Ewigkeit - leuchte hell hinein!

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Abschrift des Buches: Vom Geheimnis Gottes und Christi
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Sonderabdruck aus dem Monatsblatt für biblische Vertiefung „Die Gemeine“ 1925/26
Philadelphia Buchhandlung August Fuhr, Reutlingen

weitere Abschriften siehe:

Inhaltsverzeichnis des Buches
Kapitel davor:
2. Unser Bruder Abel

3. Ewigkeit - leuchte hell hinein

Gal 4:8-11

Aber zu der Zeit, da ihr Gott nicht erkanntet, dientet ihr denen, die von Natur nicht Götter sind. Nun ihr aber Gott erkannt habt, ja vielmehr von Ihm erkannt seid, wie wendet ihr euch denn um zu den schwachen und dürftigen Anfängen, welchen ihr von neuem an dienen wollt? Ihr haltet Tage und Monate und Zeiten und Jahre. Ich fürchte euer, dass ich nicht vielleicht umsonst habe an euch gearbeitet.

Wir grüßen uns im Namen Jesu und segnen uns in Ihm, wie wir das im Geiste ständig tun. Neu-Jahr gehört zu den „schwachen und dürftigen Anfängen“, seine Feier zu dem Halten von Tagen und Jahren, von denen unser Gotteswort oben redet. Neu-Jahr ist vor allem eine Sache der Natur. Es ist ein Tag der Welt. Alle Völker halten und feiern es. Darum haben es auch die Volkskirchen in den Rahmen ihrer Feiertage hineinnehmen müssen. Im Gesetz gelten „Tage und Monate und Zeiten und Jahre“ - darum müssen alle das Ganze umfassenden Veranstaltungen und auf dem gesetzlichen Boden sich bewegenden Einrichtungen auch solche halten; darum auch die Kirchen, welche nach der Hautsache die natürlich-gesetzliche Religiosität pflegen, bei uns in christlicher Form. Das setzen wir nur hinzu, weil wir wohl wissen, dass das Evangelium auch noch dazwischen läuft. Die Hauptsache ist aber gesetzlich - darum sind die großen Feiertage, darum ist auch der letzte Abend des Jahres, und der erste des neuen Jahres der Menge, und auch der religiösen Menge, so wichtig. Sie stehen in den schwachen und dürftigen Anfangsgrundlagen.

In der Gemeine als solcher, nach ihren inneren Geisteslinien, spielen die Tage, die Monate, die Zeiten und die Jahre keine Rolle. Die Gemeine und ihre gläubigen Glieder, die leben alle Tage in der Ewigkeit. Von oben geboren, ist ihr Wandel in dem Himmlischen, von wo sie auch warten ihres Heilandes Jesus Christus, des Herrn. Es ist eine merkwürdige Erfahrung, die wir alle machen, dass, je mehr wir geistlich wachsen in Ihm und grundmäßig täglich und stündlich mit Ihm sind, die äußeren Tage und Jahre ihre einschneidende Bedeutung verlieren. Je ferner der wahrhaftigen Ewigkeit, umso mehr Gewicht hat die elende, dürftige Zeit - und ihre besonderen Abschnitte werden groß und wichtig; je mehr im Geiste und in dem Ewigen, umso mehr versinken diese Zeitgrößen, und damit auch Neu-Jahr und seine Feier. Nicht verachten wir die Zeit und ihre Erscheinungen, aber wir achten sie im Lichte der Ewigkeit, nach dem, was sie wirklich ist; wir stellen sie unter die schwachen und dürftige Anfänge.

Der natürliche Mensch geht ganz in Tagen, Monaten, Zeiten und Jahren auf, sie sind ihm d a s B e d e u t s a m e. Er kennt das ewige Leben nicht. Der gesetzliche Mensch hält sie ebenfalls sehr hoch, setzt sogar in ihr rechtes Halten ein Stück seiner Seligkeit und Seligkeitshoffnung. Er stellt die Zeit und Zeiten ins Licht der Ewigkeit. Der geistliche Mensch lebt in der Ewigkeit, braucht die ihm gegebene Zeit für die Ewigkeit und deren Mehrung in ihm - und sieht das Irdisch-Anfängliche in der Zeit und ihren Erscheinungen. Es ist von großer Bedeutung für unser Geistesleben, dass wir die Zeit und Zeiten richtig einschätzen. Und sollte nicht gerade Neu-Jahr dazu Anlass geben? Wir werden oft vom Hergebrachten, von den Sitten und den Gebräuchen nach väterlicher Weise mitgerissen, oder wir setzen väterlichen, natürlichen Gebräuchen nur ein geistliches Hütlein auf - während wir als Geistgeborene Schritt für Schritt in allen Stücken ein Neues pflügen sollten. Natur religiös umkleiden und sittlich in Zucht nehmen, das ist Gesetz.

