Das sechste Gesicht "auf Erden"

Aus Bibelwissen
Wechseln zu: Navigation, Suche

Abschrift des Buches: Die Apokalypse oder der Tag des Herrn
Verfasser: E. W. Bullinger (1902)

Inhaltsverzeichnis
Kapitel davor:
Das sechste Gesicht "im Himmel"- Offb 15:1-8

Das sechste Gesicht "auf Erden 1. Teil"

Offb 16

Es ist dies bei weitem das wichtigste aller, dem Johannes gegebenen Gesichte der Ereignisse, die auf Erden geschehen sollen. Auch wird es am ausführlichsten geschildert.

Es besteht aus den großen Gerichten, welche von der siebten Posaune angekündigt werden, die das "Geheimnis Gottes", durch das Ausgießen der sieben Zornschalen, vollendet. Das nächste Gesicht ist das letzte im Himmel geschaute; es leitet die Apokalypse des Herrn Jesus, sein Kommen zur Erde, ein und führt so das Ende der ganzen Weissagung herbei.

Dieses sechste Gesicht auf Erden besteht aus drei Teilen, die so deutlich markiert sind, dass diejenigen, welche das Buch in Kapitel einteilen, keine Schwierigkeiten hatten, hier die richtige Einteilung zu treffen.

Die folgende kurze Übersicht der Vision als Ganzes zeigt diese drei Teile. Die Erweiterungen derselben werden später an passender Stelle gesetzt werden. Bei genauer Betrachtung der Verweise auf diese Seiten und Buchstaben wird es dem Leser nicht schwer fallen, diese Darstellungen des Gedankenaufbaus zu verfolgen und zu verbinden.

Die großen Gerichte

E6 - V - Offb 16 = Die großen Gerichte (die sieben Zornschalen)
W - Offb 17 = Die große Hure (Geheimnis Babylon)
X - Offb 18 = Die große Stadt (das große Babylon)

Wir beginnen bei dem ersten mit V bezeichneten Teil, welcher aus dem ganzen 16. Kapitel besteht. Er handelt über:

Die sieben Zornschalen

Elfmal finden wir das Wort "groß" in diesem Kapitel, häufiger als in irgendeinem anderen Abschnitt des neuen Testaments, am nächsten kommt Offb 18. wo das Wort neunmal vorkommt.

Wir sind darum berechtigt, die Berichte und Themen dieses Kapitels als "groß" zu bezeichnen.

Es ist nun alles bereit für das Reich der höllischen Dreieinigkeit; auf Drachen, Tier und falschen Propheten den letzten Angriff zu beginnen, durch welchen der "große und schreckliche Tag des Herrn" gekennzeichnet wird.

Seitdem wir die letzte Posaune erschallen hörten (Offb 11:15), sind wir zurückgeführt und über verschiedene wichtige Einzelheiten aufgeklärt worden, welche uns die Beziehungen der Visionen zueinander besser verständlich machen; die letzten himmlischen Äußerungen haben uns kundgetan, welche die Ergebnisse dieser Gerichte sein werden.

Der Drache soll in seiner Hauptstadt und auf seinem Thron angegriffen, die Tiere in ihren Machtzentren bedrängt werden und ihre Anhänger und Anbeter sollen auf Erden "keine Ruhe haben Tag und Nacht" (Offb 13:11).

Die Zornschalen-Gerichte sind denen der Posaunen in manchem ähnlich, in anderem wieder unterscheiden sie sich von ihnen.

Der Gedankenaufbau des ersten Teiles "V" zeigt, dass die sieben Schalen in fünf Gruppen zerfallen, von denen jede aus Ursache und Wirkung besteht. Die dritte und sechste Schale haben noch ein anderes Kennzeichen: bei der dritten hört Johannes die Stimme zweier Engel; bei der sechsten sieht er die unreinen Geister. Der Gedankenaufbau ist wie folgt:

V - A1 - a1 - Offb 16:1.2 = Die erste Schale.

b1 - Offb 16:2 = Wirkung: Geschwüre an den Anbetern des Tieres.
a2 - Offb 16:3 = Die zweite Schale.
b2 - Offb 16:3 Wirkung: Das Meer wird Blut.
B1 - c - Offb 16:4 = Die dritte Schale.
d - Offb 16:4 = Wirkung: die Wasserströme werden Blut.
e - Offb 16:5-7 = Was Johannes hört (Engelstimmen).

