Unser Bruder Abel

Aus Bibelwissen
Wechseln zu: Navigation, Suche

Abschrift des Buches: Vom Geheimnis Gottes und Christi
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Sonderabdruck aus dem Monatsblatt für biblische Vertiefung „Die Gemeine“ 1925/26
Philadelphia Buchhandlung August Fuhr, Reutlingen

weitere Abschriften siehe:

Inhaltsverzeichnis des Buches
Kapitel davor:
1. Die Urschöpfung

2. Unser Bruder Abel

Hebr 11:4
Durch den Glauben hat Abel Gott ein größeres Opfer getan denn Kain; durch welchen er Zeugnis überkommen hat, dass er gerecht sei, als Gott zeugte über seinen Gaben; und um desselben willen gestorben - redet er noch.

Abel gehört zur Gemeine. Abel ist auf seiner Stufe und in seinem Ort ein Gottgeborener. Abel trägt in seinem ganzen Leben und Wesen Gemeinezüge. Abel ist gewiss im Laufe der Offenbarungs-Jahrhunderte von Stufe zu Stufe vorgerückt. Er ist in die wahrhaftige Geistesgeburt nach dem Tode und der Auferstehung Jesus eingetreten. Die Schrift zeugt, dass er ein Lebendiger sei, denn er redet noch, wiewohl er gestorben ist. Abel stammt aus jenem Zeitalter der Freiheit, da nichts als Glauben war. Kein Gebot, kein Gesetz, keine äußeren Ordnungen; Glaube und Glaubensfrüchte, und bei den andern Unglaube und Unglaubensfrüchte. Abel war, so wie es damals möglich war, schon in seinem Erdenleben in Christo wie er es jetzt gewiss ist. Der Herr, der ewige Sohn, ist ganz mit ihm solidarisch und tritt für ihn ein im Leben und im Sterben. Abel ist unser Bruder. So geht er uns ganz nah an. So wollen wir ihm heute nahetreten und die Gotteskindschaftsführung an ihm lernen, uns zur Erbauung in brüderlicher Erquickung.

Dein H e b e l

Als Eva Abel gebar, nannte sie ihn Hebel. Hebel heißt H a u c h ; Hebel heißt: nichtig, eitel, schnellvergänglich, dahinwelkend. Es muss also auf Abel ein Hauch der Vergänglichkeit gelegen haben. Als der Erstling Kain geboren wurde, muss er eine gar herrliche Kreatur gewesen sein, denn Eva brauch in die Worte aus: „Ich habe den Mann gewonnen mit dem Herrn!“ Sie meinte offenbar, der verheißene Weibesame sei mit Kain Mensch geworden. Abels Geburt war das Gegenteil. Mag er ihr vielleicht schon bei der Geburt viel Schmerzen gemacht haben, dass sie den Fluch der Eitelkeit sonderlich spürte, so war der Geborene selbst offenbar schwach und elendig nach dem Leibe. Ein Todeshauch lag über diesem Sohne. Er war, schon äußerlich, ein Gegenstück zu Kain. Das ganze Leben Abels, wie es die Schift in kurzen Strichen zeichnet, lässt auf etwas Feines und Zartes schließen. Vo allem auf das Passive und Passionelle, das über ihn gebreitet ist. Wir müssen sicher glauben, dass Eva noch viele Söhne und Töchter gezeugt hat. Wir gehen wohl auch nicht fehl, wenn wir jener fruchtbaren Anfangszeit auch des öfteren Zwillings- und Drillingsgeburten zuschreiben.