Geistlich, als neue Kreatur ein Neues pflügen, das ist gemeinemäßig. Die Glaubensgemeine hat das neuschöpferische Prinzip lebensmäßig in sich, und von dem heißt es: „Siehe, Ich mache alles neu!“ Dies gilt auch von der Zeit und ihrer Auffassung und ihrem Gebrauch. Sagt nicht die Welt schon: „dem Glücklichen schlägt keine Stunde!“ Und sie hat hierin recht. Wenn das Herz des Menschen von einer Sache voll und ganz erfüllt ist, verliert die Zeit voll und ganz ihre Bedeutung für ein solches Herz. Er ist gewissermaßen in einer Welt, wo die Zeit ausscheidet. Wir alle haben dies schon erlebt. Wie wird das erst bei einem Herzen sein, in welchem durch den Heiligen Geist der Ewige regiert?

Zeit als Ewigkeitsbegriff

Wenige Gläubige haben die rechten biblischen Ewigkeitsbegriffe von der Zeit, darum nehmen sie dann auch eine falsche Stellung zu ihr und in ihr ein. Die Z e i t ist ein K i n d der S ü n d e, d. h. Zeit gibt es nur im Zusammenhang mit der Sünde. Sie ist eine v o r ü b e r g e h e n d e göttliche Gesetzesordnung für die Sünden- und Sünderwelt. Wo keine Sünde ist, gibt es auch keine Zeit, da gibt es nur Ewigkeit. Die Ewigkeiten haben auch ihre Ordnungen; ja, wenn wir irdisch-menschlich davon reden wollen, ihre Abschnitte. Geht es doch von E w i g k e i t zu E w i g k e i t. Aber diese Ewigkeitsabschnitte werden nicht empfunden als Zeitabschnitte, weil kein Aufhören, kein Ende da ist. Zeit und Vergehen, das sind zwei Dinge, welche auf’s innigste zusammengehören. Der T o d ist in der Z e i t. Nichts so Flüchtiges gibt es wie die Zeit. S i e ist eigentlich für uns gar nicht. Ihr S e i n ist so flüchtig, dass es niemand halten kann. Sie war und sie kommt. Darum lebt auch der Mensch, der in der Zeit lebt, entweder in der Vergangenheit, in der G e s c h i c h t e, oder in der Zukunft, in der H o f f n u n g. Zeit ist Hast, Zeit ist Treiben. Ewigkeit ist Stille, Ewigkeit ist Ruhe. Im Herrn sein heißt, in dem Bleibenden, in dem Einen sein; in der Zeit sein heißt in sich Zerstreuendem, im Vielfältigen, im Wandelnden sein. Wer kann die Zeit halten? Sie entschwindet ihm unter den Händen. Den Herrn aber, und in Ihm die Ewigkeit können wir halten, sie bleibt.

Beginn der Zeit

Die Bibel sagt deutlich, dass die Zeit mit der Sündenwelt steht und fällt. Tage, Monate, Zeiten, Jahre gibt es erst seitdem es Sonne, Mond und Sterne gibt. Sonne, Mond und Sterne sind aber erst in der vierten Schöpfungsperiode aus der oberen Hälfte der Fluchwasser geschaffen. Die Zeit ist geschaffen in den G e s t i r n e n ; sie ist eine göttlich-gesetzliche Ordnung im Fluchwesen. Sie ist aber um der Sünde willen gesetzt und zum Aufhören bestimmt. Wenn Sonne, Mond und Sterne vergehen, dann wird auch keine Zeit mehr sein. So trägt sie den Mischcharakter der angefangenen Neuschöpfung an sich, welche ja 1Mo 1 erzählt ist: sie ist heilsame Ordnung, aber im Fluchwesen. Wo nun durch Jesus Christus, im Heiligen Geiste das ewige Leben entsprungen ist, da ist die Ewigkeit eingetreten, und die läuft über, und in und nach allen Zeitordnungen. Die Gemeine mit ihren Gliedern ist von oben und trägt in keiner Weise Zeitcharakter, sondern ganz entschieden klaren Ewigkeitscharakter. Hier müssen wir etwas einschieben, was notwendig zu dieser biblischen Zeiterfassung gehört, wenn auch nicht gerade notwendig zum Neu-Jahr. Wo Zeit ist, da ist auch Geschichte.