V - A2 - a3 - Offb 16:8 = die vierte Schale.

b3 - Offb 16:8.9 = Wirkung: Versengen. Die Anbeter des Tieres verstockt.
a4 - Offb 16:10 = Die fünfte Schale.
b4 - Offb 16:10-11 = Wirkung: Reich des Tieres verfinstert. Die Menschen verstockt.
B2 - c -Offb 16:12 = Die sechste Schale.
d - Offb 16:12 = Wirkung: der Euphrat vertrocknet.
e - Offb 16:13-16 = Was Johannes sieht (drei Teufel wie Frösche).
A3 - a5 - Offb 16:17 = Die siebte Schale.
b5 - Offb 16:17-21 = Wirkung: Erdbeben. Der großen Babylon wird gedacht (Offb 16:19)

Wir haben oben bemerkt, dass die 1. und 2. Zornschale zusammengehören, ebenso die 4. und 5., welche alle sowie auch die 7. aus zwei Teilen bestehen, dem Ausgießen der Schalen und der Wirkung des Ausgießens. Diese drei Gruppen werden voneinander getrennt durch die 3. und 6. Zornschale, von denen jede in drei Teile zerfällt. Zu dem Ausgießen der Schale und der Wirkung des Ausgießens tritt bei der 3. hinzu, was Johannes hört, und bei der 6., was Johannes sieht. Die Wirkung der letzten (siebten) Schale besteht darin, dass "der großen Babylon" gedacht wird, und das führt naturgemäß zu dem unmittelbar folgenden Gericht an Babylon in Offb 17 und Offb 18.

Wir kommen zur Auslegung:

Die erste Zornschale

Der erste Vers ist allgemeinen Inhalts und bildet die Einleitung dieser Gerichte.

Offb 16:1
Und ich hörte eine laute Stimme aus dem Tempel (naos) zu den sieben Engeln sagen: "Gehet hin und gießet aus die sieben Schalen des Zornes Gottes auf die Erde."
Wir halten die sieben Zornschalen und ihre Wirkungen für tatsächliche Ereignisse, genauso, wie sie hier berichtet werden. Es sind keine Redefiguren. Ihre Sprache ist klar und bündig. Nichts in diesen Gerichten kann unserem Glauben zu schwer fallen, obwohl manches über unseren Verstand gehen mag. Sie sind wohl übernatürlich, aber nicht unnatürlich. In den ägyptischen Plagen, die von allen für wirkliche Ereignisse gehalten werden, finden wir viele ganz ähnliche Strafen. In der Tat, sechs der sieben Schalen stimmen mit den ägyptischen Plagen überein, und Gott hat wiederholt erklärt, dass seine letzten Gerichte gerade so, ja schlimmer sein würden als jene (2Mo 34:10).

Die erste Schale ist der sechsten Plage gleich, die in Schwären bestand.
Die zweite und dritte Schale sind wie die erste Plage, bei der das Wasser zu Blut wurde.
Die fünfte Schale ist gleich der neunten Plage, wo Finsternis im Lande herrschte.
Die sechste Schale ist wie die zweite Plage, die der Frösche.
Die siebte Schale gleicht der siebten Plage, der vom Hagel usw.

Nur die vierte Schale hat unter den ägyptischen Plagen kein Gegenstück; es ist die von der großen Hitze. Da nun sechs der sieben Gerichte schon dagewesen sind, warum sollten nicht ebensolche Plagen noch einmal gesandt werden, da doch ausdrücklich gesagt ist, dass die übernatürlichen Ereignisse bei Israels Rückkehr sein werden "wie Israel geschah zur Zeit , da sie aus Ägypterland zogen" (Jes 11:15).

Ist es nicht seltsam, dass man angesichts dieser Tatsachen die Zornschalen auf folgende Art ausgelegt hat?

