Vorherbestimmung und eigener Wille

Aus Bibelwissen
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Von Daniel Muhl

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MP3-Vorträge:
- Vorherbestimmung und Sichtweisen (Teil 1)
- Vorherbestimmung und Sichtweisen (Teil 2)
- Der Wille und der Ratschluss Gottes
- Souveräner, freier und eigener Wille (Teil 1))
- Souveräner, freier und eigener Wille (Teil 2))
- Die Entstehung des Willens und der Wille Gottes mit Seinem Volk
- Die Verantwortung der Geschöpfe
- Leib, Seele, Herz und Geist
- Vorherbestimmung und eigener Wille - eine mögliche Auslegung

Inhaltsverzeichnis

Ein Thema, das sehr viele Bereiche tangiert

Einführung

In diesem Thema geht es um nichts Geringeres als die Frage nach der absoluten Allmacht Gottes und der Eigenverantwortung des Geschöpfes. Einerseits sagt uns die Bibel ganz klar, dass Gott alles nach dem Rat Seines Willens wirkt (Eph 1:11), andererseits wird auch immer wieder deutlich, dass das Geschöpf zur Rechenschaft gezogen wird und somit eine gewisse Eigenverantwortung hat.
Über dieses Thema, das ein großes Spannungsfeld beinhaltet, wird seit Jahrhunderten, wenn nicht sogar Jahrtausenden, diskutiert, philosophiert und gestritten, seit je her scheiden sich hier die Geister. Auch Dr. Martin Luther und Erasmus von Rotterdam korrespondierten über die Frage, wie frei der Wille des Menschen sei. Aus diesem Disput entstand der Aufsatz von Luther mit der Überschrift "Vom unfreien Willen". Luther war der festen Überzeugung, dass der Mensch über keinen freien Willen verfügt! Auch Prof. Albert Einstein machte einmal folgende Aussage:

Ich weiß ehrlich nicht, was die Leute meinen, wenn sie von der Freiheit des menschlichen Willens sprechen. Ich habe zum Beispiel das Gefühl, dass ich irgend etwas will; aber was das mit Freiheit zu tun hat, kann ich überhaupt nicht verstehen. Ich spüre, dass ich meine Pfeife anzünden will und tue das auch; aber wie kann ich das mit der Idee der Freiheit verbinden? Was liegt hinter dem Willensakt, dass ich meine Pfeife anzünden will? Ein anderer Willensakt? Schopenhauer hat einmal gesagt: "Der Mensch kann tun was er will; er kann aber nicht wollen was er will."

Ob diese beiden Herren mit ihrer Erkenntnis richtig stehen, will ich an dieser Stelle erst einmal offenlassen.
Das Spannungsfeld zwischen "absoluter Vorherbestimmung aller Dinge" und der "Entscheidungsfreiheit des Geschöpfes" tangiert sehr viele Bereiche des Lebens und der Bibel. Um dem Kern der Sache näher zu kommen ist es von großer Wichtigkeit, dass man möglichst alle Aspekte und Aussagen der Bibel berücksichtigt und entsprechend einordnet. Wer aus Eph 1:11 schließt, dass der Mensch über absolut keinen eigenen Willen verfügt und eigentlich nur eine etwas komplexere Marionette ist, die nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann, hat den Kern der Sache nicht erfasst und widerspricht dem Gesamtzeugnis der Bibel! Wer auf der anderen Seite erklärt, dass Vorherbestimmung und Auserwählung Gottes mit dem Wollen des Menschen verknüpft sind, hat das Ziel ebenso verfehlt. Paulus erklärt den Römern unmissverständlich:

  • Röm 9:11-16 - „Denn als die Kinder (Jakob und Esau) noch nicht geboren waren und weder Gutes noch Böses getan hatten - damit der nach freier Auswahl gefasste Vorsatz Gottes bestehen bliebe, nicht aufgrund von Werken, sondern aufgrund des Berufenden - 12 wurde zu ihr (Rebekka) gesagt: «Der Ältere wird dem Jüngeren dienen»; 13 wie geschrieben steht: «Jakob habe ich geliebt, aber Esau habe ich gehasst.» 14 Was sollen wir nun sagen? Ist etwa Ungerechtigkeit bei Gott? Das sei ferne! 15 Denn er sagt zu Mose: «Ich werde mich erbarmen, wessen ich mich erbarme, und werde Mitleid haben, mit wem ich Mitleid habe.» 16 So liegt es nun nicht an dem Wollenden, auch nicht an dem Laufenden, sondern an dem sich erbarmenden Gott.“

Weil das Spannungsfeld zwischen Vorherbestimmung und eigenem Willen so viele biblische Themen berührt, ist man gezwungen, alles Betreffende näher anzusehen. Dabei wurde mir bei der Vorbereitung dieses Themas immer mehr bewusst, dass die richtige Zuordnung und Gewichtung der Themenbereiche eine ganz große Rolle spielt.

Welche Bereiche tangiert das Thema?

Unser Generalthema beinhaltet eine große Anzahl von Einzelthemen. Jeder Themenbereich muss möglichst gut erfasst werden, indem man diese einzelnen Bereiche studiert, in das Gesamtthema einordnet, analysiert und dem Themenbereich die entsprechende Gewichtung verleiht. Folgende Bereiche müssen für die Erfassung des Gesamtthemas unbedingt mit einbezogen werden (die nachfolgende Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):

  • Der Wille Gottes
  • Der Ratschluss und die Vorherbestimmung Gottes
  • Berufung und Auserwählung
  • Der Wille des Geschöpfes
  • Der Unterschied zwischen eigenem und freiem Willen
  • Die Verantwortung des Menschen
  • Der Leib, die Seele und der Geist
  • Das Herz
  • Der alte und der neue Mensch
  • Die Motive und die Absichten
  • Das Wirken Gottes
  • Der Geist und das Fleisch
  • Das Bewusstsein und das Unterbewusstsein
  • Die Veranlagung
  • Das Wahrnehmen und das Memorieren (das Speichern von Erinnerungen)

Die Bedeutung der verschiedenen Sichtweisen

Das Beispiel des zweidimensionalen Schattens

In der Bibel stoßen wir immer wieder auf Geheimnisse, die unser Denkvermögen vorerst einmal überfordern und uns deshalb als Widersprüche erscheinen. Die meisten von uns kennen einige biblische Aussagen, die irgendwie nicht zusammen zu passen scheinen. Für Bibelkritiker sind diese Stellen immer ein gefundenes Fressen, um zu zeigen, dass die Bibel voller Widersprüche sei und deshalb auch nicht das vollständige Wort Gottes sein kann! Bevor ich in das eigentliche Thema einsteige, möchte ich etwas Grundsätzliches zu den scheinbaren Widersprüchen sagen:

  • Das göttliche Denken ist wie ein dreidimensionales Objekt, das aber von unserem menschlichen Denken nur in zweidimensionalen Bildern bruchstückhaft erfasst werden kann!

Die alttestamentlichen Geschichten und die Gesetze sind wie Schatten (zweidimensionale Flächen), die uns eine Vorstellung über den dreidimensionalen Körper vermitteln. So erklärt uns Paulus:

  • Kol 2:16-17 - So richte euch nun niemand wegen Speise oder Trank oder betreffs eines Festes oder Neumondes oder Sabbats, 17 die ein Schatten der künftigen Dinge sind, der Körper selbst aber ist des Christus.

Und der Hebräerbriefschreiber berichtet:

  • Hebr 8:3-5 - Denn jeder Hohepriester wird eingesetzt, um sowohl Gaben als auch Schlachtopfer darzubringen; daher ist es notwendig, dass auch dieser etwas hat, das er darbringt. 4 Wenn er nun auf Erden wäre, so wäre er nicht einmal Priester, weil die da sind, die nach dem Gesetz die Gaben darbringen 5 - die dem Abbild und Schatten der himmlischen Dinge dienen.
Selbst im natürlichen und sichtbaren Bereich können wir verschiedene Objektumrisse zeigen, bei denen man sich auf den ersten Blick kaum vorstellen kann, dass es sich um ein und denselben Gegenstand handelt.
3 Umrisse - 1 Gegenstand
Ich zeige nun drei Objektumrisse und behaupte gleichzeitig, dass es sich hier um ein und denselben dreidimensionalen Körper handelt.

Wie der dreidimensionale Körper aussieht, werde ich später aufzeigen.
Wie wir bereits gesehen haben, umfasst das Generalthema mehrere Themenbereiche.

Die Betrachtung eines Themenbereiches ist mit dem Studium eines Schattenumrisses zu vergleichen. Damit wir aber eine Ahnung vom Körper selbst erhalten, müssen wir möglichst alle Schattenumrisse studieren. Oder mit anderen Worten: Das Erfassen des Kernbereiches dieses Themas (das in Gott verborgen ist), ist mit dem Erfassen eines dreidimensionalen Körpers zu vergleichen, der aber nur über die Schattenumrisse gesehen werden kann.
Ein rechteckiger Schatten

Wie uns Paulus und der Hebräerbriefschreiber erklärt haben, sind die Ordnungen und Gesetze des AT Schattenbilder der künftigen Dinge. Wer jedoch nur ein Schattenbild anschaut, kann die Beschaffenheit des Körpers nicht richtig interpretieren.
An einem Beispiel aus der dreidimensionalen Welt möchte ich dies verdeutlichen. Dabei müssen wir uns vorstellen, dass wir nur den Schatten sehen und keine Möglichkeit haben, den Körper, der den Schatten wirft, zu erkennen. Einen Körper und einen ersten Schatten sehen wir auf der rechten Seite. Bei diesem ersten Bild sieht der Betrachter nur einen viereckigen Schatten. Wenn er nur diesen einen Schatten anschaut, wird er nie eine Ahnung von der Beschaffenheit des Körpers bekommen. Der Betrachter entwickelt mit dem Anschauen des Schattenbildes auch gleichzeitig eine Vorstellung über das Aussehen des Körpers. Wenn er aber nur diesen einen Schatten sieht, wird seine Vorstellung über diesen Körper immer falsch sein! Vielleicht erklärt er allen anderen was er sieht und meint, die „wahre Erkenntnis“ zu haben.

Ein anderer Betrachter, der den Schatten zu einer anderen Zeit anschaut, sieht ihn so:

Komplexer Schatten

Beide Betrachter sehen einen korrekten Schatten und beide ziehen aus dem Gesehenen ihre Schlüsse. Wenn aber jeder nur ein Schattenbild anschaut, wird er zu wenig über den Körper Auskunft geben können. Damit wir eine Ahnung davon bekommen wie der Körper aussieht, benötigen wir alle Schattenbilder, ansonsten gibt es nur endlose Streitereien über das Aussehen des Körpers!
Ganz praktisch heißt das auch, dass wir die verschiedenen Sichtweisen der Geschwister zu biblischen Fragen viel ernster nehmen sollten. Eine andere Sichtweise kann falsch sein, sie kann aber auch eine Schau von einem anderen Blickwinkel aus sein, der uns eine bessere Gesamtschau über eine geistliche Realität vermittelt. Die logische und praktische Folge ist demnach:

Wenn uns Geschwister eine andere Sicht vermitteln, dann sollten wir sie nicht vorschnell als falsch einstufen.

Würden dies alle Gläubigen beachten, gäbe es über theologische Fragen vmtl. viel weniger Streit. Damit komme ich zur Auflösung unseres ersten Rätsels:
Die Person A sieht den Umriss eines Kreises. Die Person B sieht den Umriss eines Dreiecks und die Person C den Umriss eines Quadrates! Jeder macht sich eine Vorstellung darüber, wie der Körper aussehen könnte. Die drei Vorstellungen gehen aber völlig auseinander und so denkt jeder: „Der andere hat eine völlig falsche Sichtweise!“ Im Prinzip hat jeder eine falsche Vorstellung, wenn er die anderen beiden Umrisse nicht auch mitberücksichtigt!
Zuerst sehen wir den Umriss eines Kreises von oben.

Kreis.jpg

Dann sehen wir den Umriss eines Dreiecks von rechts.

Dreieck.jpg

Hier sehen wir den Umriss eines Quadrates von vorne.

Viereck.jpg

Wenn die Betrachter einander ihre Sichtweise mitteilen erstaunt es nicht, dass es zu Missverständnissen kommt und jeder das Gefühl hat, der andere unterliege einem Irrtum! Nur derjenige, der jede Sichtweise berücksichtigt, kann sich das dreidimensionale Objekt am besten vorstellen. Zum Schluss sehen wir das Objekt aus perspektivischer Sicht:

Perspektive.jpg

In der Betrachtungsweise von göttlichen Zusammenhängen müssen wir ebenfalls lernen, möglichst alle Sichtweisen zu berücksichtigen.

Gerade die scheinbar widersprüchlichen Aussagen unserer Bibel sind nicht selten der Schlüssel für eine neue, göttliche Gesamtschau!

Das Beispiel des Farbenspektrums und des Kreises

Die Fülle des Sonnenlichtes können wir nicht mit bloßem Auge sehen, wir holen uns in der Folge höchstens einen Augenschaden. Sehen wir direkt in eine Lichtquelle, nehmen wir meist eine hell leuchtende, weiße Fläche wahr, aber die Buntfarbigkeit bleibt uns dabei verborgen.
Die Vielfalt der Farbenpracht des Lichtes wird erst deutlich, wenn es durch ein Spektrum zerlegt oder durch ein Prisma gebrochen wird!

Das Farbenspektrum

Im übertragenen Sinn dürfen wir hier das Licht der Welt (Jesus Christus) sehen, das sich am Kreuz auf Golgatha brechen ließ. Dadurch wurde die buntfarbige Weisheit und Liebe Gottes offenbar.

  • Eph 3:8-10 - Mir, dem allergeringsten von allen Heiligen, ist diese Gnade gegeben worden, den Nationen den unausforschlichen Reichtum des Christus zu verkündigen 9 und ans Licht zu bringen, was die Verwaltung des Geheimnisses sei, das von den Zeitaltern her in Gott, der alle Dinge geschaffen hat, verborgen war; 10 damit jetzt den Gewalten und Mächten in der Himmelswelt durch die Gemeinde die mannigfaltige (w. vielfarbige) Weisheit Gottes zu erkennen gegeben werde,

Eine einzelne Aussage der Bibel über die Vorherbestimmung oder den eigenen Willen ist für mich wie ein Farbton innerhalb des gesamten Farbspektrums. Um den Inhalt des Lichtes erkennen zu können, braucht es ein Studium aller Farben.
Mit unserem beschränkten menschlichen Verstand können wir geistliche Realitäten nur langsam und stückweise erfassen, indem wir die verschiedenen Darstellungsweisen der Bibel beachten und vergleichen. Arthur Muhl sagte einmal sinngemäß:

  • „Der Geist Gottes benutzt im Worte Gottes scheinbare Widersprüche, damit wir Menschen einigermaßen an das herankommen, was der göttlichen Realität entspricht!“

Ein Paradebeispiel für einen scheinbaren Widerspruch finden wir in Spr. 26:4-5, den ich anhand eines farbigen Sechseckes verdeutlichen möchte.

Gegensätzlichkeit

Auf den ersten Blick erkennen wir hier einen klaren Widerspruch! Doch der Schreiber dieser Worte war sich dessen bewusst und hat durch den heiligen Geist absichtlich diese beiden Aussagen gemacht, um dem Hörer beide Sichtweisen deutlich zu machen. Nur durch die Beachtung beider Aspekte kann der Hörer das Gesamte in richtiger Weise erfassen. Würde er nur den ersten Teil beachten, wäre ihm der eigene geistliche Fortschritt das Wichtigste und der Zustand des Menschen, der ins Verderben läuft, mehr oder weniger egal.

