Der erste Schöpfungstag: Unterschied zwischen den Versionen

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(1. Der erste Schöpfungstag (1Mo 1:3-5))
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Auch die Seele des Menschen gleicht einem Chaos, ehe sie neugeschaffen wird. Das Obere und Untere ist durcheinander, denn der Tod herrscht in ihr. Wer wird sie erlösen von dem Leibe dieses Todes? Manche wagen es in eigener Kraft, sich selbst zu helfen; aber sie erreichen nichts, denn „verflucht ist der Mann, der Fleisch für seinen Arm hält“. Diesem Fluch entwindet sich keiner, wenn es Gott nicht tut in seiner großen Barmherzigkeit. Der Heilige Geist, diese allgegenwärtig wirksame Kraft, überschattet das Innere des Menschen, wie er einst die Maria überschattete und zur Fruchtbarkeit erweckte. Er brütet über den chaotischen Gewässern der gefallenen Seele und teilt ihr Kräfte mit, denen er im Verlauf der Schöpfungstage einzeln ruft, dass sie in ein Wesen treten und Gestalt annehmen. „Seines Wortes Kraft neue Menschen schafft.“ Wer sich von diesem Geist, der durch das Wort Gottes sich mitteilt, strafen und ziehen lässt, in dessen Seele beginnt Gott sein Werk der Neuschöpfung; denn wir sind in unserem naturgeborenen Zustand der Seele nach noch nicht „geschaffen“. Der aber anfängt das gute Werk, der führt es Stufe um Stufe und Tag um Tag weiter, bis aus dem finsteren Chaos unseres Innern ein Paradies und ein Tempel Gottes geworden ist. In einer solchen Seele offenbaren sich die Wunder der göttlichen Schöpfung wachstümlich und in immer höheren Graden, bis ein Mensch nach dem Ebenbilde Gottes da ist, was aber noch viel mehr bedeuten will als die durch die sechs Schöpfungstage neugeordnete Erde.<br/><br/>
 
Auch die Seele des Menschen gleicht einem Chaos, ehe sie neugeschaffen wird. Das Obere und Untere ist durcheinander, denn der Tod herrscht in ihr. Wer wird sie erlösen von dem Leibe dieses Todes? Manche wagen es in eigener Kraft, sich selbst zu helfen; aber sie erreichen nichts, denn „verflucht ist der Mann, der Fleisch für seinen Arm hält“. Diesem Fluch entwindet sich keiner, wenn es Gott nicht tut in seiner großen Barmherzigkeit. Der Heilige Geist, diese allgegenwärtig wirksame Kraft, überschattet das Innere des Menschen, wie er einst die Maria überschattete und zur Fruchtbarkeit erweckte. Er brütet über den chaotischen Gewässern der gefallenen Seele und teilt ihr Kräfte mit, denen er im Verlauf der Schöpfungstage einzeln ruft, dass sie in ein Wesen treten und Gestalt annehmen. „Seines Wortes Kraft neue Menschen schafft.“ Wer sich von diesem Geist, der durch das Wort Gottes sich mitteilt, strafen und ziehen lässt, in dessen Seele beginnt Gott sein Werk der Neuschöpfung; denn wir sind in unserem naturgeborenen Zustand der Seele nach noch nicht „geschaffen“. Der aber anfängt das gute Werk, der führt es Stufe um Stufe und Tag um Tag weiter, bis aus dem finsteren Chaos unseres Innern ein Paradies und ein Tempel Gottes geworden ist. In einer solchen Seele offenbaren sich die Wunder der göttlichen Schöpfung wachstümlich und in immer höheren Graden, bis ein Mensch nach dem Ebenbilde Gottes da ist, was aber noch viel mehr bedeuten will als die durch die sechs Schöpfungstage neugeordnete Erde.<br/><br/>
  
