Von der Gegenwart zur Endzeit

Aus Bibelwissen
Wechseln zu: Navigation, Suche

Abschrift des Buches: Rom - Babel - Jerusalem
Der Weg der Menschheit im Licht der Schrift bis zur Vollendung des Gottesreiches

Verfasser: G. Thaidigsmann (Pfarrer in Waldbach) (1928)
Verlag: Gebrüder Schneider, Karlsruhe i. B.

Inhaltsverzeichnis
Kapitel davor:
5. Das Rätsel der römischen Kirche

Von der Gegenwart zur Endzeit

Schön öfter hat die vorliegende Darstellung die Grenze der Gegenwart erreicht, und über dieselbe hinüber zu schauen versucht in die kommende Zeit. Die Zukunft ist ein unbekanntes Land. Und doch nicht ganz unbekannt. Denn die Weissagung der Schrift zeigt den Ausgang des gegenwärtigen Zeitlaufs. Was ins Dunkel gehüllt ist, ist also für den, der dieses Schlussbild der Schrift nach innerem Trieb als Wirklichkeit nehmen kann und muss, nicht die ganze Zukunft, sondern nur die Zeitspanne zwischen der Gegenwart und dem Schlussstück dieses Zeitlaufs. Und auch in diese Zwischenzeit sind Blicke möglich in gewissen Grenzen, wenn nämlich einige Gesichtspunkte genau und gewissenhaft beachtet werden. Von diesen möge zunächst die Rede sein, ehe ein Blick in die Zukunft gewagt wird.

Grundsätze für den Blick in die Zukunft

Der Ausgangspunkt ist der bisherige Geschichtsverlauf, der in der Gegenwart gipfelt. Denn auch die Gegenwart kann nur dann richtig bewertet werden, wenn sie als Ergebnis der Vergangenheit verstanden wird. Die sorgfältige Beachtung der geschichtlichen Linien ist nötig, damit die Bedeutung der Gegenwart erfasst wird; damit nicht ein Ereignis überschätzt und umgekehrt, ein äußerlich unscheinbares Geschehen übersehen wird, das eine wichtige Stufe in der geschichtlichen Entwicklung darstellt. So stellt schon die richtige Erfassung und Einschätzung der Gegenwart eine große Aufgabe dar. Die Lösung bereits dieser Aufgabe ist in dem Fall noch besonders erschwert, wenn man in einer Zeitenwende steht. Um ein wichtiges Beispiel zu nennen: der Sinn und die Bedeutung des letzten großen Krieges war während seiner Dauer, und inmitten der wogenden Eindrücke, schwerer zu erfassen als jetzt, da ein gewisser zeitlicher Abstand die Besinnung erleichtert.

So ist die sorgfältige Erfassung der geschichtlich gewordenen Gegenwart eine große Voraussetzung für den Versuch, Blicke zu tun in den weiteren Gang der Geschichte. Eine zweite Voraussetzung ist die Erfassung des Schlussbildes, das die Bibel an das Ende der geschichtlichen Entwicklung de gegenwärtigen Zeitlaufs setzt. Auch das Verständnis der Weissagung ist nicht leicht zu erringen. Die Hauptfrage ist die: wie weit sind ihre Aussagen bildhaft, so dass sie der Deutung bedürfen, und wie weit dürfen und müssen sie buchstäblich verstanden werden? Die Möglichkeit liegt vor, dass manches als buchstäbliche Wirklichkeit verstanden wird, was bildlich gemeint isst; aber der andere Weg ist ebenso leicht, ja noch leichter beschritten, dass bildliche Redeweise angenommen wird, wo eine Aussage buchstäblich gemeint ist. In denjenigen Teilen der Weissagung, welche die neue Welt darstellen, kann das Bildartige stärker vertreten sein, da unser Geist nur vom Boden unserer gegenwärtigen leiblich-seelichen Verfassung aus die Verhältnisse der neuen Welt erfassen kann. Doch ist auch da vor einer zu raschen Bereitschaft, die biblischen Aussagen bildlich zu deuten, zu warnen. Denn die neue Schöpfung hat die alte zur Grundlage, und ist trotz des über die alte Schöpfung ergehenden Gerichts, deren Verklärung, wie der Auferstehungsleib die Verklärung des jetzigen ist, nachdem das Gericht des Todes und der Verwesung über ihn ergangen ist. Wenn nun schon bei den letzten zwei Kapiteln der Offenbarung Zurückhaltung am Platze ist, gegenüber zu rascher Verflüchtigung der dortigen Aussagen, dann gilt solche Vorsicht noch mehr bei den vorhergehenden Kapiteln, die von den letzten Taten Gottes auf der jetzigen Erde, und im Rahmen dieses Zeitlaufs sprechen. Bildartiges ist zweifellos auch da vorhanden; deshalb ist manchem Weissagungswort eine auslegende Deutung beigegeben. Wo aber die Weissagung von Geschehnissen und Verhältnissen spricht, die auf dem Boden der jetzigen Welt vorstellbar, oder die im Lauf der Geschichte bereits in ähnlicher Weise vorgefallen sind, da liegt kein Grund vor, diese Aussagen aufzulösen, als ob sie nur Bilder seien. Wo deren bildliche Bedeutung nicht auf der Hand liegt, wird unseres Erachtens die sog. "massive" Auffassung der Weissagung dem Schriftsinn, und der bevorstehenden Wirklichkeit eher gerecht als deren Umdeutung.

Bereits bei der Erfassung, der bisher geschehenen Geschichte wirkt der Standort mit, den der Beobachter einnimmt. Wer in der Bibel steht und stehen will, sieht die Verhältnisse, und namentlich die Linie auf der sich das Geschehen bewegt, und die Richtung die es nimmt anders, als er den Standort seines Denkens, Empfindens und Wollens außerhalb der Bibel hat. Aber ebenso wie die Bibel bei dem, der die Geschichte sehen will, das Sehvermögen, das Blickfeld und die Blickrichtung beeinflusst, so wirkt ihrerseits die klare Beobachtung der geschichtlichen Wirklichkeit ein auf die Auffassung des von der Weissagung entworfenen Geschichtsbilds der Zukunft.

Ein Beispiel möge das deutlich machen. An der Bibel geschulte Männer sahen Ereignisse wie den Weltkrieg kommen, als er noch nicht in Sicht war. Bezzel hat sich schon 1907 in diesem Sinn ausgesprochen. Ihre biblische Schulung gab ihnen einen solchen Blick in die Triebkräfte der Zeit, dass sie das Schreckliche herannahen sahen in einer Klarheit, die über die, nur von der denkenden Vernunft, gezogenen Schlüsse hinausragt. Auf der anderen Seite hat die Tatsache des Krieges manche Teile der Offenbarung, die trotz aller Großartigkeit als phantastisch galten, aufgehellt, und hat gezeigt, dass solche Gräuel nicht BILDER sein müssen, die der Umdeutung bedürfen, sondern dass sie nach Maßgabe der geschichtlich gewordenen Schrecknisse Darstellung einer kommenden Wirklichkeit sein können.

Aber die Erwägung, welche Gesichtspunkte der Versuch, die Linien der Zukunft zu erfassen beachten muss, ist noch zu Ende zu führen. Zwei Punkte stehen dem Beobachter fest, der sich auf den Boden der Wirklichkeit stellt, und der zugleich von der Wahrheit des biblischen Wortes überzeugt ist: einmal die bereits biblisch verstandene Gegenwart, andernfalls die vom Boden der Geschichte begriffene biblische Weissagung vom Schlussergebnis der gegenwärtigen menschlichen Geschichte. Im Dunkel liegt zunächst der Zeitraum zwischen der Gegenwart und dem Ende. Nun kann man ja beide unvermittelt nebeneinander stellen. Der Glaube kann sich tatsächlich bescheiden, auch wenn ihm dieses Mittelstück seinem Inhalt nach unbekannt bleibt. Aber je nachhaltiger der Eindruck wird, dass dieses Ende herbeirücke, umso lebhafter wird das Bedürfnis, wenigstens die Hauptverbindungslinien zwischen der Gegenwart und dem Ende zu sehen. Die Erkenntnis, der auf das Ende zugehenden Linien befriedigt nicht nur den denkenden Verstand, sondern hat auch praktische Bedeutung. Die Endzeit, ja bereits die ihr vorausgehende Zeit, verlangt ein festes Herz und klare Wegweisung. Licht ins Dunkel darf wohl ein Anliegen der Christenheit sein. Eine richtige Erfassung dieser ernsten Zwischenzeit ist dann am ehesten möglich, wenn sie einesteils als Weiterentwicklung des bisherigen Geschichtsverlaufs über die Gegenwart hinüber, andernteils als Vorausabschattung des biblischen Schlussbildes verstanden wird. Die Linien von der Gegenwart nach vorwärts, und vom biblischen Schlussbild nach rückwärts müssen in der Mitte zusammentreffen.

Auf solche Weise werden zwar beim Versuch, in die Zukunft zu blicken, viele Fehlerquellen ausgeschaltet und die Gedanken, die gewonnen werden, sind mehr als bloße Vermutungen. Aber Weissagung, Prophetie sind solche Aussagen trotzdem nicht. Sie können nicht eingestuft werden wie die Propheten Israels ihre Weissagungen einleiten durften und mussten: "So spricht der HERR!" Ihr Wort war keine erarbeitete Überzeugung. Es wäre nicht einmal dann genügend gewertet, wenn gesagt würde: es entsprang unmittelbarer Gewissheit. Denn außer der Gewissheit war ihnen auch der Inhalt des Wortes gottgegeben, wahrscheinlich wurde ihnen bis zu einem gewissen Grad sogar die sprachliche Form ihres Wortes, deren Ausdruck dargereicht, wenn auch in der besonderen Prägung ihres Geisteslebens. Und Überzeugung und Wort wurden umfasst vom göttlichen Auftrag: du MUSST mein Wort sagen! Bis zu einem gewissen Grad sind solche Vorgänge auch uns Späteren nicht fremd, namentlich wenn es sich um herbewegende Gegenstände handeln: da kann sich Überzeugung und Gedankeninhalt als gegeben aufdrängen; sogar der sprachliche Ausdruck kann wie als Geschenk empfunden werden.

Es sei in diesem Zusammenhang bemerkt, dass es nicht nur gottgegebene Überzeugungen und Gedanken gibt, sondern auch satanisch zugeleitete, die sich zuerst einzelnen aufdrängen, und dann durch die Vermittlung des mündlichen, geschriebenen oder gedruckten Wortes auch weiteren Kreisen. So gab es neben dem echten Prophetentum in Israel auch ein falsches. Man würde solchen Männern Unrecht tun, wenn man sie als bewusste Betrüger beurteilen würde; ein solcher war auch Mohammed schwerlich. Wie eine derartige satanische Eingebung oder Inspiration zustande kommen kann, das hat ein rechter Prophet in 1Kö 22 enthüllt; er hat aber diese Enthüllung, obwohl sie ihm abgenötigt wurde, büßen müssen, weil das falsche Prophetenwort dem damaligen Machthaber mehr zusagte als die göttliche Warnung. Das Auftauchen neuer Geistesströmungen wurde an anderer Stelle schon mehrfach zurückgeführt auf Einwirkungen aus der unsichtbaren Geisterwelt. Die letzteren erfolgen in zweifacher Weise: einmal, indem der Boden für die Aufnahme der neuen Bewegungen bereitet wird; sodann aber, indem irgendeiner Persönlichkeit das zündende Wort verliehen wird, so dass sie zum Propheten der neuen Strömung wird. So entsteht für die Gemeinde Jesu die fortwährende Pflicht der Prüfung der Geister (1Jo 4:1), die schwer und leicht ist miteinander: schwer, weil es der gefährlichen Strömungen so viele gibt, und weil auch Irrtümer auftauchen, die Kraft aufweisen; leicht, wenn die Gemeinde Jesu sich vom Heiligen Geist das Unterscheidungsvermögen geben und stärken lässt. Die geistigen Strömungen werden immer wirrer werden, und die Gefahr, irregeführt zu werden, besteht auch für die Auserwählten, wenn sie aus der Wachsamkeit entfallen. So ist ein waches Auge nötig, um seiner selbst, und um der anderen willen.

