Die Vorgeschichte zum Propheten Daniel

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Zur Person

Der Prophet Daniel ist in seiner Art einmalig. Er war ein Prophet fern von Zuhause, aber immer ausgerichtet auf den Ort, wo Gott einst wohnte. Er war ein hoher und sehr geschätzter Beamter im Reich des Feindes. Seine Gesichte und Prophezeiungen betreffen vorwiegend die Weltgeschichte und die Nationen, während er in Bezug auf sein Volk wenig prophezeite. Doch das Schicksal seines Volkes war ihm ein ganz großes Herzensanliegen. In Dan 9 verwendet er sich wie ein vorbildlicher Hoherpriester für sein Volk. Daniels Verhalten im Reich des Feindes war in jeder Beziehung vorbildlich.

In erster Linie diente er treu seinem Gott und riskierte dabei mehrmals seinen Kopf. Gleichzeitig unterordnete er sich vorbildlich den jeweiligen Königen, auch dann, wenn sie absolut gottlos waren. Er verschonte die Könige auch nicht vor der Wahrheit. Offen und ehrlich bezeugte er die von Gott angekündigten Schicksale, auch dann, wenn es katastrophale Schicksale waren. Daniel praktizierte keine Heuchelei oder irgendwelche Intrigen am Königshof. Man kann sich die berechtigte Frage stellen: "Wie konnte er sich nur so vorbildlich verhalten?" Daniel war zeitweise der oberste Minister im Weltreich der Babylonier, Meder und Perser. In dieser Superposition riskierte er mit jeder Offenheit gegenüber den Königen, umgebracht zu werden oder lebenslänglich im Kerker zu landen. Man stelle sich vor, welche Annehmlichkeiten er hatte. Er hatte die Möglichkeit in größtem Luxus zu leben, auch wenn er das vielleicht gar nicht tat. Mit jeder Ehrlichkeit gegenüber dem König lief er Gefahr, alle diese Annehmlichkeiten zu verlieren und sein Dasein hätte zu einer großen Tragödie werden können.

Bevor ich zur eigentlichen Geschichte komme, möchte ich auf dieses Rätsel der absoluten Geradlinigkeit Daniels zu sprechen kommen. Wie konnte Daniel am Königshof ein Leben ohne Heuchelei führen, mit all den großen Risiken? Einer der Hauptgründe dafür ist sicher die Tatsache, dass Daniel in einer absoluten inneren Freiheit lebte. Er war frei von den Meinungen und Ansichten der Menschen, er war so frei, dass er auf alle seine Annehmlichkeiten verzichten konnte. Seine innere Freiheit war so grandios, dass er bereit gewesen wäre, sein Leben zu lassen. Er hing weder am Luxus, noch an seinem Ansehen, noch an seinem Leben. Ach, wie wünschte ich mir, eine solche innere Freiheit zu besitzen! Eine solche Unabhängigkeit jedoch, hat eine unentbehrliche Grundlage. Ohne diese Grundlage ist diese innere Freiheit ein Ding der Unmöglichkeit. Daniel hatte ohne Zweifel die Grundlage des Glaubens und des absoluten Vertrauens auf den allmächtigen Gott. Er hatte einfach das Bewußtsein, dass Gott über sein Leben wachen würde, ganz egal, ob er auf dem Ministerstuhl oder im Kerker sitzen würde. Er wußte:

"In jedem Fall macht es Gott richtig und in jedem Fall muß mir alles zum Guten zusammenwirken!"

Aus diesem Bewusstsein heraus kam Daniel in die ganz große Freiheit hinein. Weil er ganz an Gott gebunden war, konnte er von allen irdischen und äußeren Sachzwängen völlig frei sein. Ein wesentliches Merkmal dieser inneren Freiheit zeigt sich besonders dadurch, dass ein Mensch die Dinge seines Lebens im Herzen loslassen kann, bevor sie effektiv fehlen. Denn bei vielen Dingen in unserem Leben können wir uns durch innerliches Loslassen schon vorher auf den Verlust einstellen, zum Beispiel, wenn unsere Kinder anfangen, ihr eigenes Leben zu leben oder wenn wir beginnen, alt zu werden. Wenn wir dieses Loslassen nicht lernen, schmerzt ein Verlust um ein Vielfaches mehr und länger. Auch bei einem unerwarteten, plötzlichen Verlust ist es wichtig, dass wir uns einem inneren Lösungsprozess unterziehen. Gott möchte uns in diese Freiheit führen und deshalb leitet er uns Wege, die uns dieses innere Loslassen lehren, das eine unglaublich heilende Wirkung auf unsere Seele hat.

