Der Zorn Gottes in der Kreatur

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Abschrift des Heftes: Der göttliche Liebesplan
Julius Beck (1887-1962) stammt aus Altingen.
Er war Mittelschullehrer in Calw, nach 1945 Rektor.

Aus der Reihe: Vätererbe Bd. IV (1962)
Verlag Ernst Franz Metzingen, Württ.

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Inhaltsverzeichnis

Der göttliche Liebesplan

7. Der Zorn Gottes in der Kreatur

Durch die Sünde wurde der Zorn Gottes in der ganzen Kreatur offenbar; durch die Versöhnung soll dieser Zorn Gottes wieder beseitigt werden. Eine volle Versöhnung ist erreicht, wenn der Mensch wieder in das Leben der Liebe und der Herrlichkeit erhöht ist. Überall in der Schöpfung, wo der Abfall geschah, wurde auch der Zorn Gottes offenbar: zuerst im menschlichen Geschlecht! Der Mensch war seiner Bestimmung nach der Mittler der unter ihm stehenden Kreatur und versorgte sie mit den göttlichen Kräften, die in ihm offenbar wurden. Dieser Zufluss wurde alsbald nach dem Fall unterbunden und die Kreatur wurde in den Mangel und ins Seufzen gesetzt.

Sünde bedeutet Sonderung, Absonderung des Menschen von Gott, der Quelle des Lichts und des Lebens. Was dem Menschen bisher an himmlischen Kräften zugeflossen war wurde von Gott her unterbunden; nun musste der verarmte Mensch nach einem Ersatz suchen. Er glaubte - und glaubt es heute noch, diesen Ersatz in der ihn umgebenden Natur und Kreatur zu finden. Fehlt dem Menschen der Zufluss aus der Lebensquelle, so bedeutet dies für ihn Armut und Elend, ja Hölle und Tod. „Welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben!“ Dieser Tod aber wurde vollendet dadurch, dass der Mensch nunmehr von der Finsternis her beeinflusst wurde. Dieser Einfluss bedeutete Gift für alles Gute und Göttliche in ihm, während die finsteren Kräfte jetzt mächtig zur Entfaltung kamen. Die Finsternis erzeugte in ihm eine Feindschaft wider Gott, worauf Gott mit Gericht antwortete. Er „beschloss alles unter den Unglauben“, d. h. der gefallene Mensch musste - und muss - in diesem Fluchszustand so lange verharren, bis Gott ihn daraus befreit. Kein Mensch hat Zutritt zum Paradies; niemand kann von sich aus die Schwelle zwischen Tod und Leben überschreiten. Das ist Fluch; denn der Mensch ist nicht mehr zur Gemeinschaft mit Gott zugelassen; dafür aber muss er die garstige Hölle und den bitteren Tod schmecken, was von den meisten Menschen - leider - als Normalzustand eines menschlichen Daseins hingenommen wird. Nur Wesen, die Gott nach Sinn und Geist gleichartig sind, können mit Ihm Gemeinschaft haben. Jener zudringliche Hochzeitsgast, der sich anmaßte, in seiner gefallenen Natur in die Gemeinschaft Gottes sich einzuschleichen, wurde in die Finsternis verwiesen, welcher er innerlich zugehörte.

Das Wesen des Zornes ist der Fluch

Das Wesen des Zornes Gottes ist also der Fluch, unter dem alle Geschöpfe verharren müssen, bis ihnen Erlösung wird. Fluch hängt sprachlich und sachlich mit Fliehen zusammen; der Mensch flieht Gott und Gott flieht den Menschen. Dieser Zustand eines vom göttlichen Zorn und Grimm erfüllten Wesens ist überaus bedauerlich - und fast aussichtslos! Die Kreatur ist umklammert von Fluchs- und Todesbanden; sie muss der Sünde und Finsternis dienen und dem Tode Frucht bringen. Das ist nicht Seligkeit, sondern Bitterkeit des Daseins, eigentliche Hölle. Rettung konnte - und kann - nur kommen durch die in Christo Jesu erfolgte Erlösung. Nur Jesus Christus kann die gefallene Kreatur von ihrer Sünden- und Todeskrankheit heilen und von dem Fluchsbann befreien. Zu diesem Zweck muss die Liebe Gottes den Zorn im Geschöpf verschlingen, so wie bei Tag die Nacht vom Licht verschlungen wird. Diese Rettungstat geschah durch den als Erlöser zu uns gesandten Sohn Gottes; Er nahm den Kampf mit dem in den Geschöpfen herrschenden Zorneswesen auf. Auf Ihn trifft der - etwas abgewandelte - Vers Luthers zu: „Das war ein wunderlicher Krieg, da Zorn und Liebe rungen; die Liebe behielt den Sieg, sie hat den Zorn verschlungen!“ Das ist eine große göttliche Tatsache, die uns durch das Wort Gottes verkündet wird.