Nach dieser, durch den Gegenstand veranlassten Abschweifung, sind die Ausführungen über die richtige Art christlicher Zukunftsgedanken zusammenzufassen. Wir haben das feste prophetische Wort vom Kommen des Reiches und von der großen Trübsal zuvor. Dieses Wort vom Reich leuchtet über die Trübsal herüber in die Dunkelheiten der Zeit, die noch in Nacht übergehen werden. Aber unmittelbaren Blick in die Nachtzeiten haben wir nicht. Die Gabe der Weissagung in dem besonderen Sinn, durch den Geist Gottes die Zukunft zu erhellen, ist selten. Unser Suchen nach Klarheit gleicht eher dem angespannten Spähen der Augen, die in dunkler Nacht im Freien sich zurechtzufinden suchen. Hinter uns leuchtet noch der Lichtschimmer der Stadt nach: das sind die seitherigen Führungen Gottes. Vor uns in der Ferne ist auch ein Licht sichtbar: das ist das kommende Reich. Zwischen dem Schimmer von hinten und zwischen dem Schein von vorne, der aber den Zwischenweg selber nicht beleuchtet, gehen wir suchend dahin. Das Licht in der Ferne gibt die Richtung des Weges an; aber es wäre doch gut, wenigstens einiges auf dem dunklen Weg wahrzunehmen.

Es ist ein Gleichnis, aber immerhin wird die Lage dadurch angedeutet. Bloße Vermutungen und Meinungen helfen nicht. Mit dem Hören auf solche wird nur die Neugier befriedigt. Es ist gut, wenn sich Christen von der Neugier verabschieden. Aber etwas anderes als Neugier ist aber nur zu erlangen, auf dem Weg des ernstlichen Forschens im prophetischen Wort der Schrift, und der Zusammenschau dieses Wortes mit dem gesamten Geschichtslauf. Auch dann wird des Fragens noch viel übrig bleiben. Und Fehlgriffe sind trotzdem möglich. Darum darf die Bereitschaft zum Umlernen nicht verloren gehen. Der Verzicht auf Lieblingsmeinungen ist ja schwer. Aber wenn sie sich als nicht der Wirklichkeit entsprechend erweisen, dann muss die Wahrheit höher stehen als eigene Gedanken. Unter Beachtung der genannten Wegweiser und Schranken sei im Folgenden ein Blick in die Zukunft gewagt.

Die Vorbereitung der Endzeit

Mit dieser Überschrift ist bereits ausgesprochen, wie in diesem Buch die kommenden Jahrzehnte beurteilt werden. Der ganze bisherige Gedankengang hat den Gedanken nahegelegt, dass die Weltreiche der Endzeit entgegeneile. Die letztere wird aber nicht unvermittelt eintreten. Sie bereitet sich vor. Wir versuchen, die Zeichen der Zeit zu deuten, indem wir zunächst den künftigen Gang der Kirchen ins Auge fassen. Wir knüpfen an die letzten Ausführungen über die Kirchen: die römische S. 273 ff. die deutschen evangelischen S. 264 ff., die englische Hochkirche S. 291 ff., die amerikanischen Freikirchen S. 293 ff. Für einen Christen ist ja die kirchliche Frage etwas Wichtiges, selbst wenn er persönlich seinen Schwerpunkt mehr in einem freieren Zusammenschluss hätte. Am Gang der Kirche ist die Gemeinde Jesu tief beteiligt.

Der Ausgang der evangelischen Kirchen

Die evangelischen Kirchen Deutschlands sind umbrandet. Zwar regt sich neben Verfallserscheinungen neues Leben und neues kirchliches Interesse. Die schwierigen kirchlichen Verhältnisse könnten als Übergangserscheinungen beurteilt werden, die zusammenhängen mit der Lösung des staatlichen Bandes, und mit den Erschütterungen, die jeder verlorene Krieg im Gefolge habe. Es fehlt nicht an Stimmen, denen die Lage der evangelischen Kirche Deutschlands als hoffnungsvoll erscheint, die das zwanzigste Jahrhundert als das Jahrhundert der Kirche ansehen. Das Schlussbild der Offenbarung von den Zuständen am Ausgang des gegenwärtigen Zeitlaufs, lässt aber keine Gebilde erkennen, die sich gegen das Antichristentum zur Wehr setzen, wie man es doch meint, annehmen zu müssen, wenn die Kirchen ihrem Namen alle Ehre machen. Auch der Blick des Paulus war trüb. "Der Geist sagt deutlich, dass in späteren Zeiten werden etliche vom Glauben abtreten" (1Tim 4:1). Im Blick auf die letzten Tage hat er dem jungen Timotheus ein unangenehmes Wissen zur Pflicht gemacht: "Das sollst du aber wissen, dass in den letzten tagen werden gräuliche Zeiten kommen" (2Tim 3:1-9). An dieser Stelle ist besonders bemerkenswert, dass Paulus das Weiterbestehen der "äußeren Formen der Frömmigkeit" - Übersetzung von Menge; Luther: "Schein eines gottseligen Wesens" - neben der Auflösung der Gottesfurcht und Liebe ins Auge fasst. 2Thes 2:3 spricht er vom Abfall, der dem Wiederkommen Jesu vorausgehen müsse.

Gibt es Verbindungslinien zwischen der kirchlichen Gegenwart und den, nach der Schrift zu erwartenden Zuständen? Ja, denn das biblische Zukunftsbild ist jetzt schon in den Kirchen, und bis tief in die frommen Kreise hinein wirksam. Und es ist gut, sich über diese Tatsache nicht zu rasch zu trösten mit dem Gedanken, anders sei es überhaupt nicht möglich. Um Wiederholungen zu vermeiden, sei das, was Kirchen und Vereinigungen von der Bahn der Gemeinde Jesu wegdrängt, nicht noch einmal aufgezählt, sondern nur die Entwicklung genannt, die von der Gegenwart zur Endzeit hinüberzuführen scheint: die evangelischen Kirchen Deutschlands gehen über kurz oder lang der Entscheidung entgegen, ob sie um des Evangeliums willen den Weg des Kreuzes zu gehen bereit sind. Diese Entscheidung wird sehr schwer werden. Was Petrus nach seinem schönen Bekenntnis auf die erste deutliche Leidensankündigung empfunden, gesagt und getan hat, und was Jesus im Anschluss daran gesprochen hat (Mt 16:13-27), das wird für unsere Kirchen noch Bedeutung erlangen. In ihrer jetzigen Mittelstellung zwischen Volk und Evangelium können sie auf die Dauer nicht verharren. Denn das Volksleben entwickelt sich auf Bahnen, die vom Evangelium abführen, so dass schließlich keine Klammer mehr imstande sein wird, Volk und Evangelium zusammen zu halten. Gewissenhafte Bindung an das Evangelium mit seiner nicht bloß lieblichen, sondern auch salzenden Art kann die Verbindung zwischen Kirche und Volk sprengen; ein Festhalten des Bandes um jeden Preis hätte Untreue gegen das Evangelium zur Folge.

Wenn unser Volksleben nicht eine kräftige Wendung macht, zurück zur Gottesfurcht und zu neuem Glaubensleben, dann kann die Volkskirche mit der jetzigen Betonung BEIDER Wortteile nicht bestehen bleiben. Angesichts der gegenwärtigen Weltströmungen ist aber eine Wendung des ganzen Volkslebens nicht wahrscheinlich. Es ist gut, sich mit der ernsten Erwartung vertraut zu machen, dass unsere evangelischen Kirchen schließlich als Volks-KIRCHEN ausscheiden. Wir wünschen den Übergang zur Freikirche nicht; aber vielleicht lässt sich zu gewissen Zeiten eine Entwicklung in dieser Richtung nicht aufhalten. Wir fürchten die Entwicklung der Kirche zu einem religiösen Gebilde volkstümlicher Art unter Verleugnung des Evangeliums; können aber unter Umständen einen solchen Gang nicht verhindern. Wie würden wir uns freuen an einer Erneuerung des Volkslebens im Sinn des Evangeliums, wo die Volkskirche ihren Namen ausleben könnte! Wie würden wir es bedauern, wenn unsere Kirche um des Evangeliums willen auf volksmäßige Form verzichten müssten! Aber tief ängstigen müsste die Wahrnehmung, dass die Kirchen die Volkstümlichkeit mit Preisgabe des Evangeliums erkauften.

Der zuletzt genannte Weg ist dem Satan der liebste. Märtyrer schafft er nicht gern, weil deren Leiden oder gar ihr Blut die Sache des Reiches Gottes fördert. Aber Kirchen ohne Evangelium wären seiner Sache förderlich, und darum fördert er selber diese Entwicklung. Er hat darin eine lange Erfahrung. Die Befürchtung, dass die Entwicklung der deutschen evangelischen Kirchen in dieser Richtung verlaufen werde, ist nicht grundlos. Darauf arbeitet die Macht der Finsternis mit aller Energie hin, und der Hilfsmittel und Hilfstruppen zu diesem Zweck hat sie mancherlei. Was wir befürchten, das ist nicht das Aufhören der Volkskirche selber, sondern ihre Überleitung in ein der Volkskirche ähnliches, aber des Evangeliums entleertes Gebilde, in welchem alle idealen, nicht rein materiellen Bestrebungen Heimatrecht und Auslebe-Möglichkeit haben, auch solche, die dem Evangelium zuwider sind. Die christlichen Formen würden in der Hauptsache bleiben; auch die Vertretung des Evangeliums wäre noch möglich, würde aber in den Hintergrund treten und beargwöhnt werden. Die Kirche hätte sich der Welt und ihren Wünschen angepasst, und würde sie mit einer religiösen Weihe und Würde umkleiden und auf diese Weise fördern, entgegen ihrem eigentlichen Beruf, die Welt zu überwinden. Die Kirchenleitungen, die Diener der Kirchen, die Theologie werden noch vor schwere Gewissensfragen gestellt werden; zum Teil stehen sie schon mitten in ihnen drinnen.

Der Aufmarsch Roms innerhalb der Christenheit

Und die römische Kirche rückt näher. Sie weiß schon längst, wie Anpassung und Überlegenheit miteinander zu vereinigen sind; wie man es fertigbringt, auf die Welt einzugehen und doch die Herrschaft über sie zu erringen; christliche Worte und Formen beizubehalten und gleichzeitig auf das tiefste Wesen des Christseins zu verzichten. Dass ihr Streben darauf hinführt, die durch die Reformation erlittenen Verluste wieder auszugleichen, das ist bekannt; sie macht auch gar keinen Hehl daraus. Wenn sie Aussicht hat zu siegen, kann sie sich auch den bisherigen evangelischen Volkskirchen nähern; und diesen kann sich eine Vereinigung mit ihr zu einer großen allgemeinen christlichen Kirche empfehlen. Schon lange wird ja die Unterschiedlichkeit und Gegensätzlichkeit der Kirchen als misslich, und ihrem Wesen widersprechend empfunden. Daher die gegenwärtigen Annäherungsversuche aller Kirchen, denen sich nur Rom fernhält. Wenn es seine Zeit gekommen sieht, wird es sich schon beteiligen. Die Zeit ist für einen Zusammenschluss der Kirchen im Großen noch nicht reif geworden; aber sie geht langsam der Reife entgegen. Die Voraussetzung ist nur die, dass die aus der Reformation entsprungenen Kirchen der römischen den Vorrang lassen. Wenn die Zeit für einen Zusammenschluss reif ist, werden die Gründe für den Vorrang Roms sich schon finden: die katholische Kirche kann auf ihr hohes Alter und ihre lange Überlieferung hinweisen, diesen Altersanspruch anzuerkennen.