Die Bibel, also das Wort Gottes, kann auch mit einem Kreis verglichen werden und dabei stellt jede ihrer Aussagen einen kleinen Abschnitt des gesamten Umfanges dar. Wo der Kern oder die Mitte liegen können wir nur dann erahnen, wenn wir den ganzen Umfang kennen. Nun will ich dies anhand einer weiteren Grafik verdeutlichen.

Das bipolare Wort Gottes

Gegenseätzliche Punkte

Wer nicht alle Aussagen des Wortes Gottes beachtet, neigt zur Einseitigkeit und bleibt blind für eine Gesamtschau! Ohne vom Geist bewirkte Korrektur kommt es dann im Endstadium zu einer geistlichen Verirrung!
Weitere gegensätzliche oder gegenpolige Aussagen, die auf den ersten Blick als Widerspruch erscheinen, finden wir hier:

Aussage Scheinbarer Widerspruch
Röm 9:16 - So liegt es nun nicht an dem Wollenden, auch nicht an dem Laufenden, sondern an dem sich erbarmenden Gott. Jes 30:15 - Denn so spricht der Herr, HERR, der Heilige Israels: Durch Umkehr und durch Ruhe werdet ihr gerettet. In Stillsein und in Vertrauen ist eure Stärke. Aber ihr habt nicht gewollt.
Eph 1:11 - Und in ihm haben wir auch ein Erbteil erlangt, die wir vorherbestimmt waren nach dem Vorsatz dessen, der alles nach dem Rat seines Willens wirkt. Offb 20:13 - Und das Meer gab die Toten, die in ihm waren, und der Tod und der Hades gaben die Toten, die in ihnen waren, und sie wurden gerichtet, ein jeder nach seinen Werken.
Röm 4:6-7 - wie auch David die Seligpreisung des Menschen ausspricht, dem Gott Gerechtigkeit ohne Werke zurechnet: 7 "Glückselig die, deren Gesetzlosigkeiten vergeben und deren Sünden bedeckt sind!" 1Tim 6:17-18 - Den Reichen in dem gegenwärtigen Zeitlauf gebiete, nicht hochmütig zu sein, noch auf die Ungewissheit des Reichtums Hoffnung zu setzen - sondern auf Gott, der uns alles reichlich darreicht zum Genuss - 18 Gutes zu tun, reich zu sein in guten Werken, freigebig zu sein, mitteilsam.
Röm 3:28 - Denn wir urteilen, dass der Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne Gesetzeswerke. Jak 2:20 - Willst du aber erkennen, du eitler Mensch, dass der Glaube ohne die Werke nutzlos ist?
Hebr 4:10 - Denn wer in seine Ruhe eingegangen ist, der ist auch zur Ruhe gelangt von seinen Werken wie Gott von seinen eigenen. Gal 6:4 - Ein jeder aber prüfe sein eigenes Werk, und dann wird er nur im Blick auf sich selbst Ruhm haben und nicht im Blick auf den anderen;

Als Jesus von Satan versucht wurde, benutzte der Versucher "Bibelworte", um damit den Sohn Gottes zu Fall zu bringen. Nur weil Jesus eine göttliche Gesamtschau hatte, konnte Er auch in richtiger Weise erwidern: "Wiederum steht geschrieben" (Mt 4:7). Wer nicht das ganze Wort Gottes beachtet, steht in der Gefahr, von Satan - durch die theologisch entstandene "Einseitigkeit" - in die Irre geleitet zu werden.

Der Wille und der Ratschluss Gottes

Die zwei Bereiche des Willens Gottes

Wir wollen zwei Bereiche unterscheiden: den geoffenbarten den geheimen Willen Gottes. Vorherbestimmung und Auserwählung gehören eindeutig zum geheimen Willen Gottes. Wer auserwählt ist und wer nicht, können wir erst dann vermuten, wenn eine mögliche Auserwählung durch das Bekenntnis sichtbar geworden ist. Als Saulus von Tarsus der Steinigung des Stephanus beipflichtete (Apg 22:20), ahnte vmtl. kein einziges Geschöpf, dass dieser Saulus das auserwählte Werkzeug für die Verkündigung des Evangeliums sein würde.

Der geoffenbarte Wille Gottes

Alle offensichtlichen Willensbekundungen in der Bibel entsprechen dem geoffenbarten Willen Gottes. Alle Gebote und Ordnungen gehören dazu. Die zehn älteren Brüder Josephs wussten durch ihr schlechtes Gewissen, dass der Verkauf des eigenen Bruders als Sklave nicht dem offensichtlichen Willen Gottes entsprach! Sie spürten, dass dies ein Vergehen, ja, eine große Sünde war:

  • ELB 1Mo 42:21 - Da sagten sie einer zum anderen: Fürwahr, wir sind schuldbeladen wegen unseres Bruders, dessen Seelenangst wir sahen, als er uns um Gnade anflehte, wir aber nicht hörten. Darum ist diese Not über uns gekommen.

Es war nicht der geoffenbarte Wille Gottes, dass die Brüder Joseph verkauften! In den Augen Gottes war es eindeutig eine Sünde, die Er verurteilte. Aber das Geschehen entsprach Seinem geheimen Willen, weil dadurch jeder einzelne Beteiligte in eine Lebensschule und einen Lernprozess hineinkam, der am Ende zum Guten führte. Joseph brauchte den Prozess der Demütigung, er musste aus der Stellung des wohlbehüteten und verwöhnten Sohnes herausgeführt werden, um ein weiser Herrscher zu werden. Die Brüder mussten durch ihre eigene Lebensführung erkennen, wohin der Neid führte und was für einen unsagbaren Schmerz sie ihrem Vater zugefügt hatten. Jakob musste lernen, seinen Sohn loszulassen und sich nicht an ihn zu hängen. Jakob stand vielleicht in der Gefahr, Joseph mehr zu ehren als Gott, wie dies bei Eli geschah (1Sam 2:29). Gott hat Joseph, Jakob und die zehn Brüder durch die große Sünde in Lernprozesse gestellt, die für alle wichtig waren. Durch diese Prozesse wurde z. B. aus Juda ein Mann, der für seinen Bruder in den Riss trat und aus Liebe zu seinem Vater seine eigenen Bedürfnisse zurückstellen konnte.

Der geheime Wille Gottes

Der Verlauf der Geschichte Josephs war vorherbestimmt. Es entsprach dem Willen Gottes, dass Joseph von seinen Brüdern verkauft wurde, nach Ägypten kam und dort der zweite Herrscher wurde - das war allerdings Sein verborgener und geheimer Wille! Dies wird auch in folgenden Stellen deutlich:

  • 1Mo 45:5 - Und nun seid nicht bekümmert, und werdet nicht zornig auf euch selbst, dass ihr mich hierher verkauft habt! Denn zur Erhaltung des Lebens hat Gott mich vor euch her gesandt.
  • ELB 1Mo 50:20 - Ihr zwar, ihr hattet Böses gegen mich beabsichtigt; Gott aber hatte beabsichtigt, es zum Guten zu wenden, damit er tue, wie es an diesem Tag ist, ein großes Volk am Leben zu erhalten.


An dieser Stelle sehen wir, wie Gott in Seiner Weisheit sogar die Möglichkeit hat, den eigenen, bösen Willen der Menschen so in Seinen Heilsplan zu integrieren, dass am Ende alles zum Guten gewendet werden kann! Auch hier gilt:

  • ELB Jer 30:24 - Nicht wendet sich die Glut des Zornes des HERRN, bis er getan und bis er ausgeführt hat die Pläne seines Herzens. Am Ende der Tage werdet ihr das verstehen.

Die Geschichte des verlorenen Sohnes zeigt uns zuerst einmal einen egoistischen Sohn, der sich nicht um die Ratschläge und Gebote des Vaters kümmert und deshalb in die Welt zieht und einen Teil des Vermögens des Vaters mit den Huren verprasst (Lk 15:30). Sein Handeln widerspricht dem geoffenbarten Willen des Vaters und Gottes. Doch Gott gebraucht seinen Umweg, um ihn nach Hause zu führen und durch die Heimkehr erkannte der verlorene Sohn das Herz des Vaters, das voller Gnade und Erbarmen war. Der Zuhausegebliebene Sohn hat zwar nie ein Gebot des Vaters übertreten (Lk 15:29), aber er hat das Herz des Vaters noch nicht verstanden.
Ebenso entsprach es nicht dem geoffenbarten Willen Gottes, dass eine Frau Ehebruch beging. Trotzdem geschah es – aus was für Gründen auch immer – und sie wurde dabei ertappt! Ihr drohte die Steinigung und sie erlebte den unheimlichen Stress des bevorstehenden Todes. Jesus rettete sie aus dieser aussichtslosen Lage und sie erkannte seine Liebe und Barmherzigkeit. Dieser ganze Ablauf entspricht dem geheimen Willen Gottes. Gott benutzt das egoistische und ungehorsame Denken des Menschen, um Seine Barmherzigkeit zu offenbaren. Dies bestätigt auch der Apostel Paulus, indem er schreibt:

  • Röm 11:32 - Denn Gott hat alle zusammen in den Ungehorsam eingeschlossen, damit er sich aller erbarmt.

Aus dieser Erkenntnis könnte man aber einen sehr gefährlichen Schluss ziehen: „Lasst uns egoistisch und ungehorsam handeln, damit wir danach auch die Barmherzigkeit Gottes erleben können!“ Wer solche Schlüsse zieht, steht in der Gefahr, in ein sehr schweres Erziehungsleiden hineinzukommen und auch für die Buße keinen Raum mehr zu finden (Hebr 12:17).
Die Tatsache, dass Gott das Törichte der Welt auserwählt hat, gehörte lange Zeit zum geheimen Willen Gottes! Auch wenn wir es heute in der Bibel nachlesen können, so ist diese Tatsache auch heute noch vielen Menschen völlig verborgen. Nur wenige wissen, dass Gott das Schwache auserwählt hat! Für die Gläubigen ist es eigentlich erst seit dem 1. Korintherbrief so richtig offenbar!

  • ELB 1Kor 1:27 - sondern das Törichte der Welt hat Gott auserwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und das Schwache der Welt hat Gott auserwählt, damit er das Starke zuschanden mache.

Wenn Gott etwas "nicht gewollt" hat und es dennoch geschah

Eine ganz erstaunliche Aussage finden wir im Hebräerbrief:

  • ELB Hebr 10:8 - Vorher sagt er: «Schlachtopfer und Opfergaben und Brandopfer und Sündopfer hast du nicht gewollt, auch kein Wohlgefallen daran gefunden» - die doch nach dem Gesetz dargebracht werden –

Dieser Text bezieht sich auf zwei Aussagen Davids:

  • Ps 51:18 - Denn du hast keine Lust am Schlachtopfer, sonst gäbe ich es; Brandopfer gefällt dir nicht.
  • ELB Ps 40:7 - An Schlacht- und Speisopfern hattest du kein Gefallen, Ohren hast du mir gegraben; Brand- und Sündopfer hast du nicht gefordert.

Auch hier sehen wir, dass Gott gewisse Dinge offensichtlich nicht will, sie aber trotzdem zulässt, weil Er damit Seine geheimen Ziele erreicht. Es war nicht der offensichtliche oder geoffenbarte Wille Gottes, dass Hiob alles weggenommen wurde und er über längere Zeit unter schweren Schmerzen zu leiden hatte. Gott sagte nicht zu Satan: „Ich will, dass Du Hiob alles wegnimmst!“ Die bösen Anträge Satans wurden von Gott bewilligt und zugelassen. Sie kamen deshalb zustande, weil sie Seinem geheimen Willen entsprachen und Er damit Seine verborgenen Ziele erreichte.
Ebenso hat Gott zu den Juden und Römern nicht gesagt: „Kreuziget meinen Sohn!“ Diese Forderung kam aus den bösen Herzen der Geschöpfe. Die Kreuzigung des Gottessohnes war eigentlich die allergrößte Sünde im gesamten Kosmos! Und gerade aus dieser unvorstellbaren Sünde hat Gott den größten Sieg aller Zeiten bewirkt. So lesen wir auch in Apg 2:23:

  • diesen Mann, der nach dem bestimmten Ratschluss und nach Vorkenntnis Gottes hingegeben worden ist, habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen an das Kreuz geschlagen und umgebracht.

Hier ist von einer Vorkenntnis Gottes die Rede. Sie zeigt uns das Vorherwissen Gottes und macht deutlich, dass Er dies alles in Seine Gesamtplanung mit einbezogen hatte. Das Schlachtopfer Seines Sohnes war der geheime und nicht der geoffenbarte Wille Gottes, denn das Lamm Gottes wurde von Grundlegung der Welt (w. Herabwurf des Kosmos) an geschlachtet (Offb 13:8).
Aus allen diesen Gegebenheiten dürfen wir schließen, dass alles, was geschieht, letztlich dem geheimen Willen Gottes entspricht. Denn auch Jesus sagt:

  • ELB Mt 10:29 - Werden nicht zwei Sperlinge für ein paar Pfennige verkauft? Und nicht einer von ihnen wird auf die Erde fallen ohne euren Vater.

Ohne die Zulassung Gottes fällt kein einziger Sperling auf die Erde! So geschieht auch den Menschen gar nichts ohne die Zulassung Gottes. Für diejenigen, die Gott lieben, gilt sogar, dass ihnen alle Dinge zum Guten zusammenwirken müssen (Röm 8:28).

Wenn Gott liebt und "hasst"

Eine etwas befremdliche Stelle begegnet uns in:

  • Röm 9:12b – 13 - wurde zu ihr gesagt: «Der Ältere wird dem Jüngeren dienen»; 13 wie geschrieben steht: «Jakob habe ich geliebt, aber Esau habe ich gehasst.»

Bevor ich näher auf diese Unterscheidung eingehen möchte, will ich noch etwas zum „Hassen“ Gottes sagen. Wenn Gott hasst, dann darf das nicht mit der menschlichen Vorstellung von "Hassen" gleichgesetzt werden. Göttliches "Hassen" ist ein Zurückstellen oder ein An-die-zweite-Stelle-setzen. Besonders deutlich kommt das in Lk 14:26 zum Ausdruck:

  • "Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und die Mutter und die Frau und die Kinder und die Brüder und die Schwestern, dazu aber auch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein;"

Dass man Vater und Mutter nicht im menschlichen Sinne hassen soll, ist jedoch auch ganz klar, denn es heißt in Mt 19:19 auch:

  • "Ehre den Vater und die Mutter; und: du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!"