Die erste bedeutete die französische Revolution, und die Beulen seien die Ungläubigen usw.
die zweite: die Seekriege der französischen Revolution,
die dritte Napoleons Feldzug in Italien,
die vierte Napoleons militärischer Zwangsherrschaft usw.

Es ist Zeit- und Raumverschwendung solche Auslegungen, die das Wort Gottes kraftlos machen, auch nur anzuführen.

Glaubt denn jemand, dass die Menschheit den größeren Teil des "großen und schrecklichen Tages des Herrn" überstanden hätte, ohne sich dessen bewusst zu sein? Und dass während der gesamten Zeit das Evangelium von der Gnade Gottes gepredigt worden wäre, statt der Verkündigung, dass die Zeit Seines Gerichts gekommen ist? Leben wir wirklich am Tag der Rache unseres Gottes? Und doch gibt es Geistliche, welche von dem Dämmern des tausendjährigen Reiches reden; ja einige behaupten sogar, es habe schon begonnen - ein tausendjähriges Reich ohne Christus! Nein! Bibelforscher, welche glauben, was Gott sagt, und die einzig danach trachten, Seine Worte zu verstehen, können keine Genüge finden an solchen Verwirrungen, durch die das Herz nur bestürzt wird, anstatt erleuchtet.

Offb 16:2
Und der erste ging hin und goss seine Schale aus zur Erde; und es ward eine böse und arge Geschwüre an den Menschen, die das Malzeichen (oder Brandmal) des Tieres hatten und die sein Bild anbeteten.
Auf das "Ausgießen" der Schale weist Ps 79:1-5 und Kla 4:11 hin; eine ähnliche Plage ist schon mehr als einmal dagewesen: 2Mo 9:8-12; Hi 2:7.8; 1Sam 5:5; 4Mo 12:10.

Dies ist eins der Strafgerichte, die Israel angedroht wurden: 5Mo 28:15.27.35; 3Mo 26:16.

Zunächst haben unter dieser Plage die Anbeter des Tieres und seines Bildes zu leiden. Es war ihnen (Offb 14:9-11) gedroht worden, dass die das Tier Anbetenden (hier sowohl wie dort steht das Partizip Präf.) "keine Ruhe Tag und Nacht" haben würden. Hier sehen wir nun, wie diese Worte in Erfüllung gehen: keiner hat Ruhe, der an den "bösen und argen Drüsen " zu leiden hat.

Die zweite Zornschale

Offb 16:3f
Und der zweite Engel goss aus seine Schale ins Meer; und es ward Blut als eines Toten, und alle lebendige Seele starb, die in dem Meer war.
Wir können diese Stelle mit der zweiten Posaune (Offb 8:8) und mit der ersten ägyptischen Plage vergleichen (2Mo 7:20-25; vgl. Ps 105:29; Jes 50:2; Nah 1:2-5). Die buchstäbliche Auffassung dieser Plagen macht die Sache so verständlich, dass es kaum einer weiteren Erklärung bedarf. Sie selbst erklären und sie Gerichte Gottes und deren Wirkung.

Die dritte Zornschale

Offb 16:4-7
4. Und der dritte Engel goss aus seiner Schale in die Flüsse und in die Wasserquellen; und sie wurden Blut.

5. Und ich hörte den Engel der Wasser sagen: "Gerecht bist du, der da ist und der da war, heilig bist du, dass du so gerichtet hast;

6. denn sie haben das Blut der Heiligen und Propheten vergossen, und Blut hast du ihnen zu trinken gegeben, sie verdienen es,

7. Und ich hörte den Engel vom Altar sagen: "Ja, Herr Gott, Allmächtiger, wahrhaftig und gerecht sind deine Gerichte."
Das ist die göttliche, vom Himmel gegebene Auslegung der Gerichte der dritten Schale. Die Bezeichnung "Engel der Wasser" lässt erkennen, dass Engel ihre bestimmten Wirkungskreise und Ämter haben; die Ereignisse in der Natur sind also nicht dem blinden Zufall überlassen, sondern der, welcher "die Naturgesetze" (wie die Menschen sagen) machte, setzt auch mit kräftiger Hand durch, dass jene Gesetze Seinen Willen vollziehen.