Die Geschichte ist ein Zeitprodukt. Nun muss natürlich Gott, der Herr, mit Seiner Offenbarung, will Er die gefallene Welt retten, in die Zeit und in die Geschichte hinein. Diesen Beruf nun, in Zeit und Geschichte das geoffenbarte Heil hineinzutragen, hat das jüdische Volk. Im jüdischen Volk ist die Offenbarung in allen Stücken, bis hin zur Menschwerdung des Sohnes Gottes, g e s c h i c h t l i c h geworden, und im jüdischen Volke wird das geschichtlich beschaffte Heil auch in einem geschichtlichen Zeitabschnitt - dem tausendjährigen Reich - den Menschen übermittelt. Die Gemeine der Gläubigen ist etwas ganz anderes, sie ist eine Ewigkeitsgeborene; sie läuft immer im Ewigen, im Unsichtbaren. Darum gewinnt sie auch keine sichtbare Gestalt i n der Z e i t. Ihre erste sichtbare, vollendete Ausgestaltung hat sie im Königreich Christi (tausendjährigem Reich), aber auch dort hat sie eine Ewigkeitsaufgabe - nämlich die in ihr gesammelten Lebens-Fülle-Kräfte zu übermitteln ans jüdische Gott-Priester-Volk, das sie dann irdisch hineinträgt. Ganz sichtbar tritt sie erst auf der neuen Erde in ihre Fülle-Aufgabe, also wenn es keine Zeit mehr gibt.

Gemeine und Zeit

Die Gemeine ist aus der Ewigkeit für die Ewigkeit - h e r a u s a u s e r w ä h l e t aus der Zeit. Jetzt im gegenwärtigen Zeitalter hat sie die Aufgabe, zu w e r d e n. Sie hat nur soviel Tätigkeit, wie der Herr jeden begabt und führt, zur Weitervollendung des Bauens der Gemeine. Das große Vielerlei an Hineinwirken in die Zeit in unsern Tagen ist zum größten Teil Selbstwirken im Rahmen der ins falschprophetische Fahrwasser hineingeratenen Massenkirchen. Das ganze Massenwirken wird in die antichristlichen Gerichte mit hineinfahren und schafft so Vorbereitungen fürs Königreich Christi. Der eigentliche Ertrag dieses Zeitalters aber, der wahrhaft göttliche, wird die vollendete Gemeine sein, die aber jetzt eben ihren unsichtbaren Werdegang und Ewigkeitsgang geht, unter Kreuz und Leiden. So hat die Gemeine mit der Historie oder mit der Geschichte nichts zu tun, als dass sie unter ihr und in ihr ihren Kreuzesgang geht, und unter diesem Kreuz immer gelöster und ewigkeitsmäßiger wird. Die Gemeine besteht aus lauter geretteten Einzelnen, die alle durch den Heiligen Geist an ihrem Herrn hangen. Von ihr kann man keine Geschichte schreiben. Jede äußere Erscheinung, die sie annimmt, ist nicht mehr die Gemeine.

Die sieben Sendschreiben im Anfang der Offenbarung zeigen uns die Gemeine in ihren äußeren Gestaltungen und zeigen uns, wie die äußeren Gestaltungen im Gericht endigen: Laodizäa! Weil das jüdische Volk die Zeitenaufgabe hat, darum ist es auch zerstreut unter die Kulturnationen, und muss mit ihnen in Berührung kommen: erst im Fluch, dann in der Gnade. Deswegen hat nun auch die Gemeine des Judenvolkes in der Bibel lauter Geschichtsbücher, worunter wir auch die prophetischen rechnen. Die Propheten haben in den Geschichtsgang hineingeleuchtet. Auch im Neuen Testament gehören dem jüdischen Volk die Geschichtsbücher: die drei ersten Evangelien, die Apostelgeschichte als Übergangsbuch, und die Offenbarung Johannes als Endgeschichtsbuch. Die gläubige Gemeine hat das vierte Evangelium, welches kein G e s c h i c h t s b u c h , sondern ein reines Ewigkeitsbuch ist, weshalb es anfängt: „Am Anfang war das Wort.“ Und dann hat die Gemeine die Briefe, dieses aller Persönlichste, was es gibt, welche von Zeit- oder Weltgeschichte auch gar nichts enthalten, sondern nur Ewigkeitslinien für die Gemeine.

