Zufall, Schicksal, Fügung und Führung

Aus Bibelwissen
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Von Daniel Muhl

Diese Begriffe verursachen in uns Menschen viele Fragen und Mutmaßungen. Es gibt wohl kaum jemanden, der hier keine Fragen offen hätte, und praktisch jeder entwickelt seine eigenen Annahmen. Jede Annahme basiert letztlich auf irgendeinem Glauben.

Drei Grundhaltungen

Der Atheist

Der Atheist glaubt, dass wir alle ein Produkt des Zufalls sind und unsere Identität auf die Willkür der Natur zurückzuführen ist. Ob ich ein Mann oder eine Frau bin, hat der Zufall ergeben. Auch konnte ich nicht entscheiden, ob ich als Schweizer oder als Chinese geboren wurde. Der Glaube des Atheisten geht auch davon aus, dass die Entstehung des Lebens auf der Erde ebenfalls reiner Zufall ist. Vielleicht denkt er: „Wenn der Zufall wollte, dass du intelligent, schön und gesund bist, dann hast du die besten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Leben. Ob dein Schicksal am Ende des Lebens dann als positiv bewertet werden kann, hängt von deinen eigenen Anstrengungen und weiteren positiven Zufällen ab. Von Fügung und Führung kann hier keine Rede sein.

Der religiöse Mensch

Religiöse Menschen gehen hingegen davon aus, dass bei der Entstehung des Lebens eine übernatürliche Intelligenz mitgewirkt hat oder maßgeblich daran beteiligt war. Diese schöpferische Intelligenz – die meisten nennen sie Gott – macht auch heute noch ihren Einfluss geltend, d. h. sie wirkt immer noch in das Weltgeschehen hinein. Viele gehen jedoch davon aus, dass der positive Einfluss Gottes auf die Geschöpfe nur soweit wirksam werden kann, wie das Geschöpf es zulässt. Die Folge davon wäre, dass jedes Ereignis aus einer Mischung, zwischen dem Willen Gottes und dem Willen der Geschöpfe entstanden ist. Das würde bedeuten, dass die Ursachen eines jeden Schicksals bei Gott, bei den Geschöpfen oder bei beiden zu finden sind. Schwere Schicksalsschläge die Gott zuließ, werden dann meist mit der Schuld des Betreffenden in Verbindung gebracht. Es entsteht die einfache Gleichung:

Schweres Schicksal = Schwere Schuld

Bei dieser Sichtweise geht man ein stückweit davon aus, dass jeder der „Schmied seines eigenen Glückes ist“. Hier gilt die Schlussfolgerung: „Wer sich dem Einfluss Gottes öffnet und sich bemüht, wird mit einem guten Schicksal beschenkt und er wird von Gott positiv geführt.“

Der Calvinist

Einige Menschen glauben jedoch an die absolute Vorherbestimmung aller Ereignisse. Alles ist Fügung und Führung und „von Gott zugefallen“. Gott ist der Weltenlenker, dem gar nichts entgleitet. Einige interpretieren diesen Glauben so radikal, dass sie die Menschen nur noch als Marionetten sehen, die auf ihr eigenes Schicksal absolut keinen Einfluss mehr ausüben können. Als Schlussfolgerung werden dann folgende Ansichten vertreten:

- Der Mensch hat keine eigene Verantwortung mehr.
- Mit Gebeten können wir den Lauf der Dinge nicht verändern.
- Was wir denken und tun spielt keine Rolle mehr.

Alle drei Sichtweisen haben Auswirkungen auf unser Denken und dadurch auch auf unser Handeln und alle Ansichten können zu falschen Schlussfolgerungen führen.

Mögliche Auswirkungen

Beim Atheisten

Die Auffassung des Atheisten hat letztlich zur Folge, dass jeder mit seinen Möglichkeiten das Optimum aus seinem kurzen Leben herausholen sollte. Hier gilt nicht selten: „Man darf alles, man darf sich nur nicht erwischen lassen! Man muss sich nur für Dinge verantworten, die geahndet werden können, aber ansonsten gilt das Recht des Stärkeren.“ Hier geht es ganz nach dem Motto: „Lasst uns essen und trinken, den morgen sterben wir“ (1Kor 15:32) oder „nach mir die Sintflut“! Weil Joseph Stalin wahrscheinlich davon ausging, dass er nach dem Tod nicht mehr existieren wird und dass er sich auch nie vor einem Schöpfer verantworten muss, konnte er schalten und walten, wie er wollte. Für ihn spielte es absolut keine Rolle, ob er Millionen von eigenen Landsleuten deportierte und umbrachte. Ihn konnte doch niemand mehr zur Rechenschaft ziehen. Er hatte die Macht über ein Großreich und er lebte als Atheist nach dem Motto: „Das Recht gilt für den Stärkeren!“ Diese Verantwortungslosigkeit, die mit dem Atheismus zusammenhängt, hat schon so manchen grausamen Diktator erzeugt. Oder die Konzern- und Bankenchefs, die sich sagen: „Es ist völlig richtig, dass ich 40 Mio Euro im Jahr verdiene, weil ich mich hinaufgearbeitet habe! Was gehen mich die Millionen Hungernden in Somalia an? Auch die Working Poor’s sind doch selber schuld, dass sie nur so wenig verdienen!“ Es ist völlig in Ordnung, dass nur ein kleiner Prozentsatz der Menschheit über 80% des Weltgesamtvermögens verfügt. Atheismus ist nicht selten der Nährboden für unverantwortliches Handeln gegenüber der Menschheit und der Natur!

