Eine herrliche Selbstoffenbarung Jesu

Aus Bibelwissen
Wechseln zu: Navigation, Suche

Abschrift des Buches: Der da war, und der da ist und der da kommt!
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Aus dem Gemeinschaftsblatt für innere Mission Augsb. Bek.: "Reich-Gottes-Bote“ (1918-26)
Selbstverlag des Bibelheims „Bethanien", Langensteinbach

weitere Abschriften hier:

Inhaltsverzeichnis:
Kapitel davor:
5. Er offenbarte Seine Herrlichkeit Joh 2:1-11 (1924)

6. Eine herrliche Selbstoffenbarung Jesu

  • Joh 4:4-30 (ELB) (4) Er mußte aber durch Samaria ziehen. (5) Er kommt nun in eine Stadt Samarias, genannt Sychar, nahe bei dem Feld, das Jakob seinem Sohn Josef gab. (6) Es war aber dort eine Quelle Jakobs. Jesus nun, ermüdet von der Reise, setzte sich ohne weiteres an die Quelle (7) Da kommt eine Frau aus Samaria, Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Gib mir zu trinken! (8) - Denn seine Jünger waren weggegangen in die Stadt, um Speise zu kaufen. - (9) Die samaritische Frau spricht nun zu ihm: Wie bittest du, der du ein Jude bist, von mir zu trinken, die ich eine samaritische Frau bin? - Denn die Juden verkehren nicht mit den Samaritern. - (10) Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du die Gabe Gottes kenntest und [wüßtest], wer es ist, der zu dir spricht: Gib mir zu trinken! so hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben. (11) Die Frau spricht zu ihm: Herr, du hast kein Schöpfgefäß, und der Brunnen ist tief. Woher hast du denn das lebendige Wasser? (12) Du bist doch nicht größer als unser Vater (13) Jesus antwortete und sprach zu ihr: Jeden, der von diesem Wasser trinkt, wird wieder dürsten; (14) wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm geben werde, den wird [nicht] dürsten in Ewigkeit; sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm eine Quelle Wassers werden, das ins ewige Leben quillt. (15) Die Frau spricht zu ihm: Herr, gib mir dieses Wasser, damit mich nicht dürste und ich nicht hierher komme, um zu schöpfen. (16) Er spricht zu ihr: Geh hin, rufe deinen Mann und komm hierher! (17) Die Frau antwortete und sprach zu ihm: Ich habe keinen Mann. Jesus spricht zu ihr: Du hast recht gesagt: Ich habe keinen Mann; (18) denn fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann; hierin hast du wahr geredet. (19) Die Frau spricht zu ihm: Herr, ich sehe, daß du ein Prophet bist. (20) Unsere Väter haben auf diesem Berg angebetet, und ihr sagt, daß in Jerusalem der Ort sei, wo man anbeten müsse. (21) Jesus spricht zu ihr: Frau, glaube mir, es kommt die Stunde, da ihr weder auf diesem Berg, noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. (22) Ihr betet an, was ihr nicht kennt; wir beten an, was wir kennen, denn das Heil ist aus den Juden. (23) Es kommt aber die Stunde und ist jetzt, da die wahren Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden; denn auch der Vater sucht solche als seine Anbeter. (24) Gott ist Geist, und die ihn anbeten, müssen in Geist und Wahrheit anbeten. (25) Die Frau spricht zu ihm: Ich weiß, daß der Messias kommt, der Christus genannt wird; wenn jener kommt, wird er uns alles verkündigen. (26) Jesus spricht zu ihr: Ich bin es, der mit dir redet. (27) Und darüber kamen seine Jünger und wunderten sich, daß er mit einer Frau redete. Dennoch sagte niemand: Was suchst du? oder: Was redest du mit ihr? (28) Die Frau nun ließ ihren Wasserkrug stehen und ging weg in die Stadt und sagt zu den Leuten: (29) Kommt, seht einen Menschen, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe! Dieser ist doch nicht etwa der Christus? (30) Sie gingen zu der Stadt hinaus und kamen zu ihm.