Entweder ist der Altar personifiziert (denn die Gebete der Heiligen befinden sich auf demselben, und die Märtyrer stehen unter ihm), oder es ist zu ergänzen "der Engel vom Altar."

Die Worte des Engels zeigen, dass sie in einem anderen Bund gesprochen sind, welcher mit dem gegenwärtigen Bund der Gnade nichts gemein hat, sondern der vielmehr Vergeltung und Gericht ausübt. Auf jene Zeit weisen Schriftstellen hin wie Hes 35:6.16.38.

So bezieht sich auch Mt 23:34.35 und Lk 11:47-51 auf einen Tag des Gerichts und nicht der Gnade. Jetzt rechnet Gott den Seinen die Sünde nicht zu (2Kor 5:19), da Er sie Christo zugerechnet hat. Daraus erkennen wir dass nur hoffnungslose Verwirrung entsteht, wenn das Wort nicht recht geteilt wird, entsprechend dem Bund, für den es gilt.

Offb 16:6 ("sie haben das Blut der Heiligen und der Propheten vergossen usw.") weist augenscheinlich hin auf Offb 17:6; Offb 13:15; Offb 11:18 und Offb 18:20. Auch Ps 79. und Ps 74. sind in dieser Verbindung zu lesen.

Die vierte Zornschale

Offb 16:8.9
8. Und der vierte Engel goss aus seine Schale auf die Sonne, und es ward ihm gegeben, die Menschen zu versengen mit Feuer.

9. Und die Menschen wurden versengt von großer Hitze, und lästerten den Namen Gottes (d. h. Gott selber), der Macht hat über diese Plagen, und taten nicht Buße, ihm die Ehre zu geben.
Beim Ertönen der vierten Posaune ward die Sonne geschlagen, doch nur der dritte Teil derselben. Es werden Zeichen geschehen an der Sonne (Lk 21:25). Vgl. Mal 3:19, wo es heißt: "Siehe es kommt ein Tag, der brennen soll wie ein Ofen, da werden alle Verächter und Gottlosen Stroh sein." - Die Wirkung, welcher die Plage hervorruft, besteht darin, dass die Menschen der Aufforderung des Engels von Offb 14:6.7 Trotz bieten. Sie bitten nicht um Gnade, und es wird ihnen auch keine Gnade gewährt werden. Und da will man uns lehren, dass es sich hier um nichts weiter als die Gewaltherrschaft Napoleons handele!

Die fünfte Zornschale

Offb 16:10.11
10. Und der fünfte Engel goss aus seine Schale auf den Thron des Tieres: und sein Reich ward verfinstert; und sie zerbissen sich die Zungen vor Schmerzen;

11. und lästerten den Gott des Himmels über ihre Schmerzen und ihre Geschüre (Offb 16:2), und taten nicht Buße und wandten sich nicht von ihren Werken.
Diese Stelle beweist, dass die sieben Gemeinden der Auslegung nach in diese Zeit des Gerichts gehören. Denn zu der Gemeinde zu Pergamos sagt Christus: "Ich weiß was du tust, und wo du wohnst, da des Satans Stuhl ist; und hältst an meinem Namen fest und hast meinen Glauben nicht verleugnet, auch in den Tagen, in welchen Antipas, mein treuer Zeuge, bei euch getötet ist, da der Satan wohnet." (Offb 2:13; Offb 13:2). Daraus geht nicht bloß hervor, dass die sieben Gemeinden zu jener Zeit auf Erden sein werden, sondern auch, dass Offb 12. von Ereignissen handelt, welche vor Offb 2. liegen, und dass die Verfolgung und das Märtyrertum, wovon in Offb 13. die Rede ist, schon werden begonnen haben zu der Zeit, die in Offb 2:13 geschildert ist. Diese Zornschale leitet einen direkten Angriff ein auf den Thron des Tieres, das der Stellvertreter Satans ist. Es kann sich vor der Plage der Finsternis ebenso wenig schützen, wie einst Pharao es vermochte (2Mo 10:21-23). Die Finsternis wird ebenso wirklich sein wie die Finsternis in Ägypten. Joel weissagte sie (Joe 2:1.2.; Joe 3:4).

