Der fünfte Schöpfungstag

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Abschrift des Heftes: Die Schöpfungstage in der großen und in der kleinen Welt
Julius Beck (1887-1962) stammt aus Altingen.
Er war Mittelschullehrer in Calw, nach 1945 Rektor.

Aus der Reihe: Vätererbe Anhang
Zuerst erschienen im „Verlag des Lehrerboten“, Stuttgart-Bad Cannstatt.

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Inhaltsverzeichnis

Die Schöpfungstage in der großen und in der kleinen Welt

5. Der fünfte Schöpfungstag

(1Mo 1:20-23)

Und Gott sprach: Es errege sich das Wasser mit webenden und lebendigen Tieren, und mit Gevögel, das auf Erden unter der Feste des Himmels fliege. Und Gott schuf große Walfische und allerlei Getier, das da lebt und webt und vom Wasser erreget ward, ein jegliches nach seiner Art; und allerlei gefiedertes Gevögel, ein jegliches nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war. Und Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch, und erfüllet das Wasser im Meer; und das Gevögel mehre sich auf Erden. Da ward aus Abend und Morgen der fünfte Tag.

Immer, wenn Gott schafft, so „spricht“ er vorher; ohne Sprechen Gottes gibt es kein Bewegen, weder draußen in der Natur noch in der Tiefe der Menschenseele. Deshalb ist es von großer Wichtigkeit, sich dem sprechenden Wort Gottes in uns und außer uns hinzugeben, weil es lebendig und kräftig ist und an uns seine neuschaffende Kraft offenbaren will. Die Worte am Anfang eines jeden Schöpfungstages: „Und Gott sprach“ sind also keine Litanei, sondern der ständige Hinweis auf die Notwendigkeit eines immer neuen Einsatzes von göttlichen Kräften, damit ein Neues hervorkomme. Wer etwa glaubt, es genüge ein einmaliges Sprechen Gottes, um eine Menschenseele zu erneuern, der irrt; auch bei uns muss es immer wieder heißen: „Und Gott sprach.“ Spricht aber Gott, so bewegt er seine Herrlichkeitskraft, den Sohn, um durch die Kraft des Heiligen Geistes Menschen nach seinem Bilde zu schaffen.

Der fünfte Schöpfungstag greift auf den zweiten Tag zurück. An diesem zweiten Tag wurden die Wasser, denen der erste Schöpfungstag Erleuchtung als die erste Ankündigung ihrer Erlösung gebracht hatte, geschieden in untere und obere Wasser. Brachte der erste Tag eine Bindung der Finsternis durch das Licht, ohne noch den chaotischen Zustand der Erde zu ändern, so brachte der zweite Tag eine himmlische Ausdehnung, wodurch ebenfalls neue Kräfte in die Schöpfung hineingetragen wurden, die diese nicht aus sich selbst hervorbringen konnte. Aber diese Scheidung war noch keine völlige Erlösung, sondern nur ein Weg dazu; es bedurfte der Erneuerungsarbeit noch weiterer Schöpfungstage. Durch die Scheidung der Wassermassen in untere und obere war immerhin deren übermächtige Gewalt gebrochen. Am dritten Tag weist ihnen Gott auf Erden besondere Örter an, während die Erde aus ihrem Wassergrab auferstehen darf. Sonne, Mond und Sterne des vierten Tages sind in erster Linie segnende Werkzeuge der göttlichen Kräfte für die von der Umklammerung der Wasser frei gewordenen Erde; sie wird durch den himmlischen Einfluss der Gestirne fruchtbar gemacht.

Am fünften Schöpfungstag werden nun auch die unteren Wasser in den Stand der Fruchtbarkeit gesetzt; darin besteht ihre Erlösung. Seit ihrem Werden am zweiten Tag blieben sie unfruchtbar; in ihnen herrschten noch Tod und Finsternis, so dass sie eine Wüste bildeten, d. h. ein Chaos im Kleinen, bis am fünften Tag auch sie durch die Kraft Gottes zu einem höheren Dasein, nämlich dem der Fruchtbarkeit, gerufen wurden. Die Botschaft, die der fünfte Schöpfungstag sowohl den Wassern als der Luft brachte, war die der Belebung. Erst musste sich aber das belebende Licht am vierten Tag in Sonne, Mond und Sternen konzentrieren, um nun auch die unteren Wasser, denen am zweiten Tag das Edelste durch die Abscheidung der oberen Wasser entzogen wurde, zu bewirken und die Keime des Lebens, die der Schöpfungsgeist durch sein Brüten in sie hineingelegt hatte, zu einem Dasein in neuen Geschöpfen, den Fischen und den Vögeln, zu rufen. Auch die ungeheuren Gebiete des Meeres und die endlosen Lufträume sollen hinfort ein Schauplatz werden, wo eine Überfülle neuer Wesen als Verkörperung und Offenbarung göttlicher Gedanken entstehen soll.