Davor stehen wir in unserem vorliegenden Texte: vor einer der herrlichsten Selbstoffenbarungen Jesu. Wer zu Luthers ewig wahrer Auslegung des zweiten Artikels des Glaubensbekenntnisses, nämlich zu den Worten: „Wahrhaftiger Gott, vom Vater in Ewigkeit geboren und auch wahrhaftiger Mensch, von der Jungfrau Maria geboren“, eine völlig erklärende biblische Geschichte suchte, der müsste die Geschichte vom Jakobsbrunnen nehmen. Da steht der Heiland vor uns in wunderbarer Selbstoffenbarung vom müden, matten, durstigen Menschenkind bis hin zum ewigen Gottessohn und heilschaffenden Messias. Und Er lässt ein armes, rettungsbedürftiges Menschenkind einen Einblick tun in diese Seine Wunderpersönlichkeit, und macht es dadurch selig und glücklich und ziehe es heraus aus tiefer Umnachtung. Eine solche Offenbarungs- und Rettungs-Geschichte kann heute noch kraft des Heiligen Geistes offenbaren und retten - folgen wir ihr nur mit heilsbegierigem Herzen.

An eine Offenbarungsstätte sonderlicher Art von alter her führt uns unsere Schriftstelle: an den Jakobsbrunnen bei Sichem in Samaria. Da finden wir Jesum: müde und durstig von der Reise. Selten nur sind die Einblicke, die wir tun dürfen im Worte Gottes in die ganze, volle Menschenniedrigkeit des Herrn; umso begieriger erfasst sie die gläubige Seele. Wir rückt Er neben uns; wie ist Er so völlig, so ganz unser: müde, matt, elendig, durstig. Und damit das Bild ganz ausgezeichnet wäre, beschreibt Ihn uns das samaritische Weib als einen e c h t e n J u d e n. „Wie bittest Du von mir zu trinken, der Du ein Jude bist, und ich ein samaritisches Weib?“ Also nach dem Fleisch national und völkisch beschränkt, gleich wie wir, und noch dazu d e m Volke zugehörig, das für viele ein Volk des Widerwillens ist - d e n J u d e n. Ein müder, matter, durstiger Jude - das ist der erste Zug unserer Geschichte. Der Heiland war wahrhaftiger Mensch, in allen Niedrigkeiten und Elendigkeiten unseres Leibes der Nichtigkeit uns gleich - und verheißungsgemäß und gottesratsgemäß doch Glied des verachtetsten unter den Völkern. Er war gleich wie ein anderer Mensch und an Gebärden als ein Mensch erfunden. Nichts, gar nichts sah das samaritische Weib mit dem Auge der Natur, als einen müden Juden. „Verflucht allenthalben, gleich wie wir!“ Wir beten an. Was wären wir, wenn der ewige Herrn nicht Mensch geworden wäre!

Der Mensch Jesus

Wir klammern uns an Seine wahrhaftige Menschheit noch mehr, als an Seine Gottheit - wiewohl natürlich Seine Menschheitsniedrigkeit ihren Wert nur hat durch Seine wahrhaftige Gottessohnschaft. Aber eben um ihretwillen ist der M e n s c h Jesus uns Grund allen Heils, aller Rettung, aller Freude und alles Friedens; Grund alles kindlichen Zutrauens, alles starken Trostes und aller herzlichen Liebe und festgegründeten Hoffnung. O, halt Ihn fest, meine Seele, den müden Juden vom Jakobsbrunnen - müde Menschheit, dürstende Menschheit, fasse Vertrauen zum müden, zum dürstenden Heiland. Sieh’ aber näher zu: wie Er Sich vor deinen Augen erhebt z u göttlicher Größe. Zuerst wird Er zum a u ß e r o r d e n t l i c h e n, zum e i n z i g a r t i g e n Menschen. Schon wenn Er das samaritische Weib bittet: „Gib Mir zu trinken!“ durchbricht Er die Schranken des natürlich-menschlich-Hergebrachten der Menschen Seiner Zeit. Für Ihn existiert der kleinliche Hass zwischen Juden und Samaritern nicht. Das Weib horcht auf, sie fühlt es: E i n s o n d e r l i c h e r M e n s c h ! Und dieser Mensch redet davon, dass Er eine Gabe, d i e G a b e an die Menschheit sei. Nur wie einen Bflitz lässt Er es durchleuchten, aber es blitzt! „Wenn du erkennen würdest die Gabe Gottes und wer der ist, der mit dir redet.“ Welche ein Mensch, der so von Sich selber spricht! Und dann verspricht Er ihr lebendiges Wasser, so Er doch nichts hat, zu schöpfen.

