegnet. Das war jener Brunnen, welchen der Herr der verzweifelnden Hagar gezeigt hatte, als das im Schlauch mitgenommene Wasser erschöpft war, und sie des Knaben Sterben nicht ansehen konnte. Der Herr erhörte die Stimme des Knaben (1Mo 21:17), nachdem ihre Augen gehalten waren, wie denn die Magd, das Gesetz, (Gal 4:24.25), den Brunnen des Lebens allein nicht finden kann. Den kann nur der Herr, der nicht verderben will, zeigen.

An diesem Brunnen weilt Isaak mit Vorliebe. Von der Betrachtung des Lebendig-Schauens aus zur Gebetsgemeinschaft mit dem Lebendigen und Schauenden sieht er die Erfüllung seiner Wünsche nahen; und Rebekka, die neue Form, in der das Glaubensleben weitere Frucht zu tragen hat in den Gedanken Gottes im Haushalt des Glaubens, sieht den Isaak, den sie nie geschaut, und dem sie sich doch bräutlich entgegengeführt weiß (1Petr 1:8).

Nur der, der uns als Geist der Wahrheit zu dem Sohne hinführt, kann uns auch den letzten Aufschluss über den Sohn geben (1Mo 24:65). „Das ist mein Herr“, sagt der Knecht, von dem ich dir alles gesagt habe, aus dessen Reichtum ich das Angeld gebracht, die Kleinodien, mit denen ich dich geschmückt habe, der dich einführen wird in die Hütte seiner Mutter.

Das Verhüllen mit dem Mantel ist das gläubige Anerkennen ihrer bräutlichen Beziehung zu dem Manne, dem sie begegnete.

Der Knecht erstattet Bericht (1Mo 24:66) nicht dem Abraham, der ihn ausgesandt hat, sondern dem Isaak, f ü r den er ausgesandt war. Wie der Vater alles dem Sohne übergeben hat, so führt auch der Geist dem Sohne alles zu.

In 1Mo 24:67 begegnet uns bei Rebekka dieselbe wesentliche Wahrheit, aber mit andern Aufgaben wie bei Sara.

Fünfundzwanzigstes Kapitel

Die Nachgeborenen Abrahams

Ein ganz wunderbarer Zug begegnet uns in dem Abschnitt 1Mo 25:1-6. Dem Mann, dem hundertjährig der verheißene Same geschenkt wurde, dem werden siebenunddreißig Jahre später noch eine Reihe von Söhnen aus einem andern Weibe geboren. Darin liegen ganz tiefe, köstliche Gedanken, Wahrheiten, auf die wir in allen Einzelheiten nicht einzugehen brauchen, vielleicht auch nicht können.

Deutlich aber tritt uns entgegen, dass nachdem der Same der Verheißung gezeugt ist, d. h. nachdem die großen Gedanken Gottes, die alle in dem Eingebornen ihren Mittelpunkt, ihren Ausgangs- und Zielpunkt haben, in Isaak zum vollendeten Austrag gekommen sind, die Fruchtbarkeit des Vaters der Gläubigen keineswegs aufhört; sie erfährt vielmehr eine ganz unerwartete, überraschende Steigerung. Auf den Eingebornen, der alleiniger Erbe bleibt (1Mo 25:5), folgen eine Reihe von Nachgebornen.

Wir dürfen unsrer Geschichte den deutlichen Wink entnehmen, dass in der Erfüllung der Gedanken Gottes mit dem Samen der Verheißung sich die großen Heils- und Liebesabsichten Gottes keineswegs erschöpfen. Gewiss, um Ihn, den Erben über alles, dreht sich alles, und auf Ihn läuft alles hinaus. Jedoch nach der Vollendung des Christus Gottes, der Söhne Gottes, nach dem Abschluss der eigentlichen Familie Gottes wird noch eine großartige Erweiterung des Samens Abrahams stattfinden.

Ketura bedeutet Weihrauch, einen süßen Geruch. Aus dieser Bedeutung des Wortes hat man, und wohl nicht ganz zu Unrecht, einen Schluss auf sein inneres geistliches Leben ziehen wollen. Den Schluss, dass ein Glaubensmensch wie Abraham, nachdem er die Verheißung erlangt hat, nachdem er in den Besitz der Kindschaft gekommen ist, denn Isaak ist hier gleich Sohnschaft, in ein Verhältnis ganz besonderer Innigkeit und Weihe Gott gegenüber eingetreten ist, aus dem ungeahnt reiche Zeugungen und Früchte hervorgehen konnten.

Wenn unser ganzes Leben ein Leben des beständigen Weihrauchs, beständiger, gläubiger Hingabe, das Leben eines süßen Geruches ist, dann kommt dabei eine ungemein reiche Fülle von Früchten zum Vorschein. Das ist wohl eine berechtigte Anwendung dieser Geschichte.

