Jahwes tröstendes Wort für sein Volk - Jes 40:1-11

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aus HSA: Verkündiger von Gericht und Heil nach Jesaja (40-66) Bd.2’’


Jahwes tröstendes Wort für sein Volk - Jes 40:1-11

Mit Jes 40:1 beginnt ein neuer Abschnitt (2.Teil) im Buch Jesaja, es ertönt ein neuer Klang, nämlich der Tröstung (der allerdings im 1.Teil hin und wieder auch schon zu vernehmen ist). Gott tröstet die nach Babylon Verschleppten durch die Aussicht auf ihre bevorstehenden Heimkehr, er tröstet aber auch das in Trümmern liegende Jerusalem mit den darin Zurückgebliebenen (2Kö 25:11.12). Jesaja steht immer beides vor seinem geistigen Auge: die ins Exil Weggeführten ("Exulanten" oder "Exilierte" genannt) und Jerusalem und Juda.

Obwohl mit Jes 40 etwas Neues beginnt, begeht aber doch ein Zusammenhang zwischen Jes 39 und Jes 40: In Jes 39 wird die Wegführung der Juden nach Babel dem König Hiskia durch Jesaja geweissagt, in Jes 40 wird deren Heimkehr angekündigt. Jes 39 betrifft das Jahr 586 v. Chr., Jes 40 die Jahre ab 538 (Erlass des Königs Kyrus, der die Rückkehr der Juden und den Wiederaufbau Jerusalems und des Tempels erlaubte).

Jeremia spricht von einem 70-jährigen Exil in Babel (Jer 25:11.12). Dabei ist zu bedenken, dass die Wegführung nach Babylon in mehreren Schüben geschah. Einige vornehme Juden darunter Daniel, wurden schon um 605 v.Chr. weggeführt (Dan 1:1-4). Eine weitere Exilierung wird auf 597 datiert (2Kö 24:10-16). Im Jahr 586 wurde dann Jerusalem nach zweijähriger Belagerung durch Nebukadnezar zerstört und der Rest der Bevölkerung bis auf wenige Zurückgelassene verschleppt (2Kö 25).

Nun aber heißt es: "Tröstet, tröstet mein Volk!" "Getröstet werden" bedeutet "wieder aufatmen dürfen", nachdem man lange Zeit unter Druck und Drangsal gefangen lag. Die Wiederholung des Wortes will die Dringlichkeit anzeigen (wie in Jes 51:9 - Jes 51:17 - Jes 52:1 - Jes 52:11). Sehr fein schreibt Franz Delitzsch zu Jes 40:1: "Der Wendepunkt vom Zorn zur Liebe ist gekommen. Der Zorn ist zwiefältig ergangen - in welcher Intensität wird nun die länge verhaltene Liebe hervorbrechen!"

Von der Tröstung Israels sprechen auch Jes 12:1 - Jes 49:13 - Jes 51:3 - Jes 51:12 - Jes 52:9 - Jes 66:13. Dabei geht es um Tröstung durch die Tat, nicht allein durch Worte! Gott erweckt den Geist des Königs der Meder und Perser (Kyrus), er zieht mit seinem Volk durch die Wüste, er bewirkt, dass Jerusalem und der Tempel wieder aufgebaut werden. Das sind konkrete geschichtliche Tatsachen. Jesja darf sie im Voraus ankündigen, damit sie zu gegebener Zeit in Jerusalem und Juda und bis nach Babel bekannt würden.

Nun ist aber Israel nicht nur nach Babel weggeführt worden, sondern Jahrhunderte später zur Zeit der Römer unter alle Völker zerstreut worden. Und wie es damals eine Rückkehr aus Babel gab, so gab und gibt es im 20. und 21. Jahrhundert eine Heimkehr Israels aus allen möglichen Richtungen in seine wieder in Besitz zu nehmende Heimat. Auch diese Entwicklungen sind Tröstungen Gottes nach Jahrhunderten der Zerstreuung und den Verbrechen der Hitlerzeit, sosehr auch Bedrohungen, Gefahren und Kämpfe bis auf den heutigen Tag mit der Inbesitznahme des verheißenen Landes verbunden sind.