Das Weib bleibt beim Äußeren stehen, aber das merkt sie doch: ein ganz außerordentlicher Mensch, einer, der mehr ist, als selbst der Erzvater Jakob. Jesus wächst vor ihren Augen. Auch vor den unsrigen. Ja, wir, die wir Ihn glaubensmäßig kennen, wir merken schon in diesen Sätzen die Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes. Doch schon das ist groß genug: hier sitzt vor uns d e r Mensch, der einzigartige, neben den kein anderer hinstehen kann. E r i s t der M e n s c h ,,der alle und alles, was je lebte, weit, ja wesensmäßig Überragende. Da kann keiner, nicht Einer heran! An Reinheit, an Wahrheit, an Kraft der Persönlichkeit, an Bedeutung für die Menschheit übertrifft Er alle himmelweit, die je gelebt, gewirkt, gekämpft und der Menschheit gedient haben. Sie sind alle Schatten und Schemen neben Ihm. Und doch ist Er der Schlichteste, der Einfachste, der auf den kleinsten Raum, und die kleinste Zeit, und auf das wenigste Wirken Beschränkte, wohl aber der am meisten Leidende von allen. Er ist der einzige unter allen Menschenkindern, der nach Seinem eigenen Bekenntnis in die Welt gekommen ist, nicht um zu l e b e n, sondern um zu s t e r b e n.

Das Weib am Jakobsbrunnen

Das Weib am Jakobsbrunnen sieht Ihn in ihrer Art als den Einzigartigen; er ersteht vor ihr größer als der Erzvater Jakob, der den Brunnen gebaut und da sein Vieh getränkt hat, und der war ihr doch bisher der Größten einer! Wie staunt sie aber erst, als Er ihr Wasser verheißt, das den Durst für immer stillt! Wie erbebt ihr Innerstes, als Er vom ewigen Leben spricht! Jetzt wird Er ihr zum R ä t s e l, zum U n b e g r e i f l i c h e n. Unglauben und Glauben zugleich, rätselhaftes Staunen, und doch ein innerlich abgenötigtes Fürwahrhalten Seiner Worte spricht aus ihrer Antwort: „Herr, gib mir solches Wasser, dass ich nicht mehr dürste und kommen müsse, zu schöpfen!“ Ewiges und Zeitliches, Irdisches und Göttliches - beides strahlte mit gleicher Macht aus diesem Menschen ihr entgegen. So haben es alle in Seiner Gegenwart erlebt. So wurde es selbst einem abgebrühten Weltmenschen, wie Pilatus, welcher glaubte, längst jenseits von Wahr und Falsch zu stehen, unheimlich in Seiner Gegenwart. „Von dannen bist Du?“ fragt er Ihn. Er ist ihm ein Rätsel. Jawohl für die natürlichen Menschen ist und bleibt Jesus das große Menschenrätsel. Seine Person ist in kein Schubfach menschlicher Weisheit oder Philosophie unterzubringen. Er ist ein Z w e i w e l t l e r - von oben, und ins Unten eingegangen. Überall Mensch und doch Übermensch - Gott! Überall Gott und doch nichts als Mensch - einfacher, schlichter, natürlicher, vor allem leidender Mensch. Immer passiv und doch am meisten wirkend; im Niedrigsten Sich bewegend und doch immer das Höchste von Sich bekennend und auch ausstrahlend.

