Gott war in Christo

Aus Bibelwissen
Wechseln zu: Navigation, Suche

Abschrift des Heftes: Der göttliche Liebesplan
Julius Beck (1887-1962) stammt aus Altingen.
Er war Mittelschullehrer in Calw, nach 1945 Rektor.

Aus der Reihe: Vätererbe Bd. IV (1962)
Verlag Ernst Franz Metzingen, Württ.

Siehe weitere Abschriften
Inhaltsverzeichnis

Der göttliche Liebesplan

4. Gott war in Christo

Jesus Christus, der Menschen- und Gottessohn, ist der erste Vertreter der neuen Menschheit. Durch den Sündenfall geschah eine Sonderung zwischen Gott und Mensch; in Christo ist diese Trennung wieder aufgehoben. Gott ist in Christo – und damit wieder im Menschen. Der Mensch ist wieder ein Ganzes.

Gott ist sowohl Vater als Mutter des Sohnes; denn in der Gottheit sind die Ursprungskräfte A und O, d. h. die Feuers- und Lichteskräfte – oder die männliche und die weibliche Tinktur – beieinander. Diese Tatsache kommt zum Ausdruck, wenn gesagt wird, Gott und seine Weisheit wohnten in Christo.

Aus diesem Vater, der zugleich Mutter ist, ging ein Ihm ähnliches Wesen hervor, das dieselbe Kräfteordnung in sich barg: der Gottmensch Jesus Christus, in welchem auch das Wort und die Weisheit, d. h. die männliche und die weibliche Tinktur in einer Person beisammen waren. Dieselbe Geistesstruktur hatte einst der aus der Hand Gottes hervorgegangene Adam – vor dem Sündenfall. Auch er war männlich-weiblich in einer Person. Dieselbe Struktur werden die Menschen in der Auferstehung haben, denn durch die Wiedergeburt aus Gott erhalten auch sie einen neuen inneren Menschen, „der nach Gott geschaffen ist“, also nicht mehr dem gefallenen Menschen gleicht, der in Mann und Weib auseinandergerissen ist. Das ist die neue Menschheit, welche durch Jesus Christus, den „Stammvater der neuen Menschheit“, begründet wurde. Auf dieser Ebene liegt die Möglichkeit der Vollendung des menschlichen Wesens, nicht auf körperlich-seelischem Gebiet.

Die Zeugung und Geburt des Gottmenschen Jesu, welcher der Heiland der ganzen Welt ist, geschah in Maria. Er war völlig sündlos, was nicht heißen kann, dass Er nicht auch hätte sündigen können. Er besaß auch die Möglichkeit, einen anderen Willen als den Willen Gottes zu tun - und damit zu sündigen. „Vater, nicht mein, sondern dein Willie geschehe!“ Es kann aber nicht behauptet werden, dass auch die Jungfrau Maria völlig sündlos gewesen sei; sonst müssten es auch ihre Eltern und wiederum deren Eltern gewesen sein, was eine Unmöglichkeit bedeutet. Und dennoch wurde Jesus Christus als sündloser Mensch geboren. So wie die göttliche Anlage durch den Einfluss der Finsternis in uns verkümmern kann, so kann auf Gottes besondere Einwirkung hin auch die Sündenanlage in uns mehr oder weniger verkümmern. Zum mindesten steht es in Gottes Macht, die sündige Anlage im Menschen in ihrer Entwicklung zu hemmen, ja zu unterbinden. Dies muss in Maria geschehen sein. Dagegen wurde ihre göttliche Anlage, die auch in jedem Menschen ruht, in besonderer Weise zur Entwicklung gebracht, schon bevor sie die Mutter Jesu wurde. Insofern mag sie ein mehr oder weniger engelartiger Mensch gewesen sein. Sie durfte jedenfalls nach Gottes Willen keine Spur von Sünde an ihren Sohn vererben. Die Versuchlichkeit aber ist nicht Sünde.