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„Und Gott sprach.“ Sollte der Erde geholfen werden, so musste die Hilfe von außen kommen. Natur und Mensch fühlen instinktiv, dass die erlösenden Kräfte nicht in ihnen selbst, sondern in Gott und seiner Offenbarung liegen. Gott schafft und erlöst seine Welt; nicht schafft sich die Welt ihren Gott und ihre Erlösung. Auch der Mensch kann sich nicht selbst schaffen und erlösen; obgleich manche „Narren“ versuchen, auf dem der Phantasie sogar ihren Gott von sich aus hervorzubringen. – Die Erlösung für die Erde bestand darin, dass etwas Neues in sie hineingetragen wurde; dies geschah durch das Sprechen Gottes. Es war ein Sprechen der Liebe, welches noch immerdar währt und erst ein Ende findet in der neuen Erde. Dieses Sprechen Gottes ist ein Antrag der Liebe des göttlichen „Ich“ an das geschöpfliche „Du“. Und „Gott redet noch – sollt` ich nicht endlich hören?“ Diese Liebe spricht ein Nein und ein Ja. Sie spricht ein Nein zur Finsternis, damit sie Licht werde; sie spricht ein Nein zum Chaos, dass es sich scheiden und allerlei Bildungen und Gestaltungen zulassen muss; sie spricht ein Nein zur Unfruchtbarkeit, und überall regt sich Bildung und Streben: die Erde, das Wasser und die Luft bringen eine Fülle von Lebewesen hervor. Aus Finsternis wird Licht, aus Disharmonie Ordnung, aus dem Tod kommt das Leben. Das vermag die Liebe, die die Werke der Finsternis verneint und ihre himmlischen Schöpfungen bejaht. Sie vermag es, wenn das „Du“, zu dem sie spricht, sich lieben und die Kräfte des Wortes an sich wirken lässt.
 
„Und Gott sprach.“ Sollte der Erde geholfen werden, so musste die Hilfe von außen kommen. Natur und Mensch fühlen instinktiv, dass die erlösenden Kräfte nicht in ihnen selbst, sondern in Gott und seiner Offenbarung liegen. Gott schafft und erlöst seine Welt; nicht schafft sich die Welt ihren Gott und ihre Erlösung. Auch der Mensch kann sich nicht selbst schaffen und erlösen; obgleich manche „Narren“ versuchen, auf dem der Phantasie sogar ihren Gott von sich aus hervorzubringen. – Die Erlösung für die Erde bestand darin, dass etwas Neues in sie hineingetragen wurde; dies geschah durch das Sprechen Gottes. Es war ein Sprechen der Liebe, welches noch immerdar währt und erst ein Ende findet in der neuen Erde. Dieses Sprechen Gottes ist ein Antrag der Liebe des göttlichen „Ich“ an das geschöpfliche „Du“. Und „Gott redet noch – sollt` ich nicht endlich hören?“ Diese Liebe spricht ein Nein und ein Ja. Sie spricht ein Nein zur Finsternis, damit sie Licht werde; sie spricht ein Nein zum Chaos, dass es sich scheiden und allerlei Bildungen und Gestaltungen zulassen muss; sie spricht ein Nein zur Unfruchtbarkeit, und überall regt sich Bildung und Streben: die Erde, das Wasser und die Luft bringen eine Fülle von Lebewesen hervor. Aus Finsternis wird Licht, aus Disharmonie Ordnung, aus dem Tod kommt das Leben. Das vermag die Liebe, die die Werke der Finsternis verneint und ihre himmlischen Schöpfungen bejaht. Sie vermag es, wenn das „Du“, zu dem sie spricht, sich lieben und die Kräfte des Wortes an sich wirken lässt.
  
 
„Sprich in mir, es werde Licht; scheid` die Finsternis vom Lichte!“ Gottes Sprechen ist ein Bewegen seiner Kräfte in der Seele des Menschen, in der sich ein Leben der Finsternis, der Unordnung und der Unfruchtbarkeit offenbart. Dieser Todeszustand kann überwunden werden, wenn Gott dem Menschen begegnet, und wenn der Mensch bereit ist, seinem Schöpfer zu begegnen und sich von ihm lieben zu lassen. „Lasset uns Gott lieben; denn er hat uns zuerst geliebt.“ „Stille halten seinem Walten, stille halten seiner Zucht!“, das ist die Aufgabe des Menschen, an dessen Ohr das Wort Gottes mit seinen erlösenden Allmachtskräften kommt. Und wie viel ist es, das Gott seinem ohnmächtigen Geschöpf zu „sagen“, d. h. an Erlösung anzutragen hat! Wir sehen es an den einzelnen Schöpfungstagen mit ihren Erlösungskräften.
 
„Sprich in mir, es werde Licht; scheid` die Finsternis vom Lichte!“ Gottes Sprechen ist ein Bewegen seiner Kräfte in der Seele des Menschen, in der sich ein Leben der Finsternis, der Unordnung und der Unfruchtbarkeit offenbart. Dieser Todeszustand kann überwunden werden, wenn Gott dem Menschen begegnet, und wenn der Mensch bereit ist, seinem Schöpfer zu begegnen und sich von ihm lieben zu lassen. „Lasset uns Gott lieben; denn er hat uns zuerst geliebt.“ „Stille halten seinem Walten, stille halten seiner Zucht!“, das ist die Aufgabe des Menschen, an dessen Ohr das Wort Gottes mit seinen erlösenden Allmachtskräften kommt. Und wie viel ist es, das Gott seinem ohnmächtigen Geschöpf zu „sagen“, d. h. an Erlösung anzutragen hat! Wir sehen es an den einzelnen Schöpfungstagen mit ihren Erlösungskräften.
  
„Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.“ Damit begann das Werk des ersten Schöpfungstages.
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'''„Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.“''' Damit begann das Werk des ersten Schöpfungstages.
  
 
Gott sagt der Finsternis den Kampf an, so wie er später dem Chaos und seiner durch die Herrschaft des Todes verursachten Unfruchtbarkeit den Kampf ansagte.
 
Gott sagt der Finsternis den Kampf an, so wie er später dem Chaos und seiner durch die Herrschaft des Todes verursachten Unfruchtbarkeit den Kampf ansagte.

Aktuelle Version vom 9. August 2022, 15:00 Uhr

Abschrift des Heftes: Die Schöpfungstage in der großen und in der kleinen Welt
Julius Beck (1887-1962) stammt aus Altingen.
Er war Mittelschullehrer in Calw, nach 1945 Rektor.

Aus der Reihe: Vätererbe Anhang
Zuerst erschienen im „Verlag des Lehrerboten“, Stuttgart-Bad Cannstatt.

Siehe weitere Abschriften
Inhaltsverzeichnis

Die Schöpfungstage in der großen und in der kleinen Welt

Einleitung

Alle Schöpfung ist etwas für uns weithin Unbegreifliches, sowohl die Schöpfung der Welt als auch die Schöpfung und Neuschöpfung des Menschen: Gott spricht, und es geschieht, Gott gebeut, und es stehet da. Wir vermögen jedoch an den Werken der Schöpfung sowohl die Schöpfungskraft als die Ordnung, welche Gott bei seinen Werken einhält, wahrzunehmen, und diese Wahrnehmung ist ein Stück Leben für unseren erkennenden Geist; denn Erkenntnis der Werke und des Wesens Gottes ist Genuss ewigen Lebens. Für einen Menschen, der durch die Bewegung der Kraft Gottes in seiner Seele in die Wiedergeburt oder Neuschöpfung hineingezogen wurde, ist es von besonderem Wert, die Stufenordnung zu wissen, nach welcher die Entwicklung seines inneren Menschen verläuft. Ein Abbild dieses Stufengangs bietet das Sechstagewerk, durch das Gott die große Welt geschaffen hat; in dieser Ordnung will er auch die kleine Welt schaffen und sie aus dem Chaos ihres Todeszustandes erheben zu einem Wesen, das dem Bilde Gottes gleicht. Wir bezeichnen diese Arbeit Gottes mit dem Begriff der Erlösung. Auch die Weltschöpfung war Erlösung der Erde aus dem Chaoszustand der Finsternis, der Unordnung und des Todes zu einem Dasein in Harmonie und Herrlichkeit. Indem Gott spricht, bietet er der chaotischen Erde die Erlösung an und macht aus ihr einen Gottestempel. Wie das geschah und wie dies heute noch an unserer chaotischen Seele geschieht, zeigt uns das Sechstagewerk, das sich millionenfach wiederholt in dem Erlösungswerk Gottes an Menschen, die er zu seinem Bilde gestalten will.

„Am Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde.“ Die Welt hat sich nicht selbst geschaffen, sondern Gott hat sie ins Dasein gerufen; auch der Mensch, die kleine Welt, vermag nicht, sich sein Dasein selbst zu geben, weder sein natürliches noch sein geistliches. Gott schafft die große und die kleine Welt und macht sie zu einem Schauplatz seines Wirkens und zur Offenbarung seiner Erlösung. Nicht nur die Kraft zur Schöpfung, sondern auch den Stoff zur Schöpfung nimmt Gott aus sich heraus; denn er ist nicht nur Baumeister, sondern Schöpfer alles Gewordenen.

Aus Himmel und Erde, d. h. aus Oberem und Unterem, ist auch der erste Mensch gemacht. Dabei verstehen wir unter „Himmel“ eine wirksame männliche, unter „Erde“ eine leidsame weibliche Eigenschaft; das Himmlische ist die Lichtsnatur, das Irdische die Finsternisgrundlage unseres Wesens; jenes ist ausfließend und mitteilend, dieses ist anziehend und einnehmend. Der Himmel ist das Höhere, die Erde ist das Niedere in unserem Wesen; ihr Verhältnis zueinander kann mit dem einer Ehe verglichen werden.