Mit natürlich-menschlichen Mitteln ist Jesus nicht zu begreifen - Er ist und bleibt hier, wie dem Weib am Jakobsbrunnen, ein Rätsel. Sie raten herum auf Elias, auf Jeremias, von der Propheten einen; aber sie begreifen und ergreifen Ihn nicht. Sie machen Ihn zum größten Religionsgenie, zum größten Denker; zum größten Autoritäts- und Revolutionsmenschen zugleich; aber sie fassen Ihn nicht. O Menschheit, denk über dies dein größtes Rätsel nach - über Jesus von Nazareth, der lebendiges Wasser hat, welches den Durst auf immer stillt, und welches in dem, der es trinkt ein Quell wird, der ins ewige Leben quillt. Auch das Weib stand vor den rätselhaften Pforten der Ewigkeit bei diesem Heilandswort. Sie sollten gar bald vor ihr aufspringen. „Geh, ruf’ deinen Mann!“ dringt der Herr gewaltig in sie. „Ich habe keinen Mann!“ kommt es zitternd erregt von ihren Lippen. „Fünf Männer hast du gehabt, und den du jetzt hast, der ist nicht dein Mann.“ Offenbarung, furchtbare und doch wahrhaftige Offenbarung. „Er hat mir gesagt alles, was ich getan habe, „ so gibt sie selbst den zerschmetternden Eindruck der Worte Jesu später wieder. Die Pforten der Ewigkeit sind auf. Sie sieht einen Gottesmenschen; ja sie sieht: „Herr, ich sehe, dass Du ein Prophet bist.“ Jetzt steht sie auf Gottesboden. Der erste Schritt zu des Jesus-Rätsels Lösung ist kräftig getan.

Vom wahrhaftigen Anbeten

Ein Gottmensch ist Er, ein Prophet, d e r Prophet. In Jesu Gemeinschaft wachen unsere Sünden auf; das Gewissen schlägt; das Verborgene kommt ans Licht. In Jesu Gegenwart kann nichts in Finsternis bleiben, Er ist das Licht. Er weckt, als der Ewige, die Ewigkeiten im Menschenherzen auf. Das arme Weib vom Jakobsbrunnen bricht auch aus und wird ewigkeitsmäßig. Vom Beten beginnt sie zu reden. Der innere Ewigkeitsmensch bricht hervor bei ihr. Nun wogt’s auch mächtig in Jesu Herz. Die Wahrheit bricht durch beim Weib; da offenbart Er sich ihr, der die Wahrheit ist. Vom V a t e r redet Er und lässt deutlich Seine Sohnschaft durchblitzen; vom wahrhaftigen Anbeten sagt Er ihr, und offenbart ihr dabei den Vater als Geist. Er kennt den Vater, und Er weiß. was der Vater w i l l: Beter im Geist und in der Wahrheit, und die Gemeine, die solches hat und übt. Das Weib sieht die ausstrahlende Gottesherrlichkeit. Ihr Innerstes bricht auf. E i n Wort zieht durchs Herz und drängt sich auf die Lippen: „Ich weiß, dass der Messias kommt.“ Sie sieht den Ewigen, den Christus. Da dringt’s wie Gerichts- und Gnaden-Offenbarung zugleich auf sie ein, gewaltig und überwältigend: „I c h b i n’s, d e r mit dir r e d e t.“ Das Weib sagt nichts mehr - h i e r ist n i c h t s mehr zu s a g e n. Hier ist nur noch gläubig anzubeten, herzlich anzunehmen. Der ewige verheißene Gottessohn, der Retter und Heiland der ganzen Welt; Er sagt es selbst: „Ich bin’s“ Und nun nimm’s zusammen: den müden, dürstenden Juden und den Herrn der Herrlichkeiten - dann hast du Ihn - das ist dein und der ganzen Welt Heiland. Das ist Seine wunderbare Selbstoffenbarung am Jakobsbrunnen.