Offensichtlich hat Auserwählung und Vorherbestimmung auch etwas mit dem „Lieben“ und „Hassen“ Gottes zu tun. Hat Gott Jakob auserwählt, weil Er ihn geliebt hat oder hat Gott Jakob geliebt, weil Er ihn auserwählt hat - oder gilt gar beides zusammen? Je nach Auslegung ergeben sich andere Motive für die Auserwählung oder für die Liebe Gottes.
Sollte Gott Jakob auserwählt haben, weil Er ihn geliebt hat, dann stellt sich die Frage: „Warum hat Gott Jakob geliebt und Esau zurückgestellt?“ Am Wollen und am Laufen (Wandeln) konnte es nicht gelegen haben, weil Paulus dies im gleichen Kapitel ausgeschlossen hat (Röm 9:16). Über die Motive Gottes können wir nur spekulieren. Eine Möglichkeit wäre die Tatsache, dass Esau das Erstgeburtsrecht geringachtete und Gott das im Voraus gesehen hat. Diese vorausschauende Feststellung führte dann dazu, dass Esau von Gott gehasst oder zurückgestellt wurde. Wenn wir dies aber so sehen, dann hätte das „Wollen“ trotzdem eine Rolle gespielt! Esau war das Erstgeburtsrecht egal (1Mo 25:32-34), während Jakob das Erstgeburtsrecht unbedingt haben wollte. Doch das Wollen war gemäß Paulus nicht das Entscheidende!
Vielleicht sah Gott im Voraus, dass Jakob zu den Törichten dieser Welt gehörte (1Kor 1:27) und hat ihn deshalb auserwählt, zuerst geliebt und sein Leben so geführt, dass er eine große Sehnsucht nach dem Erstgeburtsrecht empfand. Tatsache ist auf jeden Fall, dass die von Gott Geliebten beizeiten gezüchtigt werden (Spr 3:12), während Gott bei den von Ihm „Gehassten“ die Rute spart (Spr 13:24). Vielleicht entstand das Verlangen nach dem Erstgeburtsrecht durch die Züchtigung Gottes im Leben Jakobs. Gezüchtigt wurde er, weil er von Gott geliebt war - und das auf Grund seiner Auserwählung, die wiederum deshalb erfolgte, weil er zu den Schwachen und Törichten dieser Welt gehörte. Das Wollen des Jakob war nicht das entscheidende Kriterium für die Auserwählung!
Diese Interpretation schildert aber nur eine mögliche Auslegung für ein Motiv Gottes in Bezug auf die Auserwählung. Letztlich dürften uns Seine Motive verborgen sein. Auf jeden Fall hängen Auserwählung und Liebe Gottes eng zusammen!

Der Ratschluss und die Vorherbestimmung Gottes

Wie wir bereits festgestellt haben, spielt das Wollen, das Laufen oder das Bemühen eines Menschen bei der Auswahl Gottes keine Rolle. Gott bestimmt die Auserwählung und infolge dessen hat Er Seinen Vorsatz gefasst. Oder aber Er hat Seinen Vorsatz gefasst und daraufhin die Auserwählung festgelegt. In Röm 9:11 lesen wir wörtlich:

  • „auf dass gemäß Auserwählung der Vorsatz des Gottes bleibe.“

Infolge der Auserwählung sollte der Vorsatz Gottes bleiben. Ausschlaggebend für die Auserwählung war das Erbarmen Gottes:

  • Röm 9:16 - „So liegt es nun nicht an dem Wollenden, auch nicht an dem Laufenden, sondern an dem sich erbarmenden Gott.“

Noch einmal die Frage: „Hat Gott im Voraus geschaut, wie ernst und ehrlich wir es meinen und deshalb die Auserwählung bestimmt? Wäre für unsere Auserwählung unser Meinen, Wollen oder unser Laufen ausschlaggebend gewesen, dann hätten wir etwas zu rühmen. Dies wird von Paulus aber ganz klar ausgeschlossen:

  • 1Kor 1:28-29 - „und das Unedle der Welt und das Verachtete hat Gott auserwählt, und das, was nicht ist, auf dass er das, was ist, zunichtemache, 29 damit sich vor Gott kein Fleisch rühme.“

Weil die Glieder am Leib des Christus’, die Unedlen und Verachteten in dieser Welt sind, hat Gott sie auserwählt. Und weil sie auserwählt sind, sind sie auch vorherbestimmt, in Christus ein Erbteil zu erlangen. Deshalb schreibt Paulus:

  • Eph 1:11 - Und in ihm haben wir auch ein Erbteil erlangt, die wir vorherbestimmt waren nach dem Vorsatz dessen, der alles nach dem Rat seines Willens wirkt.

Einige Ausleger sind der Überzeugung, dass die Glieder des Leibes Jesu bereits vor Grundlegung der Welt zu Christus gehörten und als Letzte aus dem Christus herauskamen. Sollte diese Auslegung zutreffen, würde dies auch bedeuten, dass Gott die Glieder des Leibes Jesu in einen unedlen, schwachen, törichten und verachteten Zustand hineingestellt hat. Dieser Zustand (vmtl. Leib und Seele), wäre dann ein Teil der Züchtigung, weil die Glieder unter diesem Zustand auch zu leiden haben.
Der Ratschluss Gottes ist nicht veränderbar, er ist nicht versetzbar und deshalb auch unwandelbar.

  • Hebr 6:17-19 - Deshalb hat sich Gott, da er den Erben der Verheißung die Unwandelbarkeit seines Ratschlusses noch viel deutlicher beweisen wollte, mit einem Eid verbürgt, 18 damit wir durch zwei unveränderliche Dinge, bei denen Gott doch unmöglich lügen kann, einen starken Trost hätten, die wir unsere Zuflucht dazu genommen haben, die vorhandene Hoffnung zu ergreifen. 19 Diese haben wir als einen sicheren und festen Anker der Seele, der in das Innere des Vorhangs hineinreicht,

Der geheime Wille Gottes ist meiner Ansicht nach, ein Bestandteil des Ratschlusses Gottes und wird in jedem Fall zustande kommen!
Es gibt sogar Fälle in der Bibel, wo der Ratschluss Gottes und somit auch Sein geheimer Wille Seinem ersten Ansinnen und Seinen geäußerten Absichten widerspricht. So entsprach es z. B. nicht dem Ratschluss Gottes, das ganze Volk Israel in der Wüste zu vernichten, obwohl Er dies Mose sagte:

  • 2Mo 32:9-10 - Weiter sagte der HERR zu Mose: Ich habe dieses Volk gesehen, und siehe, es ist ein halsstarriges Volk. 10 Und nun lass mich, damit mein Zorn gegen sie entbrenne und ich sie vernichte, dich aber will ich zu einer großen Nation machen.

Die vollständige Vernichtung des Volkes Israel entsprach nicht dem geheimen Willen Gottes, obwohl Er diese Absicht vor Mose geäußert hat. Mit anderen Worten, wenn Gott sagt "lass mich", bedeutet das nicht auch zwingend, dass diese Absicht dem unabänderlichen Willen Gottes entspricht. Sein geheimer Wille, Sein Ratschluss könnte auch anders aussehen!

Das Wirken Gottes

Wenn wir über das Wirken Gottes nachdenken und folgende Stelle lesen, dann stellt sich natürlich die Frage, welche Bedeutung unser Wille überhaupt noch hat:

  • Phil 2:12-13 - Daher, meine Geliebten, wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht nur wie in meiner Gegenwart, sondern jetzt noch viel mehr in meiner Abwesenheit, bewirkt euer Heil mit Furcht und Zittern! 13 Denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das ’’’Wollen’’’ als auch das ’’’Wirken’’’ zu seinem Wohlgefallen.

Wenn Gott sogar das Wollen in uns bewirkt, was erwartet Er dann noch von uns? Was erwartet Gott von mir als Mensch? Was soll mein Herz tun? Welche Aufgabe hat dann meine Seele?
Diese Fragen können wir nur dann beantworten, wenn wir die Aufgaben und Funktionen unseres neuen, inwendigen Menschen, unseres Geistes, unseres Herzens und unserer Seele kennen. Diese Zusammenhänge werden weiter unten erläutert!

Der Wille des Schöpfers und der Geschöpfe

Welcher Wille?

Wie bereits erwähnt, war Dr. Martin Luther ganz fest davon überzeugt, dass der Mensch über keinen freien Willen verfügt. Erasmus von Rotterdam ließ diese Frage zum Teil offen und sagte sinngemäß, dass der Mensch über diese Dinge keine Gewissheit haben kann; er bezeichnete sogar die Meinung vom „unfreien Willen“ als „unfromm, neugierig und überflüssig“! Luther entgegnete:

„Es ist nicht unfromm, neugierig oder überflüssig, sondern ganz besonders heilsam und notwendig für den Christen zu wissen, ob der eigene Wille etwas oder gar nichts tun kann in den Dingen, die zum Heil gehören!“ (Quelle: „Vom unfreien Willen“ von Martin Luther)

Für Erasmus war die persönliche Entscheidung für Gott eine ganz zentrale Angelegenheit. Durch die Ausführungen Luthers, bestand für ihn vermutlich die Gefahr, dass die Menschen die wichtigste Entscheidung ihres Lebens beiseiteschoben und sich sagten: „Da es nicht auf meine Entscheidung ankommt, brauche ich mich auch nicht für Gott zu entscheiden!“ Irgendwie war ja auch klar: Wer sich nicht für, sondern gegen Gott entscheidet, geht verloren. Jesus sagte ja auch folgenden Satz:

  • Lk 11:23 - Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich; und wer nicht mit mir sammelt, zerstreut.

So ähnlich mag auch Erasmus gedacht haben. Die logische Schlussfolgerung wäre dann: „Wer in der persönlichen Entscheidung für Jesus Christus nur eine von Gott ferngesteuerte Entscheidung sieht, macht den Menschen einfach zu einer Marionette, die unmöglich als schuldfähig bezeichnet werden kann!“ Wenn eine Holzmarionette den Schalter einer Bombe betätigt, dann kommt keiner auf die Idee, dieser Marionette die Schuld der zerstörerischen Explosion in die Schuhe zu schieben. Jeder würde sagen: „Schuld hat der, der die Marionette betätigt hat!“ Vielleicht dachte Erasmus: „Wenn der Wille des Menschen total unfrei ist, dann kann man den Menschen auch für gar nichts mehr zur Verantwortung ziehen und dann sind auch jegliche Aufrufe, sich für Gott zu entscheiden, überflüssig!“ Deshalb galt für ihn jeder Gedanke, der dem Menschen die persönliche Verantwortung entzog, als unfromm! Erasmus bezeichnete die Sichtweise Luthers vielleicht auch deshalb als neugierig, weil sie für ihn neu war und er Luther als „gierig nach Neuem“ empfand. Auch können wir das Planen und Handeln Gottes mit unserem beschränkten Verstand nie ganz begreifen und deshalb waren die Lehrmeinungen Luthers völlig überflüssig.
Irgendwie kann man vor diesem Hintergrund die Aussage von Erasmus verstehen. Aber können wir auch die Sichtweise Luthers verstehen? Warum war für ihn die Tatsache, dass der Mensch einen „unfreien Willen“ hat, so fundamental wichtig?
Er schaute die Sache von einer ganz anderen Seite an. Für ihn wurde eine göttliche Tatsache ganz groß: Der Mensch wird allein aus Gnade gerettet und nicht, weil er so willensstark ist! Wenn die eigene Entscheidung, für die Rettung des Menschen ausschlaggebend wäre, dann könnte sich der Mensch vor Gott rühmen und das war für Luther schlichtweg unmöglich! Durch sein Studium des Römerbriefes wurde ihm ganz klar, dass nicht die Bemühungen der Menschen und auch nicht der Ablass oder das Kasteien des eigenen Körpers zur Erlösung führt, sondern einzig und allein das Wirken Gottes auf Golgatha! Könnte ein Mensch aus sich selbst heraus, sich, ganz ohne Einwirken des Heiligen Geistes, für Gott entscheiden, dann hätte er etwas zum Rühmen. Wer aber die Briefe des Apostels Paulus studiert hat, weiß ganz genau, dass sich vor Gott niemand rühmen kann (Röm 4:2 / 1Kor 1:29).
Für Martin Luther war fundamental wichtig: „Allein aus Gnade und allein aus Glauben!“ Nur durch den Glauben rechnet uns Gott die Gerechtigkeit an (Röm 1:17 / Hab 2:4). Aber auch der Glaube selbst ist ein Geschenk:

  • Eph 2:8 - Denn aus Gnade seid ihr errettet durch Glauben, und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es.

Wenn selbst der Glaube ein Geschenk Gottes ist, was können wir dann noch tun? Können wir uns denn nicht für oder gegen Gott entscheiden? Da Luther felsenfest davon überzeugt war, dass wir für unsere Rettung gar nichts dazutun können, zog er auch den Schluss, dass der Mensch über keinen freien Willen verfügt. An dieser Stelle muss ich auch sagen, dass mir nicht bekannt ist, ob Luther zwischen dem freien und dem eigenen Willen einen Unterschied machte. Hier sehe ich einen wesentlichen Unterschied, auf den ich nachher noch näher eingehen möchte.
Noch einmal die Frage: „Kann sich ein Mensch ohne den Heiligen Geist für Gott entscheiden? Kann er sich für eine absolut bedingungslose Liebe entscheiden und auch dabeibleiben, wenn er alles verliert?“ Ich glaube nicht. Allerdings glaube ich auch, dass ein Mensch sich für Gott entscheiden kann, wenn er darin einen Vorteil für sich erkennt. Den Aspekt der eigenen Entscheidung wird uns im Gleichnis der vier verschiedenen Böden deutlich gemacht:

  • Mk 4:15-20 - Die an dem Weg aber sind die, bei denen das Wort gesät wird und, wenn sie es hören, sogleich der Satan kommt und das Wort wegnimmt, das in sie hineingesät worden ist. 20 Und ebenso sind die, die auf das Steinige gesät werden, die, wenn sie das Wort hören, es sogleich mit Freuden aufnehmen, 17 und sie haben keine Wurzel in sich, sondern sind [Menschen] des Augenblicks; wenn nachher Bedrängnis oder Verfolgung um des Wortes willen entsteht, ärgern sie sich sogleich. 18 Und andere sind die unter die Dornen Gesäten, es sind die, die das Wort gehört haben, 19 und die Sorgen der Zeit und der Betrug des Reichtums und die Begierden nach den übrigen Dingen kommen hinein und ersticken das Wort, und es bringt keine Frucht. 20 Und die auf die gute Erde Gesäten sind jene, die das Wort hören und aufnehmen und Frucht bringen: eines dreißig- und eines sechzig- und eines hundert[fach].

Hier sehen wir also vier unterschiedliche Gruppen, die mit dem Wort Gottes unterschiedlich umgehen:

  1. Die erste Gruppe kann das Wort Gottes gar nicht aufnehmen und sich auch nicht für Gott entscheiden, da ihre Herzen so hart wie eine Strasse sind. Diese Gruppe scheint verhärtete Herzen zu haben, Herzen, die sich gegenüber dem Reden Gottes verschlossen haben. Sie verstehen die Worte Gottes nicht und sie interessieren sich nicht dafür! Da ist es für den Bösen ein Leichtes, das Wort Gottes sofort wieder zu entfernen!
  2. Bei der zweiten Gruppe, wo das Wort auf das Steinige fällt, nehmen die Menschen das Wort mit Freuden auf, weil sie darin vmtl. einen persönlichen Vorteil erkannt haben. Das Evangelium klingt schön und es gefällt den Leuten, wenn man nur die Vorteile des Gläubig-werdens sieht. Doch die Nebenwirkungen bei einer Entscheidung für Gott, wie z. B. die Verfolgung, lassen die Vorteile in diesem menschlichen Leben verblassen. Weil der Same auf Steiniges gefallen ist, findet er keine Nahrung und die Pflanze kann nicht wachsen. Ihre Entscheidung für Gott basiert nicht auf der Liebe zu Gott, sondern auf dem Nutzen in dieser Welt und auf der Erwartung, dass Gott von jetzt an, möglichst alle Probleme des Lebens beseitigen wird. Das Wort Gottes findet keinen Platz mehr, wenn der Glaube Probleme verursacht.
  3. Bei der dritten Gruppe, wo das Wort unter die Dornen fällt, kann sich das Wort Gottes nicht entfalten, weil andere Dinge im Leben eine höhere Priorität haben. Die Pflanze hat keinen Platz für das Wachstum und wird verdrängt und erstickt. Die Sorge in dieser Lebenszeit nimmt im Herzen so viel Raum ein, dass die Worte Gottes im Herzen kaum Raum finden und sich deshalb auch nicht auswirken können. Das Gleiche gilt für den Betrug des Reichtums und der Begierde. Sorge, Reichtum und Begierde hängen unmittelbar zusammen, weil die Menschen in der Befriedigung ihrer Begierde eine Lebenserfüllung sehen und das ist ein großer Betrug Satans. Die Befriedigung der Begierde kann durch Reichtum erreicht werden und damit man den Reichtum nicht verliert, breiten sich im Leben ganz viele Sorgen aus! Das Herz ist total belegt, so dass die Worte Gottes keinen Raum finden.
  4. Bei der vierten Gruppe fällt das Wort auf guten Boden. Der Same fällt tief hinein, verbindet sich mit Humus, bekommt Wasser und Nährstoffe, hat Platz und kann sich entfalten, weil er nicht von anderen Dingen verdrängt wird. Für das Wort Gottes wurde im menschlichen Herzen Platz geschaffen, so dass das Wort Gottes Raum findet und sich ausbreiten kann. Gottes Wort verbindet sich mit dem Herzen. Das Wort wird für das Herz das Wichtigste. Nicht der Reichtum oder die Angst, etwas zu verlieren ist das Wichtigste, sondern die Worte Gottes.