Es war in dem bitteren Leiden und Sterben Jesu grundsätzlich der Tod vom Leben, die Finsternis vom Licht, der Zorn von der Liebe verschlungen worden. Dadurch wurde in dem Erlöser selbst eine Arznei erzeugt für alle, die unter Fluch und Tod lagen. Diese „Arznei“ ist sein ins Göttliche und Geistliche erhöhtes Leben, eine Tinktur und ein Elixier, wodurch nach Gottes Ratschluss der ganze Fall in der ganzen Schöpfung geheilt werden soll. Wer nur von dieser Arznei trinkt, wer diese Lebenstinktur genießt, in dem entsteht ein neues Leben, das nicht mehr dem Fluch und dem Tod unterworfen ist. In diesem neuen Leben aber herrscht das Gesetz des Geistes, welches freimachen kann vom Gesetz der Sünde und des Todes. „Nun ist also wieder Rat!“ Jeder darf hoffen, von der unheimlichen Umklammerung durch die Todesgewalt der Sünde wieder befreit zu werden, sofern ihn der Sohn frei macht. Grundsätzlich ist dies in der Versöhnung geschehen. Jesus trug - als Hoherpriester der gesamten Schöpfung - sein heiliges Blut in das Allerheiligste im Himmel und vor Gott. Einerseits wurde dadurch der Zorn in Gott gelöscht, was zuerst geschehen musste. Dann aber besprengte Er damit alle Kreaturen, um auch in ihnen den Zorn zu löschen. Dies geschah in doppelter Beziehung: das göttliche Blut löscht die unheimlich schwelende Zornesflamme im Geschöpf aus - und entzündet auf der andern Seite die heilig lodernde Flamme der göttlichen Liebe. Damit ist ein neues Geschöpf geworden, das bei Gott wieder in Gnaden steht. Alle, die dieses Blut im Glauben erfassen und damit die Erlösung Gottes in Christo Jesu ergreifen, werden geheilt von ihrem Sünden- und Todeswesen; sie erhalten ein neues Lichtes- und Geistesleben, welches vom Schöpfer bzw. Neuschöpfer wieder mit göttlicher Herrlichkeit erfüllt ist. Damit ist der Mensch in seinen vormaligen Zustand und in seine anerschaffene Herrlichkeit zurückgekehrt. Er ist wieder zur Gemeinschaft Gottes zugelassen und genießt von neuem den göttlichen Lebensausfluss und die Kräfte der zukünftigen Welt, während er sich in seinem Fallesleben von den Trebern dieser Welt kümmerlich das Leben fristen musste.

Wir ahnen das Gewicht der apostolischen Worte: „Lasset euch versöhnen mit Gott!“

Gott versöhnte uns mit sich selbst

Versöhnung musste auch in Gott geschehen. Wohl wohnt in Gott kein „Zorn“; aber durch den Ungehorsam des Menschen gegenüber Gottes Gebot war die Gerechtigkeit Gottes verletzt und die Heiligkeit Gottes beleidigt worden. Sie mussten wieder „versöhnt“ werden.

Die Gerechtigkeit Gottes musste ein „Opfer“ haben. Der Mensch selbst konnte dieses Opfer nicht bringen; er war ja sündig und schuldig geworden und darum war sein Opfer nicht angenehm und nicht wirksam vor Gott. Gottes eigener Sohn erbot sich als Opfer; der Unschuldige und Sündlose erbot sich zur Stellvertretung für den Sünder, um durch seine Hingabe Gott volle Genugtuung zu verschaffen.