Beim religiösen Menschen

Der religiöse Mensch erkennt normalerweise eine gewisse Verantwortung vor Gott. Er bemüht sich - so gut es geht – sowohl vor Gott als auch vor den Menschen ein verantwortungsvolles Leben zu führen. Das segensreiche Einwirken Gottes und sein eigenes Bemühen führen dazu, dass sich die Welt zum Guten verändern sollte. Wenn wir uns dem Einwirken Gottes zu wenig öffnen oder wenn wir uns zu wenig bemühen, dann bleibt die Veränderung aus und Gott sind „die Hände gebunden“. Gott versucht zwar den Schaden in der Welt in Grenzen zu halten, aber ohne das „Mitmachen“ des Menschen, kommt es nicht zu der von Gott gewünschten Veränderung. Nur die Güte Gottes und unsere „Anständigkeit“ sowie „Frömmigkeit“ bringen den entscheidenden Durchbruch in der Welt. Aber was passiert, wenn sich die Menschheit nicht wirklich bessert, wie uns das auch die Geschichte lehrt? Können wir dann die Hoffnung auf eine bessere Welt beerdigen? Irgendwie lässt die Ansicht „Gott schafft es, wenn wir nur wollen“, eine große Unsicherheit zurück. Da stellt sich schon die Frage: „Reicht unser Bemühen aus, um unser Schicksal positiv zu verändern? Was machen diejenigen, die erkannt haben, dass sie nicht in der Lage sind, sich so zu bemühen, wie sie das selber wollen?“ Selbst der Apostel Paulus konnte nicht das tun, was er wollte (Röm 7:19). Unsere Anstrengungen reichen offensichtlich nicht aus, um eine bessere Welt zu schaffen; auch dann nicht, wenn die Menschheit in den nächsten Jahren einmal sagen wird: „Friede und Sicherheit!“ (1Thes 5:3). Ebenso finden wir in der Bibel auch keine allgemein gültige Regel „schweres Schicksal = schwere Schuld“. Auch wenn es immer wieder Fälle gibt, die eine große Schuld, ein schweres Schicksal zu Folge hatten (Hab 2:8), so gibt es auch Schicksalsschläge, die nichts mit Schuld zu tun haben (Hiob 1+2). Auch Jesus bestätigt dies in Johannes 9:

  • Joh 9:2-3 - Und seine Jünger fragten ihn und sagten: Rabbi, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, daß er blind geboren wurde? Jesus antwortete: Weder dieser hat gesündigt, noch seine Eltern, sondern damit die Werke Gottes an ihm offenbart würden.

Ein angenehmes Schicksal ist nicht automatisch die Folge von Frömmigkeit und Wohlanständigkeit; genauso wenig lässt sich ein schweres Schicksal immer auf ein Fehlverhalten zurückführen. Wenn ein Leben aus einer Gottergebenheit geführt wird, dann hat das auf jeden Fall positive Auswirkungen auf unser Leben, weil es uns in den wahren Frieden führt, aber es verhindert keine schweren Schicksalsschläge. Jeder gottesfürchtige Mensch in der Bibel, der im Frieden mit Gott starb, erlebte auch sehr schwere Stunden im Laufe seines Lebens. Wer auf die Kombination, Gott und „das Gute im Menschen“ vertraut, wird auch eine Enttäuschung erleben.

