Eine prophetische Tischgemeinschaft

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Abschrift des Buches: Der da war, und der da ist und der da kommt!
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Aus dem Gemeinschaftsblatt für innere Mission Augsb. Bek.: "Reich-Gottes-Bote“ (1918-26)
Selbstverlag des Bibelheims „Bethanien", Langensteinbach

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Inhaltsverzeichnis:
Kapitel davor:
72. Die Mitherrscher Christi in Seinem Königreich Mt 20:17-28 (1924)

73. Eine prophetische Tischgemeinschaft

  • Mt 26:6-13 (ELB) (6) Als aber Jesus in Betanien war, im Hause Simons, des Aussätzigen, (7) kam eine Frau zu ihm, die ein Alabasterfläschchen mit sehr kostbarem Salböl hatte, und goß es aus auf [sein] Haupt, als er zu Tisch lag. (8) Als aber die Jünger es sahen, wurden sie unwillig und sprachen: Wozu diese Verschwendung? (9) Denn dies hätte teuer verkauft und [der Erlös] den Armen gegeben werden können. (10) Als aber Jesus es erkannte, sprach er zu ihnen: Was macht ihr der Frau Mühe? Sie hat doch ein gutes Werk an mir getan; (11) denn die Armen habt ihr allezeit bei euch, mich aber habt ihr nicht allezeit. (12) Denn als sie dieses Salböl über meinen Leib goß, tat sie es zu meinem Begräbnis. (13) Wahrlich, ich sage euch: Wo dieses Evangelium gepredigt werden wird in der ganzen Welt, wird auch von dem geredet werden, was sie getan hat, zu ihrem Gedächtnis.

  • Joh 12:1-8 (ELB) (1) Jesus nun kam sechs Tage vor dem Passa nach Betanien, wo Lazarus war, den Jesus aus den Toten auferweckt hatte. (2) Sie machten ihm nun dort ein Abendessen, und Marta diente; Lazarus aber war einer von denen, die mit ihm zu Tisch lagen. (3) Da nahm Maria ein Pfund Salböl von echter, sehr kostbarer Narde und salbte die Füße Jesu und trocknete seine Füße mit ihren Haaren. Das Haus aber wurde von dem Geruch des Salböls erfüllt. (4) Es sagt aber Judas, der Iskariot, einer von seinen Jüngern, der ihn überliefern sollte : (5) Warum ist dieses Salböl nicht für dreihundert Denare verkauft und den Armen gegeben worden? (6) Er sagte dies aber nicht, weil er für die Armen besorgt war, sondern weil er ein Dieb war und die Kasse hatte und beiseiteschaffte, was eingelegt wurde. (7) Da sprach Jesus: Laß sie! Möge sie es aufbewahrt haben für den Tag meines Begräbnisses! (8) Denn die Armen habt ihr allezeit bei euch, mich aber habt ihr nicht allezeit.

Der Sabbat vor Golgatha

In eine wunderbare Tischgesellschaft treten wir heute ein - sie ist durch und durch prophetisch. Schon der Tag, an welchem sie versammelt ist, ist ein prophetischer Tag. Wir haben den Sabbat vor dem Ostersabbat, acht Tage vor dem großen, stillen Sabbat, da der Herr im Grabe lag, da Er in der Totenwelt war. Deutlich weist der Heiland auf das Prophetische des Tages hin, wenn Er von Maria sagt: sie hat Mich zu Meinem Begräbnis gesalbt. Und nicht nur durch Jesus und Maria ging das Wissen und das Ahnen von der Bedeutung der Stunde. Etwas davon lag auf allen. Zu oft und zu klar hatte der Heiland von Seinem bevorstehenden Tod gesprochen. Selbst an Judas merken wir’s, dass die Tage der Entscheidung nahe sind. Es war ein sichtlich vom Vater herbeigeführtes, und vom Sohn wohlverstandenes letztes irdisches Beisammensein im Leib der Niedrigkeit. Und was war acht Tage darauf vollendet? - das ganze Versöhnungswerk.