Allerdings tritt uns noch ein anderer Zug entgegen. Unter den Nachkommen Abrahams von der Ketura findet sich wenigstens einer, Midian, der später ein Feind und Bedrücker des verheißenen Samens, des auserwählten Volkes Gottes ist. Das ist etwas, das uns immer wieder in diesen Schattenbildern begegnet. So reich und hoch auch das Glaubensleben geführt wird, so tragen doch die Früchte, die aus ihm gezeugt werden, immer etwas von unsrer argen Natur an sich.

Mit klarem Bewusstsein grenzt Abraham das Leben seines Sohnes und Erben ganz bestimmt ab von dem Leben und Besitzstande seiner übrigen Söhne und Nachkommen. Wieder sieht man deutlich, dass ebenso wenig wie Ismael auch diese Söhne von der Ketura nicht von Abraham verflucht oder verstoßen werden in dem Sinne, dass sie nun gar keine Ansprüche auf Kinderbeziehungen zu Abraham mehr gehabt hätten, jedoch werden sie unterschiedlich behandelt von dem Sohn der Sara, der Verheißung.

Es kann keine Rede davon sein, in den übrigen Söhnen Abrahams, die keine Erben sind, nur Verworfene, Verfluchte zu sehen. Wie viel gottfeindliches Wesen aus der Nachkommenschaft Abrahams auch hervorgegangen sein mag, sie ist und bleibt Abrahams Same, ein Same, dem ja beständig die verderbte Art des Fleisches anhaftet, der darum auch in schonungsloses Feuer hineingelegt wird und werden muss, aber nicht umsonst lesen wir in Hebr 11:20: „Durch den Glauben segnete Isaak den Jakob und den Esau“.

Da Abraham zehn Jahre älter als Sara war (1Mo 17:17), Sara aber hundertsiebenundzwanzig Jahre alt starb (1Mo 23:1.2), hat Abraham noch achtunddreißig Jahre nach Saras Tod gelebt, da er hundertfünfundsiebzig Jahre erreichte (1Mo 25:7).

Der Tod Abrahams

Aber auch er muss sterben (1Mo 25:8), und damit die Form des Glaubenslebens, die in Abraham vorgeschattet ist. Dafür tritt Isaak auf, der Erbe über alles, den wir fast ausschließlich finden nicht nur am Brunnen des Lebendigen und Schauenden, der für ihn eine besonders köstliche Bedeutung gewonnen hat (1Mo 25:11; 1Mo 24:24.62), sondern mit Brunnengraben beschäftigt, mit der Bereicherung des Landes, mit Erschließung von Lebensquellen für alle Bewohner des Landes, Menschen und Vieh.

„Er ward zu seinem Volk versammelt“ (1Mo 25:8). In dieser Ausdrucksweise scheint zu liegen, nicht nur, dass der Tod der Heiligen wertgeachtet ist von dem Herrn, sondern auch, dass wir uns das Dasein der Gläubigen der alttestamentlichen Gläubigen, die ja das Licht der Gottesoffenbarung in Christo noch nicht gehabt haben, wie es uns aufgegangen ist, auch nach dem Tode keineswegs als ein bewusstloses Schlafen denken müssen.

Unter diesem Volke haben wir nicht nur seine natürliche Herkunft zu verstehen, sondern in einem ganz bestimmten Sinne das Volk Gottes, das Volk des Glaubens. Denn es hat ein solches Volk, wenn auch nur in kleinen Ansätzen, gegeben schon vor dem gläubigen Abraham. Abraham, Noah, Henoch und viele ihres Geschlechts waren unzweifelhaft Glaubensmenschen in vielen Abstufungen, Erscheinungsweisen.

Gott hat Seine Gläubigen auch schon vor der Flut gehabt. Das Geschlecht der Sethiten scheint mehr oder weniger auf den Linien der erkannten Gotteswahrheit gewandelt zu haben. Das Wort bedeutet damit: gesammelt zu seinesgleichen nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist.

Durch den Tod Abrahams kommen die beiden Söhne Abrahams, Isaak und Ismael, wieder zusammen (1Mo 25:9). Der Tod hat eine wunderbar verbindende Kraft. Diese Tatsache finden wir häufig im natürlichen Leben. Todesfälle in Familien führen gar nicht so selten zur Wiedervereinigung oft lange feindselig getrennter Familienglieder.

Gott weiß, wozu Er den Tod gebraucht; und der Apostel Paulus trifft in das eigentliche Herz dieses tiefen Geheimnisses, wenn er (Eph 2:14-16) schreibt, dass durch den Tod Christi die Feindschaft getötet sei zwischen Jude und Nichtjude, die durch das Gesetz der Gebote in Satzungen war aufgerichtet worden. Durch die göttliche Verordnung geschieden, sind die beiden durch den Tod zu einem neuen Menschen zusammengefasst. Das ist ja auch eine Frucht des Todes, abgeschattet in dieser Begegnung der beiden Söhne, als welche sie nach dieser Schrift anerkannt werden.

Wir finden hierin einen Hinweis darauf, dass alle diese Unterschiede und Abstände, die Gott in der Weisheit Seiner Wege eintreten ließ, irgendwie durch den Tod ihre Aufhebung finden werden; d. h., dass es dabei sich um Anordnungen Gottes handelt, die nicht von dauerndem Bestande sind, sondern dass durch den Tod, namentlich durch den Tod Seines Sohnes mit Seiner wunderbaren Tragweite, eine schließliche Beseitigung alles dessen, was als Scheidung in die Welt, in die Schöpfung geraten ist, eintreten wird.