Wir blicken über Deutschlands Grenzen hinüber. In England gibt es bereits ein Mittelglied zwischen der römischen und den evangelischen Kirchen, nämlich die Hochkirche. Dort ist schon längst Verständnis für Rom vorhanden. Es sind dort Strömungen, die nach weiterer Ausgestaltung römischer Art Verlangen tragen. Eine gegenseitige Annäherung zwischen Rom und der Hochkirche wäre nicht so schwer, besonders wenn sie durch die Politik gefördert würde. Die unrichtige Stellung zum Reich Gottes, die in weiten Kreisen Englands herrschend ist, die das englische Weltreich und das Reich Gottes in naher Beziehung zueinander sehen, kann für die Hochkirche noch sehr verhängnisvoll werden. Wenn Rom sich der Förderung englischer Weltmachtpläne geneigt zeigt, dann ist große Gefahr, dass die Widerstandsfähigkeit gegen Rom in England erlahmt, und dass auf diese Weise die englische Hauptkirche für Rom reif wird.

Auch für die amerikanischen Kirchen kann die verkehrte Auffassung des Reiches Gottes ernste Folgen nach der gleichen Richtung haben. Rom will das Reich Gottes bereits darstellen; das amerikanische Christentum - im Großen genommen - lebt im Wahn, es anzubahnen. Beide vergessen, dass das Reich Gottes nicht von dieser Welt und Zeit ist. Wo in einem so wichtigen Punkt derart weitgehende Übereinstimmung herrscht, können die Wege für ein gegenseitiges Nähertreten geebnet werden, besonders, wenn die Weltlage es zu erfordern scheint, wenn Zersplitterung als Luxus und Einigkeit als Gebot der Stunde erscheint.

Ob die Christenheit nicht der Einigung unter Roms Führung entgegengeht? Ob nicht die vielerlei kirchlichen Erscheinungen, Vorkommnisse, Bestrebungen Glieder eines großen Planes sind? Nicht eines menschlichen Plans, wiewohl solche Hoffnungen und Bestrebungen auf römischer Seite unzweifelhaft vorhanden sind; sie wartet auf den Eingang der ganzen Christenheit in den einen Schafstall unter dem einen Hirten. Aber nicht nur Menschen machen Pläne in der unsichtbaren Welt, im widergöttlichen Geisterreich. Welcher Jubel würde in der Christenheit wachwerden - freilich in törichter Verblendung -, wenn eines Tages gesagt werden könnte: die Christenheit ist einig geworden! Es gibt nur noch eine, heilige, christliche Kirche! Die Zertrennung hat aufgehört! Die Kirchen, die dann noch solchem Einigungswerk widerstreben wollten, könnten sich nur mühsam halten, und würden in die Rollen von Sekten hineingedrängt, auch wenn sie keine wären, sondern mit ihrem Fernbleiben nur dem Evangelium dienen wollten.

Einen Blick in die Entwicklung der politischen Verhältnisse wagen wir nicht. Aber die Zeit der politischen Erschütterungen ist schwerlich vorbei, trotz des Pazifismus. Denn die Selbstsucht ist stärker als der Friedenswille. Und Jesus hat die Fortdauer der Kriege vorausgesagt. Zündstoff ist genügend vorhanden, selbst zwischen solchen, die sich immer wieder ihrer Freundschaft versichern. Und wohl möglich ist es, dass Deutschland, inmitten Europas gelegen, noch vieles zu tragen hat. Gerade solche Erschütterungen können die Kirchen für ein Zusammengehen reifer machen, um auf diese Weise zum Aufhören der Zwistigkeiten mitzuhelfen. Es wäre auch möglich, dass eine Einigung der Kirchen politische Wirkungen im Sinn des Friedens, innerhalb der Christenheit hätte. Einst hat die Reichskirche das alte Reich gerettet; die mittelalterliche Kirche hat die abendländische Welt zusammengehalten. Ob nicht Rom auch der letzte Halt des alternden 6. Reiches sein, und es dann hinüber leiten wird über die kurze Zwischenstufe - das 7. Reich - zum antichristlichen? Wenn die gezeichnete Entwicklung sich als richtig erweist, dann ist Rom tatsächlich das Einheitsband einer 2000-jährigen Geschichte. Leichten Herzens sind solche Gedanken weder zu denken noch auszusprechen. Aber sie liegen auf der Verlängerungslinie, die von der biblisch verstandenen Geschichte, über die Gegenwart hinausführt in die Zukunft. Und sie liegen auf der Linie, die vom biblischen Endbild herüberzuziehen ist bis zur Gegenwart. Denn von einer, unter Hintansetzung des Evangeliums einheitlich gewordenen Christenheit, führt der Weg hinüber zu einer menschlichen Gesellschaft, die eins wird im Gegensatz gegen das Evangelium und in der Anbetung des Tieres.

Der Aufmarsch der hamitischen Völkergruppe

Es wurde im oberen Abschnitt vom nahenden Vormarsch der römischen Kirche innerhalb der Christenheit gesprochen. Der letzteren rückt aber auch eine ganze große Gruppe der Menschheit näher, deren Aufmarsch seit einigen Jahrzehnten, und noch mehr seit Kriegsende, der europäischen-amerikanischen Völkerwelt große Sorge macht, nämlich die Hamiten (das Wort im biblischen Sinn verstanden). Von den früher schon besprochenen drei Völkergruppen ist zweien eine Herrscherrolle zugesprochen worden: den Semiten und den Japhetiten. Von den Hamiten ging wahrscheinlich die erste widergöttliche Menschheitsorganisation aus, die im ältesten Babel ihren Mittelpunkt hatte. Sie wurde zerschlagen. Die Weltherrschaft ist hamitschen Völker seither nicht mehr zugefallen, wiewohl mehrmals aus dem Innern Asiens furchtbare Horden hervorgebrochen sind, welche die Geschichte Europas, und Vorderasiens tief beeinflusst haben. Es sei erinnert an die Hunnen, die Magyaren, die feldschuckischen und osmanischen Türken, sowie an die mongolischen Einbrüche, die im 13. Jahrhundert durch Russland bis nach Schlesien vordrangen, und um die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert auch das türkische Reich fast über den Haufen warfen.

Diese Einbrüche aus dem Innern Asiens nach Westen, erinnern an die bedeutungsoller Erwähnung des Euphrat als der Völkerschranke zwischen dem Osten und Westen, die einmal fallen soll (Offb 9:14; Offb 16:12). Der heutigen Zeit ist es, wenn auch wenig davon gesprochen wird, wohl bewusst, welch ernste Tage für Europa anbrächen, wenn die Völker Asiens die Schranken nach dem Westen durchbrechen würden. Die eben genannten Einbrüche sind eine Art Vorspiel zu solchen Bewegungen der Zukunft. Dass auf den raschen Aufschwung Japans und auf die Lage in China, aus der nach Beendigung der dortigen Wirren, eine für den Westen bedrohliche Macht erstehen kann, ist an anderer Stelle bereits hingewiesen worden, wie auch auf das Erwachen der dunkelhäutigen Welt. Es scheint, als ob solche Bewegungen der kommenden Endzeit vorbehalten seien; bis jetzt ist den hamitischen Völkern an der Beherrschung der Menschheit kein Anteil gegeben worden.

Am ausgiebigsten haben die Japhetiten, d.h. die europäischen Völker mit Amerika als ihrem Ableger, die Weltherrschaft ausgeübt, und sind noch in deren Besitz. Das 6. Reich, das mit dem alten Rom begann, dann aber ganz Europa an sich zog, und von hier aus nach Amerika übergriff, ist zu einer Zusammenfassung der ganzen japhetitischen Völkergruppe geworden. Die letztere durfte auch vor den Hamiten in den Hütten Sems wohnen, d. h. sie bekam die Segnungen des Christentums, während die anderen Völker erst seit der 2. Hälfte der Neuzeit mit dem Evangelium bekannt wurden. Aber das Evangelium hat sich in dieser Völkergruppe auch ernste Beimischungen gefallen lassen müssen. Zur Gemeinde Jesu ist sie nicht geworden. Es ist zu erwarten, dass die Christenheit dieser Gruppe unter der Führung Roms noch sich zu einem Zerrbild des Reiches Gottes ausgestaltet.

Der Aufmarsch des Judentums

Was macht nun inzwischen die dritte Völkergruppe, die der Semiten? Nur von zwei Völkern der Gegenwart kann noch bestimmt gesagt werden, dass sie ihr angehören: das ist das jüdische und das arabische Volk; beide Schicksalsvölker für die japhetitische Christenheit. In welchem Maße die Araber die Geschichte Europas und der Christenheit bestimmt haben, das wurde bereits eingehend besprochen. Sie waren es, die den großen Angriff auf die Christenheit machten und sie auf Europa einengten, indem sie dieselbe von Afrika und Asien abschlossen. Sie waren es, die Europa nach Westen, nach Amerika drängten; denn ohne den genannten Wall wäre wohl der Seeweg nach Westen, über den Atlantischen Ozean, kaum so bald versucht worden. Sie waren es, die ihren neuen Glauben an andere Völker weitergaben, so an die Perser und Türken und neuerdings bis tief hinein nach Afrika, Indien und Hinterasien. Sie sind heute noch wie ein Fremdkörper hineingesprengt zwischen Europa und Asien. Und in ebenso merkwürdiger Beziehung zur Christenheit steht das jüdische Volk, das die ganze Christenheit durchsetzt. Es ist ein Volk ohne Heimat, ohne äußeren Zusammenhalt, aber unvermischt geblieben mit fremdem Blut, wie kaum ein anderes Volk. Sein Vaterland ist bis jetzt noch die Christenheit, in deren Mitte es lebt, dieselbe tief beeinflussend. Der Angriff des Arabertums, das im Islam sein geistiges Gesicht bekommen hat, ist bereits als Gegenstoß der semitischen Völkergruppe gegen die japhetitischen Christenheit gewertet worden. Aber der eigentliche Vertreter Sems ist Israel. Und von diesem Volk, genauer vom Judentum, ist der Hauptstoß zu erwarten, der die Herrschaft des 6. Kopfes zum Ende bringt, die Führung der Weltgeschichte übernimmt und sie als der 7. Tierkopf zum Antichristentum überleitet.

In diesem Zusammenhang mögen einige Worte gesagt sein über die Rolle des kleinen Horns, das Daniel zwischen den 10 Hörnern des 4. Tieres hervorschießen sah mit der Wirkung, dass drei derselben ihm zum Opfer fielen (Dan 7:8.20-26). Diesem Horn richtet sich die Aufmerksamkeit Daniels in besonderem Maße zu, und ihm galt in erster Linie das göttliche Gericht. Von den 10 Hörnern des Tieres ist auch in der Offenbarung die Rede; von dem kleinen Horn wird freilich nicht ausdrücklich gesprochen, wenigstens nicht mit der besonderen Aussage, dass es an die Stelle von drei ursprünglichen Hörnern treten werde. Aber die Aussagen im Buch Daniel lassen sich mit denen der Offenbarung zusammenfügen. Ebenso erfahren sie durch den bisherigen Geschichtslauf bereits eine gewisse Auslegung; und es ist anzunehmen, dass der Fortgang der Geschichte sie noch mehr beschäftigen werde.