Damit war die Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes befriedigt. Der Thronquell der göttlichen Kräfte war versöhnt und konnte nun wieder „um des Sohnes willen“ in Liebe und Gnade gegen den Menschen ausfließen. Das fluchende Zornfeuer war gelöscht; Gott konnte sich wieder in einem sanften Liebelicht dem Menschen offenbaren. Tötet der Zorn Gottes, so macht seine Liebe lebendig.

Nach seiner Auffahrt durfte sich Jesus zur Rechten der Gottheit setzen, d. h. auf die Seite der Lichts- und Liebesoffenbarung Gottes. Wäre jedoch keine hinreichende Versöhnung geschehen, und wären die Kräfte und Eigenschaften Gottes nicht versöhnt worden, dann gäbe es kein geschlachtetes Lämmlein „mitten im Thron“; dann säße die in den Geist erhöhte Menschheit Jesu nicht auf dem Thron der Majestät, um die göttliche Liebesfülle als Mittelsubstanz aller Lichtesvollkommenheiten gegen die Menschen auszustrahlen. Nun aber ist die Gottheit gegen sich selbst gerechtfertigt; vor Gott wurde das Opfer seines Sohnes als vollgültige Sühne für den Abfall des Menschen angesehen, nachdem der Sohn sein Blut in das wahre Allerheiligste der Gottesoffenbarung getragen hatte. Dadurch wurde das Zornfeuer der ersten vier Eigenschaften der göttlichen Natur gelöscht und besänftigt. Nun waren für die gefallene Menschheit die Erlösungskräfte im Blute des Lämmleins bereitet. In diesem Blut brannte sowohl das zerstörende Zornfeuer der göttlichen Gerechtigkeit, als auch das belebende und erneuernde Liebesfeuer Gottes. Jenes ist die Hörnerkraft, dieses die Kraft der sieben Augen oder Geister Gottes. Damit war die Arznei, das Lebenselixier für die Erneuerung der ganzen Schöpfung vorhanden, der Kraftstoff zur Neuschöpfung aller Dinge. Ohne die Erlösung wäre Gott für uns in seinem unzugänglichen Lichtsraum geblieben - unversöhnt und nicht in Liebe ausströmend; wir aber müssten auf ewig in unseren Sünden liegen bleiben, denn wir stünden auf immer unter dem Zorn Gottes. „Nun ist aber wieder Rat!“ Groß ist darum der Vorzug der Kinder des Neuen Bundes gegenüber denen des Alten.

Auch der Mensch musste versöhnt werden

Durch den Sündenfall kam der Mensch unter den Zorn Gottes d. h. es wurden in ihm statt der göttlichen Kräfte die Kräfte der Finsternis und Sünde offenbar. Daher kommt die Kraft und Wut der Sünde und daher auch das Eigenheitsleben des Menschen. Jesus war als Mensch nie aus dem Gehorsam und der Abhängigkeit Gott gegenüber gefallen; er war immer „lieber Sohn“ geblieben. Nun mussten, wenn der Mensch versöhnt werden wollte, diese Finsterniskräfte in ihm überwunden werden durch die Hörnerkräfte des Blutes, und es musste das Geistesleben der Herrlichkeit in seiner Natur wieder hergestellt werden.

Alles das vermag nunmehr das Blut Jesu, in welchem sich die Allmachtskräfte Gottes zur Neuschöpfung des Alls fassen. Das Blut, das Jesus in das Allerheiligste trug, wurde dort von dem Zornfeuer der Gerechtigkeit Gottes „verzehrt“. Das Kreuz, an dem Jesus gestorben ist, wurde dadurch für den Menschen, der in seiner Nachfolge auch sein Leben (der Eigenheit!) im Geiste der Ewigkeit hingibt, zum Scheideziel, an dem sich Gutes und Böses wieder trennt, um eine volle Entwicklung des göttlichen Lichteslebens in ihm zu ermöglichen. Das aber bedeutet Versöhnung.

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