Noch zu unserer Großväter Zeiten waren, wenigstens auf dem Lande, die Mehrgeburten sehr zahlreich. Die Menschen haben sich nach dem Fall rasch und sehr vermehrt. Die Heilige Schrift nennt uns nur die für den Heilsrat wichtigen Gestalten. So muss Hebel gar nicht der unmittelbare Nächste nach Kain gewesen sein. Es mag sogar sein, dass eine gewisse Erschöpfung Evas die Mitursache der Schwächlichkeit Abels war. Das ist gewiss, der über die Menschheit ausgesprochene Todesfluch trat an ihm sonderlich hervor. Er erschien Eva wie ein Hauch. Sie hat ihn prophetisch so genannt. Jede rechte, wahre Mutter ist auch in gewissem Sinn ihren Kindern gegenüber eine Prophetin. Da wir der Sünde und Irrung unterworfen sind, kann sich eine Mutter auch täuschen. Eva hat sich in Kain getäuscht, und nach dem wahrhaftigen Wesen angesehen, hat sie sich auch in Abel getäuscht. Nach dem äußeren Gange aber hatte sie recht. Er war ein Hauch. So war er unter den Seinen, auch unter seinen Geschwistern - der Hebel. Wie oft mag es da geheißen haben: Es ist eben unser Hebel! Äußerlich konnte er nicht prunken und protzen. Er war im Äußeren in eine gewisse Aschenbrödel-Stellung gedrängt. Der Druck des lastenden Erdenfluchs zog sich auf ihm in besonderer Weise zusammen. Der Tod hatte eine äußere Ausprägung an ihm erfahren. So war sein Leben von Anfang an in die Passion gestellt.

Das ist ein Gotteskindschaftszug. Viele Gotteskinder haben eine schwere Jugend; haben’s leiblich-äußerlich oft hart; sind unter den Jugendgenossen schon herausgestellt und besonders getan. Vor allem liegt auf allen Kindern Gottes der Fluch der Eitelkeit und des Todes in lastender Weise. Gotteskinder tragen Sünde und Tod am tiefsten. Sie wissen sich als die Vornehmsten unter den Sündern in der Tat und Wahrheit; sie wissen sich als Todverfallene und Verdammte; ihnen ist die Eitelkeit alles Irdischen je länger je mehr offenbar. Gläubige leiden und tragen unter dem gesamten Erdenfluch, ein jeglicher in seiner Art, wie darin unser Herr uns vorangegangen ist. Ohne solche sonderliche Todeserfahrung kann ja kein gründliches Gnadenleben gedeihen.

Für diese Welt verprach der Hebel nicht viel. Das ist Gotteskindschaftsart, sie sind keine Helden des Diesseits. Ihre Kraft, Stärke und Bedeutung liegt auf einem andern, höheren Gebiete.

Hebel, der Ausgesonderte

Durch seinen Hebel-Charakter war Abel gewissermaßen gezeichnet. Er mag sich manchmal von den andern zurückgezogen haben. Er war offenbar ein Schweigsamer und Stiller. In seiner ganzen biblischen Lebensbeschreibung steht kein W o r t von ihm - obwohl Raum dazu da wäre. Nur sein Blut schreit nach seinem Tode. Während seines Lebens auf der Erde redet er nicht - aber durch seinen Glauben, sagt der Hebräerbrief, redet er noch, wiewohl er gestorben ist. In der „Hebel“-Art unseres Abel lag seine Aussonderung begründet. Dadurch wurde er nach innen gewiesen, und dadurch zu dem Herrn. Wie manchmal mag er, der Geringe, sich in der Stille zum Herrn geflüchtet haben. Und in dieser Herren-Stille ist ihm auch ein intimeres Verständnis für die Verheißungsworte erwachsen, welche jenem ersten Geschlecht schon anvertraut waren. Unter der Last des Eitelkeits-Fluches erglänzten ihm die Verheißungen in ihrer Wahrheit und Größe. Wir sehen das später bei seinen Opfern. So haben wir in ihm den Ausgesonderten, den Innerlichen. Das Gotteskindschaftswesen ist Aussonderungswesen von außen nach innen. Millionenfach sind die Wege, durch welche der Herr Seine Heiligen sonderlich führt. Leibliche Schwachheit und Elendigkeit ist ein häufiges Mittel. Gläubigsein heißt immer tiefer ausgesondert werden, und sich aussondern lassen. Keine natürliche Eigenbrödler-Aussonderung ist hier gemeint, sondern die durch den Geist, unter Schmerzen fürs Fleisch, sich vollziehende Hineinstellung in die Ewigkeit. Ein Kind Gottes wird, wie ein Abel, ausgesondert im Familienrahmen, im Berufsrahmen, im Freundschaftsrahmen, in allen irdischen Lebensbeziehungen, von Stufe zu Stufe. Diese Aussonderung Abels tritt uns auch entgegen in seinem L e d i g - S e i n.