„Und die Erde ward wüste und leer.“ Der mit diesen Worten geschilderte Zustand der Erde ist auf einen Fall zurückzuführen, der lange vor dem geschichtlichen Bestehen unserer jetzigen Erde vor sich ging. Es ist der Fall Luzifers, des Lichtsfürsten. Dieser Fall der Gesamtschöpfung hat mit jedem anderen Fall auf irgendeinem Gebiet so viel Verwandtes, dass man berechtigt ist, von den Ursachen und Erscheinungen des einzelnen Falles auf das Wesen des ersten zu schließen. Die Erde ist plötzlich ein Bild des Todes und der Unfruchtbarkeit – eine Wüste; die Quelle des Lebens und der Kraft ist ihr verloren gegangen, sie empfängt nicht mehr den Tau des Himmels und entbehrt seine Gemeinschaft und Befruchtung. Die Erde ist von Gott losgelöst.

Dieser Fall der Erde hat zur Parallele den späteren Sündenfall des Menschen: Aus einem herrlichen Kosmos wurde die Erde ein wüstes Chaos; aus einem Bild Gottes wurde der Mensch seiner Seele nach ein Bild der Schlange. Sowohl in ihrem harmonischen Urzustand als in ihrer Verwüstung trägt aber die Schöpfung die Merkmale ihrer „Macher“ an sich; Himmel und Erde in ihrem vollendeten Zustand, und Adam, wie er aus der Hand des Schöpfers hervorging, gleichen dem Gott des Lichts und der Ordnung; die chaotische Welt und der chaotische Mensch sind Abbilder des zum Zerstörer gewordenen Luzifers. Denn auch der Mensch ist ein Bild des Todes geworden: Arm, leer und öde ist sein Leben; er ist seiner selbst überdrüssig, ihn ekelt allmählich alles an: Aller Reichtum wird ihm zur Armut, alle Wollust zum Ekel, alles Begehren zur Qual – ein Zustand ödester Verwüstung. Aber so zur Wüste und zu einer Stätte des Todes geworden, schreit eines Tages seine Seele zu Gott, zu dem lebendigen Gott, weil sie im Geschöpf nicht findet, was nur der Schöpfer geben kann. Was für eine Welt voll Licht war jene erste Erde, über deren Schönheit die Morgensterne Gott lobten! Und was für ein herrliches Geschöpf muss Adam vor dem Fall gewesen sein, als ihm Gott das Zeugnis „sehr gut“ ausstellte! Durch die Erlösung soll die Erde neu und auch der Mensch neu werden. Die Erlösung der Erde beginnt mit dem ersten Schöpfungstag; die Erlösung des Menschen dann, wenn Gott in das Chaos seiner Seele hineinruft: „Es werde Licht!“

„Und es war finster auf der Tiefe.“

Die Herrschaft der Finsternis ist durch Satans Abfall von Gott verursacht; denn das Licht des Lebens war aus ihm gewichen und in ihm erloschen. Er befand sich auf der abwärts sich bewegenden Linie der Schöpfungsleiter, die Gott nachher für die Erde in eine Aufwärtsbewegung verwandelte. Denn durch den Fall weicht das Licht, und es zieht sich der Einfluss des Himmels zurück; dafür offenbart sich Tod und Verderben. Durch die Neuschöpfung entsteht wieder Licht, der Einfluss des Himmels kehrt wieder, und Leben und Auferstehung werden überall sichtbar.

Auch des Menschen Seele gleicht nach dem Fall dem finsteren Abgrund; denn „das Licht des Lebens ist gewichen durch Adams Fall im Menschenkind“. Der Seele fehlen die belebenden Einflüsse der himmlischen Welt; darum herrscht auch in ihr Tod und Verderben. In welche Finsternistiefe der Gesinnung und Handlung vermag der Mensch, der die göttliche Erleuchtung verloren hat, hinabzusteigen! Und je tiefer sein Fall geht, desto zerrissener wird sein Leben, desto finsterer sein Wesen; zwecklos wird sein Dasein und hoffnungslos sein Wirken. Alles ist ihm Rätsel, er ist zum Spielball des dunklen Schicksals geworden.