Sag’ an, ist Er dir also auch schon geoffenbart? Du siehst, nur durch Offenbarung kann solches ergriffen werden. Ohne Offenbarung hätte das samaritische Weib nie im müden Juden den Heiland der Welt sehen können. Hat der Herr es nicht auch dem Petrus gesagt: „Fleisch und Blut hat dir das nicht geoffenbart, sondern Mein Vater im Himmel.“ Die Person Jesu und was Er uns ist - das ist Offenbarung und kann nur gefasst werden durch Offenbarung. Und d i e s e O f f e n b a r u n g geschieht h e u t e noch, so wie sie dem Weibe am Jakobsbrunnen geschah. Zwar sitzt Jesus nicht mehr selbst vor uns und schließt in heiliger Zwiesprache der verlangenden Seele sich auf - aber Er hat nach Seiner Erhöhung Seinen Stellvertreter gesandt, und der offenbart heute noch gleicherweise, wie Jesus selbst - der H e i l i g e G e i s t. Und dieser Heilige Geist ist verfasst in ein G e i s t e s w o r t - das nun Sein Träger und wirksames Werkzeug ist. Und dies Wort ist der Same der Wiedergeburt, und die Wiedergeburt öffnet Herzen und Augen für den Heiland. Durchs Wort des Lebens geschieht heute die Selbstoffenbarung Jesu ,und geschieht genauso herrlich und köstlich, wie dort beim Weibe am Jakobsbrunnen.

In a l l e W a h r h e i t leitet der Geist durch Wort. Ist dir dein göttlicher Retter, der wahrhaftige Gottes- und Menschensohn, auch schon geoffenbart. Wenn nicht, dann bist du selber schuld. Aber du fragst mich, wem macht denn der ewige Heiland so Sich selber kund in Wort und Schrift? Lerne hier am Jakobsbrunnen! Was für ein Weib war das? Es genügt, zwei Worte unseres Textes zu wiederholen, so steht es klar vor unsern Augen: „Fünf Männer hast du gehabt, und den du jetzt hast, der ist nicht dein Mann.“ Und das andere Wort: „Er hat mir alles gesagt, was ich getan habe.“ Du bist im Bilde. Du weißt, wen du vor dir hast. Und diesem Weibe hat Jesus Seine wunderbare Selbstoffenbarung geschenkt. Jesus nimmt die Sünder an. Niedriger, elender, ja sündiger kann niemand sein als dies Weib. Also, was schließt du aus von solcher Offenbarung? Nichts, als dein eigenes Nichtwollen. Welch ein Trost für uns, dass eine solche Sünderin der Offenbarung J e s u gewürdigt, und ganz offenbar zu einem E r s t l i n g des s a m a r i t i s c h e n Volkes herausgewählt wurde! Aber wisse: natürlich n i c h t um ihrer S ü n d e willen ist sie der Selbstoffenbarung Jesu gewürdigt worden - nein - die Sünde hat sie aber nicht ausgeschlossen. Und das halte fest, nichts schließt an Ihm selber von Jesus aus. Aber was zieht nun Jesum an, was macht fähig für die Offenbarung?

Das eigentlich Grundschaffende

Das eigentlich G r u n d s c h a f f e n d e ist das Wort Gottes. Das Weib, obwohl eine Samariterin, hat doch von Jugend auf, das Wort gehört. Sie weiß Bescheid in der Jakobsgeschichte; sie kennt das Gebet, sie weiß vom Messias. Es ist eine niedrige Stufe des Wortes, mit der sie bekannt geworden ist, und zum Teil hat sie es schief gehört; und nun kam sie beim Heiland unter das wahrhaftige Wort. Also ohne das Wort Gottes ist ein Eindringen in die Erkenntnis Jesu nicht möglich. Du musst unters Wort, wenn dir die Offenbarung des Heilandes soll zuteil werden. Zu diesem Worte nun hat das samaraitische Weib offenbar, selbst unter ihren schweren Sündengängen, eine aufnehmende Stellung eingenommen. Das innere Licht, welches durchs Wort Gottes geweckt und wach gehalten wurde, ist nie in ihr erloschen. Die Jakobsgeschichte, die Gebetsfragen, die Messiashoffnung sind auch unter allen Irrgängen in ihr als ein göttliches Gut liegen geblieben. Und nun hat sie offenbar in ihrem Sündenleben entsetzliche Erfahrungen gemacht. „Fünf Männer hast du gehabt, und den du jetzt hast, der ist nicht dein Mann.“ Dies e i n e Wort spricht Bände. Sie ist unter den letzten Erlebnissen mit dem sechsten Mann zerbrochen.