Hebel, der Ledige

Unter allen in der Urgeschichte der Menschheit genannten Namen ist Abel der einzig Ledige. Er hat weder Weib noch Kinder. Mag sein, dass er schon sehr früh starb, etwa noch im Jünglingsalter! Kann aber auch sein, dass er schon gesetzter war. Jedenfalls ist sein Alleinsein und Alleinbleiben ein wichtiger Zug an ihm. Abel kann man sich nicht verheiratet denken. Über dem ganzen Leben liegt etwas Jungfräuliches - auch ein Hauch - ein zarter, unberührter. Im letzten und tiefsten Grunde haben alle Kinder Gottes, sie seien ledig oder verheiratet, etwas Jungfräuliches. Gotteskinder sind Reine und Gereinigte und stehen in der Reinigung. Sie tragen ein weißes Gewand und hüten es vor Flecken. Darum liegt für Gotteskinder im Ledig-Sein und Ledig-Bleiben etwas ihrem Wesen sehr Entsprechendes. Nicht dass der Ledigenstand an ihm selber einen Vorzug habe vor dem des Verheirateten. Das sei ferne. Auch muss hier alles führungsmäßig gehen. Aber etliche sind verschnitten von Mutterleib an - sie sind von Natur aus fürs Alleinbleiben. Solche würden in der Ehe lauter Wehe haben. Zu diesen gehört gewiss Abel. Etliche sind verschnitten von Menschen. - Das gehört zum sündigen Weltwesen. Etliche sind verschnitten um des Herrn willen. - Das gehört ins Geisteswesen. Paulus, im 1. Korintherbrief im 7. Kapitel, redet hiervon klar und deutlich. Er habt auch hervor, dass die Schwere der letzten Zeit, welche sonderlich Kinder Gottes zu fühlen haben, manche veranlassen könnte, allein zu bleiben. Hier sind gewiss nicht die allgemein menschlichen Schwierigkeiten gemeint, das wäre ja glaubenslos, denen auszuweichen; da sind die Schwierigkeiten gemeint, welche aus der Glaubensstellung im praktischen Leben kommen, welche ja in unseren Tagen auch immer größer werden. Da meint Paulus, sollte man, wenn man Gnade dazu habe, andere nicht mitbelasten. Wir müssen dieses Wort vom Ledig-Sein und Ledig-Bleiben in Christo auch verkündigen, nicht um diesen oder jenen da hineinzutreiben, das wäre Torheit, aber, um denen, die dazu berufen sind, Klarheit zu geben. Abel war ein berufener Lediger. Diesem seinem ganzen inneren und äußeren Stande entsprach nun auch seine Berufswahl:

Hebel, der Schäfer

Das war ein Beruf, der ihm Zeit ließ und Raum gab zum gläubigen Sinnen und Denken. Der Schäfer-Beruf ließ ihn viel allein. Das brauchen Kinder Gottes. Gläubige können nicht immer unter Menschen sein, auch nicht immer unter gläubigen Menschen. Gläubige müssen vor allen Dingen um ihren Herrn sein. Der württembergische Schulmeister Kolb sagt einmal: Der Umgang mit geistlichen Menschen macht geistlich; der Umgang mit Gott macht göttlich. Der verachtete Hebel wird gerne den andern aus dem Wege gegangen sein. Und der Herr achtete auf ihn. Das spätere Eintreten des Herrn für ihn, gegenüber Kain setzt einen Gemeinschafts-Verkehr des Abel mit dem Herrn voraus. Dazu mag’s im Hirtenleben manche Gelegenheit gegeben haben. Es ist bemerkenswert, das der ledige E i n h e i t s m e n s c h Abel - wobei wir unter „Einheitsmensch“ den auf das Eine gerichteten Mann verstehen - bei den Tieren seinen Herrn-Umgang pflegte und hineinwuchs ins göttliche Leben.