Oft gab es in meinem beruflichen Alltag Situationen, in denen ich mit der Möglichkeit konfrontiert wurde, dass unser Geschäft bankrott machen könnte. Ein solch drohender Konkurs hat meine Seele doch sehr gestreßt. In dem Augenblick, als ich in meinem Herzen sprechen konnte, "wenn unsere Firma in Konkurs gerät, dann hat Gott für mich einen anderen Weg, und dieser Weg ist für mich in jedem Fall besser", hat die ganze Misere für mich an Bedeutung verloren. In meinem Herzen fühlte ich mich völlig erleichtert. Äußerlich mußte ich unser Geschäft damals nicht loslassen, aber innerlich habe ich es schon einmal getan und genau das half mir, viel weniger zu sorgen. Es ist wunderbar, wenn wir uns von Dingen herzensmäßig lösen können, obwohl wir sie äußerlich noch besitzen. Eine solche Haltung macht uns glücklich, macht uns ruhig, heilt unsere Seele und mit ihr können wir in die Ruhe Gottes eingehen. Diese Haltung vermittelt uns den Frieden Gottes, der jeden Verstand übersteigt und - eine solche Haltung macht uns völlig frei! Dies zu praktizieren geht sehr stark gegen unser natürliches Bestreben, es ist aber das Rezept für eine absolute Freiheit und Heilung der Seele. Jedes Mal, als Jesus seinen Leidensweg und sein Sterben ankündigte, hat er innerlich schon bereits sein Leben losgelassen, sein Wohlbefinden, seine Kleider, seine Seele, seine Anerkennung vor den Menschen und den Engeln. Alles hat er bereits in seinem Herzen losgelassen, bevor er es äußerlich hergeben musste. Eine ähnliche innere Freiheit hatte auch Daniel Zeit seines Lebens. Beachten wir nun, wie sich dies durch sein ganzes Leben gezogen hat. Wahrscheinlich war dies, nebst der Gnade Gottes auch der Hauptgrund, weshalb Daniel aus geistlicher Sicht in seinem Leben immer erfolgreich war.

Der Beginn einer einmaligen Lebensgeschichte

Zu Beginn lesen wir was folgt:

  • Dan 1:1-2 Im dritten Jahr der Regierung Jojakims, des Königs von Juda, kam Nebukadnezar, der König von Babel, nach Jerusalem und belagerte es. 2 Und der Herr gab Jojakim, den König von Juda, in seine Hand und einen Teil der Geräte des Hauses Gottes. Und er brachte sie ins Land Schinar, in das Haus seines Gottes: die Geräte brachte er in das Schatzhaus seines Gottes.

Als Jerusalem von Nebukadnezar belagert wurde, war Daniel vermutlich ein Kind oder Teenager. Ziemlich sicher lebte Daniel mehr als 70 Jahre im babylonischen Weltreich. Da Daniel kaum über 90 Jahre alt wurde, war er höchstwahrscheinlich noch keine zwanzig, als er nach Babel verschleppt wurde.

Man stelle sich die Situation vor: Daniel lebt in einer schönen Stadt und gehört zu den Vornehmen und Adligen. Sehr wahrscheinlich war seine Familie wohlhabend und seine Kindheit von Luxus geprägt. Eines Tages kommt es zu einer Belagerung durch einen schrecklichen Feind, Angst ging durch die Stadt. Daniel erlebt die furchtbaren Stunden, in denen der grausame Feind immer mehr in die Stadt eindringt und wie viele Menschen abgeschlachtet wurden. Er gerät in Gefangenschaft und hat keine Ahnung, was ihn erwartet.

Kommt er als Gefangener in ein Arbeitslager oder auf eine Galeere?
Wird er als Sklave an einen grausamen Herrn verkauft?
Gibt es je wieder einmal ein Leben, das einigermaßen erträglich ist?
Dass sein Leben je wieder so angenehm werden könnte wie es bisher war, darauf konnte er wohl kaum hoffen.

Ich denke dass Daniel erkannte; jetzt gibt es nur noch eines:

  • "Ich will einzig und allein auf meinen Gott hoffen und ihm ganz vertrauen".