Kirche und Zeit

An all dem sehen wir die aus der Zeit und ihrer Geschichte Herausgehobenen. Als Glieder dieser Gemeine haben wir nun zur Zeit, und zu den Zeiten, eine ganz andere Stellung als die ganze andere Welt. Dass die Kirche zu Tagen, Monaten, Zeiten und Jahren eine andere Stellung hat, und haben muss als die Gläubigen, die zum Teil in ihr sind, ist ganz klar. Die Kirche ist eine natürliche Gesetzesanstalt, sie m u s s mit ihren unbekehrten Massen die schwachen und dürftigen Anfänge pflegen, und mit ihnen halten: Tage, Monate, Zeiten und Jahre. Dass dies der Staat tut, und dass dies alle weltlichen Organisationen tun, ist ganz klar. Wo aber gläubige Seelen sich die Hand reichen, und wo die Gemeine ein, wenn auch natürlich unvollkommene äußere Gestaltung annimmt, da sollte man nach Kräften der Grundlinien der Gemeine sich befleißigen. Wenn auch sogenannte Gemeinschaften, die aber eben oft keine sind, i n den Z e i t e n d i e n s t verfallen, ist es ein Zeichen, dass sie nicht genug Geist und Geisteslicht haben. Wenn sie fast umkommen unter den Jahresfesten, wenn sie jeden Termin; 10, 20, 25, 40, 50 Jahre, auf eifrigste ergreifen und feiern, wenn auch die Jahreswende mit möglichst viel Drum und Dran begangen wird, wenn sie mehr im Kirchenjahr, als im Heiland leben - wie wir einst einen Bruder beten hörten: „Herr, wir haben am Bußtag erfahren, dass wir Dein nicht wert sind, zieh nun heute, am ersten Advent, wieder bei uns ein“ - so möchte man in ganzem Ernste solchen Gläubigen und ihrer Versammlung zurufen „Zu der Zeit, da ihr Gott nicht erkanntet, dientet ihr denen, die von Natur nicht Götter sind. Nun ihr aber Gott erkannt habet, ja vielmehr von Ihm erkannt seid, wie wendet ihr euch zu den schwachen, dürftigen Anfängen? Ihr haltet Tage, Monate, Zeiten, Jahre. Ich fürchte, es ist umsonst an euch gearbeitet.“ Leider ist eben die Menge der sogenannten Stundenleute nicht im Geiste, sondern in Natur oder höchstens im Gesetz. Man möchte da manchen Versammlungen der Gläubigen an Neu-Jahr zurufen: Mehr Ewigkeit!

Im Lichte der Ewigkeit

Es ist nun freilich nicht so, als ob wir die Zeiten und ihr Halten verachteten. An seinem Ort hat es seinen Sinn - wir reden nur davon, dass Kinder Gottes Ewigkeitscharakter haben sollen. Wir bezeugen natürlich jedermann laut, dass das Halten von Tagen, Monaten, Zeiten und Jahren niemanden selig mache. Wir schicken uns aber in die Zeit und kaufen die Zeit aus. Wir wissen, dass jetzt angenehme Zeit ist und Tage des Heils. Wir wissen auch, wie unser großer Erstling Christus uns unters Gesetz begeben und Tage, Monate, Zeiten und Jahre mithalten - wir tun es aber stets als die von Christus Befreiten und mit Ewigkeit Angetanen. Hoheit steht in keiner Weise Kindern Gottes, sondern Untertan-Sein. Aber ihrer Glaubens-, Geistes- und Ewigkeitslinien müssen sie sich auch bewusst sein und sie, wo es gilt, ausleben. „Eure Zeit ist allewege“, hat der Heiland zu Seinen aufs Fest ziehenden Brüdern gesagt, ist aber dann doch auf Antrieb des Geistes auch hinaufgegangen. Wir erflehen darum zum Jahresende uns und allen denen, die in Christus Jesus sind, ein reiches Maß des Geistes Christi, dass wir in allen Lagen erkennen, wie es Geistesmenschen ziemt zu tun, dass wir auch in allen Zeitlagen im Ewigen bleiben, und dass es immer mehr wahr werde bei uns: „Ewigkeit, in die Zeit leuchte hell hinein, dass, was klein ist, uns sei kleine, und das Große groß erscheine.“ Lasset uns wandeln als Menschen des Geistes, als Ewigkeitsträger durch’s Zeitenland! -

4. Ein Neujahrsgruß aus dem Unsichtbaren

Was sichtbar ist, ist zeitlich

2Kor 4:18
Was sichtbar ist, das ist zeitlich, was aber unsichtbar ist, das ist ewig.

