Die Lastenträger

Aus Bibelwissen
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Von Daniel Muhl

Welche Gedanken kommen uns in den Sinn, wenn wir das Wort „Lastenträger“ hören? Vielleicht denken wir an jene Menschen, die alles andere als einen beneidenswerten Job haben? Ich werde zum Beispiel an die Sherpas am Himalaya erinnert, die eine große Menge Material in die Basislager der „Extrembergsteiger“ tragen. Um einen Mount Everest zu besteigen braucht es ja mehrere Zwischencamps, ansonsten lässt sich so ein Vorhaben gar nicht umsetzen. Man kann wohl kaum mit einem Rucksack bei 4'000 Meter über Meer starten und damit die Spitze von 8'848 M. ü. M. erreichen. Ich weiß nicht wie viel Kilogramm Material es benötigt, damit eine Person den höchsten Berg der Erde besteigen kann, aber ich weiß, dass dafür in der Regel mehrere Lastenträger notwendig sind, wenn man das Problem nicht mit einem Hubschrauber lösen will. Ohne Lastenträger hätten die Erstbesteiger im Jahre 1953 das Ziel auf jeden Fall nicht erreicht. Sie waren die unabdingbare Voraussetzung für die Erreichung des Zieles. Sie ermöglichten den beiden Erstbesteigern einen großen Erfolg und eine weltweite Anerkennung.

Wenn ich an die Tierwelt denke, dann kommen mir zuerst die Esel in den Sinn, die häufig als Lastenträger benutzt werden. Obwohl sie ihre Lasten meist geduldig von A nach B tragen, so sind sie trotzdem mit eher negativen Klischees behaftet. Nicht selten werden sie als störrisch und dumm bezeichnet. Diese Eigenschaften sind vielleicht nicht ganz von der Hand zu weisen und der Esel ist auch längst nicht so ein elegantes Tier wie das Pferd, aber grundsätzlich ist der Esel ein treuer und wertvoller Wegbegleiter des Menschen.

In der Bibel ist eine Eselin das einzige Tier, dem der Herr „den Mund öffnete“, so dass es zu Bileam reden konnte (4Mo 22:28). Ebenso ist die Eselin das Geschöpf auf dem Jesus in Jerusalem einzog (Mt 21:1-11). Die scheinbar „dumme und störrische Eselin“, die praktisch „nur“ als Lastenträgerin gebraucht wird, erhält vom Schöpfer eine ganz besondere Ehre und Anerkennung. Ihr wurden die Augen zuerst geöffnet und erst im Anschluss konnte auch Bileam das unsichtbare Wesen sehen. Sie durfte reden und Bileam musste danach bestätigen, dass sie immer pflichtbewusst und treu war.

Die Lastenträger scheinen in dieser Welt oft die Dummen zu sein und es sind oft jene, denen man kaum Beachtung schenkt. Wer erinnert sich schon an die Sherpas, die 1953 den Erfolg der beiden Erstbesteiger des Mount Everest erst möglich machten? Auch heute gibt es viele unscheinbare Lastenträger, die treu und mit viel Liebe ihren Dienst verrichten. Auch sie werden von der Gesellschaft kaum wahrgenommen. Ich bin überzeugt, dass gerade auch die stummen Lastenträger einmal zu Wort kommen und dass ihnen der Herr einmal eine besondere Ehre zuteil werden lässt.

Den allergrößten Lastenträger finden wir im Johannesevangelium:

  • Am folgenden Tag sieht er Jesus zu sich kommen und spricht: Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde (oder die Schuldenlast) der Welt wegträgt! (Joh 1:29)

Währenddem wir Menschen uns angewöhnt haben, die Schuld immer auf einen anderen zu schieben, hat Jesus als der einzig Sündlose die Sündenlast der ganzen Welt auf sich genommen. Gleichzeitig schenkt Er allen, die sich Ihm anvertrauen, Seine eigene göttliche Gerechtigkeit und Vollkommenheit. Das war der größte und seltsamste „Deal“ in der Weltgeschichte. Wie kann sich der einzig Gerechte und Sündlose zur Sünde machen lassen (2Kor 5:21), währenddem sündhafte Menschen, die an Jesus glauben, mit Seiner Gerechtigkeit beschenkt werden? War das aus der Sicht des