In der bisherigen Darstellung wurde das 4. Tier Daniels mit dem 6. Tierkopf der Offenbarung zusammengenommen, aber mit der Maßgabe, dass es den 7. und 8. Tierkopf ebenfalls noch in sich schließe. Zur Zeit des 8. Reichs sind die, den 10 Hörnern entsprechenden Könige bzw. Reichsteile vorhanden (Offb 17:12.13). Aber wenn die Übereinstimmung des 4. Tieres Daniels mit den 3 letzten Tierköpfen der Offenbarung berechtigt ist, dann wird der Schluss ebenso berechtigt sein, dass die genannten Reichsteile sich bereits vom 6. Reich an herausbilden. Tatsächlich ist ja, die durch ihre lange christliche Geschichte zusammen geschlossene europäische-amerikanische Völkerwelt in eine Anzahl von Staatsgebilden auseinander gegangen. Die innere Zusammengehörigkeit ist noch vorhanden, aber die äußerlich sichtbare Einheit ging verloren. Es könnte der Versuch erwartet werden, 10 solcher staatlicher Gebilde mit Namen zu benennen. Aber eine derartige Aufzählung ist zur Zeit noch fast unmöglich. Denn die Geschichte des 6. Reichs ist noch nicht abgeschlossen. Die Aufteilung Europas ist seit dem Ausgang des alten Roms in fortwährender Veränderung. Im Gefolge des Weltkriegs hat sie sich wieder eingreifend verändert. Weitere Änderungen sind nicht ausgeschlossen. Außerdem nehmen die staatlichen Zusammenschlüsse oft so wenig Rücksicht auf die natürliche Zusammengehörigkeit der Bevölkerung, dass es garnicht sicher ist, ob unter den 10 Hörnern gerade solche, oft willkürlich zusammen gesetzten, Staatsgebilde zu verstehen sind; es könnte sich auch um Gebiete handeln, deren Abgrenzung natürlicher ist. So warten wir erst noch darauf, welche Auslegung Gottes Regierung dem weissagenden Wort von den 10 Hörnern durch den Fortgang der Geschichte geben wird.

Leicht ist es auch nicht, die geschichtliche Verwirklichung des Worts vom kleinen Horn zu finden und aufzuzeigen. Aber es ist doch eher möglich, hier klar zu sehen als bei der Feststellung, welche Gebilde den 10 Hörnern entsprechen. Es muss sich um eine Macht handeln, die bereits in das Gefüge des 6. Reiches eingegriffen hat in der Weise, dass sie Teile dieses Reichs entwurzelt hat. Sieht man sich in der Geschichte des 6. Reiches um, so wird der Blick auf den Islam gelenkt, der dem Reich schwere Verluste zugefügt hat. Wenn man will, kann man sagen: der Islam war ein Vorspiel des kleinen Horns, sofern er dem 6. Reich drei Hörner ausgerissen hat, die bis auf den heutigen Tag, trotz teilweiser politischer Zurückgewinnung der Christenheit, verloren geblieben sind und die in diesem Zeitlauf schwerlich mehr sich dem Christentum in stärkerem Maße aufschließen werden: nämlich das Heilige Land und dessen beide Flügel des Mittelländischen Meeres - Ägypten und Nordafrika auf der einen, und Syrien und Kleinasien auf der anderen Seite.

Auf eine andere Erfüllung hat A. Stäge in seiner kleinen Schrift: "Die Aufrichtung des Königreichs Jesu Christi" hingewiesen, die im folgenden mit einiger Umänderung seiner Gedanken besprochen wird. Im Weltkrieg wurden drei wichtige Gebiete des 6. Reichs aus ihrer seitherigen Entwicklung herausgerissen: Russland, Österreich und Deutschland. Was diesen, in dem Zusammenhang des 6. Reichs gehörenden Mächten widerfuhr, kann in prophetischer Sprechweise als das Ausgerissenwerden von Hörnern bezeichnet werden. Was war die Macht, welche die genannten drei entwurzelt, und welche sich nun selbst im Gebiet des 6. Reichs Raum geschaffen hat? Man könnte sagen: im Weltkrieg ist das 6. Reich mit sich selbst uneins geworden, und hat einigen seiner Glieder das Grab gegraben und damit sich selber gefährdet. Aber es kann auch eine andere Macht genannt werden, die, ohne ihrem Wesen nach zum Reich zu gehören, doch in dessen Mitte heimisch geworden ist, und aus dem Reich heraus für das Reich gefährlich wurde, und noch mehr werden wird: nämlich das Judentum. Mehr als frühere Kriege wurde der Weltkrieg mit finanziellen und wirtschaftlichen und geistigen Mitteln geführt. Der Verwalter und Vermittler dieser Mittel innerhalb der europäisch-amerikanischen Welt ist in zunehmendem Maße das Judentum geworden; In diesem Sinne ist das Judentum zum Kriegsherrn geworden, und erwies sich als eine gewaltige Macht, welche die Grundlagen des 6. Reichs erschüttert hat.

Tatsächlich hat der Krieg die entscheidende Wendung genommen, als England dem Judentum das Heilige Land als nationale Heimstätte versprach, und sich damit die Hilfsmittel des Welt- und Geldjudentums sicherte. Das Judentum mit seinen ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln hat sich so innerhalb der Mächte, die im 6. Reich vertreten sind, als neue Macht erwiesen. Zwischen ihm, aus ihrer Mitte heraus, brach's hervor. Zunächst noch klein, wenigstens scheinbar klein. Aber sein Aufstieg erfolgt rasch, so dass er dem Emporschießen vergleichbar ist. Und drei der früheren Mächte sind dabei ernstlich getroffen worden, so dass von ihrer früheren Macht und Herrlichkeit fast nichts mehr zu sehen ist; und mit ihnen ist auch das Gefüge der übrigen erschüttert worden.

Dieser Gedankengang bedarf aber noch einer Fortsetzung: Das kleine Horn, unter dessen Machtentfaltung die genannten Mächte zu Fall kamen, hat die Stelle des größten derselben, nämlich Russland, eingenommen. Dort herrscht der Bolschewismus, vertreten durch jüdische Führer. In Russland hat sich eine grausige Umkehrung vollzogen: dort ist das einst geknechtete Judentum in Herrscherstellung eingetreten, und hat nun seinerseits auf das Volk, in dem es vordem vieles litt, Leiden gelegt ohne Maß. Und von diesem Stützpunkt aus, sucht der Bolschewismus das Gebiet des 6. Reichs zu unterminieren, und die Völkerwelt Asiens und Afrikas in Bewegung zu setzen gegen ihre bisherigen Herren, mit Hilfe der von ihm verbreiteten Ideen. Gewiss ist der Bolschewismus nur eine Ausprägung des Judentums. Die Art des Judentums im westlichen Europa und in Amerika ist anders, und ebenso dessen Hilfsmittel und Wirkungsweise. Aber eine Festsetzung des Judentums im Gebiet des 6. Reiches, und zwar mit Herrscherwirkung, ist der Bolschewismus doch. Was Dan 7:25 von dem kleinen Horn gesagt wird, dass es nämlich Gott antasten und die Heiligen misshandeln werde, das ist in dem zum Grundsatz erhobenen Atheismus (Gottlosigkeit) des Bolschewismus, und in dem großen Märtyrertum der russischen Kirchen Wirklichkeit geworden.

Gewiss ist Deutschland im letzten Krieg tief gedemütigt worden. Aber das Elend, in welches Russland durch den Bolschewismus gekommen ist, ist noch größer. Vielleicht müssen Frankreich und England es auch noch erleben, dass sie ausgebrochenen Hörnern gleichen. Wieviel Stöße hat das russische, das französische und das englische Horn schon ausgeteilt ohne Erbarmen! Solchen Hörnern kann es gehen, wie es in Sach 2:1-4 geweissagt ist. Vielleicht steht der Schmied schon bereit, der sie abstoßen soll. Was vor dem Krieg, und noch während des Kriegs nicht zu denken war, dass eine Hand voll entschlossener jüdischer Führer ein großes Volk dermaßen im Bann halten könne, wie es seit 1918 an Russland zu sehen ist, das kann in abgewandter Form, mit anderen Methoden, sich noch einmal wiederholen, sogar an Mächten, die auf ihre Selbstherrlichkeit stolz sind. Am russischen Beispiel ist ersichtlich, dass Siege auch ohne Waffen erfochten werden können. Was einst dem Judentum zum Sieg verhelfen mag, wird in erster Linie die Macht der Ideen sein, und noch mehr die des Geldes. Denn das letztere ist das Rückgrat des wirtschaftlichen Lebens, und die Wirtschaft wird je länger, je mehr zum Rückgrat der Politik. Und das Judentum ist nicht nur der Hauptinhaber des Geldes selber, sondern versteht sich auch durch lange Erfahrung auf die Regelung des Geldumlaufs, und damit auf die Regulierung der Weltwirtschaft. Ein solches Emporkommen des Judentums könnte das stolze Gebäude, des sei 2000 Jahren bestehenden 6. Reichs zum Einsturz bringen, und dem kleinen Horn, von dem Daniel spricht, die Stelle des 7. Tierkopfes der Offenbarung verschaffen.

Die eigentliche Erfüllung aber wird die Weissagung Daniels vom kleinen Horn in der Endzeit finden. Denn das Horn, das die Lästerreden führt, und die Heiligen des Höchsten misshandelt, das ist der Antichrist. Die schon öfter ausgesprochene Vermutung, dass dieser Feind Gottes und Christi dem jüdischen Volk entstammen werde, wie einst Jesus nach seiner irdischen Erscheinung ihm zugehörte, hat vieles für sich. Vielleicht ist Dan 7:8.20.24 mit Offb 17:12.13 zu verbinden. In diesem Fall wäre der Sinn der letztgenannten Stelle der, dass der Antichrist sich auf die Weise in den Sattel hebt, dass er drei der Könige und Reichsgebiete der Endzeit demütigt, worauf die anderen sich ihm widerstandslos zur Verfügung stellen. Dann wäre Daniels Gesicht in umfassender Weise in Erfüllung gegangen. Zugleich würde deutlich, warum das Gericht Gottes nicht über das 4. Tier selber ergeht, sondern eigentlich nur über das kleine Horn. Denn erst in diesem kleinen Horn gelangt die Geschichte des 4. Tieres zur Vollendung.

Warum soll dem Judentum eine solche Bedeutung zukommen? Das hat einen göttlichen und einen satanischen Grund. Israel ist das auserwählte Volk; ihm ist innerhalb der Völkerwelt die erste Stelle zugeteilt, allerdings nicht zur Beherrschung derselben, sondern zum Segensdienst an demselben. Nun ist aber dieses Volk - als Ganzes genommen - aus seinem Beruf herausgetreten, indem es seinen König, und hernach auch das Evangelium ablehnte und ausstieß. Was ihm von Gott zugedacht war, nämlich die erste Stelle in der Völkerwelt im Zeichen des Dienstes, das bekommt es nun aus der Hand Satans, nämlich die Weltherrschaft im Zeichen des Verderbens. Israel hat nur die Wahl, Segensträger zu sein oder Fluchvermittler. Segensträger zu sein war es von Gott berufen; der Welt zum Fluch wird es im Dienst Satans. Und zwar hat es den Fluch zuerst auszuführen an der Christenheit, dann erst an der übrigen Völkerwelt. Wie es innerlich und äußerlich dem Volk Israel ergangen ist im 6. Reich, wie es sich hart gemacht hat gegen das Evangelium und gegen christliche Einflüsse in seiner Mitte, wie es, zumal im Mittelalter, in der Christenheit namenlos zu leiden hatte, am meisten in Spanien, welche Wandlungen es erlebt hat, das möge in einem der neueren Bücher, z. B. in Heman und Harling: "Geschichte des jüdischen Volkes seit der Zerstörung Jerusalems", oder bei Albrecht: "Die Geschichte des Volkes Israel von Mose bis auf die Gegenwart" nachgelesen werden. Es ist nun merkwürdig, wie die Leidensrolle dieses Volkes in zunehmendem Maße aufgehört hat; am längsten hat sie in Russland gedauert. Jüdisches Wesen, jüdische Ideen, jüdisches Geld, jüdischer Einfluss sind längst hochgekommen. Dass mit dieser Aussage auf die Glieder dieses Volkes kein Stein geworfen werden soll, ist an anderer Stelle bereits ausgesprochen worden. Diese sind im einzelnen nicht verantwortlich für die Entwicklung des ganzen Geschlechts; und zudem sind unter ihnen hochachtbare Männer. Auch soll ja aus der Judenschaft noch die glaubende Gemeinde der Endzeit herauswachsen. Die Wirkung des Judentums auf die Christenheit ist die, das es dieselbe von innen heraus zersetzt. Davon ist S. 212-224 eingehend gesprochen worden.