Und was ging in der neu anhebenden Woche nach diesem Samstag vor? - das Gewaltigste, was Himmel, Erde und Hölle je erlebten. Zuvor noch ein letztes Ausruhen des Herrn vor namenlos schweren Kämpfen, eine letzte Stärkung der Seinen vor grauenvollen Tagen und Nächten - acht Tage vor dem Tode - vom Heiland selbst bewusst erlebt, von Maria geahnt, allen durch Jesus verkündigt, wenn sie es hören wollten. Es ist auch manchen Gläubigen, ja solchen, die ferne vom Herrn waren, schon vergönnt gewesen, klar das kommende Scheiden zu sehen und mit den Ihren prophetisch hinausblickend den Abschied zu halten. I n dem H e r r n ist alles schön: dahinfahren ohne es zu wissen und plötzlich Ihn zu sehen, oder klar bewusst zu Ihm hindurchzuschreiten. Beim Sohne Gottes ist alles klar bewusst, ja nicht nur klar bewusst, sondern freiwillig; darin liegt die versöhnende Bedeutung. Gerne gesellen wir uns an diesem prophetischen Sabbat zur Bethanienschar und schauen d e m ins Gesicht, der so voll bewusst den Gang der kommenden Woche sieht und der sie durchkämpft, auch uns zugut.

Die Tischgemeinschaft

Unser Auge ruht aber auch voll innerer Teilnahme auf all den prophetischen Gestalten, die da zu Tische lagen. Simon der Aussätzige fällt uns zuerst auf; in seinem Haus ist das Mahl. Wer er auch sei, ob der Mann der Martha, oder sonst ein Verwandter des Bethanienkreises: eins ist gewiss, er ist aussätzig gewesen und von Jesus geheilt worden. Und in seiner Nähe ruht Lazarus, der vom Tode Erweckte. Ausdrücklich sagt Johannes, er sei auch dabei gewesen. Denken wir uns den Heiland zwischen diesen beiden, welch ein prophetisches Bild ist das! Es ist uns weder ein Reden noch ein Tun dieser beiden überliefert; es ist auch nicht not - sie reden an sich gar laut, sie sind lebendige Gotteswerke. Der Aussatz ist in der Schrift das Bild der Sünde und des Fluchs. So haben wir einen Flucherlösten und einen Auferweckten. Versöhnung und Auferstehung, Karfreitag und Ostern stellen die beiden dar, und zwischen ihnen der Herr! Eine wunderbare prophetische Gruppe: der ganze Aussatz der Sünde weg und der Tod durchbrochen. Welch ein prophetisches Licht fällt da auf den Herrn!

Wahrlich, Er ist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Wie mussten auch Seine Jünger durch diesen Anblick wieder im Glauben gestärkt und dadurch befähigt werden, die schweren kommenden Tage zu überwinden! Er ist's, Er ist’s wahrhaftig! - das musste doch dieses Tischgesellschafts-Bild ihnen versiegeln. So sammeln sich auch heute noch am Tisch des Herrn Versöhnte und Toderweckte und holen sich Kraft für ihre Kreuzeswege. O, eine rechte Abendmahlsfeier vereint auch deine prophetische Tischgesellschaft - eine Kreuzgemeine Erretteter im Angesicht des Kommenden. Die prophetische Tischgesellschaft - eine Kreuzgemeine Erretteter im Angesicht des Kommenden.

Maria und die kostbare Narde

Die prophetische Gestalt in sonderlichem Sinne unter den Menschenkindern der Tischgesellschaft ist Maria. Zum Staunen aller tritt sie plötzlich hervor mit einem Glas voll vielwerter Narde. Sie schlägt das Gefäß entzwei und gießt den Inhalt über den Herrn. Das Haus wird voll köstlichen Geruchs. Ein Zeugnis will sie ablegen; das geht aus allem hervor. Aber sie ist Frau, sie ist eine gläubige Frau. Sie geht nicht aus ihrer Linie. Der Heilige Geist hat ihr schon den Weg gewiesen, wie sie machtvoll zeugen kann, ohne die Gotteslinie zu verletzten. Sie will dem Herrn sagen und will’s auch dem Jüngerkreis sagen: Mir bleibst Du Messias und Gottessohn, und wenn es durch Grab und Tod geht. Ich zweifle nicht an Dir! Wir dürfen ja bei Maria viel inneres Verständnis voraussetzen. Ganz ohne Zweifel hat sie die verschiedenen Reden des Herrn von Seinem Leiden und Sterben tief in ihrem Herzen bewegt. Dann hatte sie die Auferweckung des Bruders erlebt mit dem wunderbaren Selbstzeugnis des Herrn „Ich bin die Auferstehung und das Leben!“ Alles hat sie gewiss nicht verstanden, wie wir es heute verstehen; aber die zwei Pole - Tod und Auferstehung - standen verklärt vor ihr.