Durch den Sündenfall ist der Mensch in eine von Gott sich entfernende Bewegung hineingeraten; und je mehr er sündigt, desto mehr vergrößert er seinen Fall und die Entfernung von Gott. In der Neuschöpfung aber vollzieht sich ein „Galgal“, eine Umkehr und Bekehrung zu Gott hin; es fängt im Menschen an, wieder helle zu werden, er schmeckt die Kräfte der zukünftigen Welt und „neues Leben blüht aus den Ruinen“.

„Und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.“ Das Chaos war die Hölle der natürlichen Schöpfung; denn da herrschte die Finsternis und verschlang das Licht, da waltete Unordnung und hob die Gesetze des Lebens auf; es triumphierte der Tod, und die Erde hatte keine Hoffnung und keine Zukunft. Aus ihren eigenen Kräften vermochte sie sich nicht zu helfen, und von selbst wird die Hölle kein Paradies; aber der Geist Gottes umgab sie mit seiner Liebe, Kraft und Wärme, und hierin liegt das Geheimnis ihrer beginnenden Erlösung. Denn die Kraft des schöpferischen Gottesgeistes erwies sich stärker als der Tod. Der Schöpfungsgeist (nicht der Heilige Geist!) besamte und befruchtete die „Mutter Erde“ in ihrer magischen Anziehungskraft, d. h. er teilte den „Wassern“ Lebenskräfte mit. Diese Wasser mögen die Erde umgeben haben, wie das Weiße im Ei den Dotter umgibt; denn vermutlich war die Erde als eine Kugel von Wassern umfangen, oder aber waren die erdigen (=dicken) Teile, aus welchen nachher das Trockene entstand, noch ganz mit dem Wasser vermengt. Diesem Mischmasch oder Chaos wurde nun die feurige Kraft der göttlichen Liebe mitgeteilt, wodurch das Chaos fruchtbar und befähigt wurde, später allerlei Geburten hervorzubringen. Stellt man sich die „Wasser“ vor, wie sie die Erde umhüllen, so mögen sie z. T. den späteren „Himmel“, das Obere ausmachen, welches vom Unteren getrennt wurde. War der Grundstoff der Erde „Erde und Wasser“, so derjenige dieser himmlischen Wasser „Feuer und Wasser“; aber alles ohne Ordnung und ohne Gesetz in- und durcheinander, eben ein „Chaos“.

Auch die Seele des Menschen gleicht einem Chaos, ehe sie neugeschaffen wird. Das Obere und Untere ist durcheinander, denn der Tod herrscht in ihr. Wer wird sie erlösen von dem Leibe dieses Todes? Manche wagen es in eigener Kraft, sich selbst zu helfen; aber sie erreichen nichts, denn „verflucht ist der Mann, der Fleisch für seinen Arm hält“. Diesem Fluch entwindet sich keiner, wenn es Gott nicht tut in seiner großen Barmherzigkeit. Der Heilige Geist, diese allgegenwärtig wirksame Kraft, überschattet das Innere des Menschen, wie er einst die Maria überschattete und zur Fruchtbarkeit erweckte. Er brütet über den chaotischen Gewässern der gefallenen Seele und teilt ihr Kräfte mit, denen er im Verlauf der Schöpfungstage einzeln ruft, dass sie in ein Wesen treten und Gestalt annehmen. „Seines Wortes Kraft neue Menschen schafft.“ Wer sich von diesem Geist, der durch das Wort Gottes sich mitteilt, strafen und ziehen lässt, in dessen Seele beginnt Gott sein Werk der Neuschöpfung; denn wir sind in unserem naturgeborenen Zustand der Seele nach noch nicht „geschaffen“. Der aber anfängt das gute Werk, der führt es Stufe um Stufe und Tag um Tag weiter, bis aus dem finsteren Chaos unseres Innern ein Paradies und ein Tempel Gottes geworden ist. In einer solchen Seele offenbaren sich die Wunder der göttlichen Schöpfung wachstümlich und in immer höheren Graden, bis ein Mensch nach dem Ebenbilde Gottes da ist, was aber noch viel mehr bedeuten will als die durch die sechs Schöpfungstage neugeordnete Erde.