Adam, der ursprüngliche Volleinheitsmensch, ist bei den Tieren aus der inneren Einheit gewichen. Und der große E i n e , der Herr, war auch in der Wüste bei den Tieren und kämpfte dort Seinen Überwinderkampf Satan gegenüber. So wurde Abel ein Schäfer. Kain war ein Ackersmann; das war der Weg zur I c h - K u l t u r. Das war tiefere Bindung an die Erde. Abel war freier. So binden sich Kinder Gottes beruflich nie zu tief hinein. Heutzutage sind die Berufe jeglicher Art ja viel gefährlicher, als zu Abels Zeiten. Heute sind die Berufe alle hineingezogen in die gesamte antichristliche Kultur. Der Beruf ist für das Kind Gottes oft eine andere, fremde Welt, in welcher es kämpfend und zagend steht. Selig, wer seinen Beruf wählen kann, und ihn in Christo wählen kann. Das ist wenigen beschieden. Aber im Beruf und unterm Beruf wachsen, das können und dürfen wir, gerade wenn wir in demselben leiden. Die Berufung im Beruf festmachen ist eine heilige, große Geistesaufgabe. Wir bitten, dass der Herr den Seinen auch die rechten Berufe, und in den Berufen die rechte Freiheit in Ihm schenke. Abel ist jedenfalls führungsmäßig hineingewachsen. Das ist das Schönste. Heute geht es oft zwangsmäßig, nämlich nicht göttlich, sondern von unten her zwangsmäßig. Aber erfassen wir nur alles im Herrn, so muss es uns zum Besten dienen. Seinem inneren Beruf nach war und blieb Abel Priester. Das sehen wir an seinem kindlich gläubigen Opfer.

Abel als Priester

Abel war innerlich tief versenkt ins göttliche Wort, soviel davon in jenen Tagen den Menschen gegeben war. Er, als der Hebel, auf welchem der Erdenfluch schwer lag, er hatte ein tiefes Verständnis für den Passionscharakter und Sterbecharakter der Erlösung. Gott, der Herr, hatte in Seinem Worte vom Fersenstich und Kopfzertreten den Leidens- und Sterbenscharakter der Erlösung schon mit hineingewickelt. Gott, der Herr, hatte beim Röcke-Machen aus Fellen schon das Opfer, das blutige Opfer, den Menschen gegeben - im Vorbild Seines eigenen. Dieses blutige Opfer war Abel tief eingedrückt. Kann sein, dass es ihn mit in den Schäferberuf hineindrückte. Er sah in seinem inwendigen Menschen in den Fluch, und er wartet in dem Weibesamen, der kommen sollte, auf einen Fluchträger. Wie später ein Abraham in seinem, zum Altar geführten Isaak auch einen Glaubensblick in Tod und Auferstehung des Erlösers tat, wie das Hebr 11. andeutet, so auch Abel.

Er brachte ein blutiges Opfer und bekannte sich damit zum geoffenbarten Herrenweg. Kain opferte auch. Sein Opfer war aber mehr eine selbst dargebrachte Gabe. Er brachte dem Herrn etwas. Und er brachte Früchte. Für das blutige Opfer fehlte ihm das innere Verständnis. Kain tat etwas aus sich im Opfer - Abel brachte im Opfer sich und wartet des Herrn, des in die Ferse Gestochenen. Bei Abel war das Opfer aus zerbrochenem Geist, bei Kain aus aufgerichtetem Selbstgeist. Der Ich-Mensch braucht kein blutiges Opfer - er hat kein Verständnis dafür. Er sieht den Tod nicht - und sieht darum nicht, wie die Erlösung durch den Tod des Erlösers geht. Es ist etwas Großes, Kreuzes- und Todes-Verständnis in Christo zu haben. Mag sein, dass Abel in seinem Opfer auch sich selbst auf den Altar legte. Mag sein, dass er dachte, in einem noch unzulänglichen Verständnis des göttlichen Wortes, er möchte selbst der Weibessame sein.