Darum salbt sie nun den Herrn, und das Wort des Herrn, durch welches Er sie schützt und in welchem Er sagt: „Das hat sie getan zu Meinem Begräbnis“, dürfen wir doch gewiss auch dahin verstehen, dass sie eine gewisse innere Klarheit hatte von dem, was sie tat. Das alttestamentliche Prophetentum stand in ihr, weiblich verklärt, an der Schwelle der Versöhnungswoche noch einmal auf. Wir kennen Marias tief innerlichen, wurzelmäßigen Sinn - der ist die Quelle des prophetischen Blicks. Einwärts in die Tiefe führt der Geist, was hinausblicken soll. Darum erzählt auch gerade der Evangelist Johannes diese Geschichte mit so großer Sorgfalt; es lag soviel Verwandtes mit ihm in der Person und in der Tat der Maria. Wir dürfen aber neben Maria der Martha nicht vergessen. Johannes fügt in seiner Erzählung hinzu „Martha diente.“ Sie hat mit ihrem unveränderten Liebesdiensttrieb es genauso bezeugt, dass weder Tod noch Grab sie irre machten am Herrn. Ihre Narde hatte auch süßen Geruch und war nicht weniger kostbar und das Gefäß dieser Narde - ein dienendes Herz und dienende Hände - ist auch köstlich.

Offenbarwerden des Judas

Jedes in seiner Art wurde durch die Einkehr Jesu zur Offenbarung seiner innersten Herzenstriebe gebracht - und das ist eben das Prophetische. Wo Jesus weilt, da gibt’s Offenbarungen, und Offenbarungen sind stets prophetisch. Darum wurde nun auch J u d a s offenbar. In doppelter Weise kam sein Innernstes zum Vorschein: als G e i z und H a s s. Es ist sehr bemerkenswert, wie der sonst so dämonisch starke und verschlossene Judas so völlig herausbricht. Diese tiefgläubige Mariaseele hat ihn aus dem Gleichgewicht gebracht. Das Satanische hat auch seine Prophetie, und solche Finternismenschen haben große Tiefblicke. Er hatte Maria wohl verstanden, er hatte sie wohl auch scharf beobachtet. Wer weiß, ob Maria nicht auch Judas weithin durchschaute und gerade darum, weil sie ahnte, wie ihr Herr trug und litt, heraustrat mit ihrer Narde! Da schürt eins das andere: das Licht die Finsternis und die Finsternis das Licht.

Gleisnerisch verbirgt Judas unter der Maske des Wohltäters den tückischen Sinn. Aber prophetisch-klar tritt der ausbrechende Hass hervor. Man merkt, es geht nicht mehr lange, so hat er die dreißig Silberlinge verdient. In prophetisch-richterlicher Weise, aber in der göttlichen Weisheit des Eingeborenen, straft ihn der Herr: „Arme habt ihr allezeit bei euch, Mich aber habt ihr nicht allezeit.“ Wie das Judas doppelt schlug! Er hatte an Arme gar nicht gedacht, und dann wieder diese Verheißung Seines Todes: Mich nicht allezeit! - Also war Er doch der Messias nicht; der müsste doch wie e r sich’s dachte, allezeit bei ihnen sein. Fester entschlossen zur finsteren Tag sah ihn diese Stunde. Der Herr war ihm soviel Geld, wie die Narde kostete, nicht mehr wert; nun ja, er gab Ihn ja bald um den Sklavenlohn der dreißig Silberlinge. Prophetisch entfaltet sich vor unseren Augen die Finsternis. Bald war’s Nacht!

Er muss ein gewaltiger Charakter gewesen sein, dieser Judas. Offenbar war er der bedeutendste im ganzen Jüngerkreis, Johannes vielleicht ausgenommen. Er bewegte die ganze Jüngerschar. Alle stimmten zu: „Ja, das hätte für Arme verwendet werden können.“ Prophetisch enthüllen sich die Herzen der Jünger in i h r e r U n f e s t i g k e i t. Wir sehen schon hier: sie werden dem Ansturm der Finsternis nicht gewachsen sein. Konnte Judas sie umwerfen, wieviel mehr wird das die Stunde der offenbarten Hölle tun!