1. Der erste Schöpfungstag

(1Mo 1:3-5)
„Und Gott sprach.“ Sollte der Erde geholfen werden, so musste die Hilfe von außen kommen. Natur und Mensch fühlen instinktiv, dass die erlösenden Kräfte nicht in ihnen selbst, sondern in Gott und seiner Offenbarung liegen. Gott schafft und erlöst seine Welt; nicht schafft sich die Welt ihren Gott und ihre Erlösung. Auch der Mensch kann sich nicht selbst schaffen und erlösen; obgleich manche „Narren“ versuchen, auf dem der Phantasie sogar ihren Gott von sich aus hervorzubringen. – Die Erlösung für die Erde bestand darin, dass etwas Neues in sie hineingetragen wurde; dies geschah durch das Sprechen Gottes. Es war ein Sprechen der Liebe, welches noch immerdar währt und erst ein Ende findet in der neuen Erde. Dieses Sprechen Gottes ist ein Antrag der Liebe des göttlichen „Ich“ an das geschöpfliche „Du“. Und „Gott redet noch – sollt` ich nicht endlich hören?“ Diese Liebe spricht ein Nein und ein Ja. Sie spricht ein Nein zur Finsternis, damit sie Licht werde; sie spricht ein Nein zum Chaos, dass es sich scheiden und allerlei Bildungen und Gestaltungen zulassen muss; sie spricht ein Nein zur Unfruchtbarkeit, und überall regt sich Bildung und Streben: die Erde, das Wasser und die Luft bringen eine Fülle von Lebewesen hervor. Aus Finsternis wird Licht, aus Disharmonie Ordnung, aus dem Tod kommt das Leben. Das vermag die Liebe, die die Werke der Finsternis verneint und ihre himmlischen Schöpfungen bejaht. Sie vermag es, wenn das „Du“, zu dem sie spricht, sich lieben und die Kräfte des Wortes an sich wirken lässt.

„Sprich in mir, es werde Licht; scheid` die Finsternis vom Lichte!“ Gottes Sprechen ist ein Bewegen seiner Kräfte in der Seele des Menschen, in der sich ein Leben der Finsternis, der Unordnung und der Unfruchtbarkeit offenbart. Dieser Todeszustand kann überwunden werden, wenn Gott dem Menschen begegnet, und wenn der Mensch bereit ist, seinem Schöpfer zu begegnen und sich von ihm lieben zu lassen. „Lasset uns Gott lieben; denn er hat uns zuerst geliebt.“ „Stille halten seinem Walten, stille halten seiner Zucht!“, das ist die Aufgabe des Menschen, an dessen Ohr das Wort Gottes mit seinen erlösenden Allmachtskräften kommt. Und wie viel ist es, das Gott seinem ohnmächtigen Geschöpf zu „sagen“, d. h. an Erlösung anzutragen hat! Wir sehen es an den einzelnen Schöpfungstagen mit ihren Erlösungskräften.

„Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.“ Damit begann das Werk des ersten Schöpfungstages.

Gott sagt der Finsternis den Kampf an, so wie er später dem Chaos und seiner durch die Herrschaft des Todes verursachten Unfruchtbarkeit den Kampf ansagte.

Gottes Offenbarungen beginnen alle mit Erleuchtung und endigen alle im Licht; denn Gott selbst ist Licht und will alles seinem Wesen gleich machen. Die Erleuchtung des ersten Tages ist die Grundlage, auf welcher sich die ganze folgende Schöpfung aufbaut. Licht ist ein Wesen, welches alle Kräfte zur Entfaltung wachruft und sie zu einem von der Macht der Finsternis befreiten Dasein erlöst. Ohne dieses Licht ist auch die äußere Welt „eine qualvolle Feuerseele“. Es ist aber im Grund nicht möglich zu sagen, was das Licht und 314 was die Finsternis eigentlich sind. Wir wissen nur, dass Licht alles offenbar und wachsend macht und dass seine Scheidung von der Finsternis den Anfang des Sechstagewerks bildet. Licht ist von Gott – und vielleicht Gottes Wesen selbst? Finsternis ist nicht von Gott. Mit der Scheidung des Lichts von der Finsternis erhielt das Licht eine besondere Existenz und steht nicht mehr unter der Herrschaft der Finsternis; mit dem Eintreten des Lichtes, dem allerdings noch die Lichtkörper des vierten Tages fehlten, war die absolute Herrschaft der Finsternis über die Erde für immer gebrochen. Nie mehr konnte von diesem Augenblick an die Finsternis allgewaltig herrschen; vielmehr wird sie selbst in den Dienst des Lichtes gestellt und muss als „Nacht“ dem Wachstum zur inneren Erstarkung dienen. Die Finsternis wird eingeschränkt in ihrem Dasein und muss hinfort in Verbindung mit dem Licht eine positive Aufgabe zum Segen des Werdenden erfüllen. Denn wie die Pflanze mit ihrer Wurzel ein Kind der Dunkelheit, mit ihrer Blüte aber ein Sohn des Lichts ist, so sind im Grund alle Wesen, auch die menschliche Seele, aus Nacht und Tag, aus Finsternis und Licht geschaffen. Das Licht ruft das Leben in ein Dasein; die Nacht aber tritt in den Dienst des Lichtes und gibt – wenigstens auf unserer jetzigen Erde – dem erwachten Leben und seinem Wachstum Zeit zur inneren Erstarkung und zur Sammlung neuer Kräfte. Jede Nacht muss mitwirken, dass ein neuer Morgen mit reicherem Gottesleben erscheinen kann. So zieht Gott in seiner Gnade also auch die Nacht in sein Wirken hinein, solange er ihrer bedarf zur Vollendung seiner Schöpfung. Es wird aber einmal eine Zeit kommen, in welcher die Schöpfung Gottes einen ewigen Tag ertragen kann, wo keine Nacht mehr sein wird. Denn Licht, nicht aber Finsternis, ist Gottes Wesen; darum sagt auch Gott nur von dem Licht, dass es gut sei, nicht aber von der Finsternis. Denn alles Licht, auch das Licht des ersten Tages, stammt von Gott. Er hat es durch das „Bebrüten und Überschatten“ dem Chaos mitgeteilt; darum folgt das Licht willig dem Ruf Gottes. Aus diesem Licht, das zunächst noch innerhalb des Chaos verborgen war, schuf Gott am vierten Tag die Lichtskörper. Vielleicht darf man schließen, dass er aus der Finsternis die dunklen Planeten, also auch unsere Erde geschaffen hat, und dass aller Körperlichkeit die Finsternis als Grundlage dient, auf welcher das Licht sich abschatten soll.