Wir müssen ja ganz gewiss annehmen, dass das Weibessamen-Geheimnis die ersten Menschen tief beschäftigte und bewegte. Sie werden doch das Pardies-Wort nimmer losgeworden sein. Mag sein, dass Abel mit seinen geopferten Tieren sagen wollte: Und Herr, wenn ich der verheißene Weibessame sein sollte, so will ich mich auch zum blutigen Opfer hinlegen, Du kannst mich ja auferwecken. So war’s doch auch bei Abraham. Er dachte sicher, Isaak möchte der verheißene Same sein. Und er war willig, ihn auf den Opferaltar zu legen, weil er dachte, Gott kann ihn auch von den Toten auferwecken (Hebr 11:18.19). Abels Opfer war ein völliges Glaubensopfer. So legen auch wir uns beim Genuss des heiligen Abendmahles hin vor den Herrn. „Wir verkündigen des Herrn Tod, bis dass Er kommt.“ Wir nehmen das für uns gebrachte Todesopfer; wir sind versöhnt und gereinigt in Seinem Blut. Wir sind aber auch entschlossen, den Leidens- und Sterbens-Weg in Ihm zu gehen - wir wollen Seinen Tod verkündigen. Und wir warten auf Sein Kommen. Wir haben natürlich alles klarer und heller als ein Abel - und doch sind wir wesensmäßig mit ihm eins. Wir pflegen Priestertum als die Sterbenden und Lebenden in Ihm, dem Herrn. Abels Opfer war Glaubensopfer.

Abel, der Glaubensmann

Abel brachte nichts Selbstisches vor den Herrn. Er lag vor dem Herrn. Abel war der Hebel. Abel war ein Hauch - der Herr aber war der Retter. Abel glaubt. Hebr 11:4 sagt es uns. Durch den Glauben hat Abel Gott ein größeres Opfer getan denn Kain. Kain war aus dem Bösen, steht 1Jo 3:12 geschrieben. Das heißt: Er war aus dem Ich-Wesen. Der Böse ist der „I c h“, in sich selbst aufgerichtet. Dadurch wurden auch Kains Werke böse. Sein Opfer war ein Ich-Opfer. Er opferte Gott und brachte Gott etwas. Abels Opfer war das eine zerbrochenen Ich, das Gnade suchte bei Gott. Daher auch ein blutiges Opfer. Abel war glaubensmäßig hingeworfen - und so wartete er der Verheißung. Er hielt sich glaubensmäßig fest an Gottes Wort und Gottes Institutionen, auch an Seine Opferinstitutionen. Kain achtete das nicht so genau. Darum rechnete nun Gott das zerbrochene Herz Abels und seinen kindlichen Glauben ihm zur Gerechtigkeit. Abels Verhältnis zum Herrn war nehmend und harrend. So ist er ein Vorläufer der Glaubensgerechten. Er steht von Herzen in der Glaubens-Gemeine-Linie. Nicht durch Werke, sondern durch Glauben. Selbstgerechtigkeit und Gottesgerechtigkeit stehen in Kain und Abel einander gegenüber. Und wie nach [[Gal 4].] stets der Selbstgerechte unter dem Gesetz verfolgte den aus der Verheißung, so war es auch bei Kain und Abel. Darum bekam nun Abels Opfer die Legitimation des Herrn, Kains Opfer dagegen nicht.