"Der Tag des Herrn kommt....,
ein finsterer Tag, ein dunkler Tag,
ein wolkiger Tag, ein nebliger Tag.
Die Sonne soll in Finsternis verwandelt werden usw."

In Mk 13:24.25 sagt der Heiland: "Zu der Zeit ... werden Sonne und Mond ihren Schein verlieren."

Großes Ärgernis wird durch diese entsetzliche Finsternis hervorgerufen werden. Und doch sollen wir glauben, dass sie nichts weiter bedeutet als die Aufhebung der Klöster in Frankreich durch Napoleon im Jahre 1789.

Haben sich damit die Propheten beschäftigt? Sinnbilder müssen dem Bild, das sie darstellen, ähnlich sein. Hier aber soll das Eintreten der dichten Finsternis die Unterdrückung dessen versinnbildlichen, was die Veranlassung zur Finsternis ist. Wenn die Schriftstelle die Gründung von Klöstern darstellen sollte, so könnte das eher zutreffend sein. Kein Wunder, dass Finsternis über das Buch der Offenbarung gekommen ist, weil die Einbildungskraft die Stelle des Glaubens einnimmt.

Die sechste Zornschale

Offb 16:12-16
Die sechste Schale hat, wie die dritte (Offb 16:4.5) drei Teile, während alle übrigen nur zwei haben:

1. Das Ausgießen der Schale,
2. Die Wirkung des Ausgießens und
3. was Johannes sieht.

Offb 16:12
Und der sechste Engel goss seine Schale auf den großen Fluss Euphrat; und sein Wasser vertrocknete, auf dass bereitet würde der Weg den Königen vom Aufgang der Sonne.
Wir sind der Überzeugung, dass sich diese Stelle auf den wirklichen Fluss Euphrat bezieht. Alles Übrige in dem Kapitel ist buchstäblich zu nehmen, so auch dies hier. Es ist kein Grund für das Gegenteil vorhanden. Diejenigen, welche sagen, die Stelle bedeute den Verfall des türkischen Reiches, tun das auf ihre eigene Verantwortung hin. Hier wird kein Wort davon gesagt und nichts angedeutet, was uns dazu führen könnte, auf diese Auslegung zu verfallen, besonders, wenn wir den Zweck im Auge behalten, um dessentwillen der Fluss ausgetrocknet werden soll. Auch die sechste Posaune hat mit dem Euphrat zu tun. Der Zusammenhang hier und alles, was Johannes bei dieser Zornschale sieht, lassen uns erkennen, dass die Könige der Erde zu dem großen Streit versammelt werden sollen, an dem sich die himmlischen, satanischen und irdischen Mächte beteiligen werden. Um das Zusammentreffen zu erleichtern, wird den aus dem Osten kommenden Königen der Weg bereitet. Die Zornschalen handeln von Gerichten Gottes und nicht von seiner Barmherzigkeit; und darum steht eine Auslegung, welche diese Stelle auf die zehn Stämme, oder die christlichen Fürsten oder irgendein Segen bringendes Ereignis bezieht, mit dem ganzen Zusammenhang nicht im Einklang. Hier, bei der sechsten Zornschale, wird ein ungeheures Heer von Menschen versammelt, das von Gott gänzlich vernichtet wird. Ähnliches wird in einer anderen Weissagung vom Euphrat verkündigt: "Und der Herr wird verbannen die Zunge des Meeres in Ägypten, und wird seine Hand gehen lassen über den Strom (Euphrat) mit seinem starken Wind, und ihn zu sieben Bächen schlagen, dass man mit Schuhen hindurch gehen mag." (Jes 11:15).

Und wiederum: "Ich will sie wieder bringen aus Ägypterland, und will sie sammeln aus Assyrien, und ... alle Tiefen des Wassers werden vertrocknen. Da soll denn erniedrigt werden die Pracht von Assyrien und das Szepter in Ägypten soll aufhören" (Sach 10:10.11).

Die Könige von Osten wandern westwärts nach Palästina. Ost und West sind vom Standpunkt der Weissagung aufzufassen, nicht vom Standpunkt des Lesers aus. Hier stehen wir in Gottes Land und Stadt.

