Gottes Kriegserklärung an die Menschheit der Endzeit

Aus Bibelwissen
Wechseln zu: Navigation, Suche

Aus dem Zweimonatsheft für gläubige Schriftforscher:
"Das Prophetische Wort"
Begründet von Professor E. F. Ströter

Herausgegeben von Heinrich Schaedel
Maranatha-Verlag, Klosterlausnitz i. Thür.
1921

Siehe weitere Abschriften

Gottes Kriegserklärung an die Menschheit der Endzeit

B. Haake

Betrachtungen zur Offenbarung

Wenige Jahrzehnte sind es her, da man in gläubigen, bibelforschenden Kreisen ein liebevolles, denkendes, bibelgemäßes Verständnis für den prophetischen Inhalt der Bibelkenntnis sind damit eingetreten. Merkwürdige Umwälzungen in der Bibelkenntnis sind eingetreten Festgewurzelte Anschauungen haben sich als unhaltbar erwiesen und mussten fallen; neue Gedanken haben sich ihr Bürgerrecht erstritten. Man hat, wenn auch schweren Herzens, einsehen gelernt, dass nicht „wir“ Gläubige unseres Zeitalters das letzte und noch weniger das einzige Ziel der Gedanken und Wege Gottes sind, wenngleich wir sein höchstes Ziel sein mögen. Man hat den Riss, den Entwurf der Weltherrschaftspläne Gottes und die Richtlinien für sein Verhalten zu ihrer Verwirklichung sehr deutlich in seinem Wort niedergelegt gefunden. Es ist uns zur Gewissheit geworden, dass Gottes Wege in Leiblichkeit enden. Es genügt ihm nicht, ein rein geistiges Reich leibloser Seelen für einen schönen Himmel zu schaffen, nachdem diese verderbte Schöpfung zertrümmert worden sein wird. Er will eine neue Erde bevölkert sein lassen von einer Menschheit von Fleisch und Blut wie wir, die aus der gegenwärtigen ganz naturgemäß hervorwächst und „nur“ den einen Vorteil hat, frei zu sein von Sünde und Schuld mit den daraus erwachsenden Übeln.

Eine Welt will er schaffen, in der Gerechtigkeit und Friede herrscht, Lebensreinheit Naturgesetz ist, und Liebe das alle Menschen umschließende Band, ein Reich also, in dem himmlische Gesinnung und himmlisches Leben heimisch sein wird (Joh 18:36.37; Röm 14:17). Aber ein Reich, in dem auch Raum und Verwendung ist für die dahingesunkenen Geschlechter, für Auferstehungsmenschen, die mit den in Fleisch und Blut lebenden Artgenossen in trautem Verein zusammengeschlossen sein werden. Die Völker werden ihr Sonderdasein, ihre Eigenart, ihre Verfassung nicht verlieren, nur wird ihr Sinnen und Trachten, ihr Leben und Weben vergöttlicht sein (Offb 21:24; Offb 22:2). Vor allem ist es Gottes Absicht, sein von ihm so heiß geliebtes Bundesvolk Israel, das jetzt ein Fluch der Völker ist, zu einem Ruhm und Ehre für ihn (Jes 43:21) und zu einem Segen für die Völker zu machen (1Mo 12:3; Sach 8:13). Treu wird es einst als sein neugeborenes, ihm geweihtes Volk, als sein erstgeborener Sohn (2Mo 4:22; 5Mo 32:6-9) in Gottes Menschheitsfamilie seine ihm zugedachte Mission erfüllen (Mt 28:19.20). Um aber die Werkzeuge und Mitarbeiter für seine wunderbaren Gedanken der Welterneuerung, der Weltwiederherstellung zu gewinnen, ist sein Geist durch sein Wort jetzt tätig, sich ein Herrschergeschlecht heranzubilden, Menschen, die in allem seinem geliebten Sohn in allen Stücken ähnlich sein werden (Röm 8:29), die als der Christus Gottes (1Kor 12:12) Gottes Erben und Miterben Jesu Christi sein sollen (Röm 8:29), an deren Vollendung er in verschwenderischer Fülle alles setzt, was nötig ist, damit sie selbst Christi oder Gottes Fülle werden (Eph 1:22; Eph 3:19). Erst, wenn er diese Mitbesitzer des Reiches Gottes, den Leib Jesu Christi, sich selbst ohne allen Fehl dargestellt haben wird (Eph 5:27), kann er den gewaltigen Schritt zur Herbeiführung seiner Königsherrschaft auf Erden tun, nämlich mit der gottlosen Menschheit ins Gericht zu gehen, ihr den Krieg zu erklären, um durch Krieg und Sieg sein Reich zu erzielen.

Das Königreich der Himmel

Demgemäß gewinnt das Königreich der Himmel, d. h. das Königreich Gottes, ein völlig anderes Gesicht, als das von der Schulgelehrsamkeit gezeichnete, deren hübsch erdachte Entwürfe sich als unschriftgemäß erwiesen haben. Es wird aber in umgekehrter Reihenfolge errichtet: erst die Gemeine, dann Israel, dann die Völkerwelt, wie es Apg 15 geschrieben steht. Mit Ausnahme der von Gott den Propheten verheimlichten Heranbildung seiner Gemeine beschäftigt sich Gott im AT ausgiebig damit, seine Gedanken mit Israel und und Völkerwelt in der Zukunft klarzulegen. Er spart nicht mit seinen Gerichtsandrohungen für beide, doch ebensowenig mit seinen Verheißungen gemäß Pauli Wahrspruch: den Juden zuerst und dann den Griechen. Nicht minder aber ist das die Losung des Neuen Testaments. Es war eine Überraschung, als man die Entdeckung machte, dass schon sein äußerer Aufbau, d. h. die in unsern Bibeln herkömmliche Anordnung seiner einzelnen Schriften eine Prophetie ist, welche den prophetischen Inhalt der gesamten Bibel bestätigt, und den Verlauf der Geschichte des Königreichs Gottes vor Augen führt. In den Evangelium wird der ins Fleisch gekommene König des Reiches, der Gottes- und Menschensohn gezeigt, und das Nahen seines Königreichs angekündigt (Mk 1:15; Mt 4:17). Er kommt in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Nach dem Wunderrat unseres Gottes (Apg 2:23) wird er zwar von seinem Volk ans Kreuz geschlagen, jedoch fließt aus dieser grausigen Tat im Gegensatz zu einer erwartenden Verwerfung eine herrliche Heilsanbietung Gottes an sein Volk: Vergebung von Sünden (Lk 24:44-48; Apg 3:17-19); Erhöhung Jesu Christi zu seinem Fürsten und Erretter (Apg 5:31), und Wiederherstellung des Königtums Israels (Apg 3:19-21).

Zurückstellung Israels

Die Ausgießung des Geistes hatte einen köstlichen Erfolg in der sich rasch mehrenden Urgemeinde als eines heiligen Samens. Doch wenn auch Tausende von Priestern (Apg 6:7) und Volksgenossen gläubig werden, so schließen Oberste und Volk sich gegen Gott und Christus ab, und nach der Verwerfung des Geistes, bei der Steinigung des Stephanus, häufen sich die Zeichen der nahenden Beiseitstellung Israel. Die jüdische Urgemeinde erkennt mit klarem Blick die von Gott gewollte, von der Entscheidung Israels gegen Gott bedingte Verwerfung ihres Volkes, und die von Ewigkeiten her von Gott geplante Bevorzugung der aus allen Völkern herausgerufenen Gemeine Jesu Christi neidlos an, und tritt nach Apg 15 vom Schauplatz ab. Gleichsam als eine dünne unterirdische Wasserader läuft sie während der Sammlung und Ausreifung der Gemeine des Herrn in den zu keiner Zeit fehlenden christgläubigen Israeliten fort, bis sie nach Aufnahme der Gemeine zum Herrn wieder zutage treten wird. An Petrus war vorher schon der Befehl ergangen, die Zeit der Gemeine einzuleiten (Apg 10), so wie er früher die Judengemeinde zu gründen hatte, beides gemäß der ihm vom Herrn übergebenen Schlüsselgewalt (Mt 16:19).

