Eine gewaltige Glaubensentscheidung

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Abschrift des Buches: Der da war, und der da ist und der da kommt!
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Aus dem Gemeinschaftsblatt für innere Mission Augsb. Bek.: "Reich-Gottes-Bote“ (1918-26)
Selbstverlag des Bibelheims „Bethanien", Langensteinbach

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Inhaltsverzeichnis:
Kapitel davor:
49. Gottesmenschen 1Tim 6:11-16 (1926)

50. Eine gewaltige Glaubensentscheidung

  • Phil 1:21-26 (ELB) (21) Denn das Leben ist für mich Christus und das Sterben Gewinn. (22) Wenn aber das Leben im Fleisch [mein Los ist, dann bedeutet] das für mich Frucht der Arbeit, und [dann] weiß ich nicht, was ich wählen soll. (23) Ich werde aber von beidem bedrängt: Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christus zu sein, denn es ist weit besser; (24) das Bleiben im Fleisch aber ist nötiger um euretwillen. (25) Und im Vertrauen hierauf weiß ich, daß ich bleiben und bei euch allen bleiben werde zu eurer Förderung und Freude im Glauben, (26) damit euer Rühmen überreich werde in Christus Jesus durch mich bei meiner Rückkehr zu euch.

In seiner ganzen Glaubensgröße steht heute der Apostel Paulus vor uns auf. Er trifft eine innere Glaubensentscheidung, die in ihrer Tiefe und Höhe ein leuchtendes Vorbild für alle Gläubigen ist. Er entscheidet sich z u m L e b e n im F l e i s c h in einem Augenblick, wo der demselben hätte entrückt werden können. Es ist ein Entschluss den er fasst, welcher eine Ähnlichkeit hat mit dem Entschluss des eingeborenen Sohnes, ins Fleisch einzutreten. Natürlich nur ein ganz für Christus Entschiedener kann solche Entscheidungen treffen. Die Glaubensentscheidungen können nur auf dem Boden des gläubigen Herzens fallen, und sie fallen umso gewaltiger und göttlicher aus, je reifer der Glaube ist. Zum Entscheiden gehört Entschiedenheit. In diese seine gottklare, hellentschiedene Grundstellung lässt uns drum der Apostel zuerst einen Einblick tun, ehe wir Zeugen einer gewaltigen Glaubensentscheidung werden. Paulus sagt: „M i r ist das L e b e n C h r i s t u s“ - das ist sein felsenfester Glaubensstand.

Das Leben ist Christus

Paulus weiß, dass außer Christus, dem ewigen Gottessohn, dem Gekreuzigten und Erstandenen, a l l e s T o d i s t. Christus ist einzig und allein der, welcher das Leben hat in Sich selber. Er ist der einzige Lebenskanal zwischen Gott und Kreatur. Wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht, sondern der Zorn Gottes, welcher im Tod sich auswirkt, bleibt über ihm. Er ist der einzige Lebenskanal zwischen Gott und Kreatur. Alles Jesu-Getrennte ist auch von Gott getrennt; und alles Gott-Getrennte ist auch lebensgetrennt. Für die todverfallene Kreatur ist der Sohn Gottes durch Sein Sterben und Auferstehen der Lebensquell geworden. Er hat die Sünde getragen, den Sold der Sünde, den Tod, an sich zur Auswirkung kommen lassen, und hat in der Auferstehung den Sieg über den Tod davongetragen. Nun steht Er da als Lebensschöpfer aller Kreatur. Was an Ihn angeschlossen ist, hat Leben und geht aus Leben in Leben; was nicht angeschlossen ist, bleibt im Tode. Zwar wird im Tod auch gelebt, und auch das Todeswesen hat seine Herrlichkeit, aber eine Herrlichkeit wie des Grases Blume, die da frühe blüht, aber des Abends abgehauen wird und verdorrt. Nur wer Jesu Wasser trinkt, der hat einen Brunn des Wasser, welcher ins ewige Leben quillt.

Hier war Paulus glaubensmäßig angeschlossen. „Das Leben war ihm Christus.“ Alles, was er lebte im Fleisch, das lebte er im Glauben des Sohnes Gottes, und in Ihm war für ihn aller Tod aufgehoben. Wer da lebt und glaubt an Christus, der wird nimmermehr sterben. Paulus war in Christo vom Tode zum Leben durchgedrungen. Er trug im Christusglauben das ewige Leben in sich. Was er lebte hinieden, war ewiges Leben, weil er nichts ohne Christus tat. Seine Heilandsgemeinschaft war unauflöslich; für ihn war das Leben Christus. Das ist der rechte Gotteskindschafts- und Gottessohnschaftsstand - da sind Christus und die Persönlichkeit des Glaubenden e i n s. Das war die große Grundentschiedenheits-Stellung des Apostels. Hier gab’s kein Wanken und kein Schwanken: das Leben war ihm Christus. Von diesem Boden aus, dass er nämlich Christum meinte und Christum wollte, traf er alle seine Entscheidungen. Die Grundentschiedenheit gab die Lebensentschiedenheit und die Lebensentscheidungen.