Der Euphrat ist in der Tat ein großer Fluss, wie hier gesagt ist. Er ist 1800 engl. Meilen lang und von Mohamara bis zum Meer 3600 Fuß breit und 30 Fuß tief. Dieser Fluss soll vertrocknen, damit sich der Kreuzzug der Hölle gegen das Lamm und sein Heer umso leichter sammeln kann. Wie sie sich sammeln zu diesem Kampf, aus dem sie nicht wieder zurückkehren sollen, wird uns nun in der Schrift weiter geschildert.

Offb 16:13.14
13. Und ich sah aus dem Munde des Drachen und aus dem Munde des Tieres und aus dem Munde des falschen Propheten drei unreine Geister hervorgehen, als wären es Frösche;

14. (denn es sind Geister von Dämonen, die tun Zeichen) welche ausgehen zu den Königen des ganzen Erdreichs, sie zu versammeln zum Streit des großen Tages Gottes, des Allmächtigen.
Der heilige Geist sagt nicht, dass es Frösche gewesen wären, sondern dass sie Fröschen ähnlich sahen. Es wird aber mit Bestimmtheit ausgesagt, dass es Dämonengeister waren, also nicht, wie bei der ägyptischen Plage, Frösche (2Mo 8:1-14). Sie wirken Wunder wie auch der falsche Prophet sie tut (Offb 13:13-15; 2Thes 2:9).

Die bösen Geister geben einem den Augenschein nach überzeugenden Beweis ihrer Sendung; und wenn ein Mensch wie Peter von Amiens Tausende zum Kreuzzug bewegen konnte, so werden die Wunder wirkenden Dämonen Zehntausende zusammenscharen, und zur Vereinigung mit den gegen Gott und seine Heiligen vorrückenden Streitkräften veranlassen. 1Kö 22:19-38 lesen wir, wie ein ähnliches "Überreden" stattfand. Siehe Joe 4:9-11; Ps 2:1-3.

Es ist nun der folgende Zusatz eingeschoben, der auch als Zwischensatz gelesen werden muss, denn er befasst sich nicht mit dem Verlauf der prophetischen Ereignisse.

Während die Dämonen - Geister die Könige und ihre Heere versammeln, hört Johannes die Stimme Christi sagen:

Offb 16:15
"Siehe ich komme als ein Dieb. Selig ist, der da wachet, und hält seine Kleider, dass er nicht bloß wandle, und man nicht seine Schande sehe."
Diese Worte richten sich an jene anderen Streitscharen, welche weder das Tier und sein Bild angebetet haben, noch sein Malzeichen oder die Zahl seines Namens angenommen haben. Sie werden durch diesen Segen ermutigt. Gewiss, "als ein Dieb" kommt der Herr jetzt. Ein Beweis, dass die Gemeinde Gottes bei diesen Gerichtsszenen nicht zugegen ist, denn den Gliedern des Leibes Christi wird es fest zugesichert, dass sie der Tag nicht wie ein Dieb ergreifen soll (1Thes 5:4. Vgl. Mt 24:38-44; Lk 12:25-40). Uns, den Gliedern des Gnadenbundes, gilt also dieser Segen ebenso wenig, wie die Ankündigung an uns gerichtet ist. Der Herr will dann als ein Dieb kommen. Darum die Ankündigung und darum der Segen. Sie werden ihn bedürfen, denn sie werden zu jener Zeit auf Erden sein, wie wir aus Offb 3:3 erfahren (vgl. Mk 13:31-37).

Nach diesem Einschub schreitet die Weissagung fort, als wäre sie nicht unterbrochen worden.