Zwar hatte die Erde schon am dritten Tag Leben hervorgebracht; aber es war nur ein pflanzliches Leben, zu dessen Entstehung das allgemein verbreitete Licht hinreichte. Jenes pflanzliche Leben aber erschöpfte die Kraft und die Weisheit des Schöpfers nicht; in dem Chaos war noch mehr und noch höheres Leben aus der Umklammerung des Todes zu lösen. Die Liebesoffenbarung Gottes hört mit ihrer Wirkung erst dort auf, wo die Not des Geschöpfes ganz behoben und dieses auf die ihm vom Schöpfer zugedachte Höhe seines Daseins gebracht ist. Darum entsteht am fünften und sechsten Tag ein immer höheres Leben; denn die ganze Offenbarung Gottes nähert sich dem siebten Tag, dem Zustand der Vollendung alles dessen, was Gott geschaffen hat, wo er nicht mehr bloß sagt: Es ist gut, sondern: es ist alles sehr gut!

Dieselben Gesetze des Lebens und der Erlösung, die sich uns bei der Schöpfung der Welt zeigen, wirken sich auch im Innenleben des Einzelnen aus. Darum hat die ganze Schöpfung für uns symbolische Bedeutung: wir können daran die Ordnungen Gottes bei unserer eigenen Schöpfung und Herzstellung in den Zustand der Vollkommenheit wahrnehmen, wodurch der Schöpfungsbericht für uns erst seine eigentliche, typische Bedeutung gewinnt. Denn die Schöpfung des Menschen als der kleinen Welt muss ja ihre Gleichheit in der Weltschöpfung haben. Wir versuchen deshalb, die Verhältnisse des fünften Schöpfungstages auf unsere persönliche Entwicklung zu übertragen.

Und Gott sprach! Jedes Mal, wenn Gott spricht, führt er eine Kraft in unsere Seele hinein, welche diese nicht aus sich selbst besitzt, die aber zu ihrem Heil nötig ist. Wir müssen darum auf das Sprechen Gottes in uns achten und ihm folgen, so wie die Erde, die Wasser und die Luft an und mit sich tun ließen und dadurch lebendig und reich gemacht wurden. Gott spricht in allen seinen Geschöpfen in jedem Augenblick, am kräftigsten in der Menschenseele; wir brauchen aber ein hörendes Ohr, um Gottes Stimme wahrzunehmen, und einen erlösten Willen, um seinem Wort zu folgen. Unter diesen Voraussetzungen geschehen die Schöpfungswunder an uns, und wir schreiten von einem Schöpfungstag zum andern fort.

