Wesen und Aufgabe des auserwählten Gottesknechtes - Jes 42:1-9

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aus HSA: Verkündiger von Gericht und Heil nach Jesaja (40-66) Bd.2


Wesen und Aufgabe des auserwählten Gottesknechtes - Jes 42:1-9

Eine wichtige Rolle spielt in den Kapiteln Jes 41-53 der Begriff "Knecht Jahwes". Zum Teil wird von ihm in der 3. Person gesprochen (in unserem Text Jes 42:1-4 ebenso wie in Jes 52:13 bis Jes 53:12); andernorts wird er persönlich von Gott angeredet ("Du, mein Knecht...", so in Jes 41:8.9 - Jes 44:1.2 - Jes 44:21 - Jes 49:3). Auch in Jes 43:22-25 und Jes 50:4-9 ist von ihm die Rede, ohne dass das Wort "Knecht" verwendet wird. - In überaus tröstlicher Weise wendet sich der Ewigseiende seinem Knechte zu. Er lässt ihn wissen, dass er ihn erwählt, ergriffen, gerufen hat (Jes 41:8.9), dass er ihn stärkt, ihm hilft, ihn stützt (Jes 41:10, weil er ihn ja auch geschaffen, gebildet und vollends ausgebildet hat: (Jes 42:1- Jes 43:7). Er hat ihn erlöst und bei seinem Namen gerufen (Jes 43:1 - Jes 44:22.23 - Jes 42:1). Er tilgt seine Übertretungen und gibt ihm seinen Geist (Jes 43:25 - Jes 44:22 - Jes 42:1), ja er macht ihn zum Licht für die Nationen (Jes 42:6 - Jes 49:6). Doch neben dem Trost steht auch die Tatsache: Er wird ihn leiden lassen (Jes 53:10; vgl. Jes 50:6).

So wendet sich der Herr auch im Neuen Testament mit tröstendem Zuspruch seiner Gemeinde zu. Auch sie hat er auserwählt und gerufen (berufen). Sie ist sein Werk, seine Schöpfung, sie empfängt von ihm Sündenvergebung, Trost und Hilfe, auch und gerade in Anfechtungen und Leiden (vgl. Eph 1:4 - Eph 1:7 - Eph 2:8-10 - Röm 8:28-30 - 2Kor 1:3-5 - 2Kor 5:17 u.v.a.). Darum dürfen wir als Glaubende in Christus Jesus alle diese Trostworte im Propheten Jesaja auch uns persönlich gesagt sein lassen - auch Jahwes mehrfach betontes "Fürchte dich nicht"!

Doch nun entsteht bei Jesaja die Frage: Wer ist dieser Knecht Jahwes? Das Volk Israel - der Prophet Jesaja selbst - Jesus Christus - vielleicht auch Kyrus? Die Meinungen der Ausleger gehen von Fall zu Fall auseinander. Der heidnische Kyrus dürfte nicht gemeint sein (obwohl ihm in Jes 44:28 und Jes 45:1 großartige Titel beigelegt werden), er wird auch nicht "Knecht Jahwes" genannt. Wer also ist gemeint? - Dem Kommentator Delitzsch gleicht der Begriff "Knecht Jahwes" einer Pyramide, und er schreibt: "Die unterste Basis ist Gesamtisrael, der mittlere Durchschnitt ist das Israel, das es nicht bloss 'nach dem Fleisch', sondern 'nach dem Geiste' ist, die Spitze der Person des aus Israel bestehenden Mittlers des Heils." Mit Letzterem meint er Jesus Christus, über den er auch sagt: "Das in Wahl und Berufung Jahwes wurzelnde, in berufsmäßigem Verhalten und Wirken sich darstellende Gottesknechtswesen Israels konzentriert sich in ihm, dem Einen, als seiner reifsten Frucht. Die auf die ganze Menschheit gerichtete Gnadenabsicht Gottes, welche bei Israels Erwählung obwaltete, kommt durch ihn zur Vollführung." Er sieht also im "Knecht Jahwes" ein Dreifaches: Gesamtisrael - den Gott gehorsamen Teil Israels - den Mittler Jesus Christus. Da aber in der Schau des Neuen Testaments dieser Jesus einen "Leib" besitzt, dessen Herr und Haupt er ist, einen Leib, dessen Glieder an seiner Berufung teilhaben und seine Miterben, Mitleib, Mitherrscher sein dürfen, nachdem sie auch wie er, durch Leiden gingen, dürfen wir den Begriff "Knecht Jahwes" als Viertes auch auf die Glieder des Leibes beziehen (vgl. Eph 1:22.23 - Eph 3:6 - 2Tim 2:12 u.a.).

Blicken wir zunächst auf Israel: Es wurde als Volk von Gott erwählt. Seine Erwählung und Berufung geht bis auf Abraham zurück (Jes 41:8.9 - 1Mo 12:1-3). Es soll als Träger des Heiigen Geistes ein Licht für die Völkerwelt sein (vgl. außer Jes 42:6 und Jes 49:6 auch Jes 12:3-6 und Jes 60:1-3). Doch so, wie viele Jesajaworte erst im Neuen Testament ins helle Licht ihrer Vollerfüllung treten, so zielt auch Jes 42:1-4 zutiefst auf Jesus Christus, wie es das Zitat in Mt 12:17-21 beweist. Auf ihm ruht des Vaters Wohlgefallen (Mt 3:17-21- Mt 17:5) und er besitzt den Geist Gottes in seiner ganzen Fülle (Jes 11:2 - Lk 4:1 - Lk 4:14), ja, alles in Jes 42:1-4 - Jes 42:6.7 Gesagte wird im Vollsinn durch ihn erfüllt; es begann bei seinem ersten Kommen und setzt sich fort nach seiner Wiederkunft.

Welch wunderbare Messias-Charakteristik bietet doch der Vers Jes 41:3 unseres Textes: "Ein geknicktkes Rohr wird er nicht (vollends) zerbrechen und einen (nur noch) matt glimmenden Docht nicht auslöschen." So nimmt sich Jesus der Armen und Elenden in Liebe und Barmherzigkeit an. Dieter Schneider meint: "Israel im Exil ist dieses zerbrochene Rohr und der Docht, der im Verlöschen ist". Jahwe-Jesus nahm sich seiner an. Doch dürfen wir darüber hinaus an die vielen Menschen denken, die wie ein angeknicktes Schilfrohr oder ein nur noch matt glimmender Docht kraftlos und verzagt dahinvegetieren. Der brutale Machtmensch zertritt die Schwachen als "lebensunwertes Leben" und gibt ihnen "den Rest", bläst ihr Lebenslicht vollends aus. Ganz anders Jesus! Auch wer eine gebrochene Biographie aufweist, den kann und will er zurechtbringen, und wo Lebensmut und Zukunftsorientierung am Verlöschen sind, will er das fast Erstorbene zu heller Flamme entfachen. Das geht nicht ohne Glauben. Wo die Bereitschaft dazu vorhanden ist, kann sich die Liebe Jesu an den Geknickten, Gebeugten, Demütigen, Verlorenen rettend und neugestaltend erweisen. - Wer so die Retterliebe Jesu erfahren hat, darf dann auch selber als Glied seines Leibes anderen Geknickten und geistlich Armen ein Helfer werden. - Der Knecht Jahwes selber aber ermattet nicht und knickt auch nicht zusammen, sondern führt das ihm Aufgetragene weltweit durch bis zur Vollendung (Jes 41:4).


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