In der Versuchung ist einst Jesu die Weltherrschaft vom Satan angetragen worden. Der letztere wusste, dass dieselbe für Jesus bestimmt sei auf dem Weg über das Kreuz. Nun bot er sie ihm an ohne Kreuz, als Leben der Finsternis. Er hätte sie ihm tatsächlich geben können; denn er ist der Fürst dieser Weltzeit. Aber wenn Jesus - unausdenklicher Gedanke! - darauf eingegangen wäre, dann wäre er nicht mehr König des Gottesreichs gewesen. Es war eine wirkliche Versuchung, nicht bloß eine zum Schein. Jesus verkörpert das wahre Israel. Was Jesus abgelehnt hat, das lässt das Israel nach dem Fleisch sich geben. Es greift nach der Weltherrschaft und nimmt sie von dem an, der sie ihm gibt, ohne zu fragen, wer er sei. Damit macht es seine Sünde voll.

Gerade weil es sich um ein satanischen Kunststück handelt, ist die Frage nicht so schwer zu beantworten, wie es denn möglich sein solle, dass ein Volk in solcher Kleinheit, und ohne Rückhalt an einem eigenen Land, zur Weltherrschaft gelange. Der Satan lenkt den Geist der Welt nach seinem Sinn. Und seine Haupthilfsmittel dabei sind, die von ihm zur Wirkungskraft gebrachten Ideen. Es gibt kein internationaleres Volk als die Juden. Sie sind es geworden durch ihre lange schmerzvolle Geschichte und durch ihre ursprüngliche göttliche Bestimmung. Sie sind letzten Endes - von der unsichtbaren Geisterwelt damit beauftragt, und dabei geleitet und unterstützt - die Schöpfer, die Träger, die Verbreiter, die Nutznießer der Weltideen, von deren unheimlichem Einfluss bereits S. 295 ff. gesprochen wurde: es sind die Ideen des Liberalismus, Sozialismus, Kapitalismus, Kommunismus, Pazifismus und der Weltdemokratie. Die Völker Europas und Amerikas sind von diesen Ideen vollständig durchsetzt Auch die Regierungen, die politischen Mächte, müssen sich bereits nach ihnen richten. Diese Ideen beherrschen aber nicht nur die Gedankenwelt, sondern setzen sich durch in großen Organisationen, deren Leitung zum Teil in jüdischer Hand ist. Dazu kommt noch die Macht des Geldes, das das Wirtschaftsleben beherrscht. Eine große praktische Probe ist, wie bemerkt, bereits gemacht worden in Russland; dort ist auch die politische Macht in jüdische Hände übergegangen. Und das Ergebnis war ernst. Ob Russland bolschewistisch bleibt, oder noch einmal zu sich selber kommt? Wir wissen es nicht. Selbst wenn es sich befreien könnte, so hörte damit die große Weltbewegung des Bolschewismus nicht auf. Mindestens bleibt dem russischen Versuch der Sinn einer großen Probemobilmachung des Judentums.

Wieder sei betont, dass es dem Verfasser fern liegt, an einen bewussten Plan des Judentums zu denken. Denn das Judentum hat sich so wenig selbst in der Hand wie irgend eine andere, nicht vom Heiligen Geist geleitete Bewegung. Alle ungöttlichen Strömungen sind Schachfiguren in satanischer Hand. Eine Hauptschachfigur ist Rom, eine andere das Judentum. - Erreicht ist das Ziel noch nicht. Die Stellung des 6. Reiches ist noch nicht reif zum Hauptangriff, und Gottes Stunde, wo Er es zulässt, ist auch noch nicht da. Aber die Zeit der Reife kann rascher kommen, als die meisten ahnen. Es kann gehen wie vor der Ernte: wenn es der Ernte entgegengeht, dann können wenige heiße Tage genügen, um den weichen Kern zu härten. Dann kann die Führung der europäisch-amerikanischen Völkerwelt an das Judentum übergehen, und auf diesem Weg kann das letztere die Weltherrschaft antreten. So kommen wir zu dem Schluss: das Judentum als 7. Kopf löst die japhetitische Völkerwelt (den 6. Kopf) in der Führung der Welt ab, und führt die letztere nun rasch der Endzeit zu.

Dass das auf dem Weg des Krieges geschehen müsste, ist nicht gesagt. Nicht einmal wäre nötig, dass die um diese Zeit bestehenden staatlichen Gebilde aufhören müssten. Es kann gut sein, dass sie weiterbestehen, dass der Übergang in jüdische Hand und unter jüdischem Geist verhältnismäßig still vor sich geht. Nach dieser Richtung weist die Bemerkung Offb 17:13, von der bereits weiter oben die Rede war, wonach die 10 Könige oder Herrschaftsgebiete der Endzeit ihre Macht dem Tier zur Verfügung stellen werden, also in friedlicher Weise. Diese Aussage zeigt freilich auf einen Vorgang der Endzeit hin; aber da die Endzeit sich bereits im ausgehenden 6. Reich vorbereitet, und im 7. Reich noch nähertritt, und da die Hörner sich bereits vom 6. Reich an ausgestalten, so ist es wohl denkbar, dass die Übergabe der Macht an den Antichristen bereits in der Vorgeschichte einen entsprechenden Vorgang hat, zumal da anzunehmen ist, dass der Antichrist dem Judentum des 7. Reichs entstammen werde.

Es war ja auch bei der Geschichte der früheren Reiche so, dass das frühere jeweils in das spätere übergegangen ist. Die Römer sind mit dem griechischen Wesen, und mit dem Rest des griechischen Reichs verhältnismäßig schonend umgegangen. In noch höherem Maße kann das in der Folgezeit der Fall sein, zumal da es sich mehr um Überwindung durch Ideen, als durch kriegerische Machtmittel handelt. Es mag sein, dass die Ablösung des seitherigen Regiments durch das jüdische, bereits angedeutet, am meisten bei Russland, Frankreich und England in Erscheinung tritt, weil diese den Haupteinfluss auf Vorderasien haben, das gegen die Endzeit in den Vordergrund der Geschichte treten muss.

Der bisherige Gedankengang dieser Schrift lenkt das Augenmerk auf das Jahr 1970, als auf die Zeit, da ein solcher Umschwung in Erscheinung trete. Eine prüfende Überlegung der Zeit und ihrer treibenden Kräfte zeigt, dass die Entwicklung in einem starken Menschenalter bis zu diesem Punkt fortschreiten könnte, zumal das Tempo des Geschehens sehr rasch geworden ist. Bis dahin könnte die Christenheit sich in der S. 308 ff. angedeuteten Richtung entwickelt haben, dass sie unter Vortritt Roms zu einer Einigung gelangt wäre, die als Darstellung der Gemeinde Jesu, der einen heiligen christlichen Kirche erscheint, die aber in Wirklichkeit ein satanisch bewirktes Zerrbild des Reiches Gottes ist. Dann wäre Rom ausgereift. Und rasch könnte dann, unter der äußeren und inneren Führung des Judentums, die Entwicklung der Christenheit und der Menschheit weitergehen bis zum völligen Reifwerden für den satanischen Zweck. 30 v. Chr. - 637 - 1303 - 1970: die Zeit des 6. Kopfes, der zusammenfassend Rom genannt werden kann.

Auf dem Weg zur Einigung der Menschheit

Ausgleich zwischen Judentum und Islam

Die Aufzählung der miteinander ringenden Kräfte und Gruppen scheint der Geschichte einen anderen Weg zu weisen als den in der Überschrift angedeuteten. Aber die Menschheit geht nach dem Wort der Schrift einer großen Vereinheitlichung entgegen; sie wird sich einigen, freilich noch nicht in göttlichem Sinn, sondern unter teuflischer Leitung. Bereits wird neben dem völkischen Gefühl das Menschheitsbewusstsein wach. Wir suchen im folgenden Stufengang der Entwicklung bis zum Abschluss der widergöttlichen Menschheitsorganisation, die sich auch in einem neuen Menschheitsgefühl widerspiegeln wird, nachzugehen. Die Weiterentwicklung der Christenheit lassen wir vorerst auf der Seite und wenden den Blick zunächst der außerchristlichen Welt zu.

Wie steht es mit dem Verhältnis der beiden heute noch vorhandenen semitischen Völker, der Juden und der Araber? Völkisch stehen sie in scharfem Gegensatz zueinander. Das zeigt sich gegenwärtig im Heiligen Land. Seit bald 1300 Jahren haben die Araber dasselbe inne. Nun ist dem jüdischen Volk durch das Versprechen Englands im Jahr 1917 Palästina als nationale Heimstätte zugesichert worden. Rechtlich steht den Gliedern dieses Volkes aus der ganzen Welt der Rückweg offen. Aber die jüdische Einwanderung stockt, und viele der Eingewanderten kehren wieder um. Über alle diese Verhältnisse hält die Vierteljahresschrift aus dem syrischen Waisenhaus in Jerusalem, der "Bote aus Zion", trefflich auf dem Laufenden. Woher rührt dieser Misserfolg der zionistischen Werbung? Der Grund, dass das Judentum in Palästina auf dem Weg des Handels wenig erreichen und verdienen kann, sondern nur durch zähe Arbeit am Boden, spielt mit. Aber ein Hauptgrund ist die Feindschaft der Araber gegen die jüdischen Einwanderer. Diese feindselige Haltung ist menschlich begreiflich, weil die arabische Bevölkerung Palästinas den Verlust einer alteingesessenen Heimat fürchtet.

Aber es wirkt noch ein tieferer Grund mit, obwohl er dem arabischen Volksteil kaum zum Bewusstsein kommt: hier kommt die Feindschaft Ismaels gegen Isaak zum völkergeschichtlichen Austrag. Beide waren Abrahams Söhne: Ismael der vorzeitige Sohn von der Magd; Isaak der spätgeborene, rechtmäßige Sohn. Ismael war vor Isaak da und wurde dann, als der rechtmäßige Erbe erschien, zum Neider und Spötter. Dieses Verhältnis wiederholt sich in der Gegenwart. Die Araber sind die vorzeitigen Besitzer des Heiligen Landes; nun kommt der rechtmäßige Besitzer, nämlich Israel. Wir nennen ihn so, weil die Verheißung an Israel, trotz dessen Entartung nicht aufgehoben ist; und in den Herzen der meisten Einwanderer muss doch eine gewisse Liebe zum Heiligen Land vorhanden sein. Aber es wird einmal der Zeitpunkt kommen, da die in 1Mo 21 erzählte Geschichte von der Austreibung Ismaels sich in größerem Rahmen wiederholt. Das Arabertum muss noch vor der Endzeit dem Volk Israel im Heiligen Land Platz machen. Die gesamten Juden haben dort freilich nicht genügend Raum; schon von selbst muss sich auch dann, wenn für Israel sich ein freier Zugang auftut, eine Art natürliche Auslese vollziehen. Ob es dann nicht ähnlich geht, wie seinerzeit bei der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft, wo nur ein verhältnismäßig kleiner Teil von der Heimkehrerlaubnis Gebrauch machte? Die Rückkehrer werden keine bekehrten Israeliten sein, aber mindestens wird es unter ihnen solche geben, deren Herz an Zion hängt. Es muss innerhalb der Juden noch zu herzbewegenden Scheidungen kommen; und es ist zu hoffen, dass diese bei den Rückgekehrten leichter möglich sein werden als bei weltlichen Judentum.