Die Nachkommen Ismaels

In den 1Mo 25:12-18 werden zwölf Geschlechter Ismaels genannt, die bedeutend früher in die Erscheinung treten als die Geschlechter Isaaks, aus denen dann der Herr geboren ist dem Fleische nach.

Im Angesichte aller seiner Brüder (1Mo 25:18) ließ er sich nieder, also in der denkbar ungünstigsten Lage für das Volk der Verheißung.

Warum wird uns das Geschlecht Ismaels eher genannt als die Geschichte Isaaks? Darin liegt wieder ein eigenartiger, sehr beachtenswerter Zug der ganzen biblischen Darstellung, aus dem für den, der Augen hat zu sehen und geistliches Verständnis besitzt, in ganz unbefangener Weise aber sehr deutlich hervortritt, dass diese Schriften unmöglich aus menschlichem Geiste hervorgegangen sein können.

Wir stoßen oft in ihnen auf solche Kleinigkeiten, an denen der gewöhnliche Leser nur so vorübergeht, weil er durchaus nichts darin finden kann. Für denkende Leser aber liegt darin ein unwiderleglicher Beweis für die göttliche Stoffordnung dieser Heiligen Schriften.
       

Ein natürlicher Freund, Erbe, Sohn des Volkes Gottes, der nicht unter der unmittelbaren Leitung des Heiligen Geistes stünde, der nur nationale Begeisterung kennte, würde nie auf den Einfall gekommen sein, die Geschichte Ismaels vor die Geschichte Isaaks zu setzen. Das kann nur zurückgeführt werden auf die Triebe und Führungen eines ganz andern Geistes; denn darin kommen göttliche Gedanken zum bestimmten klaren Ausdruck (1Kor 15:44).

Das Geistliche ist nicht das Erste, sondern das Natürliche. Der zweite Adam folgt dem Ersten, der vorangehen muss, ehe der Zweite entstehen kann. Alles Erste muss dem Zweiten vorangehen, aber das Erste reicht nicht hinan an die Höhe und Tiefe der göttlichen Gedanken, wie es das Zweite tut. Im Ersten spiegeln sich gewisse Grundzüge göttlicher Gedanken wieder, aber in fleischlicher Ausgestaltung, nicht in göttlicher Vollendung. Das Göttliche kommt zum entsprechenden Ausdruck stets erst in der zweiten Gestaltung.

Die Schrift bewegt sich durchweg einheitlich auf den gleichen Linien in einer so stillen, geräuschlosen Weise, dass nur ein sorgfältiger Beobachter, der durch Gewohnheit geübte Sinne bekommen hat, das überhaupt wahrnimmt. Ein anderer liest einfach darüber hinweg. Wenn man es aber sieht, freut man sich und es hebt das Herz wunderbar, dass man es hier mit einem Werke zu tun hat, das aus einem Guss ist, aus welchem uns die vollendete Einheit und Einheitlichkeit aller großen Gedanken und Wege Gottes überwältigend entgegentritt.

Da wird uns unser Gott zu groß, der einen solchen Plan mit solchen Verwicklungen und Verkehrungen – denn an Ismael könnten wir uns stoßen, und glauben, er unterbreche den Willen Gottes – zur Durchführung bringen will. Gott rechnet auch mit Ismael und fügt ihn ein in Seinen großen Haushalt irgendwie und zu einem großen Zweck. Ismael ist nicht lauter Abfall, sondern Gelegenheit zur Darlegung und Erweisung der mannigfaltigen Weisheit Gottes.

Ismael ist der von der Magd gezeugte, der dem Sohne der Verheißung gegenüber Mutwillen trieb und seiner lachte (1Mo 21:9), und so führt heute auch das Ismaelchristentum das große Wort und verspottet den Sohn der Freien (Gal 4:29.30). Aber Ismael hat seinen Platz von Gottes- und Rechtswegen. Das bewahrt uns vor jedem fleischlichen Versuch, uns selbst zu helfen, uns mit Ismael herumzuschlagen, und wir warten es ab, bis Gott auch die Widder Nebajots und die Böcke Kedars auf Seinem Altar bekommt (Jes 60:7). Dafür bürgt uns Sein Wort. Solange Er es vertragen kann, solange werden auch wir es ertragen können.

Isaak, der Sohn Abrahams

In 1Mo 25:19 wird noch einmal unterstrichen, dass Isaak der Sohn Abrahams ist. Welcher Schmerz aber ist es für ihn, dass die auserwählte Braut solange unfruchtbar bleibt (1Mo 25:21). Abraham greift zur Hagar, Isaak nicht. Für den Sohn der Verheißung ist das ein überwundener Standpunkt. Der Sohn der Freien denkt nicht mehr daran, mit einer Magd Söhne zu zeugen.

