Die Wüste - ein unwirtlicher Ort

Aus Bibelwissen
Version vom 26. Oktober 2013, 13:00 Uhr von DM (Diskussion | Beiträge)

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Von Daniel Muhl

Auf einem Wüstenausflug hatte ich auch die Möglichkeit, mich für kurze Zeit von der Gruppe zu lösen, um ganz alleine in die steinige Einöde hineinzuspazieren. Dann tauchen in mir ganz verschiedene Fragen auf:

- Wie kann man hier leben und wie überleben?
- Warum ist die Wüste für gewisse Menschen so wichtig?
- Welche Strategie haben hier die Bäume und Sträucher entwickelt, so dass sie mit 1-2 Regentage im Jahr auskommen?
- Was ist das Geheimnis der Wüstentiere, so dass sie hier existieren können? Denken wir nur an die erbarmungslose Hitze und Trockenheit; aber auch an die kalten Temperaturen bei Nacht.

Als verwöhnter Schweizer, der in einem Land lebt, wo „Milch und Honig fließt“, kann man sich ein Leben in der Wüste kaum vorstellen. Trotz den lebensfeindlichen Bedingungen, hat die Wüste etwas ganz Besonderes! Die Stille und die kurzzeitig gefühlte Einsamkeit ließ in mir eine Ahnung davon entstehen, welchen Einfluss ein solches Umfeld auf unseren Geist und unsere Seele haben kann. In einer Zeit der Hektik, des Stresses und der Unruhe kann die Seele hier einen sehr wertvollen Ausgleich finden. Wenn wir in der Wüste allerdings ums Überleben kämpfen müssten und nicht wüssten wie wir zu Wasser kommen würden, dann wäre das natürlich auch „Stress pur“! Müssten wir in der Wüste überleben, würden sich unsere Gedanken vorerst auf folgende Fragen fokussieren:

- Wie kommen wir zu genügend Wasser?
- Wo bekommen wir unser Essen?
- Wo finden wir Schatten und wie können wir uns in der Nacht wärmen?