Sterben ist Gewinn

Auf diesem Boden - Christus - gab es für Paulus keinen Tod mehr. Und wenn der Tod ihn täglich in vielen Gestaltungen umgab, so dass er von sich sagen konnte, fürwahr, ich sterbe täglich, so wurde solch Todeswesen stets von Christus verschlungen, so dass er wiederum sagen konnte: „Als die Sterbenden, und siehe, wir leben.“ Tod, wo und wie er den Apostel antrat, war ihm Gewinn: er förderte und beförderte ihn im Lebenswesen. Und sonderlich der leibliche Tod war ihm ein großer Gewinnbringer. Er erlöste ihn von der schwersten Last, welche er auch als Gläubiger in Christo noch trug, nämlich von dem „Leibe dieses Todes“ oder vom „Leibe der Nichtigkeit“. Was macht der Leib nach den verschiedensten Richtungen hin den Gläubigen noch zu schaffen! Wie schwer und tief ist der Gegensatz des Lebensgeistes, den wir in uns tragen, zu dem Todeswesen, das sich sonderlich in unserem Leibe zusammenfasst! Leibes-Tod ist dem Gläubigen Gewinn. Es geht aus dem Zuchthaus in die freie Entfaltung; es geht aus der Enge in die Weite, aus der Tiefe in die Höhe; es geht vom Glauben zum Schauen, vom Kampfe in die Ruhe; es geht von dem Weg des Sterbens zum Leben, in das direkt sich entfaltende Leben.

Weil Christus sein Leben war, so war Sterben dem Paulus Gewinn. Das war nun sein Grundstand, auf dem er unweigerlich fest bestand, und von dem aus er alle seine Entscheidungen traf. Das Leben war ihm Christus, und Sterben in jeglicher Form, auch in der leiblichen, war ihm Gewinn. Hast du auch solchen Grundsinn im Heiligen Geiste? Ist dir auch außer Christo alles Tod, auch alles noch so hochfahrende Leben Tod? Und ist dir auch in Christo alles Leben, auch der widerwärtigste Tod? Das heißt an Jesum Christum glauben und in Ihm sein!

Abscheiden, um bei Christus zu sein

In diesem Stand in Christo war nun Paulus allmählich ein vielgeübter und älterer Mann geworden. Er hat außer dem Heiland selbst wohl wenige Menschen auf der Welt gegeben, welche mehr gelitten haben und mehr Sterbenswege geführt worden sind als Paulus; und zum Schluss der schwere Gefangenschaftsweg - schwer um des Unrechts willen, das ihm anklebte, schwer um der Beschränktheit willen für den rastlosen Kämpfer des Herrn. Und über drei Jahre lang lag er nun schon in diesen Banden, als er unseren Philipperbrief schrieb. Von Cäsarea war’s nach Rom gegangen, und da war er nun. Immer mehr gewann alles den Anschein, als ob er den Märtyrertod bald erleiden sollte. Das war für Paulus etwas Großes! Da ging sein ganzes Verlangen hinein. Seines Lebens Grundsehnen war, i n C h r i s t o erfunden z u w e r d e n. Er wollte nicht nur die Gerechtigkeit in Christo, er wollte auch die Kraft Seiner Auferstehung in einem neuen Leben; ja, er wollte die Gemeinschaft der Leiden Christi und dass er S e i n e m Tode ä h n l i c h würde. Für die lebendigen Gläubigen gehört stets das Leiden Christi zu der Gleichheit, in welche sie mit Christus hineingebildet werden sollen, und dazu gehört auch die Gemeinschaft des Todes Christi. Für Paulus war der Märtyrertod ein Siegel seines Lebens, seiner Arbeit und seines Glaubens. Wusste er doch e i n e s gewiss: der Augenblick des Abscheidens hier war der Augenblick der sichtbaren Vereinigung mit dem Herrn. Abscheiden und bei Christus sein sind zwei unzertrennliche Akte. Das war aber eine heiße Sehnsucht des Apostels: „Beim Herrn zu sein“.

