Der Gottesknecht soll zum Licht der Nationen werden - Jes 49:1-6

aus HSA: Verkündiger von Gericht und Heil nach Jesaja (40-66) Bd.2

Der Gottesknecht soll zum Licht der Nationen werden - Jes 49:1-6

In auffallender Häufigkeit ergeht in Jesaja die Aufforderung, auf Gott zu hören (u. a. in Jes 1:2 - Jes 28:23 - Jes 32:9 - Jes 33:13 - Jes 42:18 - Jes 44:1 - Jes 46:3 - Jes 46:12 - Jes 48:1 - Jes 48:12.14 - Jes 49:1 - Jes 51:1 - Jes 51:7 - Jes 51:21 - Jes 55:2.3) Das Beschreiten des Heilsweges beginnt mit dem Hören (vgl. Jes 55:3: "Hört, und eure Seele wird leben!" Das gilt auch für die Völker in nah und fern, die in Jes 49:1 zum Hören aufgerufen werden. Auch alle aus den Nationen, die heute zu Jesus Christus kommen, erlangen durch Hören und Glauben das Heil (Röm 10:14 - Eph 1:13). Umgekehrt ist zu sagen: Wege der Sünde und des Unheils beginnen mit dem Nicht-Hören (was zu Jes 48:1-19 schon angemerkt wurde). Das Nicht-Hören bedeutet im weiteren Sinn: sich um Gott nicht kümmern - weder um seine Offenbarung in der Natur (Röm 1:20.21) noch um seine Wortoffenbarung. Wir, die wir sein Wort haben (eine Bibel besitzen), sollen hören und nochmals hören; wir sollen gute Wortverkündigung suchen und aufnehmen und die Bibel aufmerksam lesen und erforschen, dann auch das Gehörte ausleben und weitersagen. So führt das Hören zum Glauben, zur Freude, zur Frucht.

Der Knecht Jahwes erhebt in Jes 49:1-6 wie in Jes 50:4-9 selber seine Stimme. Er ist sich seines hohen Amtes als Berufener Jahwes bewusst. Wieder erhebt sich die Frage (wie schon in Jes 42:1-9): Wer ist dieser Knecht Jahwes? Der Prophet Jesaja selbst? Nein, meint Delitzsch, denn das in Jes 49:6 Gesagte rage weit über das hinaus, was ein Prophet zu leisten vermag. Wie Apg 13:47 zeigt, sieht der Apostel Paulus in seiner Missionstnätigkeit unter den Weltvölkern eine Erfüllung des Auftrags, den Jahwe in Jes 49:6 seinem Knechte gibt. Der Übergang des Heils zu den Völkern - mit dem Ziel der Bildung der Gemeinde, des Leibes Chris - ist in diesem Auftrag mit enthalten. Israels Sendboten sollen (wie ein Paulus in besonderer Weise) zum Licht für die Nationen werden (Jes 42:6 - Jes 49:6), bis die Auswahl aus den Nationen selber fähig wird, als Licht zu leuchten (Eph 5:8 - Phil 2:15).

Die Beantwortung der Frage, wer in unserm Text der Knecht Jahwes ist, wird dadurch erschwert, dass nach Jes 49:3 Israels dieser Knecht ist; doch er hat nach Jes 49:6 die Aufgabe, die Stämme Jakobs aufzurichten und die (im Exil) Bewahrtgebliebenen Israels zurückzubringen. Soll etwa Israel sich selbst aufrichten und zuruückführen? Nein, der Knecht Jahwes ist hier wie anderswo zutiefst Jesus Christus, er als Licht der Welt und Heil der Welt (Lk 2:30-32). Scheint auch sein Wirken an uns Menschen nach Jes 49:4 oftmals erfolglos zu sein ("umsonst habe ich meine Kraft verbraucht"), so wird doch sein Vater sein Werk recht beurteilen und es letzendlich an Lohn nicht fehlen lassen (Jes 53:1 - Jes 53:10-12). So enthält Jes 49:4 eine Klage, die sofort wieder in Zuversicht mündet.

Wir wir sahen, vergleicht Delitzsch den Begriff "Knecht Jahwes" mit einer Paramide (vgl. das zu Jes 42:1-9 Gesagte). Ähnlich drückt er sich in der Erklärung von Jes 49:1-6 aus: "Wir haben gesehen, dass Israel als Gesamtvolk die Basis des Begriffs 'Knecht Jahwes' ist. Israel als berufstreues Volk dessen Mitte und der persönliche Knecht Jahwes dessen Spitze... Es kommt zum deutlichsten Ausdruck, dass der Knecht Jahwes in diesen Reden als Kern des Kernes Israels, als Israels innerstes Zentrum, als Israels oberstes Haupt geschaut wird.. (Er ist) derjenige, in welchem sich Israels Wesen sonnenhaft konzentriert, in welchem Israels Weltberuf zum Heil der Menschheit, Israel selbst eingeschlossen, zur Vollführung kommt! Gemeit ist Jesus Christus, der in seiner Niedrigkeit und Hoheit, seinem Leiden und seiner Herrlichkeit den Willensplan seines Vaters mit Israel und den Nationen voll hinausführt, wie wir es in Jes 52:13 bis Jes 53:12 noch genauer hören werden.