Bei der zweiten Gruppe erkennen wir vordergründig eine Entscheidung für Gott und ich gehe jetzt einmal davon aus, dass diese Entscheidung aus dem eigenen Willen entstanden ist, bei dem die Leute auch der Meinung sind, dass sie aus eigener Kraft Gott treu bleiben können und dann entsprechend Anspruch auf einen Lohn haben. Der eigene Wille und die eigene Kraft reichen aber für eine bleibende Treue nicht aus. Ein selbstgeführtes frommes Leben, das auf die Leitung des Heiligen Geistes verzichtet, wird keinen Bestand haben. Nur ein Mensch, der unter dem Zufluss des Heiligen Geistes steht und sich dadurch immer beschenken lässt, wird das Ziel erreichen können. Der eigene Wille ist für die Erreichung des göttlichen Zieles absolut untauglich!
Damit bleibt noch die Frage, was den „die gute Erde“ ist und inwiefern der eigene Wille hier überhaupt eine Rolle spielt? Damit wir der Antwort etwas näherkommen können, möchte ich den Begriff „Wille“ unter verschiedenen Aspekten beleuchten. Ich unterscheide zurzeit drei Willen:

  1. Der souveräne Wille
  2. Der freie Wille
  3. Der eigene Wille

Nachfolgend möchte ich diese drei unterschiedliche Willen definieren, damit überhaupt darüber diskutiert werden kann, wer über welchen Willen verfügt! Zwar spricht Luther in seinem Aufsatz auch über den eigenen Willen; aber er meinte damit wahrscheinlich den freien Willen. Meines Wissens hat er die oben genannte Unterscheidung gar nicht gemacht. Ich gehe aber davon aus, dass er in der Regel an den freien Willen dachte, da er schwergewichtig vom „unfreien Willen“ schrieb.

Der souveräne Wille

Als Souverän bezeichnet man eine Macht, die absolut und unteilbar ist (Quelle: Wikipedia). Auch wenn nach Aussage von Wikipedia der König oder der Kaiser als souverän bezeichnet wird, so sehe ich eindeutig nur beim allmächtigen Gott einen souveränen Willen! Nur Gott selbst ist in der Lage, auch alles zu tun, was Er will. Dass Könige und Kaiser längst nicht alles tun konnten, was sie wollten, hat die Geschichte schon längst gezeigt! Ausnahmslos alle Geschöpfe sind verschiedenen Gesetzen und Bestimmungen unterworfen, so dass sie nur einen beschränkten Bewegungsspielraum haben. Der souveräne Wille Gottes kommt in den folgenden Stellen ganz klar zum Ausdruck:

  • ELB Dan 4:32 - Und alle Bewohner der Erde sind wie nichts gerechnet, und nach seinem Willen verfährt er mit dem Heer des Himmels und den Bewohnern der Erde. Und da ist niemand, der seiner Hand wehren und zu ihm sagen könnte: Was tust du?
  • ELB Röm 9:19 - Du wirst nun zu mir sagen: Warum tadelt er noch? Denn wer hat seinem Willen widerstanden?
  • ELB Mt 19:26 - Jesus aber sah sie an und sprach zu ihnen: Bei Menschen ist dies unmöglich, bei Gott aber sind alle Dinge möglich.
  • ELB Jer 32:17 - Ach, Herr, HERR! Siehe, du hast die Himmel und die Erde gemacht durch deine große Kraft und durch deinen ausgestreckten Arm: kein Ding ist dir unmöglich;

Selbst der eigene Wille des Geschöpfes kann dem souveränen Willen Gottes auf lange Sicht nicht widerstehen:

  • Jes 45:23-24 - Ich habe bei mir selbst geschworen, aus meinem Mund ist Gerechtigkeit hervorgegangen, ein Wort, das nicht zurückkehrt: Ja, jedes Knie wird sich vor mir beugen, jede Zunge mir schwören 24 und sagen: Nur in dem HERRN ist Gerechtigkeit und Stärke.

Wir sehen also, dass nur Gott allein über einen absolut souveränen Willen verfügt! Selbst Satan darf nur so viel ausführen, wie Gott zulässt, er kann längst nicht alles vollführen, was er will. (Hi 1 + Hi 2). Einen souveränen Willen, bei dem die Geschöpfe machen können was sie wollen, gibt es eindeutig nicht! Einem Geschöpf ist es sogar nicht einmal möglich, aus sich selbst heraus den absoluten Gehorsam Gott gegenüber zu leisten, denn Paulus schreibt:

  • Röm 11:32 - Denn Gott hat alle zusammen in den Ungehorsam eingeschlossen, damit er sich aller erbarmt.

Selbst im bekehrten Zustand kann der Mensch nicht das tun, was er will:

  • Röm 7:19 - Denn das Gute, das ich will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.

Auch der große Apostel Paulus hat die Erfahrung gemacht, dass er über keinen souveränen Willen verfügte, er machte als Gläubiger sogar die Erfahrung, dass er nicht einmal das Gute, das er wollte, tun konnte.

Der freie Wille

Der freie Wille ist meiner Ansicht nach ein Wille, der frei wählen kann, was er will, aber nicht tun kann, was er will! Aus meiner heutigen Sicht finden wir, laut Aussage der Bibel, bei den Geschöpfen keinen freien Willen im absoluten Sinn! Trotzdem dürfen wir uns die Frage stellen: „Kann der Mensch wollen, was er will?“ Um diese Frage zu beantworten, müssen wir u. a. wissen, wie der Wille eines Menschen entsteht. Diese Frage wird jedoch erst später beleuchtet. Der Begriff „freier Wille“ lässt sich in der Bibel nicht finden. Was wir finden, sind Begriffe wie „freiwillig“ oder „Willigkeit“. Hier stellt sich aber die Frage, wie es zu dieser Willigkeit gekommen ist. Wurde ein Mensch durch den „Eigenwillen“ Gott gegenüber willig oder wurde er durch das „Einwirken Gottes“ willig gemacht? Diese Frage möchte ich anhand der Geschichte des Apostels Paulus verdeutlichen:
Saulus wollte mit seinem Leben Gott dienen und für die Sache Gottes eintreten. Wie es zu diesem Willen kam, wissen wir nicht. Seine Veranlagungen und seine Erfahrungen aus der Vergangenheit haben diesen Willen entstehen lassen. Wir können davon ausgehen, dass ihm das Schriftstudium Freude machte und dass er auch erkannte, wie er sich durch seine intellektuellen Fähigkeiten von seinen Altersgenossen abhob (Gal 1:14). Eine solche Erkenntnis hebt das Selbstwertgefühl und motiviert einen Menschen außerordentlich. Ich gehe davon aus, dass der Wille, Gott zu dienen, bei Paulus durch das gehobene Selbstwertgefühl und die große Motivation gestärkt wurde. Doch dieser Wille machte aus Paulus einen Eiferer, der die Gemeinde Gottes verfolgte! Er meinte zwar, Gott zu dienen; aber in Wirklichkeit tat er genau das Gegenteil. Erst durch das Einwirken Gottes kam es zu einem gottgemäßen Willen. Aber auch hier erklärt Paulus den Philippern:

  • Phil 2:13 - Denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken zu seinem Wohlgefallen.

Es ist eindeutig, dass das gottgemäße Wollen auf das Wirken Gottes zurückzuführen ist. Indirekt wird dies auch aus Pred 3:14 deutlich:

  • Ich erkannte, dass alles, was Gott tut, für ewig sein wird. Es ist ihm nichts hinzuzufügen und nichts davon wegzunehmen. Und Gott hat es so gemacht, damit man sich vor ihm fürchtet.

Damit ist klar, dass kein Geschöpf aus sich selbst heraus etwas bewirken könnte, das Ewigkeitswert hätte! Aus meiner Sicht entsteht der Wille, etwas zu wollen, aus der Veranlagung (die wir ohne unseren Willen bekommen haben) und aus den Erfahrungen, die aus den Umständen resultieren, in die wir hineingeboren wurden! Somit sehe ich, wie Luther, keinen freien Willen! Trotzdem erkenne ich einen beschränkten Bewegungsspielraum, der im „eigenen Willen“ zum Ausdruck kommt!

Der eigene Wille

Das Wort Gottes spricht an einigen Stellen vom „eigenen Willen“. Laut Aussage des Apostels Paulus gibt es Menschen, die ihren eigenen Willen tun und gerade diese Menschen stellen für die Gläubigen eine ganz große Gefahr dar:

  • ELB Kol 2:18 - Um den Kampfpreis soll euch niemand bringen, der seinen eigenen Willen tut in scheinbarer Demut und Anbetung der Engel, der auf das eingeht, was er in Visionen gesehen hat, grundlos aufgeblasen von der Gesinnung seines Fleisches.

Menschen können also Dinge nach ihrem eigenen Willen tun, allerdings auch nur dann, wenn Gott es zulässt, wie wir später noch sehen werden! Es gibt also für Geschöpfe keinen freien Willen, mit dem sie ihr eigenes Wollen bestimmen könnten! Aber es gibt durchaus einen „eigenen Willen“! So schreibt Jesaja:

  • ELB Jes 30:15 - Denn so spricht der Herr, HERR, der Heilige Israels: Durch Umkehr und durch Ruhe werdet ihr gerettet. In Stillsein und in Vertrauen ist eure Stärke. Aber ihr habt nicht gewollt.

In den Sprüchen lesen wir:

  • ELB Spr 1:30 – Weil sie … meinen Rat nicht gewollt, verschmäht haben all meine Mahnung,

Und von den „Gesetzlichen“ des neuen Testamentes lesen wir:

  • DBR Lk 7:30 - aber die Pharisäer und die Gesetzischen lehnten, als von ihm nicht Getauftwordene, den Rat des Gottes ab.

Der Mensch hat also eine beschränkte Möglichkeit, etwas anzunehmen oder abzulehnen. So wie ich es sehe, lässt sich aus der Bibel erkennen, dass die Sünde in Verderben und Tod führt. Daraus ergibt sich ganz klar, dass jeder Mensch von Natur aus absolut verloren ist, weil jeder, wiederum von Natur aus, ungehorsam ist (Röm 11:32). Gott erbarmt sich aber über Seine Geschöpfe und bietet Ihnen die Vergebung der Schuld an. Zu dieser Vergebung kommt es allerdings nur, wenn der Mensch die Schuld anerkennt (das ist eine Frage der Demut des Herzens) und die Sünde nicht rechtfertigt (dies tun die Menschen oft, wenn sie weiter sündigen wollen, weil ihnen die Sünde scheinbar eine bessere Lebensqualität vermittelt). Der „natürliche Ungehorsam“, geschieht in der Regel aus der Unwissenheit heraus (1Tim 1:13) und deshalb erbarmt sich Gott über uns! Wenn ein Mensch seine Sündhaftigkeit und das Angebot der Vergebung Gottes ganz bewusst wahrgenommen hat und beides ablehnt oder verleugnet, ist er seinem Eigenwillen gefolgt. In einem solchen Fall kommt es zu einer Verhärtung des Herzens. Die Verhärtung des Herzens (weil man die Demut verachtet), entsteht also durch das bewusste und wissentliche Ablehnen der Wahrheit! Die Folge davon finden wir in:

  • Röm 2:5 - Nach deiner Störrigkeit und deinem unbußfertigen (w. nicht mitdenkenden) Herzen aber häufst du dir selbst Zorn auf für den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes,

Der eigene Wille, der sich ganz bewusst gegen die Wahrheit Gottes stellt, kommt in der Störrigkeit und dem unbußfertigem Herzen zum Ausdruck. Die Auswirkungen davon sind: "Der Zorn wird aufgehäuft und das Gerichtsmaß somit erhöht".
Wenn die Bibel von einem eigenen Willen spricht, dann meist im Zusammenhang mit einer ganz bewussten Ablehnung der Wahrheit Gottes!

Die Entstehung des Willens

Damit wir unser Wollen besser verstehen können, dürfte es hilfreich sein, wenn wir uns über die Entstehung des Willens einige Gedanken machen. Wahrscheinlich können wir dieses Geheimnis nur ansatzweise erfassen. Wenn wir es aber ein stückweit erkannt haben, dann, - so glaube ich - können wir unsere Mitmenschen viel besser verstehen und hören auf, die anderen zu verachten:

  • Spr 11:12 - Wer seinen Nächsten verachtet, ist ohne Verstand, aber ein verständiger Mann schweigt.