Nach dieser Eröffnung des Himmelreichs für die Auswahl aus allen Völkern (Gal 3:28) aber trat der Mann auf, der nicht von Menschen, auch nicht durch einen Menschen, sondern durch Jesum Christum und Gott den Vater (Gal 1:1.16) den Auftrag erhielt, den Heiden „sein“ Evangelium der Herrlichkeit (1Tim 1:11; 2Thes 2:14; Kol 1:27; Joh 17:24.22) verkünden, und sie zum Gehorsam des Glaubens zu bringen (Röm 1:5). Das hat Paulus denn auch unermüdlich getan, indem er mündlich um Seelen für Jesum warb und schriftlich, in seinen Briefen an die sieben Gemeinden, die Grundlinien der Gedanken Gottes für das gegenwärtige Zeitalter niederlegte. Diese Briefe aber sind nicht durch menschliche Erwägung, sondern durch Geistesleitung so geordnet worden, dass einer der späteren Briefe, der an die Römer, an den Anfang der Gemeindebriefen und die ersten, die Thessalonicherbriefe, an ihr Ende gerückt worden sind, womit - sicher von Menschen ganz unbeabsichtigt - der Gedanke zum Ausdruck kommt, dass dieses gegenwärtige Zeitalter der Gemeine seinen Abschluss finden werde mit der Entrückung der Gemeine zum Herrn in die Luft (1Thes 4:17). Danach erst, danach aber ganz gewiss, hebt aufs neue, das Gnadenwalten Gottes mit Israel als Volk an, wobei der Hebräerbrief mit den nachfolgenden Schriften von Petrus, Johannes, Jakobus und Judas, einschließlich der Offenbarung ihre Schuldigkeit tun werden.

Die Endgeschichte Israels

Schon dieser Zusammenhang und diese Anordnung legt uns den Schluss nahe, dass in der Offenbarung nicht die Gemeine Christi, sondern die Endgeschichte Israels, und verbunden damit das Gericht über die Völkerwelt, und deren Erneuerung und deren Erneuerung zu finden ist. Wenn gemäß der Offenbarung der Tag des Herrn beginnt, ist die Gemeine Jesu Christi, der Leib des Herrn, zu ihm, dem Haupt entrückt. Die stetig wiederkehrende Frage, wo man die Gemeine in der Offenbarung unterbringen solle, wird damit einfach und ungezwungen beantwortet. Nach dieser Entrückung des Leibes Christi zu seinem Haupt nimmt die Züchtigung des Bundesvolkes Gottes, nehmen die Tage der Rache (Lk 21:22), ausmündend in seine volle Wiederherstellung, ihren Anfang. Israels Bekehrung wird nach zahlreichen Äußerungen des Alten Testaments in glutvoller Weise (Jer 25:15-18) betrieben werden, und die Offenbarung lässt uns die ganze Schwere der Gottesgerichte ahnen. Weil Gott „mit den Juden zuerst“ fertig werden will, weil die Zurechtbringung Israels (Hes 16:55-63; Apg 3:19-221) und die Aufrichtung des Königreichs des Sohnes Davids (Lk 1:32.33) nach Entrückung der Gemeine zum Herrn sein nächstes Ziel ist, darum ist das Buch über die dahin führenden Gottesgerichte „so ganz jüdisch“ geschrieben, gilt es ja doch in erster Linie den in der Endzeit lebenden Judenchristen.

Die Sendschreiben

Fraglich könnte nur sein, ob im Offb 2 und Offb 3 nicht doch ein stark abgekürzter kirchengeschichtlicher Abriss des gegenwärtigen Zeitalters gegeben sein, so etwa wie in Röm 9-11 auch Israels Verwerfung und Wiederannahme gezeichnet ist. Indes lassen sich diese Sendschreiben, die in ein Buch zusammengefasst, den Gemeinden gesandt werden sollen (Offb 1:11), auch sehr gut verstehen als Warnungen, Mahnungen und Ermunterungen für die endzeitlichen Judenchristengemeinden, die in ihrer bedrängten, angstvollen Zeit deren recht bedürfen werden. Sie werden in diesen Briefen eine fortlaufende Anspielung auf die ganze Geschichte Israels, von der Brautzeit in der Wüste bis zur Wegführung Judas finden, und sich die daraus ergebenden Nutzanwendungen für ihre Gegenwart, mit deren inneren und äußeren Verwicklungen und Anforderungen, machen. Es wird in ihnen ein Leitfaden geboten sein zum Verständnis der hereinbrechenden Ereignisse, und eine innere Aufrichtung und Stärkung durch ihre wunderbaren Verheißungen für die Überwinder. Die Berufenen, Auserwählten und Gläubigen aus Israel werden aus diesen Briefen genügende Aufklärung über die Lage, den Zustand und die Aufgabe ihrer „Kirche“ gewinnen, wie dann überhaupt das ganze Buch der Offenbarung alsdann ihnen erklärlich sein wird - ganz anders als uns in unserer so ganz anderen Lage. Sprache und Inhalt der Sendschreiben werden für sie keiner Umdeutung, Umschmelzung bedürfen, weil ihnen ihre Gegenwart durch die Vergangenheit, laut des Alten Testaments hinreichend beleuchtet erscheint.

Verwehrt aber soll es uns nicht sein, aus den Sendschreiben für uns so viel herauszuholen, als wir nur können, und unser Glaubensleben zu nähren und fruchtbar zu machen, nach dem Grundsatz von 1Kor 10:11; 2Tim 3:16. Denn so wie in den Büchern des Alten Testaments von der Erwählung Abrahams bis zu der Königszeit, die Geschichte Israels als Schattenbild der Gemeine aufgefasst werden darf, so kann man nicht minder auch in den Sendschreiben eine Abschattung der Geschichte der Gemeine bis in die Letztzeit finden. Nur möge man stets unterscheiden zwischen Schriftauslegung und Schriftanwendung.

Die Offenbarung Jesu Christi

Wie dem aber auch sei - mindestens von Offb 4 an ist die Kirchengeschichte aus der Offenbarung nicht herauszulesen und ebensowenig die Endgeschichte der Gemeine Jesu Christi. Schließen wir den hinteren Teil des Neuen Testaments vom Hebräerbrief ab Apg 15 an, so haben wir darin eine zusammenhängende, lückenlose Darstellung des Königtums Christi, sein Nahen, seine Unterbrechung, und endlich seine dauernde Wiederherstellung, während von Apg 6 an bis zum Brief an Philemon der Zwischeneinschub der Gemeine des Herrn behandelt wird. Wir stehen also in der Offenbarung auf entschieden alttestamentlichem Boden. Sprache, Bilder, Bezugnahmen weisen in einer erdrückenden Fülle auf das AT zurück. Sind wir damit einig, so wird uns damit die Deutung der Offenbarung erleichtert. Wir werden frei von Gezwungenheit, Willkür, Gewaltsamkeit und Einlegung eigener Vorstellungen bei unsrer Auslegung der gottgegebenen Gedanken. Um dieses letzte Buch der Bibel deutlich- deutlicher - zu machen, bedürfen wir weder der Weltweisheit, die ohnehin mit ihm nichts anzufangen weiß, noch eingehender Geschichtskenntnis, wie denn ja die ganze Schrift nicht für Gelehrte geschrieben ist. Erforderlich aber ist ein offenes Auge, Ohr und Herz für die in der Schrift niedergelegten Gottesgedanken und -absichten, und der feste Wille, Schrift durch Schrift zu erklären, was erster Auslegungsgrundsatz sein muss. Das allein genügt, aus dem Buch der Offenbarung Jesu Christi den Segen zu holen, der seinen Lesern verheißen ist. Damit bleibt man bewahrt vor Absonderlichkeit, Albernheit, Dünkelhaftigkeit, mit einem Wort, vor aller Künstelei, deren man sich gerade diesem Buche gegenüber reichlich schuldig gemacht hat, womit man überraschende Aufschlüsse in das Buch hineingeheimnist hat. Glaube und Liebe zu Gott, Schriftkenntnis und Geistesleitung, die niemandem verwehrt, die jedem möglich sind, sind die einzigen Vorbedingungen, sich der Offenbarung nüchtern und wahr zu verdeutlichen. Und es ist herzerfreulich, welch sichtlicher Fortschritt in ihrer Erklärung gemacht worden ist, seit und wo man diesen Grundsatz befolgt hat. Auch so noch bleibt vieles Dunkle, Unverstandene, Rätselhafte in diesem Buch, dessen Entschleierung jedoch gradweise erfolgen wird, je näher das Ende kommt.

