Der dritte Schöpfungstag

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Abschrift des Heftes: Die Schöpfungstage in der großen und in der kleinen Welt
Julius Beck (1887-1962) stammt aus Altingen.
Er war Mittelschullehrer in Calw, nach 1945 Rektor.

Aus der Reihe: Vätererbe Anhang
Zuerst erschienen im „Verlag des Lehrerboten“, Stuttgart-Bad Cannstatt.

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Inhaltsverzeichnis

Die Schöpfungstage in der großen und in der kleinen Welt

3. Der dritte Schöpfungstag

(1Mo 1:9-13)
Paulus sagt Kol 1:12: „Danksaget dem Vater, der uns tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht; welcher uns errettet hat von der Obrigkeit der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes.“ Hier ist die Rede davon, wie die Seele, die vom Todeszustand ihres eigenen Lebens gefangen gehalten war, durch die Kraft der herrlichen Macht Gottes aus ihren sündlichen Tiefen herausgehoben und mit Christus in eine höhere Lebenssphäre versetzt worden ist. Eine Parallele zu dieser Versetzung aus der Finsternis ins Licht ist in 1Mo 1:9-13 das Werk des dritten Schöpfungstages. Hier steht die Erde aus der Umklammerung der finsteren Gewässer auf und wird zu einem neuen Dasein geboren. Dieser Vorgang kann uns das Wort des Apostels vom Versetztwerden aus dem Tod ins Leben in ein helleres Licht rücken.

Nachdem Gott am ersten Schöpfungstag das Licht aus der Finsternis gerufen hatte, was der Erleuchtung unserer Seele am Anfang unserer Bekehrung entspricht, bringt der zweite Tag eine Scheidung des Chaos und trennt obere und untere Wasser. Eine solche Scheidung ruft das Wort Gottes auch in unserer Seele hervor, wenn der „Geist“ als oberes, jungfräuliches Wasser vom „Fleisch“, d. h. von den unteren Wassern der Seele, in welchen noch die Sünde ihr Wesen treiben kann, geschieden wird. Damit ist der Mensch in einen Zustand versetzt, in welchem er mit dem Gemüt Gott, mit dem Fleisch aber dem Gesetz der Sünde dient. Das ist zwar durchaus noch kein vollkommener Zustand, aber als werdender Zustand ist er doch schon überaus wertvoll; denn die Vollendung kann erst folgen, wenn die Erleuchtung und Scheidung vor sich gegangen ist; diese beiden Stufen des inneren Lebens sind ein notwendiger Weg zur Vollkommenheit. Eine Fortsetzung dieses Wegs ist die Arbeit Gottes am dritten Schöpfungstag.

Was geschieht am dritten Schöpfungstag? Zweierlei: die Erde als Ganzes gelangt zur Auferstehung aus der Umarmung der bitteren Wasser des Meeres (vgl. mare und mara = Bitterkeit!); aber nicht bloß die Erde, sondern auch jede in ihr wohnende Kraft kommt – in den Pflanzen – zur Auferstehung.

Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel

1Mo 1:9: Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an besondere Örter, dass man das Trockene sehe. Und es geschah also.
Gott spricht! Durch das Sprechen Gottes am ersten Tag wurde das Chaos erleuchtet, blieb aber noch in seiner Unordnung und Unfruchtbarkeit wie eine vom Geist erst erleuchtete Seele. Der zweite Tag setzte die Offenbarung des ersten Tages fort und brachte zur Erleuchtung die Befruchtung mit himmlischen Kräften, wodurch die Wasser, diese Sinnbilder des Finsternislebens der Seele, in eine neue Ordnung gebracht wurden; ihnen wurde der Himmel als Herrscher gesetzt. So erhält auch die Seele am zweiten Schöpfungstag eine Himmelsordnung in sich hinein, wodurch die Macht der Finsternis in ihr wenigstens eingeschränkt wird. Das Sprechen Gottes am dritten Tag brachte der Erde die Auferstehung und Freiheit von den sie umklammernden Mächten der Finsterniswasser. Dieser Tag war die Geburtsstunde unserer Erde, die Trennung des Lebens vom Tod, die Wiedergeburt der Erde. Da wurde sie versetzt aus der Finsternis ins Licht, aus der Gefangenschaft in die Freiheit. Die Kraft dazu empfing sie durch das Sprechen Gottes. Durch die Sonderung der Wasser an eigene Örter kam das Trockene, eben die Erde, zur Erscheinung; damit war eine Wohnstätte für höheres Leben geschaffen. Die Kräfte des Himmels, dieses Ordners alles irdischen Lebens, zeigen sich stärker als der Tod; dieser will nichts Göttliches sich gestalten und werden lassen. Die Himmelskräfte aber rufen auf der Erde eine Fülle an Wachstum und Leben hervor.