Aus neurophysiologischer Sicht

Zuerst muss ich ganz klar sagen, dass ich kein Neurologe bin und absolut keine Ausbildung in Sachen „Neurophysiologie“ genossen habe. Ich habe mich lediglich für dieses Thema interessiert und immer wieder einmal einen Bericht dazu gelesen. Meine Ausführungen sind also nicht wissenschaftlich, sondern lediglich Gedankenansätze, die sich aus meiner wissenschaftlich beschränkten Kenntnis und einigen biblischen Aspekten zusammensetzen. Deshalb entstammen die nachfolgenden Beschreibungen lediglich meinem momentanen Kenntnisstand und den daraus resultierenden Schlussfolgerungen.
Unser Hirn ist ohne Zweifel das Instrument, in dem die Gedankengänge entstehen. Mit den Gedanken kann man auch einen Willen präzisieren und formulieren. Die Entstehung der Gedanken hängt mit dem neuronalen Netzwerk zusammen. Eine Nervenzelle oder ein Neuron (von griechisch neũron = „Nerv“) ist eine auf Erregungsleitung spezialisierte Zelle. Die Schätzungen über die Menge dieser Neuronen reichen von 100 Milliarden bis zu einer Billion. Diese Neuronen sind im Gehirn durch ein gewaltiges Netzwerk verbunden. Die Verbindungen werden als Synapsen bezeichnet. Das nächste Bild vermittelt uns ein wenig einen Eindruck davon, wie Synapsen miteinander verbunden sind:

Synapsen.png

Synapsen (gr. syn = zusammen, haptein = ergreifen, fassen, tasten) sind Kontaktstellen zwischen Nervenzellen und anderen Zellen (wie Sinnes-, Muskel- oder Drüsenzellen) oder zwischen Nervenzellen untereinander. An ihnen findet die Erregungsübertragung von einem sog. Axon auf eine andere Zelle statt.
Die nächste Grafik, zeigt uns eine schematische Darstellung, eines neuronalen Netzwerkes:

Neuronales netzwerk.png

Mit neuronalen Netzwerken versucht man die Vorgänge im Gehirn durch Computeranwendungen zu simulieren. Im Gehirn sind die Nervenzellen in komplexer Weise miteinander verknüpft. Jede Zelle kann über Dendriten Signale von anderen Zellen empfangen und diese über Neuriten – bestehend aus Axon und Achsenzylinder – weiterleiten. Die Stärke des weitergeleiteten Ausgabesignals hängt dabei von der Stärke des Eingabesignals ab. Entscheidend für die enorme Leistungsfähigkeit des Gehirns sind zum einen die große Anzahl an Nervenzellen (etwa 100 Milliarden) und zum anderen die extrem hohe Anzahl an Verknüpfungen (schätzungsweise 100 Billionen Verbindungen). ... Zwischen dem Eingang und dem Ausgang des Netzwerkes können ein bis mehrere Schichten innerer Knoten liegen – zur Vereinfachung wird in der Illustration nur eine Schicht innerer Knoten gezeigt. Dem Nervensystem ähnlich gehen die Signale in einem neuronalen Netzwerk zunächst bei den Eingabeknoten ein und werden an die inneren Knoten weitergeleitet. Anhand des bei ihm eingehenden Signals führt jeder innere Knoten Berechnungen durch und sendet das Resultat an die nächste Stelle weiter. Die Berechnungsergebnisse der inneren Knoten muss man sich als eine Art Zwischenresultat vorstellen, welche für die Arbeitsweise des Netzwerkes entscheidend sind. (Quelle: Microsoft Encarta)

Wie dieses neuronale Netzwerk in unserem Gehirn entstanden ist, dürfte nicht einfach zu erklären sein. Auf jeden Fall wächst dieses Netzwerk in den ersten Jahren eines Menschenlebens sehr schnell. Je mehr Verbindungen (Synapsen) entstehen, desto besser werden in der Regel das Gedächtnis und die Auffassungsgabe. Dieses neuronale Netzwerk ist eines der größten Wunder Gottes in der Schöpfung! Ich gehe davon aus, dass die Entstehung dieser Verbindungen einerseits mit der Erbanlage (Gen-Information) und andererseits mit den Erfahrungen zu tun haben. Zu den Erfahrungen gehören bereits alle "Empfindungen" und "Erlebnisse" im Mutterleib. Wenn eine schwangere Frau täglich zwei Stunden Geige übt, wirkt sich das bestimmt auch auf irgendeine Weise auf die Entstehung des neuronalen Netzwerkes des Embryos aus.
An dieser Stelle könnte man eine philosophische Frage stellen: „Könnten sich zwei Menschen mit der exakt gleichen Genstruktur und den ganz genau gleichen Erlebnissen unterschiedlich entwickeln?“ Eine Antwort gibt es nicht, weil es diesen Fall nie geben wird! Selbst wenn wir einen Menschen klonen würden, könnten wir den Klon niemals in die exakt gleichen Umstände und Erfahrungen hineinstellen. Auch eineiige Zwillinge sind in ihrem Charakter etwas unterschiedlich. Bei gleicher Genstruktur und exakt gleichen Erlebnissen müsste sich ein Mensch theoretisch genau gleich entwickeln, sofern da nicht noch andere Faktoren mitspielen, wie z. B. der menschliche Geist, der in meinen Augen aber nicht einfach das Ergebnis unseres neuronalen Netzwerkes ist.
Nur schon die Frage, warum es Menschen gibt, die sich dafür entschieden haben, zu hassen und anderen Leid zuzufügen, währenddem andere lieben wollen und Mitgefühl haben, lässt sich kaum beantworten. Warum entwickelt sich ein Herz zum Bösen und ein anderes zum Guten?
Durch die Erlebnisse und das Empfinden eines Neugeborenen lernt das Hirn des Säuglings Schritt für Schritt das Angenehme vom Unangenehmen zu trennen. Sobald etwas als angenehm empfunden wird, resultiert daraus der Wunsch, diese Situation wiederherzustellen und zu fördern. Es entstehen die Voraussetzungen, etwas zu wollen und somit auch ein Wille. Der Mensch will das, was für ihn angenehm und schön ist. Hier sehen wir, dass wir kaum die Möglichkeit haben, frei zu entscheiden, was wir wollen. Alle wollen das Angenehme und Schöne und jeder versucht, dies mit anderen Mitteln zu erreichen. Mit der Zeit lernt man auch, dass gewisse angenehme Dinge, zuerst unangenehme Handlungen benötigt, bevor man das Angenehme genießen kann. Wenn Menschen zu dem Schluss gekommen sind, „es wäre doch schön und angenehm, eine Million Euro zu besitzen“, dann gibt es solche, die das sofort erreichen wollen, indem sie eine Bank überfallen. Andere spielen einfach Lotto und hoffen auf das große Glück und wieder andere sind in ihrem Streben im Beruf so ehrgeizig, dass sie dabei ihre Familie völlig vernachlässigen. Das Gefühl, viel Geld zu besitzen, empfinden die meisten Menschen von Natur aus als angenehm und deshalb suchen sie nach verschiedenen Mitteln und Wegen, dieses Ziel zu erreichen.
Doch wir haben auch längst erkannt, dass nicht alles, was im Moment ein angenehmes Gefühl auslöst, längerfristig auch wirklich gut für uns ist und deshalb kommt es auch zu Veränderungen unseres Willens. Wenn sich aber der bewusste Wille durch neue Erkenntnisse und vielfach auch durch den Einfluss eines Geistes verändert, stehen wir vor einem ganz neuen Problem! Wenn ich über Jahre Geld aufhäufe, haben sich in meinem Unterbewusstsein Verhaltensmuster entwickelt, die nach der bewussten Willensveränderung weiter aktiv bleiben und mein Verhalten in der Regel weiterhin sehr stark bestimmen!

Aus biblischer Sicht

Paulus erklärt das Phänomen „neuer Wille und alte Verhaltensmuster“ mit anderen Worten:

  • Röm 7:15-20 - denn was ich vollbringe, erkenne ich nicht; denn nicht, was ich will, das tue ich, sondern was ich hasse, das übe ich aus. 16 Wenn ich aber das, was ich nicht will, ausübe, so stimme ich dem Gesetz bei, dass es gut ist. 17 Nun aber vollbringe nicht mehr ich es, sondern die in mir wohnende Sünde. 18 Denn ich weiß, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt; denn das Wollen ist bei mir vorhanden, aber das Vollbringen des Guten nicht. 19 Denn das Gute, das ich will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. 20 Wenn ich aber das, was ich nicht will, ausübe, so vollbringe nicht mehr ich es, sondern die in mir wohnende Sünde.

Mein ursprünglich egoistischer Wille, der aus der Förderung der Befriedigung meiner menschlichen Lüste entstanden ist, hat in meinem Unterbewusstsein eine Unmenge von Verhaltensmustern entstehen lassen. Diese prägen meinen Wandel auch noch dann sehr stark, wenn sich mein Bewusstsein für eine andere Denk- oder Handlungsweise entschieden hat.
Man könnte die Situation mit einem Präsidenten und seinem Parlament vergleichen. Über Jahre wird ein Land von einem Präsidenten und einem Parlament regiert, die beide stark „links“ positioniert sind. Jetzt wird ein neuer Präsident gewählt, der eine gegenteilige politische Ausrichtung hat, während sich aber das alte Parlament nicht verändert hat (in der politischen Realität ist dies weniger der Fall). Der neue Präsident, der eine andere politische Ausrichtung hat, wird nur sehr beschränkt Änderungen durchsetzen können, weil er das ganze Parlament gegen sich hat. So ist es auch mit unserem neuen Willen, der vom neuen, aus Gott geborenen Menschen stammt. Dieser neue Wille, den Gott in uns bewirkt, kann noch vieles nicht umsetzen, weil die unbewussten Verhaltensmuster (das Parlament), ständig gegen den neuen Willen (den neuen Präsidenten) im Streit liegt:

  • Röm 8:6-8 - Denn die Gesinnung des Fleisches ist Tod, die Gesinnung des Geistes aber Leben und Frieden, 7 weil die Gesinnung des Fleisches Feindschaft gegen Gott ist, denn sie ist dem Gesetz Gottes nicht untertan, denn sie kann das auch nicht. 8 Die aber, die im Fleisch sind, (weil sie noch keinen neuen, von Gott stammenden Willen bekommen haben; Phil 2:13) können Gott nicht gefallen.

Die Entstehung unseres natürlichen und egoistischen Willens konnte kein Mensch vermeiden und deshalb schreibt Paulus auch, dass alle in den Ungehorsam eingeschlossen wurden (Röm 11:32). Ein grundsätzlich neues Wollen entsteht aber nur durch das Einwirken eines Geistes und ein göttliches Wollen entsteht nur durch den Einfluss des Geistes Gottes (Phil 2:13). Der Mensch kann unmöglich „göttliches Wollen“ durch den eigenen natürlichen Willen herstellen! Durch den neuen Willen und durch bewusste Gehorsamsschritte gegenüber dem Worte Gottes verändern sich ganz langsam über Jahre und Jahrzehnte hindurch auch unsere Verhaltensmuster, wobei sich die alltäglichen Verhaltensmuster (z. B. Fingernägel kauen), manchmal ein Leben lang nicht verändern. Im Altenheim kann man sogar feststellen, dass gewisse Verhaltensmuster wieder ausgeprägter in Erscheinung treten. Aber Paulus geht es weniger um solche Äußerlichkeiten, als vielmehr um die Verhaltensmuster, die von Liebe statt Egoismus geprägt sind!
Warum sich in Jakob eine Sehnsucht nach dem Erstgeburtsrecht entwickelt hat und weshalb Esau dieses Recht nicht wichtig war, ist schwer zu sagen. Gott hat es gefallen, dass sich Jakob nach dem Erstgeburtsrecht sehnte. Aber ist diese Sehnsucht nicht auch deshalb entstanden, weil Jakob durch seine Veranlagung und seine Umstände zu dem Schluss gekommen war, dass ein Leben mit dem Segen Gottes weitaus besser ist, als ein genussreiches Leben? Esau hatte Spaß an der Jagd und genoss sein spannendes Leben. Weil bei ihm vielleicht alles bestens lief und er von Gott nicht gezüchtigt wurde, fragte er auch nicht groß nach dem Sinn des Lebens und deshalb war für ihn das Erstgeburtsrecht auch relativ bedeutungslos. Wie dem auch sei, wir können die genauen Ursachen, die zum Denken des Jakob, bzw. des Esau führten nicht mit Sicherheit bestimmen. Ich gehe davon aus, dass das andere Denken des Jakob zu einem beachtlichen Teil durch das Einwirken Gottes (Veranlagung und Umstände) entstanden ist.

Die Verantwortung der Geschöpfe

Wo liegt die Verantwortung des Menschen?

Wir haben gesehen, dass alle Menschen im Ungehorsam eingeschlossen wurden (Röm 11:32) und dass es einem Menschen nicht möglich ist, durch seinen natürlichen Willen und ohne Einwirken Gottes göttliches zu wollen (Phil 2:13)! Hier drängt sich natürlich sehr schnell die Frage auf, wo überhaupt die Verantwortung des Menschen liegt. Wenn der Mensch, oder ein Großteil der Menschheit, nach Werken gerichtet wird (Offb 20:12-13), muss es eine Verantwortlichkeit des Menschen geben. Wenn die Werke böse (d. h. ohne Rücksicht auf den Nächsten) waren (Mt 25:41-46), kommt es zu einer Verurteilung und Bestrafung. Gott erwartet also von jedem Menschen, dass er sich rücksichtsvoll gegenüber seinen Mitmenschen verhält und nicht einfach skrupellos durch sein Leben geht.
Doch die entscheidenden Weichenstellungen im Leben geschehen, bevor es zur Tat kommt. Wo aber finden die entscheidenden Weichenstellungen statt, die dazu führen, dass ein Mensch gute oder böse Werke vollbringt?
Meiner Ansicht nach hat der Mensch eine Verantwortung; sie wird in Spr 16:1 definiert:

  • ELO - Die Entwürfe (oder „die Zurechtlegungen“) des Herzens sind (Sache) des Menschen, aber die Antwort der Zunge kommt vom HERRN.

Die Verantwortung des Menschen liegt also beim Herzen! Welche Ausrichtung habe ich in meinem Leben? Welche Ziele verfolge ich? Welches sind meine Hauptmotive? Weil das so ist, schreibt Salomo auch folgenden Satz:

  • ELO Spr 4:23 - Behüte dein Herz mehr als alles, was zu bewahren ist; denn von ihm aus sind die Ausgänge des Lebens.

Nichts gilt es so sehr zu bewahren wie unser Herz! Alles andere muss demzufolge nicht so gut bewacht werden. Das Herz kann als Willenszentrale des Menschen angesehen werden. Nachdem Gott in das Leben eines Menschen eingewirkt hat, hat das Herz die Möglichkeit, die Wahrheit Gottes zu bejahen, indem es seine Sünden nicht rechtfertigt, sondern die Vergebung der Schuld in Anspruch nimmt, oder es kann die Wahrheit Gottes ganz bewusst ablehnen. In letzterem Fall würde das Herz dem „eigenen Willen“ gehorchen. Wie wir gesehen haben, würde eine solche Haltung eine Aufhäufung des Zornes Gottes bewirken. Es ist aber aus meiner Sicht heraus völlig offen, ob jeder Mensch diese Wahrheit Gottes erkennen kann. Ein Indianer in Amerika, der vor 1’000 Jahren lebte, konnte noch nicht wissen, dass es eine Vergebung der Schuld von Seiten Gottes gibt. Doch jeder Mensch kann anhand der Schöpfung erkennen, dass es einen Gott gibt (Röm 1:20) und kann zwischen Gut und Böse unterscheiden.
Wenn ein Mensch von seinen Mitmenschen erwartet, dass diese ihn nicht betrügen, dann hat er ohne ein Gesetz erkannt, dass der Betrug böse ist. Wenn er dann selbst betrügt, kann er auch erkennen, dass er gesündigt hat.

  • Röm 2:15 - Sie beweisen, dass das Werk des Gesetzes in ihren Herzen geschrieben ist, indem ihr Gewissen mit Zeugnis gibt und ihre Gedanken sich untereinander anklagen oder auch entschuldigen.

Die Weichenstellung des Herzens hat weitreichende Auswirkungen auf das ganze Leben! Wenn ein Mensch in seinem Herzen nicht mehr auf sein Gewissen hört und das Herz die eigene Bosheit verdrängt, dann hat das Herz eine Weichenstellung vollzogen, die automatisch dazu führt, dass die Werke böse werden. Wenn jedoch ein Herz der Rücksichtnahme auf andere Menschen Beachtung schenkt, dann werden die Werke gut, weil diese Menschen den Hungernden zu Essen geben, weil sie die Nackten bekleiden und die Gefangenen besuchen (trotzdem sind auch diese Menschen in den Augen Gottes Sünder). Gott wird diese Menschen entsprechend belohnen, wie wir das in Mt 25:34-40 nachlesen können.
(Eine kleine Zwischenbemerkung: Bei den Schafen aus Mt 25:33 handelt es sich meiner Erkenntnis nach nicht um Gläubige. Die Gläubigen werden nach der Entrückung nicht mit den „Böcken“ vor dem Thron Gottes erscheinen. Außerdem wissen die Schafe nicht, dass sie etwas für den Herrn getan haben. Paulus erklärt, dass wir die Welt und die Engel richten werden (1Kor 6:2-3), somit werden die Glieder des Leibes Jesu Christi beim Gericht aus Mt 25 mit dem Herrn auf dem Thron sitzen und die Menschen richten).
Aber auch die Belohnung für die Schafe aus Mt 25 ist ein Gnadengeschenk, weil letztlich kein Mensch aus sich selbst heraus das absolut Gute tun und den Anforderungen Gottes genügen könnte. Darum schreibt Paulus:

  • Röm 3:10-12 - «Da ist kein Gerechter, auch nicht einer; 11 da ist keiner, der verständig ist; da ist keiner, der Gott sucht. 12 Alle sind abgewichen, sie sind allesamt untauglich geworden; da ist keiner, der Gutes tut, da ist auch nicht einer.»