Derselbe Gott ist auch der Herr und Heiland seiner Gemeinde heute. Er ist auch unser Tröster. Und alle Zusagen des Heils, der Liebe, der Tröstung, die wir im Jesajabuch vernehmen, gelten geistlich gesehen auch den Christusgläubigen unserer Tage. Die Kranken, Einsamen, Trauernden, Notleidenden, Unterdrückten, Verfolgten dürfen es sich auch heute von Gott gesagt sein lassen: "Tröstet, tröstet mein Volk!" (vgl. Joh 14-16 - Röm 8:18-39 - 2Kor 1:3-7 u. a.)

Was bedeutet es nun aber, wenn in Jes 40:2 gesagt wird, Jerusalems Schuld sei "abbezahlt" (oder "abgetragen") und sie habe aus Jahres Hand "ein Doppeltes empfangen für alle ihre Sünden"? Karl Ellinger deutet es so: "Die Notzeit ist vorbei... Es ist wirklich alles endgültig erledigt." Die Heilige Schrift kennt das Abbezahlen einer Schuld, ähnlich dem Erstatten von geraubtem Gut oder dem Absitzen einer Gefängnisstrafe (3Mo 26:41.43 - Mt 5:26 - Lk 12:59). So wird "die göttliche Strafgerechtigkeit befriedigt" (Delitzsch). Dies ist nicht gleichzusetzen mit Sündenvergebung durch freie Gnade im Sinne von Jes 43:25 - Jes 44:22 - Kol 1:14 oder Versöhnung im Sinne von 2Kor 5:18-21 und 1Jo 2:2; es bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass eine zugemessene Strafe abgebüßt ist; weitere Bestrafung für Fehlverhalten in der Vergangenheit ist nun nicht mehr zu erwarten.

Jerusalem hat ein Doppeltes (Zwiefaches) seiner Schuld abtragen müssen "nämlich erstens die Schuld selbst und zweitens den rechtsüblichen Schadensersatz" (Ellinger) (vgl. 2Mo 22:3 - 2Mo 22:6.8). Es handelt sich um Sündenvergeltung, noch nicht um Sündenvergebung. "Erst aufgrund des Empfanges dieser Sündenvergeltung kann Israels nunmehr getröstet werden" (E. König) (vgl. Jer 16:18 - Offb 18:6).

Gott bleibt also bei der Sündenvergeltung nicht stehen, weil er doch Liebe ist, die immer zurechtbringen will. Der Vergeltung folgt die Tröstung (Jes 40:1) und der Vergebung (Jes 43:25 - Jes 44:22) folgt die Erstattung, ja sogar die doppelte Erstattung (vgl. Jes 61:7 - Sach 9:12 - Hi 42:12.13). Am Ende gilt immer Röm 5:20: "Wo aber dieSünde überströmend wurde, da ist die Gnade noch überschwänglicher geworden." Gott straft und richtet zwar, doch viel schwerwiegender und dauerhafter ist seine Tröstung, sodass man am Ende sogar für die Notzeiten seiner Zornes (der nicht aus Hass, sondern aus Liebe ergeht) noch danken kann (Jes 12:1).

Es ergeht eine Stimme Jes 40:3 - wessen Stimme? Wer ruft hier? Ein himmlisches Wesen aus der himmlischen Ratsversammlung (D. Schneider)? Ein ""vom Propheten individualisierter Chor von Tröstern" (E.König)? Es bliebt ein Geheimnis. Die Person - wer immer es ist - verschwindet hinter der Botschaft.

Im Neuen Testament werden die Verse Jes 40:3-5 unseres Textes in Mt 3:3 und Lk 3:4-6 zitiert. Sie erfüllten sich in Johannes dem Täufer, der vor Jesus herging, um dem Herrn ein zugerüstetes Volk zu bereiten (Lk 1:17). Hier wird eine Verheißung, die im Alten Testament JAHWE betrifft, ohne weiteres auf JESUS bezogen. Ja in JESUS offenbart sich JAHWE. Dieser Name kann den Vater, aber auch den Sohn Gottes meinen. JAHWE bedeutet: der Seiende, Ewigseiende, Unveränderliche, Beständige, Getreue. Nach Karl Elliger ist JAHWE aufgrund von 2Mo 3:14 (nach israelitischem Verständnis der Wurzel die "da sein, geschehen, werden "bedeutet) "nicht nur der Wirklich-Seiende, sondern auch der Wirksam-Seiende, der Dynamische, der Geschichtsmächtige". Der Sinn ist: Ich bin immer und überall da. Ich bin wirklich da und werde wirksam da sein.