Gerade bei der Empfängnis des Gottmenschen Jesu wurde in der Überschattung der Maria durch Gott die göttliche Anlage in Maria ganz besonders angesprochen. In dieser Gottanlage geschah die Geburt Jesu; auch bei uns kann sie in dieser Anlage geschehen. Wir sind also, obwohl wir sündig sind, fähig, durch Gottes besondere Einwirkung einen neuen, sündlosen Menschen in uns zu gebären. Dann sind wir „wiedergeboren“ oder „von oben geboren“. Das ist die hohe Bestimmung des Menschen, nicht nur eine körperliche oder seelische Entwicklung. In der Gottanlage der Maria geschah die Gottesgeburt. Gott, der sich selbst entäußerte, um Fleisch zu werden, ging mit allen seinen Kräften in Maria ein und bewegte ihr ganzes Gemüt in den oberen und unteren Kräften zur Geburt. Ebenso zog diese neue Geburt aus Maria menschliches Wesen nach Leib, Seele und Geist an. Alles aber, was Gott aus Maria anzog, wurde vom Geiste Gottes durchdrungen und geheiligt, so dass das Heilige, das aus ihr geboren wurde, billig Gottes Sohn genannt wurde. Denn es war nichts Sündliches an Ihm.

Diese Gottesgeburt im Fleisch geschah um der wesentlichen Weisheit Gottes willen. Gott und seine Weisheit hatten sich, als sie noch unwesentlich d. h. im Ungrund waren, entschlossen, einst Mensch zu werden. Aber zuerst wurde der Ungrund in den Urgrund eingeführt d. h. das Wort und seine Weisheit wesentlich, ja als der Eingeborene Sohn des Vaters geboren. Und diese wesentlich gewordene Weisheit wurde Mensch, um auf diesem Wege die ganze gefallene Schöpfung zu erlösen. Also war es der Eingeborene Sohn des Vaters, welcher in Jesus Christus Mensch wurde.

Bei der Empfängnis wirkte der Heilige Geist mit und bewegte die Seelenkräfte der Maria. Er gebrauchte die Maria als ein Geburts- und Offenbarungswerkzeug. Die Kraft Gottes kam als Feuer und Licht - oder als Wort und Weisheit - über Maria und wirkte in all ihre Leibes-, Seelen- und Geisteskräfte ein. Sie war der Ort, an welchem diese Gottesgeburt geschah; sie selbst war dabei sozusagen unbeteiligt. „Mir geschehe“ - war der richtige Ausdruck für das, was nunmehr in ihr vorging. Und doch war es ein „Sohn“, der uns gegeben wurde. Als ein männliches Wesen seiner äußeren Gestalt nach kam der Gottessohn nach Art aller Menschen in diese Welt herein. Offenbar besaßen die Feuerskräfte, welche die Maria überschatteten, einen gewissen Überschwang über die Lichteskräfte, so dass ein männliches Wesen ausgeboren wurde. Doch war dieser „Sohn“ männlich-weiblich nach seiner inneren Seelengestalt.

Die Erfüllung der Bitte: „Süßer Immanuel, werd' auch in mir nun geboren!“ setzt bei uns dieselben Vorgänge voraus wie bei der Geburt Jesu aus Maria. Unsere Menschenseele hat die große Aufgabe, aus ihren Kräften den Sohn Gottes auszugebären - durch göttliche Überschattung!

Gottheit und Menschheit - in Einem vereint

Jesus besaß zwei Naturen und war doch nur eine Person, nur ein Wesen. Wer nur ein natürliches Leben besitzt, ist ein Erdensohn; wer ein natürliches und ein geistliches Leben besitzt, ist ein Gottessohn. Dies ist auch die Meinung Jesu gegenüber dem frommen Nikodemus. Dieser besaß ein natürliches, in frommen Übungen sich auswirkendes Leben; aber auch zu ihm sagt Jesus: „Ihr müsset (noch) von oben geboren werden.“ Erst die Vermählung des göttlichen mit dem menschlichen Wesen macht ein Bild Gottes aus.

Jesus war ein solcher Mensch. Er war ein menschliches Ich, hatte aber auch den Vater - als zweites Ich - in sich. Ebenso war Adam - dem Anfang nach - geschaffen, so sind auch die wiedergeborenen Menschen beschaffen. Darum sagt Paulus: „Christus wohnet in mir.“ Jesus aber ist der Stammvater dieser neuen Menschheit, die wieder „nach Gott geschaffen ist“, d. h. zwei Naturen besitzt.