Gott richtet also einen Großteil der Menschen (oder je nach Ausleger: alle Menschen) nach ihren Werken! Warum nicht nach ihren Herzen, da ja das Herz gemäß Spr 16:1 im Verantwortungsbereich des Menschen liegt? Eine mögliche Antwort wäre wie folgt:
„Gott richtet nicht nach den Herzen, weil sie Ihm dann vielleicht entgegnen: ‚Ich habe ja gar nichts getan!’, obwohl sie ein böses Herz hatten! Wenn ein böses Herz nicht umkehrt und umsinnt, lässt Gott die bösen Gedanken des Herzens zustande kommen. Diese Menschen vollführen dann böse Werke und werden aufgrund ihrer bösen Werke verurteilt, sofern das Herz immer noch nicht umgekehrt ist. Vor dem Thron Gottes wird keiner sagen können: „Ich habe ja gar nichts getan!“ Jeder Mensch muss um die Auswirkungen eines bösen Herzens wissen! Entweder erkennt ein Mensch die Sünde seines bösen Herzens, weil er durch das Einwirken Gottes umgekehrt ist, oder es kommt zu bösen Werken, damit er die Auswirkungen seines bösen Herzens erkennt!“

Aussagen über die Eigenverantwortung

Ohne Zweifel finden wir in unserer Bibel immer wieder Aussagen, die uns zeigen, dass wir hören, Gehorsam leisten und dahingehend Schritte unternehmen sollen!

  • Hebr 3:15 - Wenn gesagt wird: «Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht wie in der Erbitterung»,

Hier wird ermahnt, dass die Hörer ihre Herzen nicht verhärten, sondern sehr darauf achten, dass sie das gehörte Wort Gottes in ihren Herzen annehmen. Es wird also eine gewisse Eigenverantwortung deutlich.
In den Briefen der Apostel finden wir auch viele Aufforderungen, Ermahnungen und Zurechtweisungen, die dem Hörer vorerst einmal den Eindruck vermitteln, dass das Annehmen oder Ablehnen der Ermahnung in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt. Auch die Aufforderungen „Buße“ zu tun, empfinden wir als einen Appell an unseren Willen, wobei „Buße tun“ wörtlich „mitdenken“ heißt.

  • ELB Apg 3:19 - So tut nun Buße (denket mit) und bekehrt euch, dass eure Sünden ausgetilgt werden, damit Zeiten der Erquickung kommen vom Angesicht des Herrn.

Liegt es jetzt an uns, „Buße zu tun“ oder „mitzudenken“? Kann unser eigener Wille mit den Gedanken Gottes mitdenken? Aus den Bibelstellen, in denen vom „eigenen Willen“ die Rede ist, geht mehrheitlich hervor, dass es sich um den natürlichen und egoistischen Willen handelt. Dieser „eigene Wille“ ist nicht fähig, Göttliches zu wollen! Wenn aber nicht unser eigener Wille, was dann? Weil der Hörer offensichtlich sein Herz verhärten kann, liegt beim Herzen des Menschen eine gewisse Eigenverantwortung!

Die Bedeutung der bewussten Wahrnehmung

In Hebr 3:15 sehe ich die Möglichkeit einer ganz bewussten und wissenden Ablehnung gegenüber dem Reden Gottes. Wer sich hier verhärtet, häuft sich Zorn auf. Dieser Ungehorsam kann nicht mit der Sünde eines Paulus verglichen werden, der unwissend und im Unglauben die Gemeinde Gottes verfolgte (1Tim 1:13).
Paulus musste zwar enorm viel leiden, aber ich glaube nicht, dass seine Leiden als Strafe für seine Sünden als Christenverfolger gesehen werden müssen. Gott hat in Seiner großen Gnade und Barmherzigkeit den Paulus für seine bösen Werke nicht zur Verantwortung gezogen, weil Paulus dies unwissend und im Unglauben tat und weil Jesus für diese Schuld starb und die Gnade an Paulus nicht vergeblich gewesen war (1Kor 15:10).
Persönlich gehe ich davon aus, dass Gott nur diejenigen Menschen zur Verantwortung zieht, die wissentlich und ganz bewusst das Gute und die Wahrheit ablehnen, weil sie eben nur noch durch das Feuergericht zurechtgebracht werden können und weil weitere Gnadenerweise keine Umkehr mehr bewirken würden. So lesen wir in Jes 26:10:

  • Wird dem Gottlosen Gnade zuteil, lernt er nicht Gerechtigkeit: im Land der Geradheit handelt er unrecht und sieht nicht die Hoheit des HERRN.

Und der Hebräerbriefschreiber stellt fest:

  • Hebr 6:4-8 - Denn es ist unmöglich, diejenigen, die einmal erleuchtet worden sind und die himmlische Gabe geschmeckt haben und des Heiligen Geistes teilhaftig geworden sind 5 und das gute Wort Gottes und die Kräfte des zukünftigen Zeitalters geschmeckt haben 6 und doch abgefallen sind, wieder zur Buße zu erneuern, da sie für sich den Sohn Gottes wieder kreuzigen und dem Spott aussetzen. 7 Denn ein Land, das den häufig darauf kommenden Regen trinkt und nützliches Kraut hervorbringt für diejenigen, um derentwillen es auch bebaut wird, empfängt Segen von Gott; 8 wenn es aber Dornen und Disteln hervorbringt, so ist es unbrauchbar und dem Fluch nahe, der am Ende zur Verbrennung führt.

Es besteht die Gefahr, dass man die Gnade vergeblich empfängt (2Kor 6:1). Das geschieht da, wo man sich trotz besseren Wissens gegen den Willen Gottes entscheidet. Hier kann eben nicht mehr von Unwissenheit die Rede sein.

Das Wirken des Menschen

Der natürliche Mensch verfügt nur über einen egoistischen Eigenwillen, der auf jeden Fall nicht wollen kann, was er will. Er ist gar nicht in der Lage, sich selbst zum Guten zu verändern. Paulus stellt fest:

  • 1Kor 2:14 - Ein natürlicher (w. seelischer) Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird.

Folglich kann der seelische Mensch auch nichts Göttliches bewirken, oder etwas, das Ewigkeitswert hätte! Der seelische Mensch ist ein Mensch, der den Geist Gottes nicht hat und deshalb sitzt auf seinem Herzensthron die Seele, die von den Begierden des Fleisches gesteuert wird (Eph 2:3) anstatt des neuen, aus Gott geborenen Menschen! Paulus musste den Philippern in Erinnerung rufen, wer das göttliche Wollen und Wirken bewirkt:

  • Phil 2:12-13 - Daher, meine Geliebten, wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht nur wie in meiner Gegenwart, sondern jetzt noch viel mehr in meiner Abwesenheit, bewirkt euer Heil mit Furcht und Zittern! 13 Denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken zu seinem Wohlgefallen.

Das eigenwillige Wollen und Wirken ist nie und nimmer zu Seinem Wohlgefallen, denn es ist unmöglich ohne Glauben (ohne eine treue Vertrauensbeziehung zum Vater) Gott zu gefallen (Hebr 11:6). Ein Mensch, der den Geist Gottes nicht hat, ist ein natürlicher Mensch und wandelt deshalb noch im „Fleisch“:

  • Röm 8:8-9 - Die aber, die im Fleisch sind, können Gott nicht gefallen. 9 Ihr aber seid nicht im Fleisch, sondern im Geist, wenn wirklich Gottes Geist in euch wohnt. Wenn aber jemand Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein.

Die Bedeutung des Herzens, der Seele und des neuen, inwendigen Menschen

Wird sich ein Herz vor Gott rühmen können?

Laut Aussage des Wortes Gottes sind die Zurechtlegungen des Herzens Sache des Menschen (Spr 16:1). Auch für die Störrigkeit (Röm 2:5) und die Verhärtung des Herzens (Hebr 3:15) kann der Mensch offensichtlich zur Verantwortung gezogen werden. Es handelt sich hier also um eine zentrale Entscheidung des menschlichen Herzens, das bewusst erkannt hat, was dem Willen Gottes entspricht und welche Ansichten aus anderen Quellen stammen. Wenn nun das Herz, wider besseres Wissen, sich für den „Eigenwillen“ entscheidet, der nur von der Lustbefriedigung (nicht nur der sexuellen Lust) gesteuert wird, kann man von einer „Herzensstörrigkeit“ sprechen.
An dieser Stelle sind wir an einen kritischen Punkt gelangt. Aus dem oben Erwähnten könnte man folgenden Schluss ziehen: „Weil ich als gläubiger Christ mein Herz nicht verhärtet, sondern der Stimme Gottes gehorcht habe, hat mein Herz etwas besser gemacht als diejenigen, die widerspenstig geblieben sind. Habe ich jetzt nicht etwas zum Rühmen?“ Wir kennen die Aussage des Apostels Paulus:

  • 1Kor 1:29 - „dass sich vor Gott kein Fleisch rühme.“

Das menschliche Herz (als Willenszentrale) ist zwar nicht mit dem „Fleisch“ identisch (auch wenn der fleischliche Körper über ein Herz verfügt, das anatomisch eine einmalige „Pumpmaschine“ ist). Trotzdem bezweifle ich sehr stark, dass sich unser Herz vor Gott rühmen könnte, indem es sagen kann: „Mein Herz ist etwas Besseres, weil ich - im Gegensatz zu anderen - nicht störrisch war!“ Eine solche Haltung trüge wieder den Keim des Hochmuts in sich!
Vielleicht kann man an dieser Stelle sagen, dass wir von Natur aus alle gleich störrisch sind, nur hat Gott bei uns mit dem Erziehungsprogramm früher begonnen, indem Er uns beizeiten gezüchtigt (Spr 13:24) und unser Herz durch Schicksalsschläge vorbereitet und "weich" gemacht hat, während die so genannten „Störrischen“ noch nicht oder zu wenig in die Erziehungsschule Gottes genommen wurden. Die Grundlage für eine Annahme des Angebotes Gottes ist in vielen, vielleicht auch in allen Fällen, ein zerbrochenes Herz! David hat das erkannt, als er schrieb:

  • Ps 51:19 - Die Opfer Gottes sind ein zerbrochener Geist; ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten.

Auch glaube ich, dass wir Gläubigen in gewissen Bereichen unseres Lebens noch sehr störrisch sind und wenn Gott uns ans Ziel geführt hat, werden wir nie und nimmer sagen: „Wir haben es halt besser gemacht, als die Störrigen, die den Zorn Gottes aufgehäuft haben!“

Der Aufbau des Menschen

Als Nächstes möchte ich einige Gedanken zum Aufbau des Menschen weitergeben. Der Mensch, als Bild des lebendigen Gottes, ist wahrscheinlich das größte Geheimnis innerhalb der gesamten Schöpfung! Da wir selbst, dieses einmalige Geheimnis sind, denken wir sehr schnell, dieses Geheimnis zu kennen. Doch bei genauerem Hinschauen, müssen wir feststellen, dass wir nicht so viel über uns wissen. Jeder Bibelleser weiß, dass der Mensch aus Leib, Seele und Geist besteht. Aber gerade hier, beginnt schon unser erstes Problem! Wie definieren wir die Seele und wie den Geist? Ist eine Unterscheidung überhaupt möglich? Ich bin fest davon überzeugt, dass die meisten Menschen und auch die meisten Gläubigen, seelische und geistliche Inhalte, sehr stark vermischen. Die Seele versucht bewusst oder unbewusst, geistliche Auswirkungen zu sortieren, zu definieren und zuzuordnen. Sie versucht das Wirken und das Handeln des Geistes zu verstehen. Sie sucht nach einer Logik, die sie selbst nachvollziehen kann. Das Motiv dürfte vorerst einmal klar sein: „Die Seele will verstehen, wie der Geist ‚funktioniert’, damit sie sich selbst, auch besser orientieren kann!“ Ein verborgenes und vielleicht unbewusstes Motiv, könnte aber auch wie folgt aussehen: „Wenn ich (die Seele) weiß, wie der Geist ‚funktioniert’, dann kann auch ich selbst, so denken und handeln wie der Geist!“ Auch wenn das der Seele nicht bewusst ist, so versucht sie doch von Natur aus, autonom zu werden, bzw. zu bleiben. Sie will sich bewusst oder unbewusst vom Geist emanzipieren! Es stellt sich nur die Frage, warum? Die Abhängigkeit vom Geist, ist der Seele von Natur aus, zutiefst unsympathisch! Sie will ihre Existenz „im Griff“ haben, sie will immer selbst wissen, was zu tun ist und wie man ein Problem lösen kann! Deshalb analysiert sie ständig die Auswirkungen des Geistes, um ein Muster, ein logisches System zu erkennen. Die Seele denkt: „Wenn ich das ‚System’ des Geistes begriffen habe, dann kann auch ich es umsetzen und anwenden! Wenn es mir gelingt, das Denken und Handeln des Geistes zu erfassen, dann kann ich in Zukunft, die anstehenden Probleme selbst lösen, dann bin ich nicht mehr vom Geiste abhängig!“ Es gibt niemand - kein Professor der Psychologie, kein Theologe, kein Geisteswissenschaftler und kein Hirnforscher - der eine präzise Differenzierung von Geist und Seele machen könnte! Niemand kann diese beiden Teile eines Wesens messerscharf trennen, als nur das Wort Gottes:

  • Hebr 4:12 - Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl der Gelenke als auch des Markes, und ein Richter der Gedanken und Gesinnungen des Herzens;

Wir sehen also, dass einzig und allein das Wort Gottes in der Lage ist, messerscharf das Geistliche vom Seelischen zu trennen. Persönlich bin ich aber davon überzeugt, dass am Ende, Geist und Seele eine Einheit bilden darf, so wie der Mann und die Frau „ein Fleisch“ sein dürfen, so wie der Vater und der Sohn „eins“ sind, so wie Christus und Seine Gemeinde eine Einheit bilden, so darf auch Geist und Seele eins werden! Während des Geschehens auf Golgatha, finden wir einen indirekten Hinweis auf diesen Zustand. Das Allerheiligste in der Stiftshütte, ist ein Bild auf den Geist und das Heiligtum, ein Bild auf die Seele, währenddem die Wände und Zeltdecken, ein Symbol auf den Leib sind. Wir wissen, dass der Scheidevorhang zwischen dem Heiligtum und dem Allerheiligsten, nach dem Sterben Jesu, von oben bis unten zerriss, so dass aus diesen beiden getrennten Räumen, ein Raum wurde (Mt 27:51). Golgatha war die Grundlage, damit Getrenntes wieder vereint werden kann, denn Paulus bezeugt auch:

  • Eph 2:15-17 - Er hat das Gesetz der Gebote in Satzungen beseitigt, um die zwei - Frieden stiftend - in sich selbst zu einem neuen Menschen zu schaffen 16 und die beiden in einem Leib mit Gott zu versöhnen durch das Kreuz, durch das er die Feindschaft getötet hat. 17 Und er kam und hat Frieden verkündigt euch, den Fernen, und Frieden den Nahen.