In einem früheren Brief, dem zweiten Korintherbrief, spricht er sogar den Wunsch aus, lieber gar nicht entkleidet zu werden, sondern dem Herrn in Seiner Ankunft entgegen gerückt und überkleidet zu werden. Und deutlich sagt er es dort: „Solange wir in der Hütte sind, sehnen wir uns und sind beschwert.“ „Wir hätten viel mehr Lust, außer dem Leibe zu wallen und daheim zu sein beim Herrn.“ Und Röm 8 sagt Paulus: "Auch wir, die wir haben des Geistes Erstlinge, seufzen nach unseres Leibes Erlösung.“ Was mag es für diesen Mann gewesen sein, als nun die Stunde nach wohl durchlittenem Lebenslauf sichtbar näher rückte? Wir verstehen ihn, wenn er sagt „Ich habe Lust abzubauen und bei Christus zu sein.“ Ein ganzes Leben lang Jesum geglaubt haben, Jesum geliebt haben, Jesus gelebt zu haben, für Jesus gelitten haben, Seelen für Jesus gewonnen haben - und nun zu Ihm dürfen!

Ihr werdet euch freuen!

Petrus sagt im ersten Brief: „Die ihr Ihn nicht gesehen und doch lieb habt, ihr werdet euch freuen mit einer unaussprechlichen und herrlichen Freude.“ Petrus muss es doch wissen; er hat Ihn ja gesehen vor und nach der Auferstehung und in vorübergehender Lichtherrlichkeit. Solche Freude hat gewiss auch den Paulus erfüllt, als er merkte, es geht durch den Märtyrertod zu Ihm. Haben wir auch eine Freude auf Christus, ein inneres Sehnen, Ihn zu sehen? Wie könnte man ein ganzes Leben mit dem Herrn im Geiste umgehen und Ihn nicht sehen wollen? Wunderbarer Heiland, welcher für Gläubige den Tag des Auflösens dieser Hütte zu einem solchen Freudentag macht! Viele alte Märtyrer nannten ihre Todestage ihre Geburtstage. Es ist viel fleischliche Stellung zum Tode, zu eigenen und zu dem der Unsrigen, noch unter uns. Hier tut eine Geistesrevision sehr not. Das Sterben jeglicher Art muss zu den Lebensbegriffen der Gläubigen gehören. Die völlige Liebe Christi, mit welcher wir von Ihm geliebt sind, treibt die Furcht aus.

So hätte man also wohl denken sollen, der Apostel Paulus hätte seinen Philippern geschrieben: Meine lieben Philipper, ich bin hoch erfreut, ich sehe aus allem Umständen, dass ich nach einem Leben voller Leiden und Trübsale, wie ihr zu Philippi ja wohl wisset, nun bald heimgehen und beim Herrn sein darf. Freuet euch mit mir. Es ist keine Frage, es geht durch den Philipperbrief so etwas wie eine hellere Ewigkeitsfreude, welche wir in diesem Grade in den anderen Briefen nicht finden. Aber wunderbar, ganz wunderbar, die Entscheidung des Apostels fällt nicht a u f die E w i g k e i t s s e i t e, sondern auf die E r d e n s e i t e. Ach, die Glaubensentscheidungen, wie ganz anders sind sie doch als die Naturentscheidungen. Gerade umgekehrt!

Der Kampf des Paulus

Als der Apostel so vor der offenen Tür der jenseitigen Christuswelt mit der Sehnsucht hineinzutreten stand, da traten seine Philipper und seine Gemeinen dazwischen. Er hatte nach Rom allerlei Nachricht von Philippi bekommen. Wie gut wäre da noch die Gegenwart des väterlichen Apostels, welche Arbeitsfrucht könnte dort, ja müsste dort in Philippi und in den anderen Gemeinen noch gewirkt werden! Und siehe, der schon stark nach der Himmelstür laufende Apostel dreht noch einmal um und schaut Mazedonien zu. Meint er, er sei unentbehrlich? Meint er, kein anderer könne das Werk weiterführen? O nein! Von wie vielen Gemeinen ist er schon rasch und jäh getrennt worden und der A n d e r e, der große A n d e r e hat durch die Kraft des Heiligen Geistes das Werk weitergeführt. Paulus weiß das wohl. Es ist etwas ganz anderes, was ihn zieht. Er sieht die vielen, aber doch auch mit seiner Person verknüpften Aufgaben, und da kommt es ihm, ob er sich wohl schon so rückhaltlos der anderen Welt zuwenden dürfe. Sollte es vielleicht des Herrn Wille sein, ihn noch da unten weiter benutzen zu wollen? Hatten deshalb die Philipper herschicken müssen? Es legte sich ihm hart an.