Beim Calvinisten

Die dritte Gruppe von Menschen legen die Vorherbestimmung so radikal aus, dass sie zu dem Schluss kommen: „Alles ist von Gott so klar vorherbestimmt, dass unser Denken und Handeln überhaupt keine Rolle mehr spielen!“ Dieser Denkansatz - den wir auch im Calvinismus finden - erzeugt zwangsläufig eine Gleichgültigkeit und Verantwortungslosigkeit. Auch wenn im Wort Gottes von Vorherbestimmung und Auserwählung die Rede ist (Eph 1:5 / 1Kor 1:27), so finden wir doch etliche Stellen, wo der Mensch von Gott zur Verantwortung gezogen wird (Mt 12:36). Auch geht aus dem Gesamtkontext der Bibel ganz klar hervor, dass der Mensch dem Frieden nachjagen soll (Hebr 12:14) und nach Liebe streben soll (1Tim 6:11). Ebenso sollen wir mit Danksagung, Fürbitte und Flehen vor unseren Gott treten (1Tim 2:1). Jesus fordert uns auch auf, in seinem Namen zu bitten (Joh 16:23). Auch der radikale „Calvinismus“ trifft nicht den Kern der Sache und erzeugt die unguten Auswüchse der Gleichgültigkeit und Verantwortungslosigkeit.

Vorherbestimmung oder Eigenwille?

Es scheint, dass alle drei Annahmen in eine Sackgasse führen. Atheismus und Calvinismus erzeugen oft Verantwortungslosigkeit und die Religiosität, die sich auf das gemeinsame Wirken von Mensch und Gott abstützt, bewirken eine große Unsicherheit, weil die Geschichte zeigt, dass der Mensch immer wieder die gleichen Fehler macht. Wenn die Erlösung und das Heil an eine Leistung des Menschen gebunden ist, dann ist die Erreichung des göttlichen Zieles (die vollkommene Liebe in allen) völlig fraglich. An diesem Punkt stellen sich schon Fragen wie: „Gibt es einen Gott, der alles in seinen Händen hält, dem gar nichts entgleitet und gleichzeitig den Eigenwillen des Geschöpfes respektieren kann? Gibt es einen Gott, der uns erlösen kann, auch wenn wir nicht in der Lage sind, das zu tun, was wir tun sollten? Gibt es einen Gott, der nie in Verlegenheit kommt, auch dann nicht, wenn sein Volk ihm dutzende Mal untreu wurde? Gibt es einen Gott, der sogar den Gottlosen rechtfertigen kann (Röm 4:5), obwohl dieser - menschlich gesehen - irreparable Schäden verursachte? Gibt es einen Gott, der in der Lage ist, seine Feinde so zu führen, dass auch sie selbst zu dem Schluss kommen: „Gott ist die Liebe und es gibt nichts Besseres!“

Diesen Gott gibt es! Die Bibel beschreibt uns diesen einmaligen Gott. Weil er auch außerhalb von Raum und Zeit existiert, sah er schon bevor wir existiert haben wie wir denken, handeln und wie wir auf das gnädige Einwirken Gottes reagieren würden. Deshalb vermute ich Folgendes: Auch wenn Gott die Weltgeschichte vorherbestimmt hat, so hat er doch in der Planung der Weltgeschichte unsere Gedanken und Motive – die er vor Erschaffung der Welt gesehen hat - mit einbezogen. Auch wenn Gott in seiner Souveränität, in jedem Fall seine Liebesziele erreicht, so spielen unsere Gedanken und Motive in der heutigen Zeit trotzdem eine Rolle. Unser Weg zum Ziel wird wesentlich beschwerlicher, wenn wir Gedanken des Hasses und der Missgunst pflegen, als wenn wir das Gute suchen und immer wieder die Nächstenliebe praktizieren wollen. Die Liebe zu Gott ist die allerbeste Voraussetzung für unseren Lebensweg. Darum schreibt Paulus:

  • Röm 8:28 - Wir wissen aber, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die nach seinem Vorsatz berufen sind.

Wenn wir Gott lieben, dann ist jeder „Zufall“ etwas, das von Gott zugefallen ist, dann ist jedes schwere Schicksal, ein weiterer Meilenstein, um Gott näher zu kommen, dann ist jedes Erlebnis eine Fügung Gottes, die uns dem Denken Gottes näher bringt, dann werden Begegnungen zu einer Führung Gottes, die uns seine Güte erfahren lassen. Auch wenn wir von Gott eine gewisse Verantwortung bekommen haben, so können wir uns doch nie durch eigene Anstrengung selbst erlösen, wir können uns auch nicht selbst von unserer Schuld befreien oder aus eigener Kraft das Ziel erreichen. Wir sind keine willenlose Marionetten und trotzdem sind wir in allen Teilen von Gott abhängig. Aber was könnte es Schöneres geben, als von der Liebe abhängig zu sein, und zwar so sehr, dass man immer mit ihr verbunden bleibt? Obwohl Gott den Eigenwillen der Geschöpfe respektiert – und dieser führt manchmal zu großen Umwegen – so erreicht er trotzdem sein Ziel, und das lautet, dass er einmal alles in allem sein wird (1Kor 15:28). Es lohnt sich, diesem Gott schon heute sein Leben anzuvertrauen!

Weiterführende Informationen siehe Vorherbestimmung und eigener Wille.