In Jes 40:3-5 aber geht es zunächst um die Heimkehr der Juden von Babel nach Jerusalem - ein beschwerlicher Weg durch die arabische Wüste. Weder eine Autobahn noch eine Eisenbahn, noch Flugzeuge standen zur Verfügung. Es ergeht eine Aufforderung zum Straßenbau. Wie aber kann man - ohne moderne Bagger und Räumfahrzeuge - die Unebenheiten der Wüste abtragen, Löcher auffüllen, "jeden Berg und Hügel niedrig machen" und felsige Höhen in eine Talebene verwandeln? Unmöglich. Es föllt auf, dass nach Jes 40:3 nicht für die jüdischen Rückwanderer, sondern für den Herrn,Jahwe, eine ebene Straße hergerichtet werden soll. Das Ganze ist also, wie in Lk 3:4-6, bildlich und festlich zu verstehen. Dem König Jahwe soll ein würdiger Weg bereitet werden. Einst erlöste er durch die Wüste ziehend Israel aus der ägyptischen Knechtschaft, nun zieht er wieder mit seinem Volk durch die Wüste (vgl. 1Kor 10:4). "Die Aufforderung, geistlich verstanden, geht auf Ermutigung der Niedergeschlageneren, Demütigung der Selbstgerechten und Sicheren, Wandlung der Unredlichkeit in Einfalt des unzugänglichen Trotzes in Ergebung" (Delitzsch). - Diese geistliche Deutung muss aber die irdisch-natürliche nicht ganz ausschließen. Sicher gab es bei der Rückkehr der Juden aus Babel auf dem Weg durch die Wüste so manches Hindernis zu überwinden. Doch Jahwe ist bei Israels wie ein Hirt bei seiner Herde, um "sein wiedererworbenes Volk" (König) zu geleiten (Jes 40:10), wobei seine besondere Fürsorge den Schwachen und Hilfsbedürftigen gilt (Jes 40:11).

Zu den Versen Jes 40:6-8 bemerkt Delitzsch unter anderem: "Eine zweite Stimme preist angesichts der nahen Erfüllung das göttliche Verheißungswort und bestellt einen Prediger... Das dargereichte Predigtthema ist die Vergänglichkeit des Wortes Gottes. Die im Fleisch lebenden Menschen allesamt sind ohnmächtig, hinfällig, bedingt, Gott dagegen ist der Allmächtige, Ewige, Allesbedingende, und wie er selbst ist, so ist sein Wort."

Es ist der Hauch Jahwes, der, wenn er den Menschen anweht, ihn zum Verwelken und Verdorren bringt, wie heiße Winde die Frühlingspracht der Blumen des Feldes. Delitzsch spricht vom "Hauch Gottes des Schöpfers, der lebenserzeugend, lebenserhaltend, lebenszerstörend die Schöpfung durchweht und dessen entsprechendste elementare Erscheinung der Wind ist". Im Gericht lässt er Natürliches verdorren (Jer 4:11-13 - Hes 17:10), als Gnade belebt er (Hi 33:4 - Ps 104:29.30). Erst Gottes Neuschöpfung wird unzerstörbar sein.

Der Nichtigkeit Hinfälligkeit, Vergänglichkeit allen Fleisches wird "das Wort unseres Gottes" gegenübergestellt. "In Ewigkeit, Jahwe, steht dein Wort fest in den Himmeln", sagt Ps 119:89. Daran soll der Mensch sich halten und nicht auf seine Anmut und Schönheit oder Größe und Macht vertrauen. Aus Jes 40:6-8 wird in 1Petr 1:24.25 zitiert, und im Zusammenhang damit wird (Jes 40:23) das Wort Gottes als ein lebendiger Same dargestellt, der unvergänglich ist und Unvergängliches in den Gläubigen hervorbringt: "Ihr seid wiedergeboten nicht aus vergänglichem Samen, sondern aus unvergänglichem durch das lebendig und bleibende Wort Gottes."

Sind die Verse Jes 40:6-8 auch sehr ernüchternd, den Menschen in die Schranken weisend, so zeigt doch wieder Jes 40:9, dass unser Abschnitt im Wesentlichen eine Freudenkunde enthält: Gott kommt und er wird herrschen! Gott ist der Tröster Israels - nicht nur mit Worten, sondern durch geschichtliche Taten - und ein Hirt und Helfer für alle, die gläubig und zum Gehorsam bereit mit ihm rechen (vgl. Joh 10:14.15 - Joh 10:27.28). Er trägt sie durch die Wüste dieser Welt der verheißenen Heimat entgegen.