Woher hatte Jesus seine doppelte Natur? Er ist vom Vater gezeugt. „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeuget.“ Er ist auch vom Vater geboren. Denn Gott hat sich selbst in Maria, als dem Geburtsorgan Gottes, gezeugt und geboren. „Das Heilige, das von dir geboren wird, wird Gottes Sohn genannt werden.“

Ohne diese göttliche Zeugung, bei der sich Gott wesenhaft mit der Seele der Maria vereinigte, hätte Jesus nur eine menschliche Seele gehabt - wie Maria und wir! Durch seine „Geburt von oben“ stand seine gottmenschliche Seele unter dem Gesetz des Geistes - und war völlig sündlos. Das Leben im Blute Jesu war nicht, wie das Leben der Maria, nur ein menschliches, sondern ein gottmenschliches Leben. Jesus war ein männlich-jungfräulicher Sohn Gottes. Der Leib Jesu, sein äußeres Fleisch war auch der Leib des gottmenschlichen Wesens. Er war „aus Maria“ und war ein menschlicher Leib. In Ihm wohnte nur Gutes, nichts Böses. Versuchlichkeit ist nicht schon böse.

Doch war auch der Leib Jesu von Gott besonders gewählt. Jesus hätte auch in einem Tinkturleib - als ein überirdisches Wesen - unter den Menschen erscheinen können. Gott wählte den Fleischesleib; denn Jesus sollte in Knechtsgestalt einhergehen. Dieser Fleischesleib Jesu aber wurde von Gott zum Opferlamm ersehen, durch welches Er sich mit sich selber versöhnen wollte.

Versöhnung zwischen Gottheit und Menschheit

Innerhalb dieses Menschenleibes geschah zunächst die Versöhnung zwischen der Gottheit und der Menschheit. Unter Versöhnung ist nicht nur der Tod Jesu am Kreuz zu verstehen; in der Seele Jesu geschah die Wiederherstellung der im Sündenfall verloren gegangenen Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch. Als diese „Vermählung“ in Christo vorhanden war, war auch der „andere Adam“ vorhanden, welcher nunmehr der Stammvater einer neuen Menschheit, einer Gottesmenschheit, werden sollte. Alle Glieder dieser neuen Menschheit sind von oben, d. h. aus Gott geboren und tragen zwei Naturen in sich, welche aber in einem Menschenwesen, dem Gottesbild, vereinigt sind.

Dieser Zusammenschluss zwischen Gott und Mensch ist möglich; ja er ist im Plane Gottes vorgesehen. Wo er da ist - wie bei Jesus, wohnt nicht etwa Gott im Menschen wie ein Geist in einem Besessenen. Vielmehr vollzieht sich eine innige Verbindung zwischen dem göttlichen und dem menschlichen Wesen zu einer unlöslichen Einheit. Dies ist wahrhafte Ver"söhn"ung; durch den Sohn wohnt der Vater wieder im Menschen. Und in jedem Einzelfall kann gesagt werden: „Das Wort ward Fleisch“.

Wir erkennen: Was sonst Kinder von ihren Eltern an Wesen und Leben besitzen, das besaß der Menschensohn Jesus Christus aus Gott, der sein Vater und seine Mutter war. Soweit Er Wesen aus Maria annahm, wurde es durch das Feuer des Geistes der Ewigkeit geheiligt. Im Tod opferte Er sich dem Vater auf und brach in seinem Sterben vom Tod zum Leben hindurch. Auch das vermag nur ein Gottesmensch.

Die Menschwerdung Jesu beschränkt die Gottheit nicht

„Gott war in Christo“; doch hat sich die Gottheit nicht auf das Wohnen in der Menschheit Jesu beschränkt, sondern blieb nach wie vor offenbar im Lichtsraum der Ewigkeit. Christus war Gott und Mensch zugleich, ein „Gottmensch“. Die Absicht Gottes ging dahin, sich in der Schöpfung zu begrenzen, aber sich dadurch auch begreiflicher und betastlicher zu machen. Doch hat sie sich damit nicht in die Menschheit Jesu eingeschlossen. Diese Begrenzung findet ihre Fortsetzung in unserer Wiedergeburt, wobei Gott - in Christo - abermals Mensch in uns wird und sich also in einem sündigen Menschenwesen „begrenzt“.