Abel, der Gottbezeugte

Nach der ganzen Schriftgleiche können wir nicht anders annehmen, als dass der Herr Abels Opfer mit Feuer vom Himmel entzündete, Kains nicht. So war Abel der Angenommene, der Gottgeliebte. Er empfing dasselbe, was jetzt die Kinder Gottes in der Gabe des Heiligen Geistes empfangen. Mit Feuer getauft sind die Gläubigen. Kinder Gottes tragen das Feuerzeugnis in sich - Gottes Geist gibt Zeugnis ihrem Geist, dass sie Gottes Kinder sind. Dadurch sind sie auch nach außen vor den Gläubigen und vor der Welt legitimiert. So stand auch Abel da. Die Feuerantwort Gottes auf sein Opfer war die damalige Stufe. Des Heiligen Geistes Jesu Christi Innenzeugnis ist die jetzige Stufe. Abel ist gewiss inzwischen in die Geistesstufe eingerückt und wächst mit uns. - Mit Gottes an ihn bezeugter Liebe trat er aber auch in Gegensatz zur Welt, welche damals führend in Kain vertreten war. Der bezeugte Abel wurde den einen ein Geruch des Lebens zum Leben, den andern ein Geruch des Todes zum Tode.

Abel, der Scheide-Mann

An Abel scheiden sich die Geister. Wir dürfen annehmen, dass nicht die ganze Menschheitsfamilie auf Kains Seite stand. Es waren gewiss auch welche da, die mit Abel und durch Abel auf des Herrn Seite standen. An Abel vollzog sich die Scheidung, so jung er noch war. Wo der Herr wohnt, ist Salzcharakter und Lichtcharakter. Die wirken scheidend. Ein jedes lebendige Kind Gottes hat einen Scheidungs-Umkreis. Die einen stoßen sich an ihm, die andern sind zu ihm hingezogen. Jedes Kind Gottes ist eine lebendige, persönliche Evanglisation. Je klarer ein Gottesmensch in der inneren Lichtscheidung steht, umso klarer wirkt er auch nach außen. Die Scheidung aber bringt nach der Seite der Finsternis hin, und von derselben her, Kreuz.

Abel, der Gehasste

Offenbarungsmenschen treiben zur Offenbarung. An Abels wachsendem Glauben kommt Kains finsterer Unglaubensgrund zur Offenbarung. Kain fängt an, Abel zu hassen. Abels K r e u z wird offenbarer und schwerer. Der Herr tritt für ihn ein bei Kain, aber umso finsterer wird Kain. Am Kreuzeswesen steht das Ich-Wesen auf. Der Herr redet mit Kain, der aber bleibt trotzig und redet mit Abel. Er wird ihn gescholten haben, dass er besser sein wollte als er, der Kain. Kain hielt sich jedenfalls für viel besser als Abel. Das sündige Ich-Wesen kann gegenüber dem Gnaden- und Glaubens-Wesen nicht ruhig sein. Es wird aufgeregt, weil es gestraft wird am Licht. Und diese Aufregung geht über in Zorn und Hass. Je wachsender gläubiges Innenleben ist, umso tiefer und nachhaltiger wird der Widerspruch. Und ist es erst die gottferne Welt, so wird es je länger je mehr die fromme Welt, die in Hass und Widerspruch gerät. Wo Eigenwesen gestraft wird, tritt Eigenwesen in Gegensatz. Ein rechter Gemeine-Mann - der gehasste Abel. Während nun Kain mit Abel redet, schweigt Abel.

Abel, der Schweiger

Ein Kind Gottes ist kein Disputator und noch weniger ein Streithahn. Entweder hat ein Kind Gottes ein kurzes, klares Zeugnis, oder, wo dafür nicht Raum ist, Schweigen. Gläubige schweigen viel. Das ist ein Heilandszug. Sie schweigen nicht aus Zorn und Hass, sie schweigen in Leiden und Geduld. Zum Tragen gehört Stillesein. Geistesleute werden immer stillere Leute. Die Stillen im Lande heißen sie auch um dieser ihrer inneren Stellung willen. Es hat ja Disputieren in Geistessachen keinen Wert. Sie werden nicht durch Geist, sondern durch den Heiligen Geist im gebeugten Herzen erkannt. Disputieren bläht. Im Disputieren ist der Weltmensch stets über - das ist sein Boden. Im Schweigen und Zeugen ist der Gläubige über - das ist sein Boden. Und wie sollen wir uns rechtfertigen dem Unglauben gegenüber? Das ist nicht möglich. Heiliges Schweigen ist tiefes Gericht. Und heiliges Schweigen treibt die Ich-Menschen vollends zur Offenbarung. Kain entrüstet sich und schlägt Abel tot.