Verbindungen einzugehen mit dem Gesetz, aus eigenem Können, eigener Kraft Gott helfen zu wollen, damit Seine Verheißungen auch erfüllt werden. Davon ist bei Isaak keine Rede mehr, wiewohl die zwanzig Jahre Wartezeit (vgl. 1Mo 25:20+26) ihm ganz gewiss die Versuchung dazu sehr nahegelegen haben mögen. Isaak bittet den Herrn: alles erwartet er nur vom Herrn; er verzichtet auf jede eigene Mithilfe und wird nicht getäuscht.

Von einem neuen Schmerz berichtet 1Mo 25:22ff. Rebekka bringt einen zwiefachen Samen hervor, was uns in der Schrift bis dahin noch gar nicht begegnet ist. Aber auch sie „ging hin, den Herrn zu fragen“. Das ist köstlich für diese neue Form und Gestaltung des Weibes, der Weiblichkeit, die ja zur Vervollständigung des Haushaltes des Glaubens so wesentlich ist.

An die Stelle der Sara, die den Bund der Verheißung darstellt, tritt Rebekka, die Braut des Erben über alles, die also eine noch höhere Stufe geistlicher Wahrheit darstellt als Sara, wenigstens in der Entwicklung der Dinge unter den Schattenbildern.

Jakob und Esau

Bei Hagar und den Weibern Ismaels ist von einer langen Wartezeit nirgends die Rede. Die Fruchtbarkeit des Ismaelgeschlechts geht rasch weiter, während Isaak lange, lange warten muss; und als sie erscheint, was hat sie dann für ein Gepräge (1Mo 25:24-26)! Das erste ist Esau, voll strotzender natürlicher Lebenskraft. Das gibt sich kund in der rötlichen Erscheinung und der Behaarung.

Daher finden wir auch im Gesetz die sehr bezeichnende Vorschrift, dass bei der Priesterweihe der ganze Haarwuchs, das Sinnbild des strotzenden Lebens, des treibenden Naturlebens, abgeschoren werden musste. Dasselbe hatte zu geschehen bei der Reinigung des Aussätzigen. Jede Spur von Haarwuchs musste in diesen Fällen entfernt werden.

Esau war ein schönes Kind, dem Augenschein nach, aber er gestaltete sich zu einem ausgesprochenen Gegensatz und Feind nicht nur Jakobs, sondern des ganzen Haushalts seines Vaters und seiner Mutter. Er war ein Kreuz im Hause Isaaks, und doch, wie hat Isaak an Esau gehangen! Das ist eine so ergreifende, lebenstreue Darstellung.

Esau wird später genannt Edom, ein Wort, das die gleiche Wurzel wie Adam hat. Adam und Edom decken sich; d. h. in Esau kommt das ganze adamitische Urwesen wieder zum Vorschein. Ist es nicht erschütternd, dass das die erste Frucht ist, die aus der Verbindung von Isaak und Rebekka herauskommt?

Da macht man die wertvolle Entdeckung, die unsrer Auffassung von einer rein geistlichen Ausgestaltung unsrer Sohnschaft, unsres Glaubenslebens schonungslos ins Angesicht schlägt. Wir müssen innewerden, dass auch in uns, auch in Rebekka, die beiden Naturen, Fleisch und Geist, bleiben und sich bekunden und schmerzlich deutlich in die Erscheinung treten. Jedoch die Verheißung lautet: Der Ältere wird dem Jüngeren dienen.

Es kann in dem Haushalte Isaaks nicht die Rede sein, dass das Geistliche, das die Verheißung erbt, unterdrückt, dauernd niedergehalten wird von dem fleischlichen, sondern der Gedanke Gottes ist, dass Jakob, der dienende Jakob, der sich verzehrt in eifrigem Dienst, der vierzehn Jahre allein für seine beiden Weiber dient, das Sinnbild des ungemein reich gesegneten Dienstes, welcher Anerkennung von Gott hat, nur weil er Sohn Isaaks ist, nicht dauernd von Esau unterjocht werden kann.

Die beiden Brüder (1Mo 25:27.28) werden von dem Apostel Paulus als Träger, Ausgangspunkte für die beiden großen Linien bezeichnet: „Jakob habe ich geliebt, Esau aber habe ich gehasst“ (Röm 9:13; Mal 1:2.3). Nicht wahr, wir stolpern nicht mehr über dieses Wort; denn wir haben erkannt, dass das nie bedeutet, Esau sei verflucht, verloren, verdammt. Wir halten vielmehr fest, Gott gebraucht und segnet auch in Seiner wenn gleich minderen Weise Esau. Er ist aber nicht der Auserwählte Gottes, weil sich in ihm zeigt die unbändige Frische und Energie des Naturlebens, unsrer eigenen Art oder Unart, die Gott zu unserer Demütigung und Beugung neben uns aufwachsen lässt.

Isaak hat eine Hinneigung zu Esau, die uns schier unbegreiflich erscheint. Wenn er es vermocht hätte, wie gern hätte er den Segen des Erstgebornen auf Esaus Haupt gelegt. Esau hat etwas Einnehmendes für den Sohn der Verheißung, den Erben über alles, gehabt – ein tief beschämender Zug für uns. Da deckt sich die Gesinnung Rebekkas mehr mit der göttlichen, als die Isaaks.