Auch die Schöpfung einer Menschenseele zu einem Gottesbild beginnt mit der Erleuchtung des chaotischen Zustandes der Seele. „Gott, der da hieß das Licht aus der Finsternis hervorleuchten, hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben.“ Dies geschieht bei der Erweckung; denn Licht ist verwandt mit dem Begriff „wach werden“ und „wach machen“. Und auch in unserem Herzen ist „Licht“. Es ist das Element, das alle Kräfte und Anlagen in uns zur Entfaltung ruft wie die Frühlingssonne die Pflanzenkeime. Das erste Evangelium Gottes zur Erlösung an unsere finstere Seele ist: „Es werde Licht!“ Denn aus sich selbst heraus kann der Mensch das Licht nicht offenbaren, sondern nur die Finsternis; das sieht man an den Sündenoffenbarungen einer unerlösten Menschenseele. Sie ist darauf angewiesen, dass Gott sich ihrer annimmt und ihr ruft; erst dann kann sie zu Gott kommen. Diese Erleuchtung ist für uns der erste Schritt aus der Gebundenheit an die Finsternis, das Chaos und den Tod zur Freiheit der Kinder Gottes. In diesem Licht erkennt der Mensch die eigene Finsternis, von der er frei werden soll. Jetzt erwacht in ihm die Sehnsucht nach Gott: „Wie ein Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir.“ Jetzt schreit er aus der Tiefe seiner Not: „Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen?“ So viele aber das Licht aufnehmen, das sich ihnen am ersten Schöpfungstag anbietet, so viele bekommen damit Macht, Gottes Kinder zu heißen. – Indem Gott das Licht gut heißt, preist er schon die Herrlichkeit des ersten Schöpfungstages in der Seele. So ist schon der kleinste Anfang des Wortes Gottes in einer Menschenseele beachtenswert, auch wenn noch viel fehlt, zu dem vollkommenen Mannesalter in Christus. Denn der erste Schöpfungstag mit seinem Licht bereitet den zweiten mit neuen und höheren Offenbarungen vor. Wenn auch noch viel Finsternis vorhanden ist, unumschränkt ist ihre Herrschaft in der Seele nicht mehr. Ein neues Wollen ist in der Seele erwacht, und den Geist gelüstet wider das Fleisch; das Licht hat den Kampf mit der Finsternis aufgenommen und wird ihn bis zur völligen Überwindung hinausführen. Und schon muss die Sünde als die Finsternis in uns dazu dienen, die Menschen in die Buße und zu Gott zu treiben, muss also dem Licht dienstbar sein. Es muss jetzt der Seele alle Äußerung der Finsternis zum Besten dienen, gerade auch der Wechsel von Tag und Nacht; denn dem Gerechten muss das Licht immer wieder aufgehen, und zwar ein immer helleres. „Das Glaubenslicht nach finstern Stunden ist heller, weil es überwunden.“ Wohl bringt jede neu eintretende Nacht neue innere Schwierigkeiten und Konflikte für die Seele, die einen ganzen Abgrund von Finsternis in sich birgt, wie dies Ps. 73, 14 bezeugt: „Ich werde noch jeden Tag geplagt.“ Aber das sind die Zeiten, in denen die Seele ihr „Dennoch“ spricht aus dem Grund des in ihr geborenen Lichtes, das gut und von Gott ist, auch wenn es noch nicht das helle Sonnenlicht des vierten Schöpfungstages ist. Es hat wenigstens die Scheidung von Licht und Finsternis und der Kampf zwischen beiden eingesetzt und „der angefangen hat das gute Werk, der wird es auch vollenden bis auf den Tag Jesu Christi.“ Dieser mag der Seele schon am vierten Schöpfungstag anbrechen, an dem sich das „Licht der Welt“ der Menschheit geoffenbart hat. Die Voraussetzung der Herrlichkeit der Gottesoffenbarung am vierten Tag aber ist die Gnade, die Gott am ersten Tag der Seele mitteilt. Und das Sprechen Gottes am ersten Tag, das ein gewaltiges Nein an die Finsternis ist, geht an allen folgenden Tagen weiter, bis es am siebten zur Ruhe kommt, wo das Ziel der ganzen Schöpfung, nämlich ein ungetrübtes Dasein in Gottes Gemeinschaft, erreicht ist. – Zum besseren Verständnis mancher Bibelstellen trägt es bei, wenn sie in einen größeren organischen Zusammenhang hineingestellt werden. So leuchten auch diejenigen Stellen, die vom Licht des ersten Schöpfungstages und überhaupt vom Werk des ersten Tages handeln, heller, wenn man sie in das Licht dieses ersten Tages stellt. Einige solcher Stellen seien hier aufgezählt.