Wir erleben Daniel als jungen Menschen, dem es kaum gegönnt war, sein Leben zu genießen. Er hatte menschlich gesehen, alles andere als eine "rosige Zukunft" vor sich. Doch, wie so oft, sind äußere schlechte Zustände eine gute Grundlage, um ins Wesenhafte, um ins wahre Leben vorzustoßen. Hier können wir eine Weisheit erkennen, die schon Jeremia - ein Zeitgenosse Daniels - erwähnt hat:

  • Kla 3:27 - Gut ist es für den Mann, wenn er das Joch in seiner Jugend trägt.

Viele Psychologen sagen oft: "Eine schwere Kindheit stellt ein großes Handicap für's Leben dar". Für etliche Menschen ist dies auch so, aber für einige ist es auch eine gute Grundlage, gewisse Dinge besser zu erkennen. Auch meine Kindheit war nicht gerade "Friede - Freude - Eierkuchen", aber ich möchte keine Phase meiner Kindheit missen. In dieser Zeit wurden viele wertvolle Grundlagen für mein Leben gelegt. Es ist schwer zu sagen, weshalb sich bei einigen Menschen die schwere Kindheit negativ und bei anderen positiv ausgewirkt hat. Das Mass des Leids, die in die Wiege gelegte Persönlichkeitsstruktur und die empfangene Liebe dürfte dabei eine ganz zentrale Rolle spielen. Eine schwere Kindheit mit Liebe kann natürlich viel besser bewältigt werden, als wenn man gar keine Liebe erfährt.

Eigentlich gab es für Daniel nur zwei Möglichkeiten: Entweder mit Groll, Wut, Bitterkeit und Verzweiflung die Situation über sich ergehen zu lassen oder auf den allmächtigen Gott zu hoffen und vertrauen, dass er sorgt und den richtigen Weg führt. Ohne Zweifel hat sich Daniel für das Zweite entschieden. Wahrscheinlich spürte er auch mehr oder weniger die Gefühle der Wut und Verzweiflung, sie gewannen aber nicht die Oberhand über sein Leben. Die Lebensaussichten dieses Jünglings waren also alles andere als ermutigend. Er sollte in ein Land der Götzendiener und Heiden kommen, und dies noch als Knecht. Aber in Schinar angekommen, hat er vielleicht den Zuspruch des Propheten Jeremia vernommen, wo es hiess:

  • Jer 29:4-7 4 So spricht der HERR der Heerscharen, der Gott Israels: An alle Weggeführten, die ich von Jerusalem nach Babel gefangen weggeführt habe: 5 Baut Häuser und wohnt darin! Pflanzt Gärten und eßt ihre Früchte! 6 Nehmt Frauen und zeugt Söhne und Töchter! Und nehmt Frauen für eure Söhne, und eure Töchter gebt Männern, damit sie Söhne und Töchter gebären, damit ihr euch dort vermehrt und nicht vermindert! 7 Und sucht den Frieden der Stadt, in die ich euch gefangen weggeführt habe, und betet für sie zum HERRN! Denn in ihrem Frieden werdet ihr Frieden haben.

Der Name des damaligen Königs von Juda war Jojakim (hb. yehôyâqîym, +03079), was mit "Jahweh läßt erstehen" oder "der HERR möge aufrichten" übersetzt werden könnte. Dieser Name lässt einige Fragen offen, wenn man bedenkt, dass er ein gottloser König war, der den Propheten Uria verfolgte und ihn umbrachte (Jer 26:20-23). Ausgerechnet dieser Mann trägt einen solchen Namen. Ein Name ist in der Bibel immer auch Berufung, Auftrag, Bestimmung und Verheißung. Es scheint, dass dieser Mann seiner Berufung nicht gerecht wurde, doch sein Name heißt ja nicht "Jojakim läßt erstehen", sondern "Jahweh läßt erstehen". Tatsächlich ließ der HERR in der Zeit dieses schlimmen Königs große Männer erstehen. Daniel und seine drei Freunde waren Männer von besonderem Format. Oft ließ Gott in einer schlimmen und bösen Zeit Menschen erstehen, die geistlicherweise ganz wesentliche Akzente gesetzt haben.

Diese Tatsache kann man auch indirekt aus dem Gleichnis "vom Unkraut des Ackers" ersehen. Während die Bösen voll ausreifen, reifen auch die Guten voll aus, das heisst, in einer Zeit der ganz großen Gesetzlosigkeit wächst auch das Gute in besonderer Weise. Gott, der Herr, läßt in dieser Zeit Gutes erstehen.