Zwar bleiben am dritten Tag die Meere noch zurück und vermögen gegen das sichtbar gewordene Land immer noch zu wüten; aber ihre unbeschränkte Kraft und Herrschaft ist gebrochen; die Erde ist ihrem Todeszustand enthoben und in eine neue Lebenssphäre, ins Reich des vom Himmel ausstrahlenden Lichtes, versetzt. Den Wellen des tobenden Meeres sind Grenzen gesetzt; sie dürfen nicht darüberfahren (Jer. 5, 22). Wenn auch die salzigen Meere jetzt noch nicht Leben hervorbringen dürfen (dies geschieht erst am fünften Schöpfungstag!), so dürfen ihre Wogen doch die Erde nicht zerstören; sie stehen unter der Herrschaft einer höheren Macht.

Gott nannte das Trockene Erde

1Mo 1:10: Und Gott nannte das Trockene Erde und die Sammlung der Wasser nannte er Meer. Und Gott sah, dass es gut war.
Hoch erfreulich für uns, die wir alle im Werden sind, ist es, dass Gott auch schon diesen unvollendeten Zustand gut hieß, auch wenn er ihn bald nachher wieder änderte. Wir übertragen die Einzelheiten dieses Schöpfungswerdens auf unsere persönliche Entwicklung; denn in der Auferstehung der Erde haben wir ein Gleichnis für das weit größere Gotteswerk der Neuschöpfung in einer von Gott begnadeten Menschenseele. Wie die Erde, so sieht auch die erweckte Seele, die einst in allerlei Leidenschaften verloren und in sich selbst gefangen war, sich durch Gottes Kraft aus ihren sündlichen Tiefen herausgehoben und in ein neues Dasein gesetzt. Sie ist in die Lebensgemeinschaft mit Christus versetzt, und in dieser Versetzung liegt das Geheimnis all der Segnungen begründet, die Paulus im Epheserbrief als Erwählung zur Kindschaft, als Erlösung durch sein Blut, als Versiegelung des Geistes und Berufung zur Herrlichkeit bezeichnet. Das Gesetz des Geistes, der da lebendig macht, hat die Seele freigemacht vom Gesetz der Sünde und des Todes. Das Gemüt ist jetzt von den sinnlichen Lüsten befreit und kann dem Leben Frucht bringen. Vorher war eine göttliche Fruchtbarkeit völlig unmöglich. Die bitteren Wasser der Sünde in der Seele werden in einen besonderen Ort gesammelt. Dadurch kommt das Trockene, ein Schauplatz neuer Offenbarung, hervor; zugleich wird aber auch Dürre und Trockenheit offenbar. Dieser Zustand der inneren Dürre ist allerdings für die Seele oft schwerer zu ertragen als die Wasser der Bitterkeit. Woher kommt er? Die süßen Wasser sind am zweiten Tag alle nach oben gestiegen, daher ist die Bitterkeit der unteren Wasser so groß. Diese Bitterkeit deutet auf den Zustand der Seele, in welchem sie anfängt, sich selbst und ihre Abstammung von unten her genauer zu erkennen; und diese Erkenntnis ruft Dürre und Trockenheit in ihr hervor. Die Wasser der Bitterkeit, die der Seele gelassen sind, feuchten und erfrischen nicht wie die süßen himmlischen Wasser der Gnade, die Gott entzogen hat. Aber dann und wann fällt ein himmlischer Tau auf die Seele, der sie wieder erfrischt und lebendig macht.