Wir grüßen aus dem Unsichtbaren. Die Glaubensgemeine lebt im Unsichtbaren; dort hat sie ihre Grundwurzeln. Sie lebt durch das Sichtbare hin, ist aber daheim im Unsichtbaren. Das Unsichtbare ist ihr das Feste, das Gewisse, das Wahrhaftige, das Licht und das Leben; das Sichtbare ist ihr das Wankende, das Ungewisse, das Täuschende, durchdrungen von Finsternis und Tod. Der Glaube ist das Überführtsein von dem, was man nicht sieht (Hebr 11). Das Sichtbare ist entsprechend dem Zeitlauf der jetzigen Tage. Was Luther mit „zeitlich“ übersetzt, ist keine eigentliche Zeitbestimmung nach kurz oder lang, vielmehr ist es eine Artbestimmung. Alles Sichtbare ist von der Art der gegenwärtigen Tage, in denen wir leben. Die Art der gegenwärtigen Tage ist aber die, dass sie dem Gesetz der Sünde und des Todes unterworfen sind. Alles Sichtbare trägt drum diesen Zeitcharakter, dass es auch dem Gesetze der Sünde und des Todes unterworfen ist. Gegenüber diesem Sichtbaren gibt es aber ein Unsichtbares, welches e w i g ist. Das heißt wieder nicht, dass es unendlich ist, sondern dass es Gottes ewige Art an sich trägt - nämlich Licht, Leben, Wahrheit, Frieden. Es gibt ja auch ein für uns Unsichtbares, welches nicht ewig ist, das ist die unsichtbare Welt der Finsternis. Diese gehört eigentlich nicht zum Unsichtbaren, sondern zum Sichtbaren, denn sie ist geschöpflich. Sie ist nur für uns arme, gefallene und gefangene Menschen jetzt eine Zeit lang unsichtbar. Diese jetzt unsichtbare Finsterniswelt trägt auch den Charakter der Sünde und des Todes an sich. Diese jetzt unsichtbare Welt ist nicht gemeint, wenn es heißt, wir, die Gläubigen, sehen auf das Unsichtbare. Freilich auch mit dieser unsichtbaren Welt rechnen wir, denn es sind uns die Augen über sie geöffnet, aber in ihr leben wir nicht. Vielmehr sind wir errettet von dieser Obrigkeit der Finsternis und versetzt in das Reich des geliebten Sohnes. Die Welt des geliebten Sohnes, das ist für uns die unsichtbare Welt. Aus der und in der leben wir. Sie hat Ewigkeitscharakter. In ihr ist lauter Gnade, Vergebung, Leben, Seligkeit.

So grüßen wir uns, wenn wir zum neuen Jahr aus der unsichtbaren Welt grüßen mit all den Ewigkeitssegnungen, welche hier in der unsichtbaren Welt für Gläubige zur Verfügung stehen. Hier ist die Fülle Christi, aus der wir täglich schöpfen Gnade um Gnade. Hier gelten die ewigen Lebens- und Liebesgesetze, durch welche, und in welchen wir selig und stark werden, den Kampf kämpfen in dieser sichtbaren Welt mit ihren derzeitigen Sünden- und Todesgesetzen.

Gläubige Menschen gehen nicht blind in die Zukunft. Der Herr und der Geist im Worte haben uns sehend gemacht. Treten wir nach Gottes Willen wieder in ein neues Jahr ein, so ist es uns bestimmt, noch weiter zu wallen im Sichtbaren. Da wissen wir nun, dass alles, was sichtbar ist, z e i t l i c h ist, d. h. den Charakter dieser gegenwärtigen Erdentagen, den Charakter der Sünde und des Todes an sich trägt.