Das bedeutet nicht, dass in dem Wesen Rebekkas nicht auch sehr viel Fleischliches und Eigenes gewesen wäre, was nachher zu einem ergreifenden Ausdruck kommt. Denn eben diese Rebekka ist es, die ihren Liebling Jakob verführt zu dem schmerzlichen Betrug des erblindeten Vaters. Esau aber muss offenbaren das ganze blinde Unwesen unsrer natürlichen Art des Fleisches.

Das Linsengericht

Die 1Mo 25:29-34 berichten die Linsengeschichte. Der Linsen hat man sich nur zur Not bedient, sonst bekam sie das Vieh. Jakob aber versteht es, aus dem Hunger seines Bruders seinen Vorteil zu ziehen. Bei aller Fleischlichkeit aber, die auch bei Jakob zum Vorschein kommt, bei aller List und Verschlagenheit, mit der er sich die Gelegenheit zunütze zu machen versteht, und mit der er sich die Erstgeburt erwirbt, verrät Jakob eine höhere Wertschätzung der Dinge als Esau, die tiefere Veranlagung für den Wert und die Bedeutung des Göttlichen. Obwohl die Mittel, die er gebraucht, als verwerflich zu bezeichnen sind, so bewegt sich die Gesinnung unzweifelhaft auf göttlichen Linien.

Das ist ja das merkwürdige Gemenge, das uns hier entgegentritt: weder an dem einen noch an dem anderen kann man ungetrübte Freude haben. Zwar sind wir auf der Isaakstufe angekommen – Isaak bedeutet Kindschaft – aber an keinem der beiden Söhne ist ein großer göttlicher Zug zu entdecken. In dem ersten überwiegt der Adam, die ungestüme, raue, natürliche Eigenart, die von Gott zurückgewiesen wird. D a s Wesen kann Gott nicht brauchen, zum Segnen für andere.

Aber auch Jakob, der eine Wertschätzung hat für die Bedeutung der Erstgeburt, ist ein wunderliches, schmerzliches Gemisch von Geistlichem und Fleischlichem. Grundzug aber bleibt doch, wie er im göttlichen Wort zum Ausdruck kommt: „Jakob habe ich geliebt“, aber nicht aus Verdienst der Werke, nicht daher, dass Jakobs Wege und Veranstaltungen, Jakobs Art, sich in den Besitz des hohen Gutes zu setzen, dem Herrn wohlgefällig waren. Das alles wird auf das Bestimmteste verurteilt.

In Jakob erscheint etwas, an dem er sich zwar persönlich schuldig gemacht hat, für das er jedoch nicht völlig verantwortlich gemacht werden kann, weil er es aus Mutterliebe mitgebracht hat. Der tiefe Zug aber, das Verständnis für die höheren göttlichen, geistlichen Dinge, der ihn vor Esau auszeichnete, der ist von Gott gezeugt, obwohl er getrübt und niedergehalten wird durch eigene Mache jahrzehntelang. Der Segen Gottes ruht unverkennbar auf Jakob.

Trotz seines offenen Wesens steht immerhin Esau vor uns als ein schnöder Verächter der Erstgeburt, die er ja auch unwiderruflich verscherzt hat (Hebr 12:17). Es gibt also unwiederbringliche Verluste für uns, die nie einzuholen sind, die nie wieder gutgemacht werden können; sie bedeuten aber nicht den Verlust weder des Lebens noch der Kindesstellung im Hause Gottes.

Sechsundzwanzigstes Kapitel

Verheißung Isaaks

Das in diesem Kapitel entworfene Bild zeigt eine ganze Fülle von Ähnlichkeiten mit dem, was uns auf einer früheren Glaubensstufe bei Abraham begegnet ist. Dieselbe Veranlassung, eine Teuerung reizt Isaak nach Ägypten zu ziehen; aber der Herr tritt freundlich dazwischen (1Mo 26:2) und sagt: Nein, du verlässt den Boden des verheißenen Landes nicht. Auch dieselbe Schwäche zeigt sich im Verhältnis zu seinem Weibe wie bei Abraham: Die Verneinung im Angesicht der Philister der ganz einfachen Tatsache, dass Rebekka göttliche Wahrheit bedeutet, die niemand anders antasten darf. Das verneint der Sohn ebenso, wie sein Vater, wenn er auch bei der höheren Glaubensstufe angekommen ist. Aber es findet sich doch ein Unterschied: er verlässt den Boden der Verheißung nicht, wie Abraham getan hatte.

Dann kommen eine Anzahl von Zügen, für die wir Ansätze auch schon im Leben Abrahams finden: das Verhältnis zu den Wasserbrunnen. Im Leben Isaaks aber treten sie uns viel zahlreicher und bedeutungsvoller entgegen, und tatsächlich füllen sie den ganzen Rahmen dessen aus, was uns von dem Wandel dieses Mannes Gottes auf dem Boden des verheißenen Landes gesagt ist.