Hier werden diejenigen, die vom Bürgerrecht Israels ausgeschlossen waren, mit denen verbunden und eins gemacht, die, die Bündnisse der Verheißung hatten. Also sehen wir auch hier, dass zwei getrennte Körperschaften, eins gemacht werden. Daraus ergibt sich natürlich die Frage, warum Dinge getrennt müssen werden, wenn doch das Ziel die Vereinigung ist? Zuerst wurde Adam „männlich-weiblich“ geschaffen, dann wurde der weibliche, vom männlichen Teil getrennt. Als dann Adam seine Frau erkannte, wurden sie „ein Fleisch“.
Diese Abfolge, ist ein Muster für nahezu alles, was in der Heilsgeschichte passiert. Am Anfang war alles in Gott und somit eins, dann kam alles, Schritt für Schritt, aus Gott heraus (es teilte sich von Gott und jede Teilung, kann auch als Schlachtung angesehen werden), dann existiert alles durch Gott und am Schluss, kommt alles auch wieder zu Gott, so dass dann Gott alles in allen sein wird, wie Paulus bezeugt:

  • Röm 11:36 - Denn aus ihm und durch ihn und zu ihm hin sind alle Dinge!
  • 1Kor 15:28 - Wenn ihm aber alles unterworfen ist, dann wird auch der Sohn selbst dem unterworfen sein, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allem sei.

Wenn es dann soweit ist, erleben wir eine nie da gewesene Einheit! Vermutlich ist es so, dass Geist und Seele, nur dann eine absolute Einheit werden können, wenn zuvor erkannt wird, was vom Geiste und was von der Seele kommt; was die Aufgabe des Geistes und die der Seele ist! Durch die Trennung von Geist und Seele, kommt die Seele u.a. auch zur Einsicht, dass sie ohne den Geist nicht wirklich leben kann. Dieser Lernprozess, dauert in der Regel ein Leben lang.

Es gibt ein menschliches Wollen und Wirken und es gibt ein göttliches Wollen und Wirken. Damit wir dies besser auseinanderhalten können, ist es hilfreich, wenn wir den Aufbau des Menschen, anhand einer Präsentation veranschaulichen:

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Dass die Gefühle ein Bestandteil der Seele sind, wird wohl kaum bestritten. Davids Geist, spricht zu seiner Seele:

  • Ps 42:6 - Was bist du so aufgelöst, meine Seele, und stöhnst in mir?

Hier werden die Gefühlsschwankungen der Seele Davids sichtbar. Im Zusammenhang mit der Seele, erklärt uns die Bibel:

  • 3Mo 17:11 - Denn die Seele des Fleisches ist im Blut,

Dass das Blut mit der Seele zusammenhängt, kann man auch daran erkennen, wie sich der Gefühlszustand verändert, wenn man entsprechende Medikamente einnimmt oder intravenös, gewisse Substanzen in den Blutkreislauf einfließen lässt.
Der Verstand und der Wille, wird oft als ein Bereich des Geistes angeschaut! Tatsache ist jedoch, dass der Apostel Paulus von einem „Willen des Fleisches“ spricht (Eph 2:3). Beim natürlichen Menschen, ist die Seele fast ausschließlich auf die Bedürfnisbefriedigung des Leibes ausgerichtet. Dadurch entstand der „Wille des Fleisches“. Auch wenn der Geist, über einen Willen und über einen Verstand verfügt, so gibt es doch auch einen Willen und einen Verstand der Seele. Der eigene Wille, aus Kol 2:18, dürfte der Wille der Seele sein. Folgende Aussage, dürfte auch ein indirekter Hinweis darauf sein, dass die Seele, über einen Verstand verfügt:

  • Spr 3:5 - Vertraue auf den HERRN mit deinem ganzen Herzen und stütze dich nicht auf deinen Verstand!

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Der Geist des natürlichen Menschen, könnte als „glimmender Docht“ gesehen werden (Jes 42:3), der kaum Leben in sich hat. Folgende Überlegungen sprechen für eine solche These:

  1. Als Gott dem Adam, die Strafe für den Ungehorsam androhte, sagte Er: „aber vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, davon darfst du nicht essen; denn an dem Tag, da du davon isst, musst du sterben (w. wirst zu sterben du sterben; 1Mo 2:17). Es wäre denkbar, dass der Geist des Adam, an dem Tag, als er von der Frucht aß, starb und zu einem glimmenden Docht reduziert wurde.
  2. Jesus bezeichnet Menschen, die nicht von neuem geboren wurden, als Tote:
  • Mt 8:22 - Jesus aber spricht zu ihm: Folge mir nach, und lass die Toten ihre Toten begraben!

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Anhand dieses Bildes wird deutlich, dass der Gläubige, über einen neuen, innwendigen Menschen verfügt, der aus Gott geboren (1Jo 5:4) und gezeugt ist. So schreibt auch Paulus:

  • Röm 7:22 - Denn ich habe nach dem inneren Menschen Wohlgefallen am Gesetz Gottes.

Das göttliche Wollen in uns (Phil 2:13), kommt also durch diesen aus Gott geborenen, inneren Menschen zustande. Johannes schreibt uns:

  • 1Jo 3:9 - Jeder, der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde, denn sein Same bleibt in ihm; und er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist.

Wie viele Gotteskinder kamen durch diesen Ausspruch in große Bedrängnis, weil sie sich eingestehen mussten, noch nicht sündlos zu sein? Das wiederum löste einen Zweifel an der Gotteskindschaft aus! Einige kamen vorübergehend zu dem Schluss: „Ich bin nicht aus Gott geboren, weil immer noch Sünde in meinem Leben ist!“ Dabei schreibt Johannes auch:

  • 1Jo 1:8 - Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.

Auch wenn der neue, innwendige Mensch, der aus Gott geboren ist, nicht sündigen kann, so kann die Seele des Gotteskindes, sehr wohl noch sündigen!

  • 2Kor 4:16 - Deshalb ermatten wir nicht, sondern wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird, so wird doch der innere Tag für Tag erneuert.
  • Eph 3:16 - Er gebe euch nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, mit Kraft gestärkt zu werden durch seinen Geist an dem inneren Menschen;

Wenn wir diese Grafik anschauen, dann stellt sich die Frage, wo das Herz einzuordnen ist? Ist das Herz, mit dem Geist identisch oder ist das Herz ein Bereich der Seele? Paulus schreibt:

  • 2Kor 4:6 - Denn Gott, der gesagt hat: Aus Finsternis wird Licht leuchten! er ist es, der in unseren Herzen aufgeleuchtet ist zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi.
  • Eph 1:18 - Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr wisst, was die Hoffnung seiner Berufung, was der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes in den Heiligen
  • Eph 3:17 - dass der Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in Liebe gewurzelt und gegründet seid,

Es dürfte nicht einfach sein, dass Herz ganz klar zuzuordnen. Es wäre aber durchaus folgendes denkbar: „So wie es ein Herz des Leibes gibt - die erstaunlichste Pumpmaschine, die es gibt - so gibt es auch ein Herz der Seele (vielleicht die Willenszentrale) und ein Herz des Geistes (das mit der Liebe Gottes gefüllt wurde; Röm 5:5). Letztlich will ich diese Frage offenlassen!

Mensch 5.png

Wie wir gesehen haben, kann der aus Gott geborene, innere Mensch nicht sündigen. Der Geist des Menschen, ist wohl darum nicht mit dem neuen innwendigen Menschen identisch, weil Paulus einen Menschen, der sehr verheerend gesündigt hat, dem Satan übergibt, auf dass sein Geist gerettet würde (1Kor 5:5). Die Rettung des Geistes, war Paulus, in diesem Fall, ein großes Anliegen. Hier konnte wohl kaum der innwendige Mensch, der nicht sündigen kann, gemeint sein.

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Die Stelle aus dem Jakobusbrief, könnte man auch mit etwas anderen Worten formulieren:

  • „Lasst das Wort Gottes, in euren Seelen und in euren Herzen, ohne Auflehnung, mit williger Bereitschaft wirken, indem ihr euch, durch das Wort Gottes ermahnen und korrigieren lässt“.

Wenn die Seele, das Wort Gottes, durch den Geist, an sich wirken lässt, dann wird auch sie, immer mehr mit göttlichem Leben erfüllt, doch gleichzeitig darf sie sich auch vom Leibe loslösen und dem Geiste anhangen, wie das in der nächsten Grafik deutlich wird.

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In langsamen Schritten löst sich die Seele vom Leib und haftet dem Geist an. Dort wo die Seele noch „ungehorsam“ ist, dort wo sie ihre alten egoistischen Verhaltensmuster aufrechterhält, dort haftet sie nach wie vor am Leib. Diese „Restbestände“, die noch am Leib haften, werden oft erst durch Schwachheit und Bedrängnis gelöst.
Wenn sich die Seele durch Nöte, vom Leib löst und dem Geiste anhängt, dann kommt auch die Kraft Gottes, durch den inneren neuen Menschen in der Seele zur Vollendung: 2Kor 12:9-10 - Und er hat zu mir gesagt: Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft kommt in Schwachheit zur Vollendung. Sehr gerne will ich mich nun vielmehr meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft Christi bei mir wohne. 10 Deshalb habe ich Wohlgefallen an Schwachheiten, an Misshandlungen, an Nöten, an Verfolgungen, an Ängsten um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.

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Der menschliche Geist, sowie die Seele und dadurch auch das Herz des Menschen können Göttliches empfangen. Aus ihnen selbst kommt nichts, was Ewigkeitswert hätte (Pred 3:14). Wenn Geist, Seele und Herz nur Empfangende sind, so haben sie auch nichts zu rühmen:

  • DBR Röm 8:16 - Er, der Geist, zusammenbezeugt unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind.

Es geht letztlich nicht darum, dass wir unsere eigene Gerechtigkeit suchen (Phil 3:9) und haben, sondern dass wir solche werden, die sich in allen Teilen beschenken lassen. Und wenn wir uns in allem beschenken lassen und nach dem Willen Gottes suchen, dann lernt unser Geist und unsere Seele, sich dem Geiste Gottes unterzuordnen. Es geht um Unterordnung und Gehorsam und nicht um die eigene Anstrengung!

  • Das Herz und die Seele dürfen lernen, absolut zu vertrauen und alles, was wir brauchen, um ans Ziel zu gelangen, von Gott zu erwarten und sich in allen Dingen beschenken zu lassen!

Wie die Vorherbestimmung gesehen werden kann

Aussagen über die Vorherbestimmung und den eigenen Willen

Mittlerweile kennen wir die Bibelstellen, die uns die Sichtweise der Vorherbestimmung vermitteln. So lesen wir,

  • dass Gott alles nach dem Rat Seines Willens wirkt (Eph 1:11),
  • dass wir aus Gnade, durch Glauben errettet sind, und das nicht aus uns selbst, sondern dies Gottes Geschenk ist (Eph 2:8),
  • dass Gott das Wollen und Vollbringen in uns wirkt (Phil 2:13) und
  • dass wir vor Grundlegung der Welt auserwählt wurden (Eph 1:4)
  • usw.

Andererseits sehen wir auch die biblischen Aussagen,

Vorherbestimmung und eigener Wille – zwei Pole

Wir sehen also in Sachen „Vorherbestimmung“ und „eigener Wille“ zwei Pole, die wir vorerst nicht auf einen Nenner bringen. Diese beiden Pole möchte ich anhand eines Bildes einer Spiralgalaxy verdeutlichen!

2Pole.jpg

Diese beiden gegensätzlichen Pole waren vor der Erschaffung des Universums eins! Damals gab es meiner Ansicht nach keine Bipolarität. Sie werden in der Vollendung wieder zu einem Punkt verschmelzen! Doch heute leben wir in einer bipolaren Welt. Durch das Gesamtzeugnis des Wortes Gottes und die Offenbarung des Geistes können die Söhne Gottes jedoch erahnen, wo der Kern der Sache liegt.

  • 1Kor 2:9-10 - sondern wie geschrieben steht: «Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.» 10 Uns aber hat Gott es geoffenbart durch den Geist, denn der Geist erforscht alles, auch die Tiefen Gottes.

Durch das geistliche Wachstum in der göttlichen Erkenntnis kann man den Kern der Sache „einkreisen“! Ob wir den „Kern“ zu Lebzeiten ganz erfassen können, will ich an dieser Stelle offenlassen. Für das Erfassen des eigentlichen Kerns braucht es auf jeden Fall einen längeren Entwicklungsprozess innerhalb des Glaubens!

Wie könnte die Vorherbestimmung "entstanden" sein?

David machte in Ps 139 eine interessante Feststellung:

  • Ps 139:1b-4 - HERR, du hast mich erforscht und erkannt. 2 Du kennst mein Sitzen und mein Aufstehen, du verstehst mein Trachten von fern. 3 Mein Wandeln und mein Liegen - du prüfst es. Mit allen meinen Wegen bist du vertraut. 4 Denn das Wort ist noch nicht auf meiner Zunge - siehe, HERR, du weißt es genau.

Gott hat also die Menschen erforscht und untersucht und von ferne hat Er unsere Motive erkannt. Wie aber sollen wir das verstehen? Was bedeutet es, wenn der allmächtige Gott erforschen oder untersuchen muss?
Ich versuche das mit unserem menschlich beschränkten Denkvermögen zu erklären: David hat erkannt, dass Gott seine Motive von fern verstanden und gesehen hat. Mit anderen Worten: „Lange bevor David als Mensch in Erscheinung trat, hat Gott den David durch und durch erkannt, denn auch Paulus schreibt:

  • Gal 1:15 - Als es aber dem, der mich von meiner Mutter Leibe an ausgewählt und durch seine Gnade berufen hat, …

Wenn Gott etwas untersuchen musste, dann könnte das ein Hinweis darauf sein, dass Gott zuerst eine Forschungsarbeit leisten musste, bevor Er David erkannt hat (ich rede menschlich, denn aus der Sicht Gottes sieht vmtl. alles noch ein bisschen anders aus). Auch wenn meine menschlichen Erklärungsversuche „bruchstückhaft“ sind, so können sie doch eine Hilfe sein, den scheinbaren Widerspruch von „Vorherbestimmung“ und „eigener Wille“ etwas mehr aufzulösen. Während die Äonen, d. h. die Zeitalter, durch den Sohn geplant wurden (Heb 1:2) und bevor irgend etwas geschaffen wurde, hat Gott sämtliche Motive und Gedanken aller Seiner Geschöpfe untersucht und erforscht. Dabei hat Er auch erkannt, welche Wege jedes einzelne Geschöpf geführt werden muss, damit es die Prozesse durchläuft, die es benötigt, um ans Ziel zu gelangen. Gott hat das Ziel u. a. wie folgt definiert:

  • Jes 45:23-24 - Ich habe bei mir selbst geschworen, aus meinem Mund ist Gerechtigkeit hervorgegangen, ein Wort, das nicht zurückkehrt: Ja, jedes Knie wird sich vor mir beugen, jede Zunge mir schwören 24 und sagen: Nur in dem HERRN ist Gerechtigkeit und Stärke. Zu ihm wird man kommen, und es werden alle beschämt werden, die gegen ihn entbrannt waren.

Die Forschungsarbeit unseres Gottes war also Grundmaterial für die Festlegung der Äonen, resp. für die Planung der Zeitalter! Aufgrund dieser Forschungsarbeit hat Er alles vorherbestimmt. Das würde auch die Aussage aus Spr 16:1 bestätigen, wonach die Überlegungen des Herzens Sache des Menschen sind, während die Antwort der Zunge vom Herrn kommt. Gott hat die Motive der Menschen gesehen und anschließend vorherbestimmt, welche Worte ausgesprochen werden und welche nicht. Sinngemäß die gleichen Worte finden wir in Spr 16:9:

  • ELB - Das Herz des Menschen plant seinen Weg, aber der HERR lenkt seine Schritte.