Nebukadnezar, einer der größten Könige der Weltgeschichte, vielleicht sogar der Größte (da er ja mit dem Haupt aus Gold verglichen wird; Dan 2:38), spielt eine ganz entscheidende Rolle. Der Name Nebukadnezar (hb. nebûkkadnetstsar +05020) bedeutet "Wildling am Krug des Hohlen / Höhlenden" oder "Nebo schütze den Sohn" (Nebo = Gott der Schreibkunst, Wissenschaft, Astrologie). Dieser Mann, der weltlich gesehen eine unglaubliche Herrlichkeit und einen großen Glanz vorweisen konnte, war in den Augen Gottes ein Wildling. Dies wurde dann vor allem in seinem Gericht deutlich, als er sieben Jahre wie zu einem Tier wurde (Dan 4:29 ff) Nebukadnezar bekam seinen Namen vermutlich von seinem Vater Nabopolassar. Mit dieser Namengebung wünschte sich Nabopolassar wahrscheinlich, dass der Gott der Schreibkunst, Wissenschaft und Astrologie seinen Sohn schützen möge. Schreibkunst, Wissenschaft und Astrologie sind die hochstehenden Weisheiten dieser Welt. Alle Weisheiten der Welt sollten den Sohn, sollten Nebukadnezar vor einem Fall und vor Unglück schützen. Hier sehen wir, dass das Vertrauen in das Falsche gesetzt wurde. Die Weisheiten dieser Welt und ihre Götter können nicht dauerhaft schützen, geschweige denn retten. Es gibt nur ein Gott, der wirklich retten kann und das ist der Herr Jesus Christus (Jes 45:21-23; Phil 2:9-10).

Auch Satan setzte sein Vertrauen auf das, was nicht retten kann, auf seine eigene Stärke und seine eigene Weisheit. In Lk 11:22 bezeugt Jesus indirekt, dass Satan auf seine Waffenrüstung vertraut. Es gibt ja die Redensart: "Wissen ist Macht!" Es war schon immer so, dass der Weise und der Intelligente mehr Macht ausüben konnte, als ein körperlich Starker. Der Weiseste muß immer den Sieg davontragen. Dies wußte Satan von Anfang an. Er wußte um seine enorme Weisheit und vertraute darauf. Er dachte: "Mit dieser Weisheit sollte es mir möglich sein, alle Macht zu erlangen". Die alles überragende Weisheit Gottes erkannte er noch nicht oder er hoffte, sie noch in irgend einer Weise zu überwinden.

Bei der Belagerung gelangen die Geräte des Hauses Gottes in die Hände des Feindes. Sie werden verschleppt und in das Haus des Gottes des Feindes gebracht. Man müßte sich hier fragen: "Wie ist es möglich, dass der allmächtige Gott so etwas zuläßt? Seine heiligen Geräte werden doch verunglimpft, wenn sie in die Hände von untergeordneten Göttern geraten? Warum läßt der Allmächtige eine solche Schande über sich ergehen?" Es gehört zu der Eigenheit der Wege Gottes, dass das Gericht am Hause Gottes beginnt (1Petr 4:17). Dieses Gericht äußert sich unter anderem dadurch, dass die dem Hause Gottes Zugehörigen, in die Hände des Feindes geraten. Sie kommen sogar in den Herrschaftsbereich von fremden Göttern. Heiliges kommt an unheilige Örter. Doch diese Dinge bleiben nicht für immer dort. Zu der von Gott gegebenen Zeit kommen sie an ihren Bestimmungsort, der gleichzeitig ihr Ursprungsort ist, zurück. Sind nicht auch wir im Herrschaftsbereich des Feindes, an dem Ort, wo der Gott und Fürst dieser Welt regiert (2Kor 4:4)? Das Gebiet des Feindes hieß Schinar. Schinar heißt "Zahn des Gegners". Durch einen Zahn wird gerissen und zermalmt. Im Gebiet des Feindes wird zerrissen und zermalmt. Tatsächlich wäre Daniel von den Löwen beinahe zermalmt worden. Aber wenn Korn zermalmt wird, dann gibt es Mehl, die Grundlage für das Brot. Selbst im Gebiet des Feindes, in der Region der Zermalmung, hat unser Gott Wunderbares im Sinn.