Wie ein Gurt umschnürte es ihm Brust und Herz. Noch ein Kleines und Jesus sehen, das wäre doch das allerbeste und allerfeinste - viel, viel besser als alles andere. Fast konnte er den großen, herrlichen Gedanken nicht fahren lassen. Aber: Philippi, Thessalonich, Beröa, Athen, Korinth, Ephesus und wie sie alle hießen: wenn der Herr noch eine Aufgabe für ihn hatte, er wollte sich nicht entziehen. Er wusste ja wohl, da unten weiter dienen war ein W e i t e r l e b e n im F l e i s c h, und was das bedeutete, das wusste er auch: ein alter kranker Leib, allenthalben viele Feinde, Unruhe Tag und Nacht, Hunger, Blöße, Gefahr usw.. O, er wusste alles. Er wusste auch die Mühen unter den Gläubigen, gleichwie ihr Gutes und Schönes. Aber er wollte auch noch einmal im Fleische leben, wenn es diente, Frucht des Werkes zu bringen. Wenn es noch nötig war um ihretwillen, wohlan, so wollte er vor der Herrlichkeitstür noch einmal kehrtmachen und bei ihnen da unten weiterkämpfen.

Die Entscheidung

Und Gehen und Bleiben - immer mehr umdrängte ihn beides. Er kämpfte, er rang, er betete - und siehe, nicht das Schönere, nicht das Bessere, nicht das Angenehmere, nicht das Herrlichere gewann des Sieg, sondern das Schwerere, das Entsagungsreichere, das Härtere. „In guter Zuversicht weiß ich, dass ich bleiben und bei euch allen sein werde. „ Und das Herz geht ihm auf, wenn er sich wieder bei den Philippern sieht. „Euch zur Förderung und Freude des Glaubens, auf dass ihr euch sehr rühmen möget in Christo Jesu, wenn ich wieder zu euch komme.“ Die höhere Liebe, die Geistesliebe, die Selbstentäußerung hat gesiegt. Auch wo er mit vollem Recht und in geistlicher Weise hätte an sich denken dürfen, denkt und lebt er für die anderen. Für das Schwerere entscheidet sich der Glaube, für das Notwendigere, nicht für das Angenehmere. Gewaltige Glaubensentscheidung des alten, kranken, gefangenen Paulus! So nahe am reinen Geistesleben des Schauens, und aus Gehorsam und Liebe zurück ins Fleisch!

Können wir auch so entscheiden, so frei auch von der höchsten Stufe der Eigenliebe, der frommen und seelischen? Wollen wir bei schweren Entscheidungen auch nach dem Geiste verfahren und nach dem Schwereren greifen, nicht nach dem, was viel, viel besser wäre? Schämen wir uns doch recht tief unserer fleischlichen Entscheidungen! Auch wenn’s ums Leben oder Sterben sich handelt - nicht fleischlich! Leben wollen, um das Leben weiter zu genießen, das muss bei Geistlichen ausgeschlossen sein. Aber auch sterben wollen, weil man sich vielleicht durch eigene Schuld in eine Sackgasse gebracht hat, oder sterben wollen, weil die Nöte und Schwierigkeiten, wie wir glauben unausstehlich sind, da sind alles keine geistlichen Entschlüsse. Kreuz und Elend des Fleischeslebens sind kein Freibrief zu Christus, sondern sind Gelegenheiten ein Überwinder in Christus zu werden.

Bei allem Sehnen nach der Herrlichkeit und Ruhe Christi, das ein Glaubensherz durchzieht, stets auch bereit sein, im Fleisch noch zu leben, wenn der Herr noch Frucht des Werkes durch uns schaffen will; stets bereit, auch wenn’s dem Höchsten zu entsagen gilt, das Niedrigste noch zu leisten, wenn es des Herrn Wille ist - das ist Christenentscheidung. Wir beugen uns im Geiste vor dem, der wohl hätte mögen Freude haben, und erduldete das Kreuz, dass Er Frucht schaffte. Wir stehen aber auch demütig lernend vor einem Apostel Paulus, der so gewaltige Glaubensentscheidungen traf, und bitten den Herrn: Stärke uns den Glauben, und gib uns reichere Geisteskräfte, damit wir im Leben und im Sterben immer geistlichere Glaubensentscheidungen treffen!

Lies weiter:
51. Vom Glauben an, zum Glauben in Christus Kol 2:1-9 (1925)