Darum eilte sie auch um die heißeste Mittagszeit zum Brunnen; da dachte sie, sicher allein zu sein. Und unter dem Sündenzerbruch brachen die in ihr liegenden Ewigkeitswerte hervor: die Gestalt Jakobs, die Sehnsucht nach rechtem, erhörlichem Gebet, das Verlangen nach der Messiaszeit mit ihrer Sündenvergebung, das alles bewegte mächtig ihr Herz. Und solch ein Herz ist reif für die Offenbarung. Es muss nicht jeder solche oder ähnliche Irrwege gegangen sein, wie die Samariterin; aber es muss ein Zerbruch innerlich geschehen sein, dann kann die Heilsoffenbarung und die Heilandsoffenbarung einsetzen. Alle Erkenntnis Jesu geht über die Sünden- und Selbst-Erkenntnis und über das aus der Sündenerkenntnis quellende Heilsverlangen. Tief muss der Zerbruch des Weibes gewesen sein, weil sie so willig Jesu Gerichtswort annahm. Sie war reif für die Wahrheit. Selig drum, wen Gott in Sündenerkenntnis und Selbsterkenntnis, in innere Angst und Not, in ein Sehnen nach Frieden und Vergebung, in ein Verlangen nach Seligkeit führt! Wo solches durchs Wort Gottes oder durch Führungen erreicht ist, da fängt die Fähigkeit an, Gottesoffenbarung aufzunehmen; und wo die Sündenerkenntnis sich stets vertieft, da ist auch stets sich vertiefendes Offenbarungsleben möglich.

Die Mehrzahl der Menschen ist entweder zu verstockt in ihren Sünden oder zu groß in ihrer Selbstgerechtigkeit und Selbstgröße, und dadurch unempfänglich für die Offenbarung unseres Herrn Jesu Christi. Wo in einem Menschen, wie bei der Samariterin, erst der Empfänglichkeitsbrunnen geöffnet ist, da fangen dann d i e F ü h r u n g e n an, welche zur Weckung und Förderung des Glaubenslebens dienen. Es heißt vom Heiland: „Er m u s s t e durch Samaria reisen.“ Das war kein äußerliches Muss; Er hätte außen herum gehen können - sondern ein inneres Muss; ein Zug des Vaters. Und so m u s s t e auch das Weib zur Unzeit an den Brunnen. So führt der Herr, wenn’s einmal zubereitet ist in einem Herzen, immer an den rechten Ort und zu den rechten Zeugen und Zeugnissen, dass die Offenbarung in uns entstehe und wachse. Darin ist Er sehr treu, wenn wir nur jedesmal so willig sind, wie die Samariterin. Was wachsen soll und will, kriegt auch was es braucht zum Wachsen. Die Offenbarung hat immer neu ihre Stunden.

Hast du das auch schon erlebt? Sei getreu, so wirst du es weiter erleben. Lass dir deine Sünden offenbaren, auf dass sich dir auch das Leben offenbaren kann. Selig ist, wer teilhaftig ist der Selbstoffenbarung Jesu Christi des Herrn; selig ist, wer von Stufe zu Stufe wächst in ihr; selig ist, wer am Tage Seiner Offenbarung mit Ihm offenbar werden darf.

Lies weiter:
7. Der Herr und die Naturkräfte Mt 11:23-27