Leben im Todesleib

Da haben wir als Nächste unter dem Sichtbaren noch unseren Todesleib an uns. Auch wenn der Geist Christi in uns wohnt, ist nach Röm 8 unser Leib noch tot um der Sünde willen. Solange wir in der Hütte sind, sind wir beschwert. Die Hütte trägt den Zeitlichkeitscharakter der Sünde und des Todes. Sie macht uns Beschwerden genug, also dass wir in ihr, und unter ihr seufzen auf den Tag der Vollerlösung. Und gerade Kinder Gottes haben, weil sie unter der genannten Gnadenzucht stehen, oft viel leibliche Beschwerden, oft wie ein Apostel Paulus, bleibenden leiblichen Druck. Da grüßen wir uns nun beim Hineingehen in ein neues Jahr, in welches wir auch den Leib dieser Nichtigkeit mitnehmen, aus dem Unsichtbaren. Dort ist in Christo, dem geistleiblich Verklärten, auch unser Ewigkeitsleib schon fertig. Wir wissen, dass wir einen Bau haben, von Gott gebaut, der Ewigkeitscharakter an sich trägt, der im Himmlischen ist. Und wir wollen im neuen Jahr wachsen am inwendigen Menschen im Geistesleben, dass auch der Leib eine hohe Stufe Herrlichkeit anziehen könne, wenn wir hinübergehen zu unserem Herrn. Gegrüßt, du Glaubens-Wanderschar mit mancherlei leiblichen Gebrechen, überwinde im Glauben - so werden aus den glaubensüberwundenen Gebrechlichkeiten - Herrlichkeiten. Im Ewigen wollen wir leben, dort herrscht das Gesetz der Verklärung - seine Kraft wirkt in den Gläubigen sich aus. Geduld ist aber not, denn so lange wir wallen im Sichtbaren, sind wir dem Flucht der Zeitlichkeit zu unserer Demütigung unterworfen.

In der Familie

Was sichtbar ist, das ist zeitlich. Ein weiteres Stück dieser Sichtbarkeit ist unsere Familie, in der wir leben. Auch diesem Sichtbarkeitsstück ist die Zeitlichkeit, d. h. das Gesetz der Sünde und des Todes eingeprägt. In der Familie versündigen wir uns am meisten. Darum gelten wir auch im Vaterhaus so wenig. Und in der Familie machen Kinder Gottes oft schweren Druck des Sündenwesens durch an Kindern und Kindeskindern. Auch die Todesbeschwerden erfüllen das Familienleben. Es ist auch in Familien der Gläubigen viel Leibes-Elend und Fleisches-Schwachheit. Was sichtbar ist, das ist zeitlich, es trägt den Diesseitscharakter. Wir grüßen uns am Neujahrsanfang aus dem Unsichtbaren. Wir stellen uns in die ewigen Gesetze des Glaubenslebens. Wir sind gewiss, was wir an „Zeitlichem im Familienleben haben, das brauchen wir - und was wir brauchen, wollen wir annehmen; und was wir angenommen haben, wollen wir glaubend verarbeiten. Das „Sichtbare“ des Familienlebens treibe uns ins Unsichtbare des Geisteslebens - und wir sind gewiss in Christo, dass alles sich auch geistesmäßig verklären wird. Das oft gar zu Zeitliche des irdischen Familienlebens macht uns umso fester im Geistesbau der Glaubensgemeine. -

Im Beruf

Zum Sichtbar-Zeitlichen gehört auch unser irdischer Beruf. Da mag einer sein, was er will, der irdische Beruf hat viel vom Zeitlichkeitswesen. Die sogenannten „geistlichen“ Berufe haben oft nach ihrer äußeren Erscheinungsform noch das meiste Schwere. Doch - ein jeder Stand hat seinen Frieden, ein jeder Stand hat seine Last, singt schon ein weltlicher Dichter. Ein Geistesmensch aber urteilte so: „Der irdische Beruf ist für den Geistesmensch eine Passion.“ Ja, im irdischen Beruf zahlen wir der Zeitlichkeit hohen Tribut. Je nachdem er gestaltet ist, tragen hier Gläubige ein wahrhaftiges Kreuz. Was sichtbar ist, das ist zeitlich - halte dir das klar, das ist dem Wesen dieser Welt unterworfen. Ich grüße dich aus der unsichtbaren, ewigen Welt. Lass dir den irdischen Beruf und seine Sorgen nicht über den Kopf, noch weniger ins Herz wachsen. Zieh’ getreulich in Jesu Kraft Tag für Tag deinen Karren und freue dich, dass du als ein Mensch des Unsichtbaren noch einen anderen Beruf hast - den des königlichen Priesters. Ihn übe - und in seinem Licht tu den irdischen. Getragen und gestärkt vom Geiste Gottes, lass keine bittere Wurzel in dir wachsen, auch nicht überm irdischen Beruf. Über ein Kleines, dann deckt sich bei uns Berufung und Beruf. Im Dienste des Ewigen, des Lebens und des Liebesrates Gottes dürfen wir an einem Posten stehen.