Nachdem uns dann noch am Schlusse des Kapitels derselbe Zug von Anerkennung von Seiten der Philister berichtet wird, erscheint noch ein einzelner sehr schmerzlicher Zug (1Mo 26:27), und dann sind wir mit dem Lebenslaufe Isaaks fertig.

Es ist für uns sehr beachtenswert, dass sich bei diesen Menschen Gottes, die uns verschiedene Gestaltungen desselben Geistes, desselben Glaubenslebens darstellen, übereinstimmende Züge finden auch was Gefahren und Versuchungen anbetrifft.

Es treten ja im Leben des Glaubens dürre Zeiten ein, und da tritt an Abraham und an Isaak die Versuchung sehr nahe heran, von den Höhen der Verheißung hinabzusteigen in das Flachland, in das eigene Welttreiben hinein, das in Ägypten abgeschattet ist, um die Befriedigung der Bedürfnisse zu finden. Das ist natürlich ein fremder Boden für den Samen des Glaubens.

Die höhere Stufe aber, auf der wir Isaak finden, dessen ganze innere Richtung doch auch das Verheißene war, wird uns nun sehr köstlich dadurch gezeichnet, dass für ihn das Leben der Gemeinschaft mit Gott ein viel reicheres und selbstverständlicheres war. Ihm begegnet der Herr und wehrt ihm, nach Ägypten zu gehen, und bestätigt ihm bei diesem Anlass die große Verheißung und den gewaltigen, umfassenden Eid, den Er Abraham geschworen (1Mo 26:3.4).

Es ist sehr bezeichnend, dass wir auf dem Boden des Verkehrs Gottes mit Isaak nur diese eine Bezeichnung seines Samens finden: „Wie die Sterne am Himmel“. Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass wir in der Schrift für den Samen der Verheißung eine dreifache Bezeichnung haben: er soll sein wie der Staub auf Erden, wie der Sand am Rande des Meeres und wie die Sterne am Himmel.

Wenn der Staub auf Erden die Auswahl Israels aus der Völkerwelt, der Sand am Rande des Meeres die Völkermassen bedeutet, so werden wir wohl mit gutem Recht die Sterne auf den himmlischen Samen beziehen dürfen, der darin Abraham zugesagt ist.

Diese dritte nun ist die einzige Verheißung, die aus dem Munde Jehovas dem Isaak gegeben wird. Das will aber nicht besagen, dass es sich bei den ihm gegebenen Verheißungen nicht um die Erfüllung irdischer Güter gehandelt habe, denn gerade in dieser Verbindung wird auf das Deutlichste gesagt: „Dir und deinem Samen will ich dieses ganze L a n d geben“. Wir haben also auch hier die gleichen Linien, die in den anderen Rahmen gezeichnet sind.

1Mo 26:5 liest sich so, als ob Gott dem Abraham eine ganze Tafel von Gesetzesvorschriften gegeben hätte und doch ist davon keine Rede im Haushalt des Glaubens.

Das Grundgesetz, nach dem Abraham erzogen wird, sind nicht Vorschriften und Satzungen, sondern Verheißungen. Daneben gibt Gott ihm allerdings als Siegel seiner Glaubensgerechtigkeit den Bund der Beschneidung und fordert von ihm, dass er diesen Brauch an seiner ganzen Nachkommenschaft treu vollziehen und aufrecht erhalten soll.

Es lag Gott sehr daran, weil Er in Abraham ein bestimmtes Volk auch für die Erde erziehen wollte, dass gleich von Anfang an der Same Abrahams an den Gehorsam gegen göttliche Ordnungen gewöhnt und darin erzogen würde. So beruft Sich der Herr darauf.

Die Beschneidung ist nicht von Mose, sondern Mose hat sie von den Vätern übernommen; das sind die Satzungen und Rechte, die Jehova dem gläubigen Abraham zu beobachten gab. Es bedeutet aber keineswegs, dass Abraham nun unter das Gesetz gestellt wäre. Die Verordnung der Beschneidung wurde ihm ja erst zuteil, nachdem er an Gott und Seine Verheißung gläubig geworden war. Erst der gläubige Abraham bekommt den Bund der Beschneidung zur Besiegelung der Glaubensgerechtigkeit (Röm 4:9-14), die er bei Gott erlangt hatte.

Unter keinen Umständen ist also die Rede, dass diese Gebote, die Gott ihm nachher gab, als mitwirkend zu denken wären für sein Glaubens- und Geistesleben, aber sie bedeuten eine Erweisung des Gehorsams, der aus dem Glauben geboren ist.

Das ist die Ordnung der Dinge, wie sie Gott hier anerkennt; und hier liegt auch schon der Schlüssel für die Lösung des scheinbaren Widerspruchs, an dem sich viele stoßen, zwischen der Lehre des Paulus und Jakobus, über den sogar unser großer Dr. Martin Luther nicht hinwegkommen konnte, so dass er die Epistel des Jakobus eine „stroherne“ nannte.