„Und Gott sah, dass es gut war!“ Gut sind also auch die Zustände der inneren Trockenheit und Bitterkeit, der göttlichen Traurigkeit und der inneren Trübsal; denn auch sie schaffen mit zur Seligkeit und müssen dabei das Ihre tun. Dass Gott aber auch den halbvollendeten Zustand schon gut nennt, ist für unfertige Christen ein großer Trost. Man soll zwar nicht glauben, dass man das Ziel schon erreicht habe; denn Gott ändert diesen Zustand bald danach wieder, findet ihn also nachher nimmer gut, darum, weil er noch kein vollkommener Zustand ist. Von Zeit zu Zeit wird die trockene Erde von den Wassern der Gnade und des Lebens, zu einer andern wieder von den Wassern der Bitterkeit und des Todes überschwemmt. Würden diese Wasser dauernd stehen bleiben, dann würden sie jedes Wachstum auf der Erde unterbinden. Darum ist es gut, wenn Gott sie uns zeitweilig wieder entzieht. Er ist dann an der Arbeit und spricht durch sein allmächtiges Wort, dass ein neues Leben in uns hervorkommt. Wir wollen also Gott in seinem Tun, das uns keineswegs verständlich zu sein braucht, walten lassen; denn wir können es nicht besser machen. Ja wir können durch unser eigenwilliges Tun es sogar verhindern, dass Gott an uns arbeitet; denn Gott wirkt nur in Seelen hinein, die gelassen sind und ihm stille halten. Durch Ertragen und sich Gefallen-lassen geht die Schöpfung unseres neuen Menschen am raschesten vorwärts.

„Du musst dein Werk nun lassen ab,
dass Gott sein Arbeit an dir hab`!“

Die Erde lasse aufgehen Gras und Kraut

1Mo 1:11: Und Gott sprach: Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das sich besame, und fruchtbare Bäume, da ein jeglicher nach seiner Art Frucht trage und habe seinen eigenen Samen bei ihm selbst.
Am dritten Schöpfungstag wurde ein doppeltes Werk geschaffen. Nachdem die Erde als Ganzes zur Auferstehung gelangt war, gelangt auch jede in ihr wohnende Kraft zur Offenbarung und Auferstehung. Der Staub der Erde darf Himmelsklarheit tragen; er ist geeignet, jede Form anzunehmen, je nach dem Geistes- und Bildungsgesetz, das auf ihn wirkt und ihn gestaltet. Die „Mutter Erde“ gebiert nun selbst etwas aus sich heraus, und zwar auf ein nochmaliges, besonderes Sprechen Gottes hin. Von sich selbst ist sie nichts und kann sie nichts; aber das belebende und befruchtende Wort Gottes, das sich ihr mitteilt, befähigt sie zum Hervorbringen des organischen Lebens. Zwar ist das Nächste, was aus ihr geboren wird, nur Gras und Kraut, das sind Bilder des Fleisches und der Vergänglichkeit. Aber danach folgen die fruchtbaren Bäume in ihrer großen Mannigfaltigkeit. Und alles entwickelt sich nach einem besonderen, vom Bildungsgeist vorgeschriebenen organischen Bildungsgesetz, d. h. wachstümlich und so, dass immer aus Unvollkommenem das Vollkommenere, aus Kleinem das Große erwächst. Auch entsteht nie das Weizenkorn ohne das Gras der Weizenpflanze, obgleich nach der Reife Stroh und Spreu als minderwertig entfernt werden.

Dieses organische Wachstumsgesetz offenbart sich auch in unserer geistlichen, übrigens auch in der leiblichen Entwicklung; es liegt allen Schöpfungen Gottes zugrunde; nur mit Verlust des Lebens kann dieses Gesetz durchbrochen werden; ihm ist alle Kreatur unterworfen. Ganz bedeutsam aber ist es zu sehen, dass es keine Geistesfrucht gibt, ohne dass fleischliches Leben vorangegangen wäre, in welchem jene Frucht sich ausreifte. Wer das natürliche Leben zerstört, vernichtet die Grundlage, welche das geistliche Leben zu seinem Wachstum und zu seiner Ausreifung nötig hat.