Hier wird einem plötzlich bewusst, wie äußerst kostbar das Wasser ist, das bei uns so ganz selbstverständlich aus dem Hahn fließt. Noch heute gibt es in Afrika und anderswo, Gebiete, wo die Menschen zuerst eine oder mehrere Stunden unterwegs sind, um ihren täglichen Wasserbedarf zu decken. Für solche Menschen wäre ein Wasserhahn in ihrer Hütte schon fast das „Paradies auf Erden“.
Das ist nur einer von vielen Aspekten, welche unser Bewusstsein verändern würden, wenn wir uns einmal in die Wüste begeben. Wir sehen unser Leben von einer anderen Seite und es entsteht eine neue Gewichtung. Freiwillig würde ich nicht in der Wüste leben wollen, weil ich die Einöde als deutliche Lebensqualitätsverminderung einstufe. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass ein längerer Aufenthalt in der Wüste, einen wertvollen Lernprozess auslösen könnte. Wer die Bibel kennt und sie auch ernst nimmt, muss dem zustimmen, weil die Wüste für viele Gottesmänner eine ganz entscheidende Vorbereitungszeit für ihren Dienst war. Mose war 40 Jahre in der Wüste und studierte „Schafologie“. Das Volk Israel wanderte zuerst 40 Jahre in der Wüste, bevor es in das verheißene Land einziehen konnte. David hütete ebenfalls Schafe in der Wüste (1Sam 17:27). Elia befand sich auch einige Zeit in der Wüste (1Kö 19:8). Selbst Jesus wurde vom Geist Gottes in die Wüste geführt und fastete dort 40 Tage und 40 Nächte (Mt 4:1). Paulus war nach seiner Bekehrung auch eine Zeitlang in Arabien (Gal 1:17). Wir können davon ausgehen, dass er dadurch auch einige Zeit in der Wüste zubrachte.
Die Wüste vermittelt seinen Bewohnern ein anderes Bewusstsein, sie lehrt dem Menschen das Überleben und sie kann ihn in entscheidende Lernprozesse hineinführen. Aber nicht nur das! Das Wichtigste, was in der Wüste jeweils geschah, war die Tatsache, dass dort etliche Menschen eine Gottesoffenbarung erhielten. Jeder Mensch, der in der Wüste eine Gottesoffenbarung erleben durfte, würde das „Wüstenerlebnis“ niemals missen wollen. Jeder würde sagen: „Meine Wüstenzeit war diese einmalige Erfahrung wert!“
Das hebräische Wort „midbar“ (+04057) wird nicht nur mit Wüste oder Wildnis übersetzt, sondern auch mit „Mund“ (Hl 4:3). Tatsächlich ist dieser Begriff auch mit dem Wort „dabar“ (+01696) verwandt und dieses bedeutet soviel wie „sprechen“ oder „reden“. Mit einer anderen Punktierung muss man diesen hebr. Begriff (+01697) auch mit „Wort“ oder „Rede“ übersetzen. In der Bibel offenbarte sich Gott immer wieder in der Wüste und oft vermittelte Er uns Menschen hier auch Sein Wort. Mit großer Wahrscheinlichkeit empfing Mose die Offenbarung für die gesamte Thora (1. - 5. Mose) in der Wüste. Ob er Teile der Genesis (1. Mose) bereits als Schriftdokument in Händen hielt, kann man nicht so genau sagen, aber möglich wäre es. Auch andere Männer empfingen in der Wüste die Worte Gottes. Interessant ist auch die Tatsache, dass das älteste Neue Testament (der Sinaiticus) auf der Sinaihalbinsel, also in der Wüste entdeckt wurde. Es gibt zwar ältere Schriftfunde zum NT, aber diese enthalten nur Teile des Neuen Testamentes.
Ausgerechnet dort, wo wir Menschen normalerweise freiwillig nicht hingehen, offenbart sich Gott! Wenn man als Nomade in der Wüste lebt, reduziert sich die Existenz meistens nur noch auf die grundlegenden Dinge, wie Wasser, Nahrung, Schatten und den Schutz vor Kälte in der Nacht. Ansonsten hat man viel Zeit und Stille zum nachdenken. Eine solche Existenz steht in einem krassen Widerspruch zu unserem heutigen Leben. Wir sind Getriebene unserer Gesellschaft geworden. Wir möchten möglichst einen ähnlichen Lebensstandard wie unsere Nachbarn. Wir möchten uns gut versichern, wir möchten uns einen schönen Urlaub leisten können, wir wollen möglichst ein schönes Haus oder eine tolle Wohnung und ein Auto. Auch auf das Unterhaltungsprogramm der Medien möchten wir nicht unbedingt verzichten. Die eben genannten Dinge möchten wir in der Regel unbedingt erhalten, weil wir befürchten, dass ein Verlust, auch eine Minderung unserer Lebensqualität zur Folge haben könnte. Doch die bewusste Entscheidung bescheidener zu leben und eine vermehrte Dankbarkeit für all das Gute, das Gott uns täglich schenkt (z. B. für das Wasser aus dem Hahn), steigert in der Regel die Lebensqualität, weil wir zufriedener werden und mehr Zeit für die Stille und die Muße haben. Dadurch kann man auch bewusster genießen.
Für das Volk Israel war die Wüstenwanderung die Vorbereitung, um in das verheißene Land einzuziehen, wo „Milch und Honig fließt“! Diese Begebenheit ist auch ein Sinnbild für unseren Lebensweg. Auch wenn wir nie in einer tatsächlichen Wüste leben müssen, so gibt es doch in jedem Leben „Wüstenabschnitte“. Das können Zeiten des Mangels oder der Bedrängnis sind. Vielleicht leiden wir unter Einsamkeit oder Traurigkeit. Etliche leben in schwierigen Beziehungen und andere leiden an Depressionen. Kaum einer liebt diese Wüstenzeiten und doch gehören diese Zeiten auch zu unserem Leben. Sie bilden oft die Grundlage für eine neue Gottesoffenbarung, in der man den Trost und die Kraft Gottes ganz neu und ganz persönlich erfahren darf. Die Wüstenwanderungen unseres Lebens bilden die Grundlage um ins „verheißene Land“, d. h. in das Reich Gottes einzugehen. Darum lesen wir von den Aposteln auch:

  • Sie stärkten die Seelen der Jünger und ermahnten sie, im Glauben zu verharren und [sagten], dass wir durch viele Bedrängnisse in das Reich Gottes hineingehen müssen. (Apg 14:22).

Paulus lernte im Laufe seines Lebens sowohl die Zeiten des Überflusses als auch die Wüstenabschnitte seines Lebens dankbar aus Gottes Hand anzunehmen. In der Wüste lernt man Demut und man lernt auch vermehrt aus der Abhängigkeit Gottes zu leben. Gott führt uns aber auch zu den Oasen, wo wir Zeiten des Wohlstands und Wohlbefindens erleben dürfen. Diese Lebensabschnitte dürfen wir dann auch dankbar als angenehme Erholungsphasen aus Gottes Händen nehmen. Solche Phasen sind geistlich manchmal anspruchsvoller, als die Zeiten des Mangels, weil wir in der Gefahr stehen, wieder auf uns selbst zu vertrauen und weil sich dann manchmal - ohne dass wir es merken - der Hochmut wieder einschleicht. Doch Paulus lernte mit beiden Situationen richtig umzugehen.

  • ... , denn ich habe gelernt, mich darin zu begnügen, worin ich bin. Sowohl erniedrigt zu sein, weiß ich, als auch Überfluss zu haben, weiß ich; in jedes und in alles bin ich eingeweiht, sowohl satt zu sein als auch zu hungern, sowohl Überfluss zu haben als auch Mangel zu leiden. Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt (Phil 4:11-13).

Auch wenn unser Wüstenabschnitt vielleicht schon so lange andauert und noch kein Ende absehbar ist, so dürfen wir doch wissen, dass uns der Herr zu Seiner Zeit in das Reich Gottes führen wird. Das wird den „Erlösten des Herrn“ bereits in Ps 107 verheißen:

  • Sie irrten in der Wüste, auf ödem Weg, sie fanden keinen bewohnten Ort. Hungrig waren sie und durstig, es verschmachtete in ihnen ihre Seele. Da schrieen sie zum HERRN in ihrer Not; aus ihren Bedrängnissen errettete er sie. Er leitete sie auf rechtem Weg, so dass sie zu einem bewohnten Ort gelangten. Sie sollen den HERRN preisen für seine Gnade und für seine Wunder an den Menschenkindern! Denn er hat die durstende Seele gesättigt, die hungernde Seele mit Gutem erfüllt. (Ps 107:4-9).

Auch wenn wir die Wüste unseres Lebens alles andere als angenehm empfinden, so werden wir sie am Ziel doch nicht missen wollen, weil sie uns näher zu Gott brachte und weil jeder Gottesfürchtige in seiner Wüste, Gott ganz persönlich erfahren durfte. Doch die Wüste ist nur ein Teil unseres Weges und nicht das Ziel. Gott verwandelt einmal jede Wüste. So lesen wir weiter:

  • Er macht die Wüste zum Wasserteich und dürres Land zu Wasserquellen. Und er ließ Hungrige dort wohnen, damit sie Siedlungen gründen konnten. Sie besäten Felder und pflanzten Weinberge, die Frucht brachten als Ertrag. (Ps 107:35-37)

Ich glaube wir tun gut daran, wenn wir uns die gleiche Lebenseinstellung wie der Apostel Paulus aneignen und mit dem zufrieden sind, was Gott uns gegeben hat. Vielleicht sollten wir noch einmal erneut darüber nachdenken, was folgende Aussage beinhaltet:

Weniger ist mehr!