Johannes auf Patmos

Johannes, der einzige Judenapostel, wird in hohem Alter auf einer dem Weltgetriebe entrückten Insel des Mittelmeeres an der Westküste Kleinasiens großer Ehre gewürdigt. Er durfte wirklich bleiben, bis der Herr kam (Joh 21:22.23) - wenn auch nur im Gesicht. Er war im Geist am Tage des Herrn, dem Gerichts- und Schlachttag unsres Gottes, der aber nur den Tag der Vollendung oder Wiederherstellung der Schöpfung einläutet. Denn nicht auf Untergang und Verderben, auf ausgesuchtes, feinberechnetes, gut vorbereitetes Zerschmettern und Vernichten, noch viel weniger auf sinnlos wütendes Umsichschlagen und Zertrümmern geht unser Gott aus. Wer ihn so einschätzt, der kennt ihn nicht. Der weiß nicht, dass er wohl bis ins dritte und vierte Glied straft, aber bis ins tausendste Glied Barmherzigkeit walten lässt (2Mo 20:5.6); dass er in überwallendem Zorn einen Augenblick sein Angesicht verbirgt, aber mit ewiger Gnade sich erbarmt (Jes 54:7-10); dass er zerstreut, aber auch sammelt (Jer 30:10); dass er Übles sendet, aber danach Gutes (Sach 14:15); dass er in die Hölle wirft, aber auch daraus erlöst (5Mo 32:22.43; 5Mo 32:39; 5Mo 30:1.2). Gott wird Schuld und Sünde zwar zwiefach vergelten (Jer 16:18; Mt 12:32), doch auch herrlich erretten (Jes 40:1.2). Strafen kann er, aber auch heilen (Jer 31:20; Jer 33:5.6; Jer 30:12-17; Hos 11:8.9. Hos 6:1; Hos 14:5ff.) Denn Gott will nicht ewiglich hadern, noch immer Zorn halten (Jes 57:15; Ps 103:5).

Im Gegenteil soll eine Zeit kommen, wo er nimmermehr zürnen werde (Jes 54:9). Was von Israel gilt, findet seine vollste uneingeschränkte Anwendung Anwendung auf die Völkerwelt, wie z.B. der Prophet Hesekiel (Hes 16:53-63) dem, dem Feuergericht Gottes verfallenen, verruchten Sodom eine ebensolche Wiederherstellung und Vergebung in Aussicht stellt wie Samaria und Juda (vgl. Röm 15:18.21.15.12; 1Kor 15:22; Offb 1:18; Joh 12:32; Kol 1:16b.20; Phil 2:10.11; Eph 1:10). Zunächst freilich sind es die furchtbaren Gerichtsschläge, die das Herz des Johannes betroffen machen und Angst und Weh bei ihm auslösen mochten, doch den Regenbogen über dem Thron (Offb 4:3) wird er verstanden, und sich aus der Geschichte Noahs recht gedeutet haben.

Um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen war Johannes auf Patmos, wahrscheinlich in voller Freiheit ungehindert dahin vom Herrn beschieden, um hier ganz merkwürdige Dinge zu durchleben. Zunächst schaut er seinen Herrn, aber wie so ganz anders als früher, in all den Wahrzeichen seiner göttlichen Herrlichkeit und Schöne. Überwältigt von der wunderbaren Erscheinung, bricht Johannes zusammen, doch der Herr richtet ihn auf. Als Prüfer und Richter der christusgläubigen Judengemeinden, nicht seiner Zeit, sondern der Endzeit - am Tage des Herrn - gibt Jesus sich ihm zu erkennen, und an sie hat er Botschaften zu erlassen, wie sie deren Zustand und Lage entsprechen. Als der Erste und Letzte, als der, der tot war und lebendig ist, und der des Todes und des Totenreiches Schlüssel hat, tritt er auf und beansprucht, gehört zu werden. Als solcher aber wird er sich auch in seinem nunmehr beginnenden Zorngericht über Israel und die Völker zeigen und zuletzt über allen Trümmern siegreich dastehen. Schreiben soll Johannes, was er gesehen hat und was es ist, nämlich (im Griechischen steht hier ein epexegetisches, ein erklärendes „und“) was danach geschehen wird (Offb 1:19).

Die Sendschreiben selbst wollen wir übergehen; die vorhin gegebenen allgemeinen Angaben mögen genügen. Nur über das Wort Engel eine kurze Anmerkung (Offb 1:20; Offb 2 und Offb 3 öfter). In den Synagogen zu Johannes Zeiten stand neben dem Synagogenobersten ein Gottesdienstleiter, der gleichsam Mundstück der Gemeinde war und ihre Gebete Gott darbrachte. Dieser Vorbeter wurde Abgesandter, Engel (= Bote) der Gemeinde genannt. Dieser Brauch ist einfacher Grund für die Anwendung des uns seltsam anmutenden Ausdrucks in den Sendschreiben. Wir Heidenchristen haben aber weder Anlass noch Auftrag, jüdische Gebräuche nachzumachen.

In den Tag des Herrn entrückt

Nachdem Johannes so durch den Geist in den Tag des Herrn hineingerückt worden war, wurde er auch in den Himmel entrückt (Offb 4:1.2). Ähnliche Entrückung erfuhr Hesekiel, der in Babylonien gefangene Prophet, als er durch den Geist nach dem fernen Jerusalem geführt wurde (Hes 8:3; Hes 11:24.25), um zu schauen, was sich dort in der Gegenwart Trauriges zutrug. Aber auch, was in der Zukunft seinem Volke Herrliches bei dessen Wiederherstellung beschieden sei (Hes 40:2.3). So durfte Paulus in seiner Entzückung den dritten, d.h den neuen Himmel schauen und das Paradies auf der neuen Erde; aber er gesteht selbst, er wisse nicht, wie das zugegangen sei (2Kor 12:2-4). Johannes nun schaut in Bild um Bild die sich vollziehenden Ereignisse; herzzerreißende und erhebende, grässliche und wunderbar liebliche, zum Tode betrübende und himmelhoch jauchzenmachende wechselten miteinander ab, und zwar so, dass im Vordergrund das Grauenhafte überwog, dagegen im Hintergrund das überaus Liebliche, Anmutsvolle und Herrliche siegte. Bei jenen Ereignissen wird es gehen wie bei einem Gewitter; der Wind erhebt sich, fegt in wirbelnden Trichtern dahin, ruht, setzt stärker ein, eine längere Stille kommt, und nun bricht das Unwetter herein, ruckweise, stoßweise, erst von fernher grollend, dann immer näher kommend, bis es sich in voller Wucht immer, immer, immer wieder über uns entlädt, sich in mächtigem Regenguss und in sanfteren Regenschauern erschöpft und eine gereinigte, friedliche, gesegnete Landschaft hinter sich lässt.

Oder sie können mit den Kriegshandlungen früherer Zeiten verglichen werden: zuerst Plänkeleien und Vorposten-Zusammenstöße, dann ernstere Vorstöße, Treffen, Gefechte und blutige Schlachten, mit Ruhetagen dazwischen, bis nach Zusammenziehung aller Truppen die Entscheidungsschlacht geschlagen wird, mit ungeheuren Verlusten an Toten, aber nachfolgendem Friedensschluss und neuem Aufblühen der Völker. Haben wir nicht Offb 6 und Offb 8 als solche Vorstöße und solche einzelnen Höhepunkte aufzufassen, bis sich die Hauptschläge Offb 12; Offb 18; Offb 19 entladen, auf welche dann die Friedensherrschaft Jesu Christi und Gottes auf der alten und neuen Erde folgen wird (Offb 20-22)? Ein schauerlich-anziehendes Trauerspiel vollzog sich vor den Augen und Ohren des Johannes, und der Geist reichte ihm stetig Kraft dar, es zu beschreiben. Die Jesus gegebene Offenbarung ließ er ihn schauen, weil er es als seine einzige Aufgabe ansieht, den Herrn zu verherrlichen (Joh 5:22.23). So schaut er denn vom Thron Gottes, vom Himmel her all die Vorgänge, die sich im Himmel und auf Erden abspielen, sofern ihm nicht ein anderer Standpunkt angewiesen wird (Offb 10:1; Offb 17:3; Offb 21:10).