Abel, der Märtyrer

Abel durfte den leiblichen Tod um seines Herrn willen sterben. Sterben ist aller Gotteskinder Weg - leibliches Sterben vieler. Das im Glauben vergossene Blut ist gerechtes und heiliges Blut. Der erste Tod unter den Menschen ist heiliger Tod, ist Glauben-Märtyrer-Tod. Um den ersten Leichnam eines Menschen strahlt Verklärungsglanz. Abel ist christusähnlich. Viele Züge seines Lebens tragen Christuscharakter, sein Sterben im Vollsinn. Der Herr Selber reiht ihn ein in die große Glaubens-Märtyrer-Linie und lässt das wertvolle, heilige Blut mit Abel beginnen. Glaubens-Leben ist in vielen Stücken Märtyrer-Leben, auch wo es nicht gerade zum leiblichen Tode führt. Wir denken uns, dass Abel vielleicht dem Tode durch die Bruderhand hätte ausweichen können, aber er ist ihm nach innerer Führung nicht ausgewichen. Abels Tod war unter des Herrn Leitung ein freier. Das gibt dem Märtyrer-Tod und allem Märtyrer-Wesen erst Wert und Kraft. Abel hat jedenfalls schon lange gemerkt, wo es hinausgehen würde, und hat das gewiss auch aufgrund der ersten Verheißung als einen rechten Weg angesehen. Abels Tod war der kommende Abschluss seiner ganzen Lebensführung. So musste der „Hebel“, der Hauch, sein Leben aushauchen. Das war ein Schlag für Satan - da war einer, der in dem Herrn auch dem Tode Trotz bot. Und ob er auch dem Tode den Zoll zahlen musste, und ob er auch, am seligen Platze im T o t e n r e i c h , noch warten musste bis nach der Auferstehung Jesu - er lebt doch!

Abel, der Erstandene

So dürfen wir wohl schreiben, wenn es auch lange bis zur wahrhaftigen Auferstehung in Christo ging. Der Herr trat sofort für den erschlagenen Abel ein. Damit hat Er ihn eigentlich für Sich requiriert, obwohl Er ihn erst nach Seinem eigenen Tode herausreißen konnte. Im Glauben lebte er und in demselben, sagt der Hebräerbrief, redet er noch, wiewohl er gestorben ist. Abel hat wenig geredet im Leben. Die Bibel hat kein einziges Wort von ihm aufgezeichnet. Aber das zeigt sie und sagt sie, dass er redet als Gestorbener. Das Blut Abels, das die Erde getrunken hatte, bewegte den Herrn tief. Es zeigte Ihm im Vorbild Sein eigenes Blut, welches die Erde einst trinken sollte. Das Blut Abels war wie ein Herausruf des Sohnes zum Kommen und Sterben. Darum sehen wir nach Abels Tod den Sohn Gottes tiefbewegt. Abels Blut kann nicht erlösen - aber Abels Blut schreit nach Erlösung. Es ist wie ein Alarmruf an das Sohnesherz zum Kommen und Sterben.

Und es ist wie ein Alarmruf zum Gericht. An der Heiligen Leiden und Blut schafft sich die Welt ihr Gericht. Daran muss sie zum Zerbruch kommen. Kain ist doch auch schon etwas daran zerbrochen wenn auch lange, lange noch nicht ganz. Aber Abel steht auf in Herrlichkeit als Glied am Leib - dann wird er erst richterlich stehen und zerschlagend für seinen Kain.

Er redet noch - er redet auch zu uns allen, er redet auch zu dem Gläubigen. Er ist unser Bruder im Leben und im Tod. Er gehört zur Wolke von Zeugen, welche unserem Kampfe zuschaut. Wir schauen ihn an, und er schaut uns an - und so redet er.

Möchte er jedem von uns etwas sagen - er redet noch!

Lies weiter:
3. Ewigkeit - leuchte hell hinein