Die Lösung der Schwierigkeit liegt in dem einfachen Worte der Anerkennung des Glaubensgehorsams, den Abraham darin bekundete, dass er an sich und seinem ganzen Hause das Gebot vollzog, das ihm Gott gegeben und verordnet hatte.

Abimelech

Der Abimelech des Abschnittes in 1Mo 26:6-11 und dieses ganzen Kapitels ist doch wohl ein anderer, als der in den Tagen Abrahams. Wenn das der Fall ist, dann würde es eine Bestätigung der Auffassung sein, dass das Wort ein Amtstitel war.

Die tiefe Bedeutung dieses Abschnittes liegt darin, dass es in dem Leben der Gläubigen Zeiten der Dürre, der Versuchung gibt, die ihn dahin führen können, das hohe Gut, das Gott ihnen in Gestalt der Verheißungen gegeben hat, und in der Gestalt der Gaben und Güter, die allein im Geiste des Glaubens erkannt und fruchtbar gemacht werden dürfen und die sich der Berührung der Welt entziehen, weil sie geistlich erkannt werden wollen, in den Tiefstand hinuntergleiten zu lassen und es der Welt preiszugeben, ja dass sie ihr sogar erlauben, es in ihre Hand zu nehmen. Jedoch Gott gestattet nicht, sich an Ihm zu vergreifen, wie das hier deutlich gemacht wird.

Abimelech erkennt Rebekka als Isaaks Eheweib an, darf aber dann auch den Erben der Verheißung strafen und ihm einen herben Vorwurf machen (1Mo 26:10). Aber der Segen bleibt auf dem Isaak und das trägt ihm dann auf Philisterboden Neid und Anfeindung ein (1Mo 26:44).

Das äußert sich nun in einer ganz eigentümlichen Weise (1Mo 26:15), die sich in der Geschichte der christlichen Kirche wiederholt. Wenn man sich auf dem Boden der Philister bewegt, d. h. hinabgestiegen ist auf den Boden des natürlichen Erkennenwollens göttlicher Dinge; wenn man also dazu neigt, göttliche Dinge auf natürliche Weise erfassen zu wollen und sie den Kindern der Welt, die von der natürlichen Erkenntnis und Einsicht so hoch denken, gewissermaßen preisgibt und es begünstigt, ja dazu noch ermuntert, dass göttliche Wahrheiten allein philosophisch behandelt werden; wenn man sogar dazu kommt, sie für die einzig berechtigte Art der Auslegung zu halten, da die ganze Scheinchristenheit nach dem geistlichen Verständnis nicht fragt und ihr ein philosophisches Examen und eine philosophische Behandlung der Schrift vollauf genügt; und wenn man dann wahrnimmt, dass ein geistlicher Mensch anfängt Brunnen lebendigen Wassers zu graben: dann wird man die schmerzliche Erfahrung machen müssen, wie eiligst bemüht die Philister sind, einfach die Brunnen zuzuschütten.

Wie das dem Isaak geschah, trotzdem das Torheit war. Denn die Philister hätten sich sagen können: wir sind Narren bei unserem Unterfangen, denn auch wir können aus dem Brunnen trinken! Nein, die lebendigen Brunnen werden zugeschüttet: es könnte ja jemand hineinfallen und ertrinken! Sind sie mit Erde zugeschüttet, dann fällt niemand mehr hinein, bekommt auch keine nassen Füße mehr. Diese Philisterart ist die Gleiche geblieben bis auf den heutigen Tag!

So wie die Philister (1Mo 26:16) sprachen, sprachen auch die Gerasener (Lk 8:37): Gehe hinaus von uns. Später kam es ja anders. Hier auch. Das mag eine Zeit lang geschehen, einen ganzen Äon, einen ganzen ausgedehnten Haushalt hindurch, am Ende aber bricht die Erkenntnis sich Bahn: „Du bist nun einmal der Gesegnete des Herrn“ (1Mo 26:29). Und Isaak weiß sich geläutert durch all die schmerzlichen Erfahrungen, die er im Philisterlande hatte machen müssen.

Dass Isaak die wieder aufgegrabenen Brunnen mit den Namen benennt, die ihnen sein Vater gegeben hatte (1Mo 26:18), ist Schlüssel für eine scheinbare Schwierigkeit in den Versen 1Mo 26:32.33. Gerade dieser Brunnen ist schon in 1Mo 26:21.31 genannt worden, und von Abraham hatte er seinen Namen erhalten. Lesen wir 1Mo 26:33 im Lichte von 1Mo 26:18, so löst sich die Schwierigkeit.

So weit konnte es mit den Streitereien kommen, dass Isaak selbst einen Brunnen lebendigen Wassers mit dem unschönen Namen „Zank“ belegen musste (1Mo 26:20). Darin spiegelt sich etwas, was uns wohl bekannt ist. Es gibt tiefe, kostbare Wahrheiten der Schrift, die von den Hirten der Philister für die ihrigen in Anspruch genommen und zum Gegenstand heftigen Streits gemacht werden, so dass man Isaak gleich ihnen einen solch unschönen Namen beilegen könnte.