Erwähnt zu werden verdient der Hinweis, dass der Heilige Geist in der Offenbarung Jesu Christi ein Meisterstück seiner Darstellung gegeben hat, wie Bullinger in seiner Apokalypse (siehe unter: "Die Apokalypse") dargelegt hat. (Leider ist dies gediegene Werk nicht ohne Vorbehalt zu empfehlen. Es erklärt Hades ständig mit Grab. Das Wort Totenwelt wird geflissentlich gemieden, das Weiterleben der Gestorbenen geleugnet. Sogar die Seelen von Offb 6:9-11 sollen Tote, also Leichname sein, obwohl sie mit lauter Stimme rufen, getröstet werden und weiße Kleider empfangen. Auch die Wiederherstellung in unserm Sinn wird verneint). Es würde zu weit führen, wollten wir den ebenmäßigen, schönen Aufbau der Offenbarung zeichnen. Erwähnt sei nur, dass in Offb 4 - Offb 20:15 in sieben Gesichten je eins im Himmel und eins auf Erden der Tag des Herrn beschrieben ist, und dass der Rahmen (Offb 2; Offb 4 und Offb 21-22:5) die Menschen auf der alten und die Menschen auf der neuen Erde schildert, welcher Ring aber eingezogen ist in den größeren, den die Gesamtbibel bietet in dem Zusammenschluss von alter und neuer Schöpfung (1Mo 1 und Offb 21:22).

Jeder Einzelteil der Offenbarung ist in sich streng gegliedert und regelmäßig, einander entsprechend, angelegt. Der göttlichen Eingebung gemäß strömen uns heilige Sprache, geheiligte, göttliche Kunst aus ihr entgegen. In der Mitte aber jener sieben Gesichte, sozusagen als Herzstück, steht in Offb 12:13 das vierte Gesicht im Himmel (von Weib, Kind und Drachen) und auf Erden (von dem Drachen und den beiden Tieren). Es wäre somit berechtigt, die Gedanken über die Offenbarung mit dem Kapitel von der Endgeschichte Israels zu beginnen. Rückwärts und vorwärts schließt sich ja der Bericht über das gesamte Geschehen am Tage des Herrn an diese Endgerichte an; auch die Zorngerichte Gottes über die Völkerwelt sind aufs engste mit ihr verbunden. Was gedanklich im Aufbau des Buches Mittelpunkt ist, wird es geschichtlich ebenso sein. Durch furchtbare Verfolgung von menschliche und herbe Züchtigung von göttlicher Seite wird Gott es erreichen, sein auserwähltes Volk so zuzubereiten, dass seine Macht, Weisheit, Gerechtigkeit und Herrlichkeit an ihm hell in Erscheinung treten werden. Indes wollen wir uns zuvor mit der Einleitung zu dem gewaltigen Trauerspiel, d. h. mit dem vorhergehenden Kapiteln ein wenig beschäftigen, weil sie den Ton, die Melodie für alles Folgende angibt.

Der Weg zur Weltherrschaft des „Tiers"

Ehe die sieben Jahre der Weltherrschaft des „Tiers“ beginnen, werden sich auf Erden Dinge ereignen, die eine solche Weltherrschaft erklärlich machen und fordern. In der Völkerwelt werden sich Selbstsucht, Geldgier, Vermessenheit, Gotteslästerung, Ungehorsam, Untreue (2Tim 3:2-4) bis zur Unerträglichkeit steigern; Schlemmerei, Vergnügungssucht, Sinnlichkeit, Wollust werden herrschen (Mt 24:37.38; Offb 18:9), Totenbefragung, Geisterbeschwörung, teuflische Geheimlehren werden allenthalben geübt (1Tim 4:1), Vergewaltigung, Ausbeutung der Schwachen (Jak 5:1-5, Handel mit Leibern und Seelen der Menschen (Offb 18:13) werden an der Tagesordnung sein, auch Hohn und Spott über alles Göttliche, in Sonderheit über einen wiederkommenden jüdischen Christus (2Petr 3:3-4; Jud 1:18.16) so ganz nach dem Geschmack der Menschen (2Tim 4:3.4) und die beliebteste Unterhaltung sein. Eine solche Luft ist dem Glauben nicht zuträglich (Lk 1:8). Würze und Licht (Mt 5:13-14) sind hinweggenommen, denn unser Herr Jesus Christus, das Haupt, hat seinen „Leib“ zu sich gezogen; es ist Mitternacht geworden (Jes 60:2). Die eingetretene Fäulnis greift um sich. Zwar hat bis dahin das Aufblühen und riesige Wachstum des wieder erstandenen Babylon durch den Reiz der Neuheit, durch den dort zusammenströmenden ungeheuren Reichtum, und durch den dort gehegten Wahn, mit aller Kraftanstrengung ein Weltreich zu errichten, und Babylon zur Welthauptstadt zu machen, aufregend und anregend gewirkt, so dass man hätte meinen können, ein frischer Wind sei in die abgelebte Menschheit gekommen.

Doch bei allem Wohlleben, schwungvollem Handel, sinnlichem Kunstgenuss und großer Prachtentfaltung breitet sich die Zersetzung im Staaten- Völker- und Familienleben aus (Offb 18:9-19; Mt 24:7). „Wo rohe Kräfte sinnlos walten, da kann sich kein Gebild gestalten und das Unglück schreitet schnell.“ Die als einzig vernünftig und menschenwürdig gepriesene, vorher so heiß gegehrte, und nach schweren inneren Kämpfen überall in der Welt eingeführte Sozial-Demokratie sieht bei der drohenden Auflösung aller Bande ihren Untergang vor sich. Da wird der Ruf nach einer Faust, nach einem starken Willen ganz allgemein ertönen. Die Weltverbände und -genossenschaften werden nur noch zu halten sein, wenn der kommende Mann nicht allzu lange warten lässt. Der Zucht- und Herrenlosigkeit, dem völligen Umsturz, dem Kampf aller gegen alle, dem Faustrecht zu entgehen, werden die Platzhalter geneigt sein, ihre Stelle dem zu geben, der Ordnung, Frieden und Tat durch sein kräftiges Auftreten zu verbürgen scheint.

Ein Blick nach Israel

In Palästina bietet sich dem Beschauer ein anderes Bild. Dort ist man voll froher Zuversicht. Eine staatliche Auferstehung hat sich vollzogen. Millionen von Juden sind in das Land der Väter zurückgekehrt. Die Ansiedlungstätigkeit des Zionismus hat Bewundernswertes geschafft. Städte und Dörfer sind emporgewachsen. Araber, Türken und sonstige Ausländer bilden eine verschwindende Minderheit. Überall wird hebräisch gesprochen. Handel und Wandel gedeihen prächtig. Das Land gleicht einem Gottesgarten, eine ungeahnte Fruchtbarkeit hat sich entfaltet. Emsiges Regen und Schaffen erfüllt den Einzelnen mit frohem Mut, mit guter Hoffnung. Die Volksbildung ist allgemein. Niedere, hohe und höchste Schulen stehen in Blüte. Synagogen sind zahlreich und werden fleißig besucht. Und an einem Tempelwunderbau, der jeden bisherigen in Schatten stellen soll, wird mit Aufbietung aller Kraft und riesigem Geldaufwand gearbeitet. Denn Ehrgeiz der Juden ist es, Jerusalem zum Weltmittelpunkt zu machen. Kurz: Ein Volk in der ganzen Vollkraft seiner Jugend ist im Werden, dem die Müdigkeit und Abgelebtheit der andern Völker nicht anzumerken ist. Nur was die Rechtgläubigkeit betrifft, ist es schlecht bestellt.

Trotz dem äußeren Festhalten an ihrer Bibel sind die Juden zum guten Teil ungläubig, hauptsächlich die reichen und führenden Schichten. Die Reformjuden der Endzeit sind durchaus Diesseitsmenschen; eine Zweiseelenhaftigkeit kennen sie nicht. Aus Heloten, die sie früher waren, haben sie sich seit langem zu Beherrschern des Handels, des Gewerbes, der Presse, der Politik gemacht. Sie wissen, dass es ohne sie nicht mehr geht. Als sie noch unter ihren Wirtsvölkern wohnten, hatten sie auch über Länder und Meere ihre weichen Fäden gezogen, die auch vor harten Hindernissen nicht rissen. Zunächst geschah es im Dunklen, ungesehen, unbemerkt. Sorgfältig, unerschrocken, unermüdet hatten sie daran gearbeitet, der Menschheit ihren Willen aufzuzwingen, ohne Mitleid, ohne Schwäche, ohne Zögern. Geld und Überredungskunst hatten endlich gesiegt: das jüdische Volk ist am Ziel. Warum soll es noch länger Kulturdünger der Völker sein? Ein eigenes Volk, ein Herrenvolk will es sein! Der Edeljude will der Welt zeigen, was er vermag. Nicht von Vergeltungswut beherrscht wie bei Mardochai, dem Führer eines durch die Knute entarteten Volkes, nicht von einem zimperlichen Pflichtgefühl geleitet, nicht von Gedankenträumen und Einbildungskraftdusel beirrt, - mit nüchterner Berechnung, mit Wahrnehmung jeden Vorteils, mit Ausnützung günstiger und ungünstiger Gelegenheit werden die heimgekehrten Juden ihre Herrschaft zu behaupten und zu erweitern trachten. Sie wissen zu genau, dass der kleinste Fehler in der Rechnung zu einem falschen Ergebnis führt.