Noch an einem anderen Punkt zeigt sich, dass tiefeingreifende Änderungen im Heiligen Land vorgehen müssen vor der Endzeit, die aber nicht bloß für Palästina, sondern für das Weltgeschehen Bedeutung haben werden. Laut Offb 11 steht in Jerusalem wieder der Tempel. Es ist kaum denkbar, dass er an einer anderen Stelle stehen werde als an der Stätte des alten Tempels. Aber auf dem alten Tempelplatz steht bis jetzt noch der den Mohammedanern hochheilige Felsendom. Was muss wohl noch geschehen, bis an der gleichen Stelle ein neuer Tempel Israels erstehen kann?

Nicht nur völkisch, sondern auch religiös steht das jüdische und arabische Volk gegeneinander. Zwar ehrt der Islam Abraham hoch, aber er ehrt auch Jesus, wenn gleich er Jesus unter Mohammed stellt. Das Judentum kann Jesus keine Ehrung zuteil werden lassen, solange sich in seiner Mitte nicht eine Wende anbahnt. Es schweigt von Jesus beharrlich, obwohl es ihn kennt. Der Gegensatz zwischen Judentum und Islam wäre verständlicher, wenn die früher angeführte Beurteilung des Islam recht hat, dass der Islam eine Fortsetzung des Judenchristentums sei. Dann käme in dem genannten Gegensatz der Hass des Judentum gegen die judenchristliche Gemeinde wieder auf, der seinerzeit zur Verhängung des Banns über alle, an Jesus glaubenden Glieder des Volkes, geführt hat.

Aber trotz der Feindschaft sind Juden und Araber doch Brüder, zunächst dem Blut nach; aber je länger je mehr auch der Seelenverwandschaft nach, selbst wenn sie diese Verwandtschaft bis jetzt nicht gelten lassen. Beide sind fleischlich geworden; beide stehen im Gegensatz zu wirklichem Christentum. Einst wurden Pilatus und Herodes Freunde, als sie sich gegenseitig ehrten. Nicht bloß Gott kann Herzen lenken wie Wasserbäche; es gibt auch eine aus der Tiefe stammende Sinnesänderung. Judentum und Islam, wie sie sich entwickelt haben, sind sehr brauchbare Werkzeuge des alten bösen Feindes. Warum soll er die Feinschaft zweier Brüder, die leiblich und geistig soviel Gemeinsames haben, nicht beenden können, besonders wenn es für seine Zwecke wünschenswert ist? So ist eine Verständigung zwischen dem arabischen Islam und dem Weltjudentum nicht undenkbar. Vielleicht ist England, welches in Vorderasien sich den Haupteinfluss gesichert hat, genötigt, an der Verständigung der beiden noch mitzuarbeiten. Eine Lösung schiene dem Verfasser nicht undenkbar: dass das arabische Volk auf Palästina und auf das mohammedanische Heiligtum in Jerusalem verzichten würde gegen erhebliche wirtschaftliche Vorteile. Für Geschenke ist der Araber sehr zu haben. Einst war im Zweistromland auf lange Zeit der Sitz des Kalifats in Bagdad und Tigris, nicht weit von Babel. Auch dieses Gebiet ist in englischer Hand seit dem Ausgang des Weltkriegs. Aber es harrt noch der Aufschließung nach langer namenloser Verwahrlosung unter türkischer Herrschaft.

Ob es wohl so schwierig wäre, die Araber zu erwärmen für diese Gegend, die einst vor dem Einbruch der Seldschuken die Blüte ihres Reichs im Osten gesehen hat. Ein mit den Mitteln der Technik aufgeschlossenes Zweistromland wäre ein Paradies für seine Bewohner. So wäre ein friedliches Nebeneinander möglich: das Heilige Land wieder in der Hand des Judentums, und das arabische Volk im Besitz des fruchtbaren Zweistromlands. Doch lassen sich über den weiteren Gang der Geschichte Vorderasiens nur Vermutungen anstellen. Ob ein friedlicher Ausgleich zwischen Judentum und Islam zustande kommt, oder ob das erstere mit Gewalt das Heilige Land für sich freimacht, das lässt sich nicht sagen. Denkbar wäre der Weg, dass es dem Judentum gelänge, die Mächte zu einer Politik in seinem Sinne zu überzeugen. Das wäre möglich, noch ehe die Vorherrschaft in der Welt auf das Judentum übergeht; im andern Fall hätte es nach dem Eintritt in die Weltmachtstellung die Machtmittel dazu.

Das Werden des neuen Babel

Was uns zu diesen Erwägungen veranlasst hat ist nicht politisches Interesse, sondern der Blick auf das biblische Zukunftsbild (Offb 11). Zu diesem gehört, dass zur Zeit des Antichrists in Jerusalem der neue Tempel steht, um die sich eine Schar treuer Israeliten gesammelt hat, die in einer Zeit langer, schwerer Bedrängnis zur Bekehrung reif wirdm unter der machtvollen Wirkung zweier Gotteszeugen. Aber noch auf ein anderes Stück der Offenbarung richtet sich der Blick, nämlich auf die Ausführungen Offb 17 und Offb 18 über die Hauptstadt des antichristlichen Reichs, die Großbabylon genannt wird. Offb 11 lenkt den Blick auf das Heilige Land; Offb 17 und 18 auf das Zweistromland, wo in der vergangenen Geschichte Babel schon zweimal eine wichtige Rolle gespielt hat, und wo man auch das Babel der Offenbarung zunächst vermutet, wenn man das Wort Babel nicht von vornherein sinnbildlich versteht. Es besteht kein zwingender Grund für eine sinnbildliche Deutung Babels; vielmehr hat das buchstäbliche Verständnis vieles für sich. Dies bedarf aber einer näheren Begründung, die im folgenden gegeben wird. Es sei zuerst die Rede von anderen Auffassungen. Die zeitgeschichtliche Deutung der Offenbarung sieht in "Babel" einen sinnbildlichen Hinweis auf das Rom der Kaiserzeit. Die kirchengeschichtliche Deutung findet in Babel das päpstliche Rom wieder. Die reichsgeschichtliche Deutung sieht in Babel ein Bild der abgefallenen Christenheit. Die endgeschichtliche Auffassung denkt bei der Nennung Babels etwa an eine der modernen Großstädte, die Mittelpunkte des politischen Geschehens sind.

Keine dieser Deutungen greift völlig daneben. Babel ist eine Größe, die sich durch die Zeiten hindurch erstreckt. In dem Offb 17 und 18 beschriebenen Babel sind die Züge des kaiserlichen und päpstlichen Roms, der gegenwärtigen großen politischen Mittelpunkte wie der entarteten Christenheit der Endzeit wahrzunehmen. Aber muss denn Babel sinnbildlich verstanden werden? Muss es denn ein Deckname sein? Darf es nicht buchstäblich verstanden werden als eine noch kommende Stadt auf dem Boden, oder in der Nähe des alten Babel? Für das buchstäbliche Verständnis sprechen starke Gründe. Der Geschichte Jerusalems als der Gottesstadt entspricht die Geschichte Babels als der Stadt, da die Pläne des Satans zur Reife gelangen. Die beiden Städte sind nicht weit auseinander. Zweimal ist Babel bereits versunken. Aber es ist das Streben des alten, bösen Feindes, den abgebrochen Faden wieder zu knüpfen.. Jeder Versuch, das Offb 17 und 18 beschriebene Babel in einer, der modernen Großstädte zu finden, hat mit Schwierigkeiten zu ringen. Auf welche könnte es passen: auf Paris oder London, oder New York? Aber das Babel in Offb 17 und 18 ist ja die Hauptstadt des letzten, des antichristlichen Weltreichs. Frankreich, England und Amerika helfen freilich das letztere vorzubereiten; aber sie sind nicht dem Reich des Antichristen gleichzusetzen.So bleibt für Babel nur eine Stadt, die erst noch entstehen muss. Warum sollte eine solche Stadt mit Weltbedeutung vom alten Babel entfernt liegen, wenn sie doch Babel genannt wird?

Wenn nun aber die Zeit bis zum antichristlichen Reich als eine verhältnismäßig kurze anzunehmen ist: kann denn eine Stadt von solcher Größe und Bedeutung, wie das Babel der Offenbarung sein soll, in so kurzer Zeit entstehen? Und weiter: sind in der Gegend des alten Babel die Voraussetzungen für eine solche Stadt vorhanden?

Dass Städte aus kleinen Anfängen rasch zur Größe heranwachsen können, wenn sie an Brennpunkten des Verkehrs und im Mittelpunkt des großen Geschehens liegen, das zeigt die neuere Geschichte. New York z. B. ist neben Rom eine junge Stadt, und ist Rom doch an Größe und gegenwärtiger Weltbedeutung überlegen. Deshalb wendet sich die Beobachtung sofort der Frage zu, ob die Gegend des alten Babel die wirtschaftlichen und politischen Voraussetzungen für das Aufkommen einer solchen Stadt biete. Und diese Frage ist zu bejahen. Durch den Euphrat wäre Babel an das Weltmeer angeschlossen, und damit ist eine wichtige Bedingung für das Aufkommen einer Großstadt erfüllt. Auch das Vorhandenseins des Erdöls in der Gegend könnte Bedeutung gewinnen. Ferner wäre Babel der Brennpunkt für das Zweistromland. Und dieses Land hat zusammen mit Palästina im Weltkrieg eine ausschlaggebende Bedeutung erhalten. Beide Länder sind England zugefallen und es wird wissen, warum es den Irak (moderner Name für das Zweistromland) nicht wieder herausgegeben hat, trotz großer Geldopfer, und auf die Gefahr hin, es mit der wieder mächtiger gewordenen Türkei zu verderben. Es ist wohl nicht zu viel gesagt, wenn es als der Schlüssel zu Asien bezeichnet wird, und zwar zusammen mit dem Heiligen Land, das in Jerusalem seinen Brennpunkt hat.

Ägypten ist bereits längere Zeit der türkischen Hand entzogen und steht, milde gesagt, unter englischer Beaufsichtigung. Nun hat England auch auf Palästina und das Zweistromland seine Hand gelegt. Die drei Länder zusammen bilden die Landbrücke zwischen den drei Erdteilen Europa, Afrika und Asien. Sie sind in eine rasende Entwicklung hineingerissen worden, neben welcher die Europas langsam vor sich gegangen ist. Über die unter türkischer Herrschaft lange zurückgebliebenen Gebiete ist die moderne Zeit hereingebrochen, alles Alte überflutend, ohne dass sie einen neuen Geist schaffen kann. Warum kam das alles? Für England handelt es sich um Ausbau und Sicherung seiner Weltherrschaft. Vorderasien ist die Brücke hinüber nach Indien und das Tor nach Asien, wie Ägypten das nördliche Einfallstor nach Afrika ist, von wo aus dem nach Norden drängenden Südafrika, die Hand gereicht werden soll.

So planen es Menschen. Aber hinter menschlichem Planen und Schaffen steht Gottes Regierung. Und ein anderer steht auch dahinter, dem Gott im Rahmen seiner Regierung noch Raum zur Ausgestaltung seines Werks gestattet, der Satan.