Die Begrenzung Gottes in Jesu war insofern wundersam, als der Vater doch seine ganze Gottesfülle in den Sohn einführte. Die Begrenzung in der gefallenen Menschennatur ist dieser zu großem Heil: sie wird dadurch ergänzt. Als gefallenes Wesen ist der Mensch geteilt in Mann und Weib; die Ergänzung geschieht in dem Sinne, dass das neue Leben, der neue Mensch in uns, wieder „ganz“, nicht mehr in zwei verschiedene Tinkturen auseinander gerissen ist. Dieser Riss kam durch den Sündenfall zustande. Durch Aufhebung des Sündenfalls in der Versöhnung vollzieht sich beim Menschen wieder die Ergänzung in eine „männliche Jungfrau“ oder einen „jungfräulichen Mann“, wie Jesus es als Mensch auch war.

Als ein solches Doppelwesen wurde Er der Stammvater der neuen Menschheit, die seinem Bilde gleicht. Darum besitzt ein wiedergeborener Mensch schon diesen neuen Menschen dem Anfang nach. Dieser neue Mensch lebt nach dem Gesetz des Geistes und streitet wider den alten Menschen, in welchem das Gesetz des Fleisches herrscht. Schließlich kommt es dahin, dass das Gesetz des Geistes die Oberhand gewinnt und uns frei macht vom Gesetz der Sünde und des Todes. Dadurch ist der alte Mensch überwunden und in den Tod geführt; es lebt künftig nur noch der neue Mensch - als „Gottesmensch“.

In seiner Eigenschaft als Gottmensch konnte Jesus alle Versuchungen des Weltgeistes und des Teufels siegreich bestehen - und sagen: „Hebe dich weg von mir, Satan!“ Er ist also nie aus seinem Sohnesverhältnis zum Vater gefallen; und nie ist Gott aus Ihm gewichen, von den Augenblicken am Kreuz abgesehen. Darin ist Er unser Vorgänger und Vorbild geworden; auch unsere neue Kreatur soll „in Ihm“ bleiben. Nur dadurch kann sie sich zu göttlicher Ähnlichkeit entwickeln. Aber hoch erfreulich ist es zu sehen, wie auch wir wieder in die Gemeinschaft Gottes zurückkehren können.

Jesus war als Mensch himmlisch und irdisch zugleich. In Ihm fand die Versöhnung Gottes mit sich selbst statt. In Ihm war „Gottheit und Menschheit

in einem (Wesen) vereinet“, aber auch versöhnt. Der Vater hat sich in Jesu Menschheit wieder mit der ganzen Menschheit verbunden, wenn auch zunächst nur in Ihm und nur anfangsweise. Da der Mensch aber ein Auszug aus dem ganzen All ist, so geschah zugleich auch die Versöhnung Gottes mit dem ganzen All. - Vormals war die Weisheit die Gespielin des Menschen, verließ ihn aber, als der Mensch sich mit der irdischen Weisheit, dem Weltgeist, einließ. Nunmehr ist uns Christus „gemacht zur Weisheit“, durch Ihn bekommen wir alles wieder, was durch den Sündenfall verloren ging. Durch Ihn kommen wir wieder in das Bild Gottes zurück, weil Er ja in uns wohnen und thronen will. Ist aber Er in uns, dann - in Ihm - auch der Vater. Das ist die gute Aussicht für uns gefallene Menschen, sofern wir die in Christo erschienene Gnade Gottes ergreifen und uns von ihr helfen und uns heilen lassen.

Dass Jesus ein Mensch mit doppelter Tinktur war, schließen manche Mystiker aus der Tatsache, dass aus seiner Seite nach seinem Tod Blut und Wasser floss. Das Blut deuten sie auf die feurige Vatersnatur, das männliche Prinzip; das Wasser ist Sinnbild der gebärenden weiblichen Kraft im Sohn. Diese doppelte Tinktur aber macht einen Vollmenschen aus.

Lies weiter:
5. Jesus, der einzigartige Mittler