Eine schöne Weltreligion

Ein wenig Geduld und Zeit noch, und sie haben die Welt gewonnen, ein alle Völker umspannendes Reich, das unendlich höher ist, als das in der Bibel verheißene. Mit dieser Geistesverfassung ist der Glaube an den Jehova des Alten Testaments, den die Väter gelten ließen, unerträglich. Dieser Jehova ist ihnen zu rauh, zu ungeschlacht, zu - ungebildet, wenngleich er für nicht wenige unter ihnen der allein wahre und lebendige Gott ist. Weil man aber gezwungen ist, der kalten, ertötenden Weltanschauung eine gewisse Weihe zu verleihen und in sie etwas hineinzubringen, was zu erwärmen, anzuziehen, die Massen zu begeistern vermag, hat man sich amtlich für die Weltöffentlichkeit eine schöne Weltreligion zurechtgemacht und einen „Gottesdienst“ erdacht, der Gemüt, Vernunft, Bildung und Geschmack gleichermaßen befriedigen soll. Für den Alltagsverkehr hat man freilich eine tauglichere, einträgliche Religion in Gebrauch: den Götzendienst des Geldes, die Anbetung des goldenen Kalbes, die für die Ausbeutung der schwächeren Volksgenossen und der Völker umher kein Hindernis ist; und den „Dienst“ von Unsauberkeit und Unsittlichkeit nicht nur in der Presse, sondern in Wirklichkeit, der dem Fleische besonders angenehm dünkt. Kurzum, die Hurerei der Altväterzeiten, wie sie die Propheten gegeißelt haben, ist in neuzeitlicher Form erstanden.

In den weitesten Kreisen des Volkes wird darum der Gedanke an einen Messias verlacht, weil das Geld ihr Messias ist. Trotzdem bricht in vielen die Hoffnung auf einen Mann mächtig durch, der ihnen Gott recht zeigen und deuten könne, einen Mann, wie er ihnen von den Propheten in solch herrlichen Worten versprochen worden ist, dass der Gedanke daran in den vielen, vielen Jahrhunderten der Zerstreuung unter alle Völker nicht untergegangen ist. Das Verlangen, die Sehnsucht nach ihrem Messias, wächst ständig. Den Einfluss der jesusgläubigen Gemeinden unter ihnen sucht man mit Macht abzuwehren. Der demütige, selbstentsagende Gekreuzigte ist ihnen jetzt mehr denn je verhasst. Einen Übermenschen braucht man. Es ist ja „noch kein Geist“ im Volk (Hes 37:8).

So ungefähr mag die Lage sein, einige Jahre, Jahrzehnte lang, ehe dies alles anfängt zu geschehen. Überall der Abfall von dem lebendigen Gott, überall die Hoffnung, die Erwartung auf ein ersehntes, notwendiges Neues, auf den kommenden Mann, für den der Platz schon bereit ist, auf einen Weltheiland, freilich einen solchen nach Weltart.

Die Stunde des Gerichts

Da auf einmal gerät der Himmel in Aufruhr. Der Allmächtige gibt kund, dass nun die Stunde des Gerichts, der Abrechnung Gottes gekommen sei. Ein Thron wird gesetzt, als Johannes zuschaute (Offb 4:1.2). Nach Offb 4:4 ist es ein Gerichtsthron, denn Blitze, Donner und Stimmen gehen von ihm aus. In wunderbarer Herrlichkeit erstrahlen Thron, Umgebung des Thrones und ER, der darauf sitzt, der Vater. So erschreckend die Blitze und Donner sind als unheimliche Andeutung kommenden Gerichts, so beruhigend wirkt der Regenbogen über dem Thron, der von Gnade und Errettung spricht; Gericht und Hoffnung sind vereint. Vier Lebewesen (Offb 4:7) als Träger und Stützen der Herrlichkeit des Thrones zeigen sich dem Auge. Sie sind wohl die Cherubim, von denen wir in Hes 1:5-14; Hes 10:20; Jes 37:16 u. a. lesen, sind aber zu unterscheiden von den Cherubim, die 1Mo 3:24 als Hüter des Gartens genannt werden und den Cherubgestalten, deren Abbilder sich im Allerheiligsten auf dem Gnadenstuhl, auf dem Vorhang und vor der Tür, im Heiligen auf dem Teppich, den Flügeltüren und dem Getäfel der Wände fanden und allda eine ausgesprochen menschliche Gestaltung hatten.

Ein Blick in den Himmel

Die Cherubim zeigen die Nähe des heiligen, richtenden, für Sünder unnahbaren Gottes an. Wie im Tempel den irdischen, so umgeben sie in der Offenbarung den himmlischen Thron, und begegnen uns nirgends als gelöst vom Thron. Sie sind keine Engel, sind vielmehr von ihnen unterschieden (Offb 5:11). Sie mögen Vertreter, Darsteller der gesamten belebten Schöpfung sein. Auf ihren Ruf hin beginnen die Gerichte Gottes (Offb 6:1-8). Die vierundzwanzig Ältesten sind keine verklärten Menschen, keine Vertreter der Gemeinde Jesu Christi. Nie schließen sie sich mit Menschen zusammen, auch Offb 5:9.10 nicht, wie die besten Handschriften und alle kritischen Ausgaben des griech. NT zeigen. Wir erblicken in ihnen die fürstlichen Leiter des himmlischen Gottesdienstes, nach dessen Vorbild der irdische eingerichtet worden ist (1Chr 24:3-5; 1Chr 28:11-13.18.19; Hebr 8:5; Hebr 9:23). Die Schrift spricht von Rangstufen in der Engelwelt, so von Thronen, Herrschaften, Fürstentümern und Gewalten (Kol 1:16; Eph 1:21) im Himmel. Auch die bösen Geister gehörten diesen Rangstufen an, und selbst der Fall hat ihre Ordnung nicht gestört (Eph 6:12). Die Namen einiger Engelfürsten werden genannt: Gabriel (Dan 10:13.21 u. a.) Höchstwahrscheinlich sind die sieben Fackeln vor dem Thron (Offb 4:5) und die sieben Augen des Lammes (Offb 5:6), welche beide Male die sieben Geister Gottes genannt werden, (die) sieben Erzengel. Alle Himmelsbewohner nach - oder miteinander, nehmen anbetend und jubilierend teil an den himmlischen Kundgebungen.

Die Ankündigung des hereinbrechenden Gerichts Gottes, seine Kriegserklärung an die verteufelte Welt, bewegt Lebewesen und Älteste tief innerlich. Sie brechen aus in Dank und Anbetung dessen, der da war, der da ist und der da kommt - anders als Offb 11:17, wo das „kommt“ fehlt, weil er da schon gekommen ist und eingegriffen hat. Das Lied der Schöpfung wird jetzt angestimmt (Offb 4:8-11) zu Ruhm und Ehre unseres Gottes, ein Lied, das im himmlischen Gottesdienst bis dahin wohl manchmal gesungen worden sein mag, nun aber mit umso größerer Inbrunst erschallt, weil Gericht, Reinigung, Wiederherstellung und Besitzergreifung der Schöpfung in greifbare Nähe gerückt sind, und der dreimal Heilige jetzt mit Macht sein Eigentum erstreiten wird (Ps 110:1).

