Die Sündhaftigkeit des Volkes Gottes - Jes 59:1-15a

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aus HSA: Verkündiger von Gericht und Heil nach Jesaja (40-66) Bd.2


Die Sündhaftigkeit des Volkes Gottes - Jes 59:1-15a

Eduard König leitet diesen Abschnitt mit den Worten ein: "Nicht Jahwes Unvermögen, sondern Israels gräuliche Sündhaftigkeit verhindert den Anbruch der vollen Heilszeit." So muss vor der Kunde vor Israels zukünftigem Heil (Jes 60-62) von der Sünde des Volkes gesprochen werden. Dies geschieht in Anklage und Beschreibung der Sünde (Jes 59:3-8) und danach in persönlicher Beichte der Sünder (Jes 59:9-14a).

Den Sündern aller Zeiten gilt der ernste Hinweis in Jes 59:2, dass Sünde und Schuld eine Scheidewand bilden zwischen Mensch und Gott. Der freche Sünder darf nicht meinen, er könne - ohne Umkehr - Gemeinschaft mit Gott haben, Frieden finden, Heil erlangen; nein, er bleibt von der Sünde umklammert; seine Gedanken und Pläne und Werke sind heillos - d.h. er fügt sich selbst und anderen nur Unheil zu; dabei ist er gleichsam blind, er erkennt seinen wahren Zustand nicht und will ihn nicht erkennen. Da ist es schon ein großer Fortschritt, zur Sündenerkenntnis und zu einem Sündenbekenntnis zu gelangen (Jes 59:9-15a); so kommt ein Heilungsprozess in Gang. Paulus zitiert die Verse Jes 59:7.8 (verkürzt) in Röm 3:15-17; er weist dort (Röm 3:9-20) auf die Sündhaftigkeit aller Menschen hin, sowohl der Juden als auch der Griechen, und er zeigt: Eine Rettung kommt nicht dur Gesetz zustande (das zur Erkenntnis der Sünde bringt, aber nicht Vergebung, Rechtfertigung, Erlösung), sondern nur durch den Glauben an Jesus Christus (Röm 3:22-24).

Welche Zeit steht dem Propheten bei seiner düsteren Beschreibung vor Augen - die vorexilische Zeit unter dem gottlosen Manasse, die Zeit des Exils in Babylon oder gar die nachexilische Zeit? Das Letztere dürfte nicht zutreffen, es passt nicht zu dem in den Büchern Esra und Nehemia Berichteten; eher dürfte Delitzsch Recht haben, wenn er schreibt: "Der Standpunkt des Propheten ist hier das letzte Jahrzehnt des Exils; es lässt sich denken, dass damals, als Kyrus einen glücklichen Schlag nach dem andern ausführte, aber doch erst spät sich gegen Babel wandte, Hoffnung und Mutlosigkeit in den Gemütern der Exulanten unaufhörlich wechselten. Die dunkle Zukunft, welche der Prophet im Lichte des Geistes durchschaut, wurde da von Hoffnungsstrahlen durchbrochen, aber es kam nicht zum Lichte, nicht zu völliger Aufhellung; vielmehr blieb Finsternis der Grundzustand." Und nach Jes 59:7 sah es wohl so aus, "dass die treuen Bekenner im Exil von ihren gottvergessenen Volksgenossen bis aufs Blut verfolgt wurden."

Israel beichtet dem Herrn seine Not der Orientierungslosigkeit und Auflehnung, ja, der Gewalttat und Lüge (Jes 59:9-13). Zu Jes 59:5 bemerkt E. König: "Ihre Pläne sind ganz giftig, aber glücklicherweise ebenso undurchführbar", und zu Jes 59:11 sagt er: "Sie 'brummen' vor Unwillen über das Ausbleiben des den Feinden gewünschten Gerichts und 'gurren' vor Sehnsucht nach dem für sie selbst erwarteten Heil."

Des Öfteren begegnen wir im Alten Testament der Vorstellung vom Leben als Weg (Bahn, Pfad), so auch hier in den Versen Jes 59:7.8 - Welches sind die Bahnen unserer Gedanken und Pläne? Auf welchen Wegen schreiten oder eilen unsre Füße? Sind unsre Pfade gerade oder krumm (von Aufrichtigkeit oder lügnerischem Taktieren geprägt)? Haben wir uns vom Herrn geöffnete Augen und Orientierung (durch Erkenntnis seines Wesens und seiner Wege) schenken lassen (Eph 1:17.18)? Gehören wir dem Herrn Jesus Christus (und damit der Wahrheit und Gerechtigkeit) verbindlich? - Das sind Fragen, die sich aus unserem Text ergeben.