Im Einzelnen ist noch zu sagen: Nur dann kann die Erde Frucht bringen, wenn sie den Gnadenregen trinkt, den sie als Segen vom Himmel empfängt. Sie kann übrigens auch Dornen und Disteln tragen, seitdem sie verflucht ist. Wir, die wir einer verfluchten Erde gleichen, müssen wohl zusehen und uns fragen, was für Frucht wir bringen, und ob wir auch den Gnadenregen Gottes rechter Art aufnehmen und wirken lassen. Denn es gibt eine Unfruchtbarkeit im Leiblichen wie im Geistlichen; Unfruchtbarkeit aber ist Fluch in den Augen Gottes. Es kommt sehr auf das Land an, welches den Regen und die Kraft des Samens Gottes empfängt. Das gute Land bringt hundertfältige Frucht. Groß und verheißungsvoll ist es für uns zu sehen, wie aus einem dürren und trockenen Erdreich Gras, Kraut und Bäume aufwachsen, sobald Gottes Stunde gekommen ist, der dem, das nicht ist, ruft, dass es sei. Und wenn auch die göttlichen Kräfte nur erst geringe Pflanzen des Geistes in der jungfräulichen Erde unserer Seele erzeugen können, so sind es doch Pflanzen des Geistes, welche einst Früchte des Geistes tragen. Wir können nicht einmal Gras aufwachsen lassen und wollen darum auch für die kleinsten Pflänzchen des Paradieses in uns dankbar sein, weil sie doch ein Zeichen der göttlichen Wirksamkeit in unserer Seele sind. Und bald kommen die fruchtbaren Bäume mit ihrer unendlichen Mannigfaltigkeit, aus denen Blätter und Blüten hervorsprießen. Diese größeren Ausgeburten unserer Seele sind Tugenden, welche in dem von der Übermacht der Sünde befreiten Boden unseres Herzens gedeihen. Diese Tugenden zeigen den Adel einer Seele an und sind Zeugen der in ihr wirkenden Kraft Gottes. Es sind himmlische Wunder, die Gott durch sein Wort in uns hervorbringt. Wir dürfen aber nicht glauben, dass diese Gnadenwirkungen in uns geschehen wegen unserer besonderen Vorzüge oder wegen unserer Frömmigkeit; vielmehr geschehen sie wegen unseres Unvermögens und unserer Nichtswürdigkeit. Gott sieht unser Elend und unsere Nichtigkeit an und will nicht, dass wir ewig im Tod der Unfruchtbarkeit bleiben sollen. Ohne dass wir es verstehen, bringt er die göttlichen Kräfte in uns zur Entfaltung und ruft den Geistespflanzen, jeder zu seiner Zeit und jeder in ihrer besonderen Art. Wir können nur hintennach sehen und feststellen: „Der Herr hat alles wohl gemacht!“ Wo aber der Geist Gottes am Wirken verhindert wird, da wachsen nur Dornen und Disteln auf dem Naturboden unseres Herzens, Naturpflanzen mit Naturfrüchten, von deren Genuss uns die Zähne stumpf werden können. Wer jedoch dem Geist Gottes, der als ein göttlicher Wachstumstrieb in den Seelen der erweckten Menschen wirkt, durch beständige Verleugnung und Selbsthingabe gehorsam ist und sich seinem Wirken und Gestalten überlässt, der wird geistlich fruchtbar; dessen Herz wird ein schöner Garten Gottes, an welchem sich viele ergötzen und erfreuen können. Solche Menschen sind ihrer Umgebung ein Geruch des Lebens zum Leben. Wo aber das Werk Gottes unterbunden wird, da ist nur Elend und Laster als gerechter Lohn dafür, dass man den Heiligen Geist Gottes durch Ungehorsam und Störrigkeit betrübt hat. Wir wollen mit unserem Begehren recht viel Himmelssamen fassen, dass die göttliche Weisheit in den kommenden Schöpfungstagen noch recht viele Himmelswunder an uns wirken kann. „Der so viel getan, hat noch mehr im Sinn.“

„Sprich in mir: Es werde Licht!
Scheid` die Finsternis vom Lichte!
Alles ganz in mir zernicht`,
was nicht Prob` hält im Gerichte!
Lass dein hell` Licht mir aufgehen,
dein Bild in dem Grund zu sehen!“

Dem dritten Schöpfungstag entsprechende Bibelstellen sind: Mt 27:63: Ich will nach drei Tagen auferstehen. Kol 3:1: Seid ihr mit Christus auferstanden, so sucht was droben ist... Kol 3:2: Trachtet nach dem, das droben ist, nicht nach dem, das auf Erden ist. Kol 1:12: Danksaget dem Vater ..., der uns errettet hat von der Obrigkeit der Finsternis ... Röm 6:14: Die Sünde wird nicht herrschen können über euch, sintemal ihr nicht unter dem Gesetz seid, sondern unter der Gnade.

Lies weiter:
4. Der vierte Schöpfungstag (1Mo 1:14-19)