Antritt des Erbes

Dann aber folgt ein neues Lied (Offb 5:9.10), weil der Anlass dafür erst jetzt gekommen ist. Ein neuer Anblick bietet sich dem Auge dar. Der Allmächtige hat die Rolle in seiner Hand, und die Frage nach dem Löser der Siegel der Rolle ertönt (Offb 5:1.2). Aufregend muss die den Himmel durchzuckende Bewegung gewesen sein und die schreckliche Gewissheit, dass sich kein Löser fand (Offb 4:3); denn Johannes weint. Wenn er vorahnend die Tragweite des Inhalts der Rolle bedacht hat, so ist seine tiefe Ergriffenheit durchaus begreiflich. Wie herrlich aber mag es in seinen Ohren geklungen haben, dass Gott einen würdigen Löser gefunden hat. Jesus, sein Jesus, sein innigst geliebter und ihn ebenso liebender Jesus, ist sein Löser. Nur einer vermag die Siegel aufzutun: das geschlachtete Lamm, das auch der Löwe aus Juda ist und Wurzel, nicht Zweig Davids (vgl. Mt 22:42-45), - Erlöser, Sieger und Herrscher zugleich. Was mag die Rolle bedeuten? Das angestimmte neue Lied verrät es: das Lieder der Erlösung erklingt. Es singt von der endlichen Übernahme des längst erworbenen Erbgutes, vom Antritt des Erbrechts. Mit dem Brechen der Siegel soll nicht ein Geheimnis enthüllt, wohl aber der mit göttlichen Siegeln verschlossene Kaufbrief (Jer 32) nunmehr geöffnet werden, damit der Sohn das vom Vater ihm zugesprochene Erbe seines Eigentumsvolkes und des geschaffenen Alls (Hebr 1:2) antreten kann.

Denn trotz seiner Würdigkeit wartet er auf die dafür vom Vater angesetzte Stunde (Apg 1:7; Hebr 10:13; Jes 30:18; vgl. Offb 9:15). Grund dieses Erbrechts ist der Wille des Vaters und des Sohnes Erlösungstod (Offb 5:9f; 1Petr 1:19.20). Denn der Tod des geschlachteten Lammes hat die Rechtsgrundlage geschaffen für sein Recht an Israel und die Menschheit, und ist zugleich seine Würdigkeit, sein Erbe einzunehmen. Das neue Zeitalter des Königs bricht an. Zunächst handelt es sich um Israels Erlösung, das ja längst schon erkauft ist durch des Lammes Blut, und bestimmt, Gottes priesterliches Königtum und königliches Priestertum zu sein. Jetzt tritt der Löser auf, sein in Sünde und Gottentfremdung versunkenes Volk aus seiner Verirrung und Knechtung zu befreien, und es in die ihm zugedachte Herrschaftsstellung auf Erden einzusetzen. Aber mit und nach der Erlösung Israels wird das geschlachtete Lamm die gesamte Menschheit zu seinem Eigentum machen. Die ganze Schöpfung wird an seiner Erlösung Anteil haben (Röm 8:20-22).

Wahrlich, eine solch weittragende Erlösung muss die gesamten Heere der Himmel bewegen! Lobpreisung und Anbetung, ein wonniges Singen, Klingen und Jubilieren zu Ehren des geschlachteten Lammes hebt an. In immer neuem Chorgesang wechseln Lebewesen, Älteste, Engelheere und Erdengeschöpfe einander ab. Wunderbare Begeisterung, unaufhörliche Wonne wird ausgelöst bei der Gewissheit, dass nunmehr der Fluch von der Erde hinweggenommen, die Loskaufung des Erbes wirksam gemacht, und die Ausstoßung des Thronräubers endgültig ausgeführt werden soll. Endlich aber legt sich dieser Sturm der Erregung, und atemlos lauschen die Himmelsheere der Lösung der Siegel, von der uns das sechste Kapitel unterrichtet, weil sie ja wissen, dass das alles nur durch Gerichte erreichbar ist.

Das Brechen der Siegel

Das Lamm bricht nacheinander sechs Siegel, und in den der Brechung folgenden Erscheinungen wird in starker Verkürzung der Tag des Herrn vor die Augen geführt, das Gericht des Zornes Gottes, der ganze Plan Gottes zur Erreichung seiner Ziele. Alles Kommende ist von Gott gewollt, von Christus angeordnet, vom Himmel aus geschickt, sogar das Auftreten des Gegenchristus. So selbstständig auch der Satan aufzutreten scheint, so ist es ihm doch nur von Gott verliehen, sein Äußerstes und Letztes zu wagen, um selbst sein Unvermögen vor aller Welt darzutun, und den Zusammenbruch seines Herrschaftswahns herbeizuführen. Wie erfolgreich und groß wird er sich dünken, wenn es ihm gelungen sein wird, einen „Sohn“ zu finden, der dem ihm verhassten Christus seine Herrschaft entreißen will. Aber wie bald wird dieser Wahn nicht Nichts zerstieben und Satan selbst gebunden sein. Johannes liest nicht den Inhalt der Rolle; er sieht ihn anschaulich in immer wechselnden Gestalten. Sie machen es klar, dass das Geschehen auf Erden alsdann nicht „natürliche“ Ereignisse sind, sondern göttliche Anordnung. Nacheinander erscheinen auf der Erde der Gegenchristus als Nächäffung unseres Christus (Offb 6:1-8; Offb 19:11) auf weißem, der Krieg auf feuerrotem, die Teuerung und Hungersnot auf schwarzem, der Tod auf fahlem Pferd. Sie alle werden - alsdann, nicht in unsrer Gegenwart - nach- und miteinander gesandt, die Ernte der Erde zu halten.

Die schreckliche Folge des Anfangs dieser Zeit zeigt sich in der Märtyrerschar des fünften Siegels (Offb 6:9-11), die auf die Vollendung ihrer Zahl während des ganzen Verlaufs der Trübsalszeit vertröstet werden. Das grauenvolle Ende der Gerichtszeit enthüllt das sechste Siegel (Offb 6:12-17), dass die Verzweiflung der unbußfertigen Menschen erschütternd vor die Augen führt. Angst und Entsetzen erfasst sie angesichts der Zeichen am Himmel und der Umwälzungen auf Erden (Hag 2:6f.; Mt 24:29), für die es keine Bergung, kein Entrinnen gibt. Zwar gestehen sich die Menschen (Offb 6:16.17), dass die Gerichte von Gott kommenn und dass noch schrecklichere zu erwarten sind (Offb 19:19), aber an Buße denken sie nicht. Die Frage von Offb 6:17 „Wer kann bestehen?“ nämlich den großen Tag des Zornes des Lammes, wird in Offb 7 beantwortet.

Eine große Schar Geretteter

Ein überwältigender neuer Anblick bietet sich dem Seher dar. Auf Erden schaut er am Anfang der Gottes- und Satansgerichte eine große Schar, die gezählt werden konnte (Offb 7:1.8): 144 000 Israeliten sind es, ein gläubiger Rest, ein heiliger Same, der Ansatz eines neuen Volkes, die das Siegel des lebendigen Gottes an der Stirn empfangen, geschützt zu sein gegen Gefahren und Nachstellungen der Feinde, solange es Gott gefällt, so dass, ähnlich wie bei den zwei Zeugen (Offb 11:5) niemand seine Hand an sie legen darf, - ein so ganz anderes Malzeichen als das des Tieres (Offb 13:16-17)! Da sie nur Erstlinge sind, muss ihr Anblick für Johannes ungemein tröstlich gewesen sein; waren sie doch die Ankündigung künftiger Volksbekehrung, wie er sie in Offb 1:7 hintennach selbst erwähnt hat. Sie also werden bestehen in den harten Proben, denen sie unterworfen sind. Dan und Ephraim fehlen unter ihnen; sie haben ihr Anrecht auf göttlichen Schutz durch ihren Götzendienst verwirkt (Ri 18:2:30f.; 1Kö 11:26; 1Kö 12:28-30). Die antichristliche Flutwelle soll ihrer nicht schonen. An ihrer Stelle sind Levi und Joseph eingefügt. -

Im Himmel aber schaut Johannes danach eine unzählbare Schar (Offb 7:9-17) aus allen Völkern, Stämmen und Sprachen, also Heiden, gegen Ende der großen Trübsal, die während der Trübsalszeit ihren Glauben und ihre Treue gegen Gott mit ihrem Blut besiegelt haben. Ist das nicht für uns ein großer Trost? Nach Abruf der Gemeine zum Herrn werden viele Halb-, Klein- und Ungläubige aus ihrem Schlaf erschreckt auffahren und begehren, jener im Glauben nachzufolgen. Untreue, ungehorsame, rückfällige Christen werden den Verlust ihres Erstgeburtsrechts reumütig beklagen. Andere haben nie eine wirkliche Heilsanerbietung gehört, so dass sie eine klare Erkenntnis gewonnen hätten betreffs Buße, Bekehrung, Rechtfertigung und Heiligung, obwohl sie inmitten wahrer Gotteskinder gelebt, und diese achten und schätzen gelernt haben. Noch andere haben in sich das Verlangen nach Gott verspürt, ohne sich über diesen Drang und Trieb in ihrem Gemüt recht klar geworden zu sein.