Wie sind Gottes Wege so wunderbar! Der letzte Krieg hat weit mehr europäische Bedeutung gehabt. Er hatte Weltbedeutung. Auf diese Weise ist der Zeiger der Weltenuhr vorgerückt worden. Von woher ging der Krieg zu Ende? Was war die Ursache des für Deutschland so schlimmen Kriegsendes? Es können viele Gründe genannt werden, die alle ihre verhältnismäßige Berechtigung haben. Aber ein Hauptgrund war Deutschlands Bündnis mit der Türkei. Die Türkei, die die deutschen Vorstellungen wegen des armenischen Massenmordes kalt auf die Seite geschoben hat, bis zur Drohung eigene Wege zu gehen, wenn Deutschland sich weiter in die armenische Frage einmische - diese Türkei hätte im Fall eines gemeinsamen Sieges die Hand noch fester auf Vorderasien gelegt, und keine deutsche Einmischung hätte sie gehindert. Aber die Bahn sollte freiwerden für den weiteren Gang der Weltgeschichte. Darum fiel die Türkei - und Deutschland mit. Als Ende 1917 Jerusalem in englische Hände kam, war der Türkei ihr Juwel ausgebrochen. 1917 ist ein Gegenstück zu 637! Ihr Widerstand erlahmte. Bulgarien und Österreich folgten nach. Deutschland war allein. Von Jerusalem her wurde der Krieg zu Ende gebracht! O wenn Politik göttlich denken und handeln lernte! Aber das kann die Politik dieser Weltzeit, jedenfalls die große Politik, nicht, weil sie, ohne es zu wissen, dem Fürsten dieser Welt verkauft ist. Im vorliegenden Fall scheint England göttliche Politik getrieben zu haben. Ja. Aber weil es diese Politik nicht um Gottes willen trieb, sondern aus berechnendem Eigennutz, deshalb hat es damit zugleich des Teufels Geschäfte besorgt. Es hat gleichzeitig Jerusalem UND Babel empor geholfen.

Nun ist freilich das Zweistromland in der Entwicklung gegenüber Ägypten und Palästina noch zurück. Wie der Gang der Ereignisse im einzelnen sein könnte, der zur Wiedererstehung Babels beiträgt, ist noch verborgen. Aber wenn, wie zu erwarten ist, die Endzeit nahe ist, dann würden die Anfänge Babels in nicht allzu ferner Zeit anzunehmen sein. Denn die Schilderung in Offb 17 und 18 setzt eine gewisse Zeit der Entwicklung voraus, auch wenn die Zeit zusammengepresster ist als ihr sonstiger Lauf. Aber das wird gesagt werden dürfen, dass die rasche Entwicklung Vorderasiens nicht zufällig ist, sondern ein notwendiger Gang, der zum Ziel hindrängt. Ob das Emporwachsen eines Mittelpunkts in der Gegend des alten Babel, nur als selbstverständliche Folge der Verhältnisse sich erheben wird, oder ob es sich um eine planmäßige Gründung handeln wird, um einen neuen Weltmittelpunkt zu schaffen, sei es mit dem Willen Englands, sei es gegen ihn, das lässt sich nicht sagen.

Weiter vorn wurde eine Möglichkeit genannt, dass es sich nämlich um eine Gründung des Islam handeln könnte, um das Interesse der Araber von Jerusalem und dem Heiligen Land abzuziehen. Auf diese Weise könnte England die BEIDEN feindlichen Brüder gewinnen, das Weltjudentum und den Islam. Das Interesse seines Reichs ist auf die freundliche Haltung beider angewiesen. Es wäre auch nicht undenkbar, dass England eine solche Gründung begünstigte, oder gar in die Hand nähme, um einen ausgebauten Stützpunkt für seine Herrschaft zu haben, im Mittelpunkt des großen Kontinentalblocks, zumal in Zeiten, da seine Weltherrschaft gefährdet ist. Es wäre auch wohl denkbar, dass ein solcher in der Mitte befindlicher Punkt den früheren, die Weltgeschichte bestimmenden Hauptstädten, wie Paris, London, New York, Tokio den Rang abliefe, und der Mittelpunkt der Welt würde, wie es Offb 17 und 18 beschrieben ist. So wird voraussichtlich für das antichristliche Reich ein Mittelpunkt vorhanden sein, noch ehe es in die Erscheinung tritt; und der Antichrist findet bei seinem Kommen die für ihn geeignete Hauptstadt schon vor.

Heidentum und Bolschewismus

Was die Bibel über die Endzeit sagt, lässt erkennen, dass die dann lebende Menschheit in ihrem Denken, in ihren Idealen einheitlich geworden ist. Bis jetzt ist sie es noch nicht. Durch die Menschheit gehen noch die großen Gegensätze. Wir lassen die innerhalb der Christenheit beiseite, die ihre Einigung in Rom finden können, im Unterschied von der Gemeinde Jesu und im Gegensatz zu ihr. Aber abgesehen davon stehen das Judentum, der Islam, das Heidentum noch nebeneinander. Beim Heidentum wären wieder zu unterscheiden, die alten Kulturreligionen Indiens und Chinas, und die primitiven Formen der schwarzhäutigen Welt und auf der großen Inselwelt zwischen Asien und Amerika einschließlich des australischen Gebietes. Es ist nicht zu verkennen, dass die ersteren sich selbst behaupten wollen und sich neu ausschmücken. Auch die letzteren haben ihre Lebenskraft nicht eingebüßt, sondern halten die Seele, der ihnen verfallenen Völker, in furchtbaren Banden. Um beide Arten des Heidentums ringen das Evangelium und der Islam. Das letztere ist im Gebiet des primitiven Heidentums dem Evangelium voraus; hat aber auch bei den anderen Religionsformen nicht wenig Eingang gefunden. Längst handelt es sich in der Missionsarbeit, deren an dieser Stelle dankbar zu gedenken ist, nicht mehr bloß um Gewinnung einzelner Seelen - das darf freilich nicht in den Hintergrund treten -, sondern es ist ein Ringen geworden um die Seele der Völker: ob die schwarzhäutige Welt, ob das indische Volk sich für das Evangelium aufschließt. Die Lage ist nicht leicht; nicht bloß, weil die römische Kirche ebenfalls eifrig Mission betreibt, sondern auch, weil auf evangelischer Seite die verschiedenartige Einstellung zum Reich Gottes auch diese Arbeit tief beeinflusst.

Ferner hat der Krieg das Ansehen der Christenheit sehr ins Wanken gebracht und die heidnischen Religionen und den Widerwillen gegen die Vorherrschaft der christlichen Völker gestärkt. Dass die Weltmission so spät eingesetzt hat, hing zusammen mit dem Abschluss der Christenheit von der Welt durch den Wall des Islam. Die Weltmission musste kommen. Sie ist selber eins der Zeichen, dass es dem Ende entgegengeht. Denn der ganzen Welt muss das Evangelium nahegebracht werden, und zwar nicht bloß oberflächlich, sondern so, dass jedes Volk die Möglichkeit hat, zuzugreifen. Das geht hervor aus Jesu Wort in Mt 24:14, dass vor dem Ende das Evangelium vom Reich in der ganzen Welt werde bezeugt werden. Nun ist es richtig, dass mancherorts zu einem durchdringenden Angebot des Evangeliums noch viel fehlt. Aber merkwürdig ist es doch, dass die Welt, im ganzen genommen, vom Evangelium erreicht worden ist. Noch sind manche Türen weit offen; aber mancherorts beginnen sie sich auch langsam zu schließen. Die Verheißung ist in der Schrift nicht zu finden, dass vor der antichristlichen Zeit alle Völker wirklich gewonnen werden müssten und könnten.

Die genannte Stelle in Mt 24:14 spricht nicht vom Erfolg der Missionsarbeit, sondern von ihrem Zweck, alle Völker sollen ein Zeugnis hören. Der kurz vorher stehende Vers Mt 24:9 sieht am Ende dieser Weltzeit nicht ein freudiges Christentum aller Völker, sondern ein Gehasstsein des Namens Jesu bei ihnen allen, und darum auch ein Gehasstwerden der Gemeinde Jesu in ihrer Mitte. Die eigentliche Missionszeit gehört erst in die Zeit des Reiches Gottes; da werden die weitgehenden Missionsverheißungen, zumal des Alten Testaments, in Erfüllung gehen. Trotzdem wäre es nicht richtig, die Missionsarbeit der letzten zwei Jahrhunderte oder der Gegenwart als nicht dem Willen Gottes entsprechend anzusehen. Sie ist nicht Menschen-, sondern Gotteswerk. Nur sollte sie, zumal die englische und amerikanische, lernen, sich in ihren Erwartungen zu bescheiden, und nicht Wirkungsweisen zu verwenden, die dem Evangelium nicht entsprechen.

Es wurde oben gesagt, dass die Offenbarung in der Endzeit eine vom gleichen Gedanken, vom gleichen Willen beseelte Menschheit zeigt, während doch in der Gegenwart noch die großen Unterschiede von Christenheit, Judentum und Heidentum bestehen, von den vielen anderen Gegensätzen zu schweigen. Gibt es Verbindungslinien zwischen der Gegenwart und der Endzeit, die auf ein Zusammengehen, der sonst gegensätzlichen Richtungen hinweisen?

Der Islam

Überraschend ist in dieser Hinsicht die Anziehungskraft, die der Islam auf die heidnischen Religionen ausübt. Wäre er nicht lebensfähig, so könnte er nicht solche Wirkungen entfalten. Aber seine Lebensfähigkeit hat sich eher gesteigert, trotzdem ihm äußere Stützen entzogen worden sind. Woher rührt sie? Der Islam ist eine Religion, die dem natürlichen Menschen auf den Leib zugeschnitten ist. Der natürliche Mensch erwartet, dass seine Religion Zumutungen an ihn stellt; aber in die letzten Tiefen darf sie nicht gehen. Denn der Mensch will seine Selbstständigkeit gegenüber der unsichtbaren Welt, seinen eigenen Willen, auch wenn er sündig ist, nicht aufgeben; aber er ist bereit, einen Preis dafür zu zahlen, dass er bleiben darf wie er ist. Dieser Eigenart des natürlichen Menschen kommt der Islam entgegen: er nimmt ihn in Beschlag, greift aber nicht nach dem Innersten seiner Person. Beim christlichen Glauben ist es anders: da greift Gott nach dem Innersten; aber wenn der Mensch ihm das gibt, dann macht er ihn frei. Darum ist die Anziehungskraft des Islam so begreiflich. Es ist anzunehmen, dass sie noch wächst, so dass der Islam auf die heidnische Welt, sogar auf die gebildete, aufsaugend wirkt. Das kann er umso mehr, als er nur scheinbar starr ist. Starr ist er nur da, wo ihm lebendiges Christentum entgegentritt; aber sonst ist er in hohem Grade anpassungsfähig. Diese Anpassungsfähigkeit rührt daher, dass er von Anfang an eine Mischreligion war, aus Heidentum, Judentum und Christentum. Er hat bei der eingehenden Berührung mit der früheren Christenheit viel christliches Gut aufgenommen; nur dem Glauben der Christen hat er sich verschlossen. Er könnte auch, ohne sich zu verlieren, wichtige Bestandteile der primitiven, oder anderen heidnischen Religionen der Gegenwart übernehmen, wenn dadurch sein Weitergreifen erleichtert würde.