Es errege sich das Wasser mit lebenden und webenden Tieren! Die Wasser, d. h. die Meere, haben in der Gleichnissprache der Bibel eine symbolische Bedeutung; sie sind Abbilder unserer natürlichen Begierden und Leidenschaften; weithin gleichen sie dem Unbewussten, aus dem allerlei Dünste und Nebel aufsteigen und uns die Sonne der Lichtwelt verhüllen. Ob wir aber gleich in solcher „Trübsal“ die Sonne am Himmel nicht sehen, so ist sie doch da und wirkt gewaltig mit ihrer Strahlenkraft; sie verwandelt die Nebel, die je und je von unten aufsteigen, in Wolken, damit sie sich als Regen segenbringend wieder auf uns ergießen und Kräfte von oben mitteilen. So war es aber nicht von Anfang an. Obwohl die finsteren Wasser am zweiten Tag unserer inneren Schöpfung eingedämmt und eingeschränkt wurden, so dass sich unsere Begierden und Lüste nicht mehr ungebunden und ungehemmt ausleben durften , so herrschte doch weiterhin der Tod in ihnen; sie blieben eine Provinz der Hölle in uns, in welche die Macht der Finsternis leicht hineinzuwirken vermochte. Der neue Mensch in uns, der am dritten Tag ins Dasein trat, musste allerlei Bedrohungen und Anfechtungen von dieser Seite her aushalten und konnte sich doch der Macht der Finsternis nicht entziehen. Dieser „Leib des Todes“ bleibt auch im wiedergeborenen Menschen so lange eine selbständige Provinz seiner Seele, bis der fünfte Tag oder die fünfte Staffel seiner inneren Schöpfung angebrochen ist. Immerhin brachten der zweite und dritte Tag eine starke Fesselung und Begrenzung dieser Welt der Unordnung. Trotzdem haben wir noch lange mit den Mächten der Finsternis zu tun, bis auch diese Reiche unserer Seele ein Herrschaftsgebiet Christi und seines Geistes geworden sind. Aber die Triebe des natürlichen Lebens dürfen sich vom zweiten Tag an nicht mehr ungehemmt ausleben; das Gesetz des Geistes fängt an, unsere fleischlichen Gedanken und sündlichen Leidenschaften zu verdrängen; nur ist das höhere Leben noch nicht stark genug, um das niedere Leben völlig zu beherrschen und in die Erlösung hineinzuziehen. Am vierten Tag wird jedoch das Himmlische in uns etwas Geschlossenes und Festes wie die Lichter des vierten Tags; sie bestimmen und beeinflussen den neuen Menschen in uns stark und verhelfen ihm nach und nach zum Sieg. Sie ziehen allmählich auch diejenigen Gebiete unserer Seele in ihren Lichtskreis, die bisher unerlöst geblieben waren.

Die am fünften Tag geschaffenen Tiere sind höhere Kreaturen als die Pflanzen des dritten Tages; sie führen ein bewegliches Dasein und gleichen am ehesten unseren Gedanken, die aus der Tiefe unseres Herzens hervorkommen, gelockt durch das Sprechen Gottes. Dabei mögen die kriechenden Tieres das Abbild sein von allerlei Lüsten unseres Herzens, wie Unmäßigkeit, Unkeuschheit, Geiz; die Vögel entsprechen dann den sich aus der Niederung in den Himmel des Gemüts sich erhebenden und dem irdischen Unflat entfliehenden himmlischen Begierden und Gedanken. Unter den Fischen sind die großen Walfische ein besonderes Zeichen der Allmacht Gottes, wie sie Ps 104 preist.

Menschen, die in den fünften Schöpfungstag eingegangen sind, trifft man selten. Das Große an ihnen ist, dass sich auf einmal in den unteren Wassern ihrer Seele göttliches Leben regt, nachdem am Tag zuvor die Sonne der Lichtwelt an ihrem Gemütshimmel aufgegangen ist. Der Tod, der in den unteren Wassern herrschte, wurde verschlungen in den Sieg des Lebens; von ihnen gilt: „Man singt vom Sieg in den Hütten der Gerechten.“ Die bitteren Wasser ihrer Seele werden mehr und mehr in Süße verwandelt, ihr ganzes Wesen bekommt die Süßigkeit der Liebe und des Lebens, welche aus der Bitterkeit des Todes ihres natürlichen Wesens hervorkommt. Ihre Glieder, die bisher noch oft Waffen der Finsternis waren, sind in Waffen des Lichts umgewandelt. Es kommen immer mehr Geburten des Lichts in ihnen hervor. Diese Menschen des fünften Tages werden immer lebendiger und vollkommener; es naht sich für sie der sechste Tag, an dem sie vollends zur wahren Menschwerdung gelangen. Doch geht es bis dahin abermals durch eine Nacht der Geburt und des Todes hindurch, damit ein neuer Tag werde und ein neues Licht aufgehe. Am sechsten Tag wird in ihnen der Mensch nach dem Bilde Gottes ausgestaltet, und sie können dann eingehen in die Ruhe Gottes, die der siebte Tag bringt. Nur für solche Menschen, die die ganze Stufenleiter der Schöpfungstage durchlaufen, ist diese Ruhe des Volkes Gottes vorhanden; für andere hat sie keinen Wert, sie dürfen höchstens davon hören.

„Jehova, der du mich zum Bild dir geschaffen,
erneure dasselbe doch wieder in mir.
Ach, wecke mich wieder vom Tod und vom Schlafen,
und bild` mich zum zweiten Mal wieder nach dir!
Ach, lass mich nicht sterben in meinem Verderben!
Ach, lass mich doch wieder durch Christum genesen
in seinem geheiligt gottmenschlichen Wesen!“

Lies weiter:
6. Der sechste Schöpfungstag (1Mo 1:24-31)