Gott hat die Planungen des menschlichen Herzens gesehen und anschließend vorherbestimmt, welche Wege beschritten werden dürfen und welche nicht. Er hat bestimmt, welche Handlungen vollzogen werden dürfen und welche nicht, weil Er für alles, was auf dieser Welt geschieht auch die Verantwortung übernommen hat. Für jede Sünde hat Er die Verantwortung übernommen, indem Er durch das Sterben Seines Sohnes die Sünde des gesamten Kosmos wieder hinweg getragen hat (Joh 1:29).
Jedes Geschehen ist vorherbestimmt, aber nicht die Überlegungen unserer Herzen! Die Überlegungen unserer Herzen betreffen mit großer Wahrscheinlichkeit unseren Verantwortungsbereich! Auch wenn die Gedanken der Herzen den Verantwortungsbereich des Menschen betreffen, so werden die Menschen ohne Glauben (Vertrauensbeziehung) zu Gott doch nach ihren Werken gerichtet (Offb 20:13). Dies scheint ein Widerspruch zu sein. Doch die bösen und guten Werke, nach denen die Menschen gerichtet werden, dürften ein Spiegel ihrer Herzen sein. Gott hat die bösen Werke auch deshalb zugelassen (z. B. das böse Ansinnen Satans in Hi 1), weil Er mit ihnen Seine Ziele erreicht, wie das immer wieder deutlich wird. Weil Gott das böse Ansinnen der zehn Brüder zuließ, erreichte Gott mit Joseph, mit den zehn Brüdern und mit Jakob Seine persönlichen Ziele! Gott hat vorherbestimmt, dass die Mordgedanken der Brüder nicht zustande kamen, Er hat jedoch zugelassen, dass die Brüder Joseph als Sklaven verkaufen konnten. Wären die Brüder in ihren Herzen nicht umgekehrt, hätten sie nicht Buße über ihre Sünden getan, so würden sie nach ihren bösen Werken (u. a. für den Verkauf Josephs) verurteilt. Dieses böse Werk hatte seinen Ursprung in den Herzen der Brüder und deshalb sind die Entwürfe des Herzens auch Sache des Menschen. Weil ihre Herzen umgekehrt sind (oder zumindest bei einem Teil von ihnen), hat Gott ihnen vergeben. Auch Jesaja schreibt:

  • Jes 55:7 - Der Gottlose verlasse seinen Weg und der Mann der Bosheit seine Gedanken! Und er kehre um zu dem HERRN, so wird er sich über ihn erbarmen, und zu unserem Gott, denn er ist reich an Vergebung!

Die Josephsgeschichte ist ein Paradebeispiel für die Absichten des Menschen, die Gott z. T. zulässt und somit vorherbestimmt, damit Er Seine Ziele mit den Menschen erreicht.
Gerade weil die Gedanken unserer Herzen bei der Festlegung der Zeitalter, vor der Erschaffung des Universums, eine gewisse Rolle gespielt haben, dürfen wir auch sehen, dass unsere Gebete und Fürbitten bei der Planung und Vorherbestimmung der Äonen von Gott auch mitberücksichtigt wurden.

Gott sieht, bevor es ist

Doch wie können wir uns vorstellen, dass Gott etwas sieht, bevor es da ist? Auch dazu möchte ich anhand einer Grafik zeigen, wie es sich verhalten könnte.

Zeitachse.jpg

Wir leben auf der Zeitachse (rosa gerade Linie), die vom Anfang bis in die Vollendung führt. Bevor Gott etwas geschaffen hat, bevor die Heilsgeschichte anfing zu laufen, hat Gott alle Motive erforscht und erkannt und dabei die ganze Heilsgeschichte vorherbestimmt. Doch bei dieser Vorherbestimmung haben vmtl. unsere Motive des Herzens eine gewisse Rolle gespielt. Es war damals wohl nicht von geringer Bedeutung, welche Herzenseinstellung wir heute haben. Wenn wir heute bereit sind, uns von Gott beschenken zu lassen, Ihn wirken zu lassen, dann hatte das damals bei der Planung und Vorherbestimmung der Weltgeschichte vmtl. eine gewisse Rolle gespielt - oder wie sollen wir den Ausspruch von Röm 2:5 sonst verstehen?

  • ELB - Nach deiner Störrigkeit und deinem unbußfertigen (nicht mitdenkendem) Herzen aber, häufst du dir selbst Zorn auf für den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes

Die Störrigkeit des Herzens der Menschen hat also auf das Maß des Gerichtes Gottes eine Auswirkung!

Der Gott, der alles bewirkt

Wie aber sollen wir verstehen, was Paulus den Philippern schreibt:

  • ELB Phil 2:13 - Denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken zu seinem Wohlgefallen.

Alles, was Ewigkeitswert hat, alles, was Gott gefällt, wirkt Er durch den neuen, inwendigen Menschen in uns! Dieser neue, inwendige Mensch ist aus Gott geboren und gezeugt und nur dieser Mensch, der ein Bestandteil Gottes ist, kann Dinge wollen und bewirken, die Gott gefallen; wir können das nicht! Das Einzige, was wir können - und das auch nur mit Hilfe des Geistes Gottes, ist:

  • "Unsere Seele kann vielleicht immer mehr lernen, sich diesem neuen, inwendigen, aus Gott geborenen Menschen, unterzuordnen!"

Hier liegt vmtl. unser Verantwortungsbereich!
Wenn der Hammer sagen würde, „ich habe den Nagel eingeschlagen“, dann ist das vermessen, auch wenn es so aussieht. Der Hammer hätte ohne die Hand niemals einen Nagel einschlagen können und die Hand hätte es auch nicht gekonnt, wenn das Haupt es nicht so gewollt hätte. Um bei diesem Bild zu bleiben, könnte man sagen, wir sind wie ein Hammer und Christus wie die Hand (unser Haupt) und das Haupt ist der Vater. Es wäre also absolut vermessen, das Wirken Gottes in uns und durch uns als eigene Leistung hinzustellen.

Wenn Gott verhärtet oder verstockt

Pharao ist ein Paradebeispiel für die Verhärtung des Herzens. Paulus greift dieses Thema im Römerbrief auf und schreibt:

  • Röm 9:17-22 - Denn die Schrift sagt zum Pharao: «Eben hierzu habe ich dich erweckt, damit ich meine Macht an dir erzeige und damit mein Name verkündigt werde auf der ganzen Erde.» 18 Also nun: wen er will, dessen erbarmt er sich, und wen er will, verhärtet er. 19 Du wirst nun zu mir sagen: Warum tadelt er noch? Denn wer hat seinem Willen widerstanden? 20 Ja freilich, o Mensch, wer bist du, der du das Wort nimmst gegen Gott? Wird etwa das Geformte zu dem Former sagen: Warum hast du mich so gemacht? 21 Oder hat der Töpfer nicht Macht über den Ton, aus derselben Masse das eine Gefäß zur Ehre und das andere zur Unehre zu machen? 22 Wenn aber Gott, willens seinen Zorn zu erweisen und seine Macht zu erkennen zu geben, mit vieler Langmut die Gefäße des Zorns ertragen hat, die zum Verderben zubereitet sind, und wenn er handelte, damit er den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen des Erbarmens zu erkennen gebe, die er zur Herrlichkeit vorher bereitet hat, 24 nämlich an uns, die er auch berufen hat, nicht allein aus den Juden, sondern auch aus den Nationen.

Nachfolgend zitiere ich einige Abschnitte aus dem Büchlein „Die Entwürfe des Herzens“ von Arthur Muhl:

Nun betrachten wir die Verstockungsgeschichte bei Pharao. Hier wirft Paulus ein bestimmtes Licht auf die Zusammenhänge. Es ist ihm wichtig zu zeigen, wie letzten Endes alles an Gott liegt, ohne dass deshalb Ungerechtigkeit bei Gott wäre, wenn Er bestimmt, was geschehen soll und was nicht. Wir durften in den bereits erwähnten Dingen sehen, dass Bestimmung Gottes und der Eigenwille des Menschen einander nicht ausschließen, sondern dass jedes seinen Platz und seine Einordnung im Gesamt-Ratschluss Gottes findet. Auf die Frage: „Warum tadelt er noch?” durften wir zu der von Paulus gegebenen Antwort noch ein inneres Verstehen dieses scheinbaren Widerspruchs erkennen.
Bevor Pharao von allem etwas wusste, sprach Gott zu Mose in der Wüste: “Ich werde sein Herz verhärten (2Mo 4:21).“ Nun können wir in 2Mo 7:3 sogleich wieder fragen: “Was kann Pharao dafür, wenn Gott ihn verhärtet und verstockt?” Die beiden soeben erwähnten Aussprüche Gottes waren nur eine Ankündigung von dem, was Gott noch tun wird, und noch kein Bericht über den Verlauf der Verstockungsgeschichte selbst. Nun wollen wir den Ablauf dieser Dinge der Reihe nach betrachten. Aus diesem Ablauf können wir dann deutlich sehen, dass Gott nicht etwa die persönliche Herzensstellung desjenigen übersieht oder gar mit Füßen tritt, dessen Herz Er verstockt.
Wir finden nun die vielsagende Tatsache, dass Pharao sein Herz gegenüber der Aufforderung des Mose, das Volk ziehen zu lassen, siebenmal verstockte, sich erhob oder sich auflehnt, bevor es dann in 2Mo 9:12 zum ersten Mal heißt: “Der HERR verstockte das Herz des Pharao!” Und im weiteren verstockt der HERR das Herz des Pharaos noch einige Male, und zwar im Ganzen wiederum siebenmal. Aus der Geschichte selbst geht demnach klar hervor, dass der HERR das Herz des Pharaos erst dann verstockte, nachdem dieser nach eigenem Willensentschluss sein Herz selbst völlig verstockt hatte.
Wir haben hier an Pharao das treffende Bild zu jenem Spruche Salomos: “Ein Mann, der, oft zurechtgewiesen, den Nacken verhärtet, wird plötzlich zerschmettert werden, ohne Rettung” (Spr 29:1). Wenn Gott das Herz des Pharaos verhärtete, dann bestätigte Er nichts Anderes als das, was Pharao selbst wollte. Wir könnten beinahe sagen, Gott erhob den Willen des Pharaos zum Beschluss, bis Er das verhärtete Gefäß mit einem Schlage zertrümmerte. Dieser eine Schlag war die Tötung aller Erstgeburt Ägyptens. Nicht nur gab Pharao nun dem Willen Gottes nach, sie ziehen zu lassen, sondern sprach: “Dienet dem HERRN!” und dann kam das ergreifende Wort aus seinem Munde: „Gehet hin und segnet auch mich!“ (2Mo 12:32). Und wenn alle diesen Schrei des Pharaos überhören sollten, Gott selbst hat ihn gehört, als ersten Hilferuf eines zerbrechenden Zorngefäßes. Gott vergaß auch nicht, dass einst eine Tochter Pharaos in Barmherzigkeit den Mose aus dem Nil zog und ihn zu ihrem Sohne erhob; denn Gott erhob eines Tages eine Tochter Pharaos zur Frau Salomos über alles in Israel.

Verstockte und widerspenstige Menschen werden durch die Gerichte Gottes in einen Zerbruch geführt, der aber dem Ende zu, eine Umkehr bewirkt. Darum lesen wir in Ps 107:10-16:

  • Die Bewohner des Dunkels und der Finsternis lagen gefesselt in Elend und Eisen. 11 denn sie waren widerspenstig gewesen gegen die Worte Gottes und hatten verachtet den Rat des Höchsten; 12 und er hatte ihr Herz gebeugt durch Unheil. Sie waren gestürzt, und kein Helfer war da. - 13 Da schrien sie zum HERRN um Hilfe in ihrer Not: aus ihren Bedrängnissen rettete er sie. 14 Er führte sie heraus aus Dunkel und Finsternis, er zerriss ihre Fesseln. 15 Sie sollen den HERRN preisen für seine Gnade, für seine Wunder an den Menschenkindern! 16 Denn er hat eherne Türen zerbrochen, und eiserne Riegel hat er zerschlagen.

Mögliche Kriterien der Auserwählung

Jesus sagt einmal:

  • Mt 20:16 - So werden die Letzten Erste und die Ersten Letzte sein; denn viele sind Berufene, wenige aber Auserwählte.

Nur wenige sind auserwählt und mit diesen Auserwählten hat Gott Großes vor:

  • ELB Eph 1:4 - wie er uns in ihm auserwählt hat vor Grundlegung der Welt (w. Herabwurf des Kosmos), dass wir heilig und tadellos vor ihm seien in Liebe,

Warum aber sind einige wenige auserwählt und andere nicht? Was war bei Gott eigentlich das Kriterium der Auserwählung? Den Korinthern erklärt Paulus:

  • ELB 1Kor 1:27 - sondern das Törichte der Welt hat Gott auserwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und das Schwache der Welt hat Gott auserwählt, damit er das Starke zuschanden mache.

Daraus ergibt sich die Frage: „Hat Gott im Vorfeld gesehen, wer schwach und töricht ist und aufgrund dieser Vorschau die Auserwählung festgelegt oder hat Er nach Kriterien ausgewählt, die uns verborgen sind und dann die Auserwählten in Schwachheit und Torheit hineingestellt, so wie Er alle in den Ungehorsam eingeschlossen hat (Röm 11:32)“? Einige Ausleger sind der Meinung, dass der Leib des Christus’, schon vor Grundlegung der Welt ein Teil des Christus war und dass dieser Leib bei der Grundlegung der Welt (w. beim Herabwurf des Kosmos) von dem Christus getrennt wurde, weil hier das „Lämmlein“ geschlachtet wurde (Offb 13:8). Bei dieser Auslegung wäre die Auserwählung, durch die schon immer vorhandene Zugehörigkeit zu dem Christus, bestimmt. Für mich wäre diese Schau möglich, aber ich lasse sie offen.

Der unsichtbare Kern

Zu Beginn durfte ich erklären, dass es von großer Wichtigkeit ist, alle Aspekte dieses Spannungsfeldes zu beachten, damit wir erahnen können, wo der Kern der Sache verborgen liegt. Das Wort Gottes vergleiche ich mit einem Kreis und es ist von großer Bedeutung, dass wir alle Segmente dieses Kreises beachten, damit wir das Wesen des Zentrums erahnen und irgendwann einmal erfassen können! Das Zentrum des Wortes Gottes ist eindeutig der Christus (Joh 5:39 + Joh 1:14)!
Die Worte Gottes, die sich an der Peripherie des Kreises befinden, finden wir in unserer Bibel. Welche Worte befinden sich aber im Zentrum? Vielleicht gibt uns die Aussage aus 2Kor 12:2-5 einen Hinweis darauf:

  • „Ich weiß von einem Menschen in Christus, dass er vor vierzehn Jahren - ob im Leib, weiß ich nicht, oder außer dem Leib, weiß ich nicht; Gott weiß es - dass dieser bis in den dritten Himmel entrückt wurde. 3 Und ich weiß von dem betreffenden Menschen - ob im Leib oder außer dem Leib, weiß ich nicht; Gott weiß es - 4 dass er in das Paradies entrückt wurde und unaussprechliche Worte (das unsichtbare Zentrum des Wortes Gottes?) hörte, die auszusprechen einem Menschen nicht zusteht. 5 Über diesen will ich mich rühmen; über mich selbst aber will ich mich nicht rühmen, nur der Schwachheiten.“