Scheidung der Geister

Welch tiefe Scheidung der Geister offenbart diese Tischgesellschaft: Die unabhängigen, festen Glaubenscharaktere in Maria und Martha vertreten, ihnen beigesellt Simon und Lazarus und vielleicht auch Johannes; auf der anderen Seite Judas und zu ihm haltend in Schwachheit die Jüngerschar. Welch eine Bewegung der Geister bei einem Abendessen! Denken wir uns noch hinzu die Bewegung im Reich der guten und bösen Engel, dann haben wir ein prophetisches Bild von gewaltigster Eindrücklichkeit. Und wunderbar - drei Grundtypen von Gläubigen stehen vor uns: der innerlich-mystische, ganz und gar auf die Person des Herrn gerichtete Typus in Maria; der Zeugentypus auf Grund der Selbsterfahrung von Versöhnung und Auferstehung in Simon und Lazarus, und endlich der Liebestypus in selbstloser Hingabe des Dienens in Martha. Und die vier Hauptgruppen des geistlichen Lebens erstehen vor uns die im Herrn selbstständig Festen in Johannes und Maria; die sich Anlehnenden in Martha, Simon, Lazarus; die Schwankenden in einem Teil der Jünger, die Festen in der Finsternis in Judas.

Und zwischen allen: Jesus - d e r Prophet. Er, der alles sah und alles wusste, wie mag Er bei dieser Mahlzeit gelitten haben, wie Sich aber auch erquickt haben! Wie tritt Er auf als Beschützer der Seinen, als Richter des Abgrundmenschen. Vor Ihm liegt alles aufgeschlossen; Er ist aber auch zu allem entschlossen. Tod und Grab stehen lebhaft vor Ihm. Zu Seinem Begräbnis ist Er gesalbt von Maria. Des Judas Verrat, der Jünger Schwachheit, aber auch die durchhaltende Liebe der Gläubigen: Er sieht sie. Und die Frucht Seines herben Weges, sie ist Ihm auch versiegelt: die Versöhnung und Reinigung der Sünden in Simon, der Durchbruch des Todes in Lazarus. In völliger prophetischer Klarheit sieht Er schon, wie ein Evangelium von seinem Leiden und Sterben und Auferstehen verkündigt werden wird, und wie es in der g a n z e n W e l t verkündigt werden wird.

Verheißung des Herrn

„Wahrlich, Ich sage euch: wo dies Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch sagen, zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.“ Und prophetisch-königlich verleiht Er der Maria von Bethanien Ewigkeitscharakter. Ihr Name soll in der Gemeine und in der Welt nicht mehr verschwinden, unzertrennlich soll er mit dem Evangelium verknüpft sein. Solche Verheißung gibt der Herr wenige Tage vor Seinem Tode, und sie hat sich bis heute buchstäblich erfüllt. Der Geruch der vielwerten Narde ist noch nicht verflüchtigt. Gar manches Nardenglas ist seitdem zerbrochen und auf Jesus ausgegossen worden. Und die letzten Zeiten werden noch das Nardenglas, nämlich den Leibestempel, manches Gläubigen zerbrechen, Ihm, dem Herrn, zu einem süßen Geruch. Das sind lauter Maria-Nachfolger, denen nichts zu viel ist für Jesus. Sie alle hat der Herr prophetischen Geistes gesehen.

Fürwahr, eine großartige Tischgesellschaft, in der wir uns heute befinden - prophetisch durch und durch. Am herrlichsten Er im prophetischen Leiden und im prophetischen Richten und im prophetischen Verheißen. Allerdings ist noch viel Finsternis mit am Tisch. Leider ist’s bei allen Tischen so, an denen jetzt in dieser Weltzeit Jesus Tischgesellschaft hält. Wir wollen uns zu den prophetischen Lichteskindern gesellen, damit wir teilhaben dürfen dereinst am großen Abendmahl im Licht in herrlicher Tischgesellschaft, ohne jede Finsternis.

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74. Reichgottes-Gesetze Mk 4:26-29 (1923)