Offb 16:16
Und sie (die Dämonen - Geister von Offb 16:14) haben sie (die Könige und ihre Heere) versammelt an den Ort, der da heißt auf Hebräisch - Har - mageddon.
Diese Erwähnung des Hebräischen verbindet die Apokalypse mit den Evangelien (siehe Joh 5:2; Joh 19:13.17; ebenso Offb 9:11). Wir finden auch in dem Wort eine Bezugnahme auf das Alte Testament. Der Name har - megiddo heißt Berg von Megiddo und ist eine Vorbedeutung für den Ausgang des Kampfes. Denn dort von Megiddo kamen Sisera und sein Heer durch Debora und Barak um (Ri 5:19); dort wurde der König Josia von Pharao Necho, dem König von Ägypten, besiegt (2Kö 23:29; 2Chr 35:22.25). Blutvergießen und Klagen sind mit Megiddo verbunden (Sach 12:11). Bei Jes 10:28, wo der Einfall des Antichristen geschildert wird, setzt die Septuaginta "Megiddo".

Megiddo bedeutet wahrscheinlich: ein Ort der Kriegshaufen von gad, Kriegshaufen (1Mo 49:19) und dem Verbum gadad, schneiden. (siehe 5Mo 13:1; 1Kö 18:28; Jer 16:6; Jer 41:5; Mi 4:14). Megiddo gehört zu der großen Ebene von Jesreel und ist eine wirkliche Örtlichkeit, und wirkliche Vorgänge werden einst dort geschehen.

Nachem sich die feindlichen Streitmächte zu Megiddo versammelt haben, endet die sechste Schale. Die Schilderung der dort stattfindenden Ereignisse wird so lange aufgeschoben, bis durch die siebte Schale die Endkatastrophe in Offb 19. herbeigeführt wird. Docht sehen wir die Schlacht selber (Offb 19:11-18). Die sechste Schale bringt uns bis zu dem Punkt hin, wo alles in Bereitschaft steht, und bricht dann plötzlich ab. Durch eine neue Reihe von Ereignissen müssen wir nun wieder zu demselben Punkt gelangen, Ereignisse welche durch das Ausgießen der siebten Schale veranlasst werden.

Die siebte Zornschale

Offb 16:17
Und der siebte Engel goss aus seine Schale auf die Luft, und es ging aus eine laute Stimme aus dem Tempel (naos) vom Throne her, die sprach: "Es ist geschehen."
Das ist die letzte Zornschale ist endlich ausgegossen, das letzte Gericht angebrochen, die letzte Plage hat begonnen. Sie wird alles beenden, und die göttlichen Ratschläge dieser Gerichte erfüllen und vollenden. Darum erschallt diese Stimme und ergeht die feierliche Verkündigung: "Es ist geschehen". Johannes sieht den Tempel am Schluss jeder der drei Gruppen von Gesichten. Diese ist die letzte. Im neuen Himmel und auf der neuen Erde wird kein Tempel mehr sein (Offb 21:22). Hier haben wir den Schlussakt, welcher das Auftun des Tempels herbeiführt und das Erscheinen des Sohnes Gottes zum Streite in Offb 19:11.

Doch zuvor werden wir aufgehalten durch den Bericht über die Zerstörung Babylons und des Reiches des Tieres. (Offb 17 und Offb 18), und die Aufstellung der himmlischen Streitscharen (Offb 19). Es werden uns indessen die Bewegungen im Himmel und auf Erden in allgemeiner, summarischer Weise mitgeteilt.

Offb 16:18
Und es wurden Blitze und Stimmen und Donner, und es ward ein großes Erdbeben, dass solches nicht gewesen ist, seitdem Menschen auf Erden gewesen sind, solch gewaltiges Erdbeben, also groß.
Ähnliches erfolgt beim Öffnen des siebten Siegels (Offb 8:5) und beim Ertönen der siebten Posaune (Offb 11:19). Von diesem großen Erdbeben reden die Propheten (Hes 38:20; Jes 2:19.21; Hag 2:21.22).