Das hindert aber nicht, dass ein solcher Wasserbrunnen, wenn man ihn aus der Tiefe des Wortes gegraben hat, ebensolch kostbares Wasser gibt, als wenn nicht darum gezankt worden wäre. Das aber ist eine schmerzliche Beigabe, die uns nicht immer erspart bleiben kann.

Isaak wich also, überließ ihnen jenen Brunnen und grub einen anderen (1Mo 26:21). Dem 1Mo 26:22 aber entnehmen wir die köstliche Anwendung auf uns, dass wir uns durch alle Anfeindungen hindurch keineswegs im Brunnengraben ermüden lassen sollen. Wir bleiben am Brunnengraben und schließlich macht uns der Herr doch einen weiten Raum. Beerscheba (1Mo 26:23) ist der Ort des Brunnens, den Abraham gegraben hatte.

Aus den nun erfolgenden großen Zusagen Gottes (1Mo 26:24) wird uns klar, dass es sich bei ihnen allen nicht um Gesinnung, Benehmen und Auftreten des jeweiligen Trägers dieser Verheißung handelt, ob er nun Isaak oder Jakob heißt, sondern Gott greift ruhig und klar zurück auf das, was Gott Abraham zugesagt hat.

Gott hat gleich am Anfang, bei der Erwählung Abrahams (1Mo 12) Seinen ganzen Plan entfaltet, wo von einem Bewährtsein im Glauben noch gar nicht die Rede sein konnte. Das „Ich will“ steht am Anfang. Und alle die anderen Träger und Vermittler der Verheißung Gottes müssen es sich sagen lassen, dass es der Gott Abrahams ist, Der Seinen Willen ausführen will, und dass um Abrahams willen der Segen über sie kommt.

Im NT werden wir Abrahams Kinder (Gal 3:7) genannt, nicht Jakobs Kinder, weil es sich um dieselbe Grundgestaltung handelt, nicht um einen Dienst, den wir tun dürfen, sondern um die Zusage Gottes, die bedingungslos ist, hervorgegangen allein aus der wunderbaren Triebkraft und Fülle Seiner Liebesmacht, Seiner allmächtigen, alles überwindenden Liebe.

       Isaak baut einen Altar und gräbt einen Brunnen (1Mo 26:25). Damit ist er wieder glücklich auf dem Boden, auf den er hingehört; und erst darnach, nachdem er in die richtige Beziehung zu seinem Gott gekommen ist, kommt auch Abimelech, sein Freund und sein Feldhauptmann zur Erkenntnis (1Mo 26:26).
       

Ganz köstlich ist, dass schließlich auch die verkehrten Philister zur Einsicht gelangen (1Mo 26:27-30). Sie kommen zu der Anerkennung: „Du bist nun einmal der Gesegnete des Herrn!“ Welche Freude, wenn das auch nach außen hin auf dem Gebiet der Völkerwelt geschehen, und ihr die Augen darüber aufgehen wird, wer eigentlich der Gesegnete gewesen ist.

Dass die Anerkennung einmal kommen wird, leidet gar keinen Zweifel. Das Gesetz hat den Schatten von den zukünftigen Güten. So gewiss Abraham, Isaak und Jakob typische Schattenbilder ganz bestimmter Heilswahrheiten sind, so gewiss ist alles, was in ihnen liegt, zugleich auch Schattenbild von der Gestaltung menschlichen Naturlebens, wie es nach der Offenbarung Gottes werden wird.

Alles das sind Abschattungen des endlichen Ausgangs der Dinge, und an dem Samen der Verheißung wird doch noch einmal der Philister genesen und zur Erkenntnis der Wahrheit, Weisheit und Gerechtigkeit der Wege Gottes kommen; und woran man sich jetzt stößt, nämlich, dass Gott nur an eine kleine Schar von Auserwählten geht, die so merkwürdige, wunderliche Kauze in der Welt sind, das wird einmal anerkannt werden als der einzige, vollkommen richtige Weg.

Viele wollen es philistermäßig zurechtlegen und nehmen es nicht in der Erkenntnis des Glaubens, dass Gott nur durch Auserwählte Seine Gedanken zur Ausführung bringen will. Gerade sie aber bereiten auch für die natürlich denkenden Menschen ein Mahl, zu dem sie sich dereinst fröhlich niederlassen dürfen (1Mo 26:30).

Die kurze Anmerkung in 1Mo 26:34.35 verrät wieder einmal einen andern denn bloß menschlichen Verfasser. Der würde diese schmerzvolle Bemerkung viel lieber unterdrückt haben. Der Schreiber hier aber darf es nicht; es muss gesagt werden. Das ist die Hinüberleitung der Geschichte Jakobs und so sehr kennzeichnend für den Erstgebornen nach dem Fleisch, der nicht der Auserwählte Gottes war, der auch einen Segen und Samen, einen mindern, empfängt, für den Gott in Seinem Haushalt auch Verwendung hat, an dem aber das ganze Wesen des natürlichen Menschen zu einem hässlichen, abstoßenden Ausdruck kommt.

Lies weiter:
10. Jakob und Esau (1Mo 27-28)