In diesen allen mag wohl, wenn ihnen ihre Anverwandten, Freunde, Nachbarn, Geschäftsgenossen auf solch geheimnisvolle Weise entschwunden sind, und sie nun einsehen müssen, dass Gott sein Wort und jener Hoffnung wahr gemacht hat, ein Schreien nach Gott entstehen. Und was in friedlichen, glücklichen Tagen nicht geschah, erfolgt nun unter der Bedrückung und Verfolgung des Tieres: sie bekehren sich zum Herrn und treten als mutige Zeugen für ihn auf. Teuer zwar kommt ihnen ihr Zögern zu stehen, sie verlieren Thron und Krone; Miterben der Königsherrschaft werden sie nicht; der Erbbesitz seiner Herrlichkeit ist ihnen entgangen. Sie haben auch teuer ihre Errettung erkauft. Nicht mehr aus Gnaden, umsonst, geschenkweise empfingen sie ihr Heil: sie selbst müssen, allerdings aufgrund ihrer Erlösung am Kreuz, ihre Kleider waschen und hell machen, die zuvor durch ihre Untreue und den Ungehorsam unrein und beschmutzt waren. Die große Trübsal kostet sie viel, sehr viel: Angst und Pein und zuletzt das Leben. Groß aber sind trotzdem die ihnen verliehenen Segnungen.

Herzergreifend ist der Anblick, den Johannes schildert. Palmenträger, mit weißen Kleidern angetan, vor dem Throne stehend, schaut er, wie sie Gott und dem Lamm ihre Huldigung darbringen. Sie selbst aber sind Gegenstand anbrechenden Jubels aller Himmelsbewohner, die durch ihren Anblick aufs Neue hingerissen werden zu Dank und Anbetung. Köstlich ist die von einem Ältesten gegebene Erklärung, was es um sie sei. In der Nähe Gottes, vor seinem Thron weilen, am himmlischen Gottesdienst teilhaben, keine Not der Entbehrung mehr leiden, keine Glut und Hitze innen und außen mehr spüren, die ständige Labung des Lammes erfahren, und das Trocknen der letzten Tränen von ihren Augen erleben, - wahrlich auch das ist Herrlichkeit (Jes 35:10b; 1Petr 4:13) und des Schweißes und Blutes wert.

Brechen des siebten Siegels

Als das siebente Siegel gebrochen ward (Offb 8:1), herrscht lautlose Stille im Himmel. Man ahnt Furchtbares: Jetzt kommt die Entscheidung. War alles Vorhergehende eine Art Abriss, Überblick, sozusagen ein Inhaltsverzeichnis, eine Übersichtstafel des Zorngerichts, so soll dieses selbst selbst jetzt zur Darstellung gelangen. In Offb 8 erfolgen einzelne Vorstöße des Gewitters, - des Krieges, in Offb 9 Entladung eines furchtbaren Schlages, und zum Atemschöpfen in [Offb 10] ein Ruhetag, eine feierliche Unterbrechung.

Sieben Posaunenengel vor Gott stehend, wohl die sieben Engel, Geister, von Offb 4:5; Offb 1:4 harren ihrer Aufgabe (Offb 8:2.6). Ehe sie in Tätigkeit treten, findet ein himmlischer Gottesdienst statt. Die Gebete der Heiligen (Lk 18:7.8) auf Erden, der 144 000 Versiegelten, der Schrei des vergossenen Blutes der Märtyrer (Offb 6:10) werden mit dem Räuchwerk des Himmels vor Gott gebracht, weil jetzt die Stunde der Erhörung geschlagen hat. Was sich im Zeitraum von dreieinhalb Jahren ereignet, zum Teil neben-, zum Teil nacheinander, wird nun in den folgenden Kapiteln Offb 8-19 beschrieben. In alledem haben wir die Schilderung der Tage der „Rache“, die im AT vorgezeichnet sind (Jer 50:15; Jer 51:6.56; Jes 61:2; Jes 34:8; Jes 35:4; 5Mo 32:43) und die in den Gebeten der Heiligen erfleht werden (Ps 94:1). Diese Heiligen können nur jüdische sein, denn den Gläubigen des NT sind Rachegedanken untersagt. Als Friedens- und Gnadenkinder haben sie Heil und Segen zu verbreiten und die Rache ganz ihrem Gott zu überlassen (Röm 12:19) - eine wesentliche Unterscheidung von den Gläubigen der Beschneidung. Aber ehe Gott Rache nehmen wird an der verteufelten Welt und an den Bedrängern Israels, wird er Israel selbst züchtigen, und es seine Rache fühlen lassen (Lk 21:22; Jer 5:29; vgl. Jer 18:18-23). Die Gerichte beginnen ja am Haus Gottes (1Petr 4:17).

Wehe der Erde

Die ersten vier Engel rufen Teilbeschädigungen der Erde und ihrer Bewohner hervor. Bäume und Gras, Meer und Meerfische und -schiffe, Wasserbrunnen und -ströme, sogar die Himmelsleuchten trifft als erste die Hand Gottes, - ein unheilschwangere Einleitung der kommenden Gerichte. Darum das dreifache Wehe des Engels im Mittelhimmel (Offb 8:13). Was zuvor für Märchen erklärt worden war, für Gedanken erhitzter Einbildungskraft, für Wahngebilde abergläubischer Juden, oder Rachekitzel entlaufener Sklaven, wird jetzt fürchterliche Wirklichkeit sein: die Plagen Ägyptens werden „beim andern Mal“ den ganzen Erdkreis treffen. In den Zornschalen von Offb 16 finden wir eine weitere Ausführung der Gerichte der vier ersten Posaunen, was am deutlichsten in der Übereinstimmung von Offb 8:12 und Offb 16:17 zu ersehen ist (vgl. das sechste Siegel, Offb 6:12-17). Gott wird um Mittel nicht verlegen sein, buchstäblich seine Drohungen wahr zumachen, so unglaublich, unglaubwürdig es Menschen auch dünkt. Alle Fragen aber nach dem wie mögen wir zurückstellen, bis wir bei dem Herrn sind; und an Menschenerklärungen dieser Dinge wird sich Gott nicht für gebunden erachten, für so wichtig man sie auch vor sich selbst eingeschätzt haben mag.

Die fünfte Posaune bringt das erste Wehe (Offb 9:1-12). Jetzt muss sogar der Abgrund herhalten, die gehorsamen Teufelsdiener zu quälen. Das Reich Satans wird uneins, - sein Ende ist nahe. Seltsam gestaltete, wehrhaft ausgerüstete, prächtig geschmückte, von sonderbarer Gier erfasste Heuschrecken unter ihrem König „Verderber“, Satan, den vom Himmel gefallenden Stern (Offb 9:1; Offb 8:10; Offb 12:9), werden auf die Menschen losgelassen, die Versiegelten ausgenommen (Offb 9:4). Nur quälen sollen sie sie, nicht töten, denn dazu sind andere Rächer bestellt. Den von ihrem Giftstachel Getroffenen ist der Tod verwehrt - fünf Monate lang. Jahr, Monat, Tag und Stunde für das Eintreten dieses Gerichts war vorher festgelegt. (Offb 9:15).

Das zweite Wehe der sechsten Posaune bringt eine schreckliche „Lösung“. Vier Satansengel, die für, und auf das Gericht aufbewahrt sind (Jud 1:6; 2Petr 2:4), werden ihrer Bande los, um die Menschen ihre Macht fühlen zu lassen, so dass der dritte Teil stirbt (Offb 9:13-21). Ein riesiges Heer von Unheilsgeistern, 200 Millionen stark, (Offb 9:16), suchen den Erdboden heim. War der Heuschrecken Macht in ihren Schwänzen, so die des riesigen, riesigen Heeres hauptsächlich im Munde der Rosse. Die Menschen, geplagt mit den Höllengeistern, die sie früher in Übung der Geisterbeschwörung des Spiritismus so inbrünstig herbeigefleht haben. Der Dienst dünkte angenehm, die Herrschaft ist entsetzlich. „Wehe, wenn sie losgelassen“. Dass jene Engel gerade am Euphrat gebunden waren, ist wohl ein Fingerzeig, auf das über Babel hereingebrochene Gericht, das erst mit seinem völligen Untergang sein Ende finden wird (Offb 18; Jer 51:29.58) Zur Einsicht und Umkehr aber kommen die Menschen auch durch diesen aufgehobenen Finger Gottes nicht.