Offb 16:19
Und die große Stadt wurde geteilt (oder gespalten) in drei Teile, und die Städte der Nationen fielen. Und Babylon, der großen, ward gedacht vor Gott, ihr zu geben den Kelch des Weines von seinem grimmigen Zorn.
Nicht allein wird Babylon die große, durch das Erdbeben in drei Teile gespalten, sondern es werden auch die Hauptstädte, der mit dem Tier verbündeten Nationen (Offb 14; Offb 17:13-17) zerstört. Einige sagen, das "große Babylon" sei "Rom"; andere halten dafür, es bedeute "Jerusalem" noch andere und zu diesen gehören auch wir, glauben, was geschrieben steht. Babel oder Babylon war der Ort, wo nach der Sündflut der erste Abfall von Gott stattfand. Immer dem Volke Gottes feindlich gesinnt, wurde es später Hauptstadt des ersten großen heidnischen Reiches, welches das Bild und der Traum Nebukadnezars zeigen. Gott hatte verheißen, an seinen Bund mit Israel zu gedenken, und zugleich verheißen, am Tage seines Zorns Babylon nicht zu vergessen Darum ruft sein Volk: "Herr, gedenke!" (Ps 137; Ps 98; Ps 105:8.42)

Babylon ist jetzt erst teilweise zerstört, zum Zeichen seiner bald folgenden gänzlichen Zerstörung. Der zehnte Teil der Stadt wird gefallen sein, wie Offb 11:12.13 berichtet wurde. Und Offb 17 und Offb 18 werden uns mit Veranlassung, Art und Folge des Gerichtes bekannt machen.

Offb 16:20.21
20. Und alle Inseln entflohen, und viele Berge wurden nicht gefunden.

21. Und ein großer Hagel, wie ein Zentner, fällt vom Himmel auf die Menschen; und die Menschen lästerten Gott über der Plage des Hagels; denn seine Plage ist sehr groß.
Die Gerichte werden immer schwerer. In Offb 6:14 wurden alle Berge und Hügel bewegt. Hier entfliehen sie. Bald wird Erde und Himmel entfliehen und keine Städte mehr für sie gefunden werden. Vor "Berge" fehlt der Artikel, wir haben ihn ersetzt durch "viele". Wären alle Berge gemeint, so müsst der Artikel stehen. Und dass es während des tausendjährigen Reiches Berge geben wird, geht hervor aus Ps 72:3.16; Ps 148:9; Jes 2:2; Jes 44:23; Hes 36:8. Die Hagelplage in Ägypten war eine wirkliche (2Mo 9:18-21). Ebenso wird's auch diese sein. Und warum nicht? Die Hagelsteine sind zwar von gewaltiger Größe, denn ein jüdisches Talent (Zentner) betrug 114 Pfund Goldgewicht. Josephus berichtet, dass die Römer Steine von der Schwere eines Talents gegen Jerusalem schleuderten (Kriege III, VII. 9). Gewiss kann doch Gott vom Himmel Hagelsteine hernieder senden, die gleich schwer sind wie die von Menschen geworfenen Steine.

M. Hue sagt in seinen Reisen in der Tartarei: "In diesen traurigen Gegenden hagelt es häufig, und die Hagelkörner sind gewöhnlich außerordentlich groß. Wir haben solche gesehen, die zwölf Pfund wogen. Zuweilen genügt ein Augenblick, um ganze Herden zu vernichten. Bei einem dieser Stürme im Jahre 1843 wurde in der Luft ein Getöse gehört wie das Sausen eines starken Windes. Im nächsten Augenblick fiel auf ein Feld in der Nähe eines Hauses eine Eismasse nieder, die größer war als ein gewöhnlicher Mühlstein. Mit Beilen wurde das Eis in Stücke zerschlagen, und obwohl die Sonne heiß brannte, waren die Eisstücke erst nach drei Tagen gänzlich geschmolzen."

Schon früher war der Hagel eine der Kriegsmaschinen Gottes, der gegenüber der Mensch wehrlos ist (siehe Offb 11:19; 2Mo 9:22-26; Ps 78:47; Ps 105:32; Jos 10:11). Er ist ein Zeichen von Gottes Zorn (siehe Jes 30:30; Hes 13:11).

Kein Wunder, dass die Anbeter des Tieres, welche verstockt sind bis zuletzt, auch über die Maßen lästern werden.

Hiermit schließen die großen Gerichte der sieben Zornschalen, die in Offb 16 berichtet werden. Wir kommen nun zu Offb 17, dem Gericht an der großen Hure.

Lies weiter:
Das sechste Gesicht "auf Erden" 2. Teil - Offb 17