a) Vom Zustand der Menschen in der angeborenen Finsternis

Joh 1:5: Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begriffen. (Hier hat die Schöpfung noch nicht angefangen.)
Eph 4:18: Menschen, deren Verstand verfinstert ist. (In diesem Zustand herrscht Sünde und Tod.)
2Kor 4:4: Der Gott dieser Welt hat der Ungläubigen Sinne verblendet, dass sie nicht sehen das helle Licht des Evangeliums. (Dies ist der Betrug der Sünde.)
Eph 5:8: Ihr waret weiland Finsternis. (Dann hat Gott sein „Werde“ gesprochen.)
Joh 3:20: Wer Arges tut, der hasst das Licht.
Joh 3:19: Die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht. (Das Licht wird abgelehnt und damit die Schöpfung unterdrückt.)

b) Vom Werk des ersten Schöpfungstages

2Kor 4:6: Gott, der da hieß das Licht aus der Finsternis hervorleuchten, hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben. (Zustand des ersten Tages!)
Eph 1:18: Gott gebe euch erleuchtete Augen eures Verständnisses.
Ps 36:10: Bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Lichte sehen wir das Licht.
Ps 119:105: Dein Wort ist ... ein Licht auf meinem Wege.
2Petr 1:19: Das Wort ist ein Licht, das da scheinet in einem dunklen Ort. (Bem.: Der Morgenstern bricht erst am vierten Tag hervor!)

c) Die Wirkungen des Lichtes vom ersten Tag

Ps 90:8: Unsere unerkannte Sünde stellest du ins Licht vor deinem Angesicht.
Eph 5:13: Alles wird offenbar, was vom Licht gestraft wird.
Joh 3:21: Wer die Wahrheit tut, der kommt an das Licht.
1Jo 1:7: So wir im Lichte wandeln, wie Gott im Lichte ist.
2Kor 3:18: Wir werden verklärt in dasselbe Bild – des Lichts! – von einer Klarheit zur andern.

d) Von unserem Verhalten gegen das Licht

Apg 26:18: Dass sie sich bekehren von der Finsternis zum Licht.
Eph 5:8: Wandelt wie die Kinder des Lichts.
Mt 5:14: Ihr seid das Licht der Welt.
1Petr 2:9: Der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.

Bemerkung: Außer solchen Stellen, die wörtlich vom „Licht“ handeln, gehören noch eine große Anzahl von Bibelstellen – auch ganze Geschichten – auf die Stufe des ersten Schöpfungstages, namentlich solche, die von Erweckung und Erleuchtung handeln.

Lies weiter:
2. Der zweite Schöpfungstag (1Mo 1:6-8)