Staats-, Kirchen- und Gemeinschaftleben

Was sichtbar ist, das ist zeitlich. Überall stehen wir im Sichtbaren. Auch Staatsleben, Kirchenleben und Gemeinschaftsleben, in welchen wir stehen, haben ihre sichtbare Seite. Und diese sichtbare Seite ist zeitlich - sie trägt den Sünden- und Todes-Charakter. Wie treibt Millionen das Sichtbar-Zeitliche des Staatslebens um. Es nimmt ihren ganzen Menschen in Beschlag, verdiesseitigt ihn und füllt ihn mit den zeitlichen Kräften des Kampfes, des Streites, des Neides; manchmal des Zorns, des Grolles, des Hasses. Gebilde werden in den Tod gestoßen, andere aufgerichtet und zerfallen auch wieder. Was sichtbar ist, das ist zeitlich. Und je klarer etwas Sichtbarkeits-Art an sich trägt - umso mehr auch Zeitlichkeits-Art. Da werden wir viel und vielerlei erleben an Sünde und Tod. Wundern wir uns nicht, und entsetzen wir uns nicht - was sichtbar ist, das ist zeitlich. Alle Staatengebilde und Volksformationen gehen großen Gerichten und Umstürzen entgegen, und der Weg dazu ist ein Hochstieg. Es gibt nur einen Bau, der besteht und bestehen wird, das ist der Leibesbau Christi. Darum ist ihm unser Leben und unsere Liebe gewidmet, soweit es der Herr uns führungsmäßig hinlegt.

Aber auch dieser Leibesbau hat in Kirchen und Gemeinschaften ein Sichtbares. Und dieses Sichtbare in Kirche und Gemeinschaft macht uns viele Sorgen durch den ihm aufgeprägten Zeiten-Charakter. Je mehr eine Sache dem Unsichtbaren direkt dienen soll und will, umso peinlicher ist der hervortretende Zeitlichkeitsstempel der Sünde und des Todes. Auch Kirchen und Gemeinschaften sterben. Wir grüßen aber alle Gläubigen vom Unsichtbaren. Es wächst unter Kirche und Gemeinschaften dennoch ein Ewigkeitsbau. Wenn der Herr kommt, wird der offenbar werden. Je mehr wir selbst im Unsichtbaren und darum in Ewigen, im Leben und Frieden Gottes in Christo stehen, umso mehr werden wir Geduld und Glauben haben, vieles zu tragen; aber auch Kraft und Leben, vieles zu verklären und manchem Sichtbaren Ewigkeitscharakter einzuflößen.

Leben im Unsichtbaren

Das ist nun die Hauptaufgabe aller Glaubens-Unsichtbarkeitsmenschen, wo sie stehen und gehen, in ihrem verklärten Herrn Ewigkeits-Klarheiten auszuwirken in den sichtbaren Zeitgefäßen. Dazu müssen wir täglich neue Ewigkeit anziehen und werden so selbst Ewigkeits-Gefülltere. Dann wächst auch die Hoffnung auf den Sieg des Unsichtbaren und Ewigen. Es wird noch alles Sichtbare durchdrungen werden vom Unsichtbaren, und alles Zeitliche vom Ewigen. Das Erste und Vollendete wird der Leib Christi sein, am und im verklärten Haupte. Darum die Häupter empor und in Jesu Namen hinein ins neue Jahr des Sichtbaren. Keine Täuschung! - Es ist zeitlich, es trägt Sünden- und Todes-Charakter. Du wirst ihn auch im neuen Jahr erfahren. Aber nur immer fester und bestimmter in Christo, im Unsichtbaren, angezogen das Ewige - dann geht es im Ewigen zum Ewigen durchs Zeitlich. In der Welt habt ihr Angst - sie ist zeitlich - aber seid getrost: Ich habe die Welt überwunden. Wir haben den Unsichtbar-Ewigen, in Ihm seid gegrüßt: In Christo.

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5. Freie Gottpassion für Sünder