Sogar zwischen ausgesprochener Gottlosigkeit und Islam ist eine Verständigung möglich. Das zeigt das Zusammengehen zwischen dem bolschewistischen Russland und der neuen Türkei. Das alte Russland und die alte Türkei waren Todfeinde, um des Glaubens und um der Überlieferung willen, die Russland an das griechische Reich Ostroms band, das der Türkei erlegen war. Das neue Russland und die neue Türkei haben sich gefunden. Sie haben einen Berührungspunkt: das ist der Hass gegen das Christentum, wozu noch der Hass gegen die westlichen Weltmächte kommt. Sie können sich auch innerlich noch mehr finden: die amtliche Türkei hat die mohammedanischen Grundsätze aufgeweicht; der Bolschewismus muss nur, ohne seine Christusfeindlichkeit aufzugeben, einige religiöse Formen annehmen, wozu er vielleicht, um sich zu behaupten, sich noch genötigt sieht. Die Übereinstimmung ist dann nicht so schwer. Es gibt auch sonst einen tieferen Berührungspunkt zwischen Bolschewismus und Islam: das ist die Weltpropaganda der beiden, d. h. ihr Versuch, die Welt für sich zu gewinnen. Diese Werbetätigkeit begegnet sich hauptsächlich in Asien, sie wird auch in Afrika noch mehr in Erscheinung treten.

Die beiden Werber schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern können sich ergänzen, ja gegenseitig unterstützen in dem Bestreben, die Welt ihrem geistigen Gesicht nach mohammedanisch, ihren Einrichtungen nach bolschewistisch zu machen. Das englische Weltreich ringt mit beiden: mit dem Islam und mit dem Weltbolschewismus. Auch in dem ausgedehnten niederländischen Kolonialbesitz auf der hinterindischen Inselwelt haben sich schon Sturmzeichen dieser gemischten Art gezeigt. Die dunkelhäutige Welt Afrikas ist durch die unvernünftige Art der Überschwemmung mit Kultur, die sie bloß äußerlich übernehmen, aber nicht innerlich verarbeiten kann, aus ihren alten Lebensformen entwurzelt worden, ohne dass ihr in einem lebendigen Christentum ein genügendes Gegengewicht hätte geboten werden können. Der Islam bietet ihr einen gewissen, ihrer Art entsprechenden Halt, ohne dass sie aus dem alten Wesen heraustreten muss. Und ob sie nicht für bolschewistische Einflüsterungen empfänglich wird, zumal wenn sie mit dem Versprechen der Befreiung von der Vorherrschaft der Kolonialmächte sich verbinden? So haben sich Entwicklungen angebahnt, die um die Jahrhundertwende noch kaum geahnt werden konnten.

Dass übrigens der Bolschewismus auch den europäischen Westen mit seinen Gedanken zu durchdringen sucht, ist bekannt. Nur dass da ein Zusammengehen mit dem Islam nicht in Frage kommt. Aber merkwürdig ist, dass der Islam, wie auch die indische Gedankenwelt, ihre Fühler nach Europa ausstrecken. Es ist kein Wunder, wenn angesichts der großen geistigen Weltbewegungen die Christenheit bisweilen ein Zittern überfällt; merkwürdig ist eher, dass sie sich des Ernstes der Lage verhältnismäßig so wenig bewusst wird. Der Weltkrieg war auch für die großen Weltbewegungen ein Wendepunkt. Manche gingen aus dem Dämmerzustand zu klarem Bewusstsein über mit kräftiger Willensregung: so die Selbstständigkeitsregungen der Kolonialvölker, und der seither im Schatten wohnenden Völker, und die Selbstbehauptungs- und Missionsversucht der dem Christentum entgegengesetzten Strömungen. Neuentstanden ist der Versuch der Weltrevolutionierung durch den Bolschewismus. So haben die christlichen Völker im Krieg nicht bloß sich selbst geschwächt und ihr Ansehen in der Welt untergraben, sondern Bewegungen und Erschütterungen innerhalb der Welt heraufbeschworen, die sich noch zu tiefernsten Ergebnissen auswirken müssen.

Ausgleich zwischen Judentum und Christentum

Wir wenden uns wieder dem Judentum zu. Dieses hat in seine, seit bald 2000 Jahren bestehende Heimatlosigkeit, ein großes Erbe mitgenommen: das Alte Testament. Aber des Alten Testaments Herzstück ist die Erwartung des Reiches Gottes. Ohne Hoffnung ist das Alte Testament ein versiegeltes Buch. Mit der Ablehnung Christi, der zur Erfüllung der Hoffnung geschickt war, hat Israel den Schlüssel zum Alten Testament verloren. Und so es die Hoffnung auf das Reich Gottes trotzdem bewahrt hat, muss es sich in Sehnsucht verzehren. Das Alte Testament ist im Talmud verknöchert. Aber es gibt innerhalb des jüdischen Volks noch viel wirkliche Frömmigkeit; und an sie kann einmal der Geist Gottes anknüpfen, wenn die Stunde gekommen ist, da neues Leben in die Totengebeine Israels kommen soll. Aber neben dem fromm gebliebenen Israel gibt es auch ein gottlos gewordenes, das zwar den Namen Gottes noch führt, aber in Wahrheit die Verbindung mit ihm fahren lässt und aufgeht in dieser Welt. Und dieser Teil Israels über den großen Einfluss auf die Welt; von dieser Seite gehen die Wirkungen aus, die auf die Christenheit zersetzend wirken.

Diese Art des Judentums wird noch Weltwirkungen ausüben. Es war bereits davon die Rede, dass anzunehmen ist, dass das Judentum noch die Vorherrschaft in der Welt erhalten werde. Aber nicht bloß in Wirtschaft und Politik wird es seine Macht entfalten, sondern auch geistig wird es die Welt umgestalten: indem es sich zusammenfindet mit der, des Evangeliums sich entäußernden Christenheit und mit dem Islam. Und die letzte Verbindungslinie zu der geistigen Haltung der Menschheit in der Endzeit sei sofort gezogen: indem das Judentum die Christenheit und den Islam an sich zieht, bereitet es die Weltreligion vor, die in der Anbetung des Tieres ihrer letzte Ausprägung, und in der Ausstoßung der Gemeinde Jesu ihre letzte Bestätigung finden wird. Zwischen einer evangeliumslosen Christenheit und dem Judentum gibt es eine starke Verbindung: beide wachsen sich aus zu einem Ersatz für das Reich Gottes und zu dessen Verdrängung.

Die Reibungsfläche zwischen beiden verschwindet, wenn die Christenheit auf das Evangelium keinen Nachdruck mehr legt. Die glaubende Beziehung zu Jesus scheidet aus; als gemeinsamer Besitz bleibt eine allgemeine Religiosität. Solche Gedanken sind keine Einbildung. Die Aufklärung bereits hat sich bemüht, eine Einheitsreligion herauszuarbeiten. Lessing hat in "Nathan dem Weisen" eine Einheitslinie gesehen vom Christentum über das Judentum hinüber zum Islam. Und die religiöse Stimmung der Gebildeten ist eine Vorstufe zu dieser Einheitsreligion. Das Ärgernis des Kreuzes ist solcher Religion erspart. Mit ihr kann sich der Mensch, auch der Gebildete, wohl zufrieden geben; sie verklärt das Menschsein. Das störende Wort Sünde und Buße fällt weg. Das Einheitsbad ist die verklärte Menschlichkeit: "Religion innerhalb der Grenzen der Humanität". Merkwürdig ist, dass der die Religion ablehnende, bewusste Materialismus zur Zeit schwindet, wenn er auch in praktischer Form von den Höhen der Wissenschaft in die Tiefen des Volkslebens herab gesickert ist. Ein neues religiöses Gefühl kommt auf. Erscheinungen wie z. B. die Anthroposophie mit ihrem Niederschlag in der "Christengemeinschaft" wären früher kaum denkbar gewesen.

Soll sich die Gemeinde Jesu an Zeichen wiedererwachenden religiösen Lebens freuen, und daraus einen Hoffnungsblick für die Zukunft gewinnen? Dem Verfasser dieses Buchs gelingt die Freude an dieser "religiösen Welle" nicht. Er kann darin auch keine Hinneigung der Zeit zum Evangelium erblicken, wenn gleich Gottes Gnade manchem, über eine solche Brücke hinüber, den Weg bahnen mag aus völliger Glaubenslosigkeit hinüber zum Glauben. Wo solche neue Frömmigkeit auf schlichten, aber lebendigen Glauben stößt, ist sie genauso ablehnend, ja feindselig wie bewusste Gottlosigkeit. Auf das Ganze gesehen liegt in diesen Erscheinungen nicht eine Wirkung des Heiligen Geistes vor, sondern eine täuschende Wirkung des Geistes aus der Tiefe, die dem nach Gott hungernden Menschengeist einen Stein bietet statt Brot, und ihn dann erst noch glauben macht, er habe Brot bekommen. In solcher Einheitsreligion, wie sie bereits jetzt sich vorbereitet, können leer gewordenes Christentum und Judentum sich zusammenfinden. Ob Rom oder das Judentum dann den Einheitsnamen hergibt, ist nicht wesentlich. Wir nennen nochmal die Stationen des Weges: Christentum - Rom - christlich-jüdische Einheitsreligion.

Das letzte große Zusammengehen

Aber das Judentum ist auch die Brücke hinüber zum Islam. In welchem Maße das jüdische Volk, und das Stammvolk des Islam blutmäßig zusammengehören, wurde bereits gesagt. Aber in der Art hat auch eine Annäherung stattgefunden, und sie kann noch stärker werden: beide sind fleischlich im biblischen Sinn des Wortes. Je mehr das Judentum die Verbindung löst mit dem Gott der Väter, umso mehr fallen die Scheidewände. Judentum und Islam können sich in der Folgezeit noch zusammenfinden. Und dann kann der Augenblick kommen, da das Judentum der Christenheit den Islam zuführt als Bruder. Und der Islam kann noch einen Halbbruder mitbringen, ein religiös aufgeputztes, mit mohammedanischen Ideen gesättigtes Heidentum.

Sind diese Gedanken Einbildungen? Ob es in allen Einzelheiten so geht, lässt sich freilich nicht sagen. Aber Anfänge sind da. Weite Kreise der Christenheit leben heidnisch, und halten das Christentum für etwas Unnatürliches. Dass sich heidnische Gedanken und Stimmungen Eingang in der Christenheit finden, wurde schon gesagt. Ein Zeichen eigener Art ist die Nebeneinanderstellung der Religionen, als sei das Christentum eine von ihnen, wenn auch die den andern überlegene. Eigen ist auch der Versuch, die alte Christenheit und das Neue Testament nicht nur aus dem Wirken des Heiligen Geistes, sondern zum nicht kleinen Teil aus der heidnischen Umwelt jener Zeit zu erklären. Auch das ist ein Niederlegen der Grenzpfähle. Jetzt ist Reifezeit. Die geistigen Bewegungen werden füreinander reif.

Es braucht noch Zeit; aber je näher es der Ernte zugeht, umso rascher schreitet die Reife voran. Welcher Jubel mag einmal durch die Welt gehen, wenn die Menschheit sich als geistige Größe darstellt! Aber die Gemeinde Jesu ist auch noch da. Sie wird von den Strömungen der Zeit angefochten; die Gefahr der Irreleitung droht auch ihr. Aber der Friede Gottes wird ihre Herzen und Sinne in Christo Jesu bewahren. Aber eins kann sie nicht vermeiden: dass sie nämlich je länger, desto mehr als Fremdkörper empfunden wird, der sich in das werdende Neue nicht einfügen lässt. Dann wacht das Gefühl auf: sie ist ein Spielverderber. Denn ihr bloßes Vorhandensein lässt die leise, bange Frage nicht verstummen: sind wir andern trotz unserer Geschlossenheit auf dem rechten Weg? Und so erscheint schließlich Christi Gemeinde als Störenfried, wie damals zur Zeit des Kaisers Nero. Dem Antichristen wird es dann nicht schwer sein, die Menschheit zur Beseitigung der Gemeinde aufzurufen. Doch soll dieses Stück der kommenden Geschichte der Schlussdarstellung vorbehalten bleiben.

Lies weiter:
Der Abschluss des 6. Reiches