Das Geheimnis Gottes

Dieses Wehe für die gottlose Menschheit hat zur Begleitung eine überaus trostreiche Eröffnung für Johannes, und des in ihm dargestellten Volkes Gottes. Ein Herrlichkeitsengel - ob es der starke Engel von Offb 5:2 oder Michael („Wer ist wie Gott?“) (Offb 12:7), der Fürst Israels ist (Dan 12:1)? - tritt auf mit einer offenen entsiegelten Rolle und setzt seinen rechten Fuß auf das (Mittelländische) Meer und seinen linken auf Palästina, sein Gesicht Jerusalem zugewandt, damit andeutend, dass der Herr Besitz ergreift von der Erde (5Mo 11:24), und damit bei dem gelobten und geliebten Land beginnt. Jetzt soll das Geheimnis Gottes- nicht von dem Leib Christi, das längst erledigt ist, - sondern vom Reich vollendet werden (Mt 13:11; Mk 4:11; Lk 8:10), das zwar nicht von der Welt ist, aber auf der Welt errichtet wird, und von dem das AT so überaus viel zu sagen hat. Die Aussagen der sieben Donner, wahrscheinlich Engel (Joh 12:29), darf Johannes nicht niederschreiben (V. 3.4), ein Hinweis darauf, dass er das Geschaute immer sogleich niedergeschrieben hat, nicht erst nach Abschluss des Ganzen.

Das geöffnete Büchlein ist wohl die Fortsetzung, der zweite Band oder der zweite Teil des in Offb 5 erwähnten, in Offb 6 geöffneten Büchleins. Auf Engelbefehl verschlingt der Seher es (V. 10; Jer 15:16; Hes 3:1.3). Es ist süß im Munde, bitter im Bauche! Essen bedeutet hier wie in Joh 6:47-58 nichts anderes als innerlich verarbeiten, sich aneignen (vgl. Jer 31:33). Die Buchrolle enthält die frohe Kunde, dass nun Gottes Ratschluss, dieses Zeitalter abzuschließen und eine herrliche Zeit, das Königreich Christi herbeizuführen, in Erfüllung gehen soll, wie schon der starke Engel (Offb 10:1.7), der Jesu Erscheinung laut Offb 1:14.15 so nahe kommt, dass manche Ausleger ihn für den Herrn selbst halten wollen, was wegen Offb 1:6.7 nicht angeht, mit den Eidschwur verkündigt hat: fortan solle keine Zwischenzeit, kein Aufschub, kein Verzug mehr sein. Diese Kunde muss süß sein, nach all den langen, bangen Jahrhunderten der Gottesferne, der Verstoßung Israel von Gottes Angesicht, nach all dem müden Harren auf Israels Läuterung und Einsetzung in seine endgültige Bestimmung. Nur bitter ist es für ihn dass diese Umwandlung unter solch furchtbarem Gerichtsfeuer (Mal 3:2-6), die Wiedergeburt Israels und der Welt unter solch heftigen Wehen (Jes 26:16-19) erfolgen soll. Doch wiederum ist der Regenbogen da, der den bibelkundigen Seher an Worte wie Jer 31:35-37; Jes 54:9.10 erinnern musste, so dass er mit frohem Mut auch die schwere Botschaft, die ihm übertragen wird (V. 11; Jer 25:15-38), auf sich nehmen kann. Er wusste: durch Gericht geht’s zur Erneuerung (Jes 4:4-6), durch Nacht zum Licht.

Die Wiederannahme Israels

Die Botschaft hat einen überaus tröstlichen Anfang. Der Herr will seine Verbindung mit seinem Volk Israel wieder aufnehmen, das seit der Verwerfung des Heiligen Geistes bei der Tötung des Stephanus, und der darauf begonnenen Sammlung der Glieder des Leibes Christi (Apg 7 und Apg 10) zur Seite gestellt worden war. Es soll wieder in den Ölbaum gepfropft werden (Röm 11:24-27) Denn das, und nichts anderes bedeutet das Messen des Tempels (Offb 11:1) und das Aufschreiben und Zählen der Anbeter darin. Gott rechnet wieder mit Israel. Zwar wird der Vorhof noch den Heiden ausgeliefert sein; ja die härteste Probe bleibt Israel aufbewahrt: die Aufrichtung des Gräuels im Tempel (Mt 24:15; Dan 9:26f.; Dan 12:11). Der Gegenchristus wird sich als „Gott“ dort niederlassen und Anbetung fordern (2Thes 2:4). Schon aber ist Elias erschienen mit seinem Helfer (Offb 11:3), und der Weg wird freigemacht werden für das Erscheinen des Herrn in seinem Tempel (Mal 3:1.2.23). Die Erörterung aber der Haupteile möge späterer Betrachtung vorbehalten bleiben.

Stellung der Gemeine

Eine Frage aber muss noch vor Schluss erledigt werden, die ganz sicher gar manchem in der Seele brennen mag. Wenn die Offenbarung nicht von der Gemeine handelt, wo steckt sie denn da? Darf sie denn so ganz in dem Bericht über Weltgericht und Weltvollendung mit Stillschweigen übergangen werden? Hat sie dafür gar nichts zu bedeuten? Ist aber ihre Abberufung zum Herrn notwendig, und unerlässlich für die Eröffnung und Durchführung der Gottesgerichte, so müsste sie doch in dem Bericht über sie in irgend einer Weise Erwähnung finden! Ist ihre Aufnahme nicht vielleicht doch mit der des Johannes (Offb 4:1) erfolgt und in ihr mitgeteilt? Oder ist sie eingeschlossen in der unzähligen Schar (Offb 7:9)? Wenn sie eine ausschlaggebende Bedeutung hat, und Gerichtshof Gottes sein soll bei den Gerichten über Menschen und Engel (1Kor 6:2.3), so müsste sie doch vor allem, und in feierlicher Weise eingeführt werden! Wir glauben das auch und halten dafür, dass es wirklich geschehen ist in der denkbar großartigsten Weise. Rufen wir uns jenes Wort des Paulus ins Gedächtnis zurück (1Kor 12:12), in dem er die Glieder des Leibes mit seinem Haupt „den Christus“ nennt; das Wort des Herrn von der vollendeten Einheit der Gläubigen miteinander und mit ihm (Joh 17:23); die Aussage Pauli, dass wir mit dem Herrn sein, und mit ihm geführt werden allezeit (1Thes 4:14.17); stellen wir uns ganz ernsthaft und wirklich den ungeteilten Leib Christi vor, so ist damit schon die aufgeworfene Frage zur Genüge beantwortet.

Die Gemeine wird von Johannes mit Christus geschaut, so wie es auch bei Daniel (Dan 7:13.22.26f) ganz sicher der Fall gewesen ist. Die Gemeine ist mit Jesus Christus auf dem Thron zu denken (2Tim 4:8), an dem auch die Getreuen und Überwinder aus Israel Anteil haben werden (1Petr 5:4; Jak 1:12; Mt 19:28; Offb 2:10; Offb 3:21). Sie sind eingeschlossen und mit geschaut in dem Lamm, das aus der Hand seines Vaters die Urkunde des Erbbesitzes entgegennimmt, für das es auf Erden sein Blut vergoss, und das in dem starken Engel, der seinen rechten Fuss auf das Meer, seinen linken auf die Erde setzt, die Besitzergreifung anzeigen lässt (Offb 10:2); in dem Menschensohn, der seine Hand zum Gerichtsschlag aufhebt (Offb 14:14); in dem siegreichen Feldherrn und Herrscher (Offb 19:11), der seinen Krieg mit vollem Erfolg endet. Erst wenn alle Besitzer des Gerichtshofes ihre Plätze eingenommen haben werden, kann das Gericht seinen Anfang nehmen. Bei den Gerichten der Offenbarung sind die Glieder des Leibes Christi also nicht leidend, sondern tätig beteiligt. Gerichtet haben sie sich selbst (Joh 5:24) als sie ihren Platz in der Verurteilung am Kreuz einnahmen (Röm 6:6; Gal 5:24), als sie sich ständig unter das Urteil des Wortes stellten (1Kor 11:31ff.), und als sie vor dem Preisrichterstuhl Christi (2Kor 5:10; [1Kor 3:12]-15) Lob oder Tadel empfingen. Nur solche Durchrichtete sind berufen, Richter zu werden und Jesu Herrlichkeit zu teilen. Was früher verborgen in Gott mit Christo ihr Teil war (Kol 3:3), soll fortan vor aller Öffentlichkeit (2Thes 1:10-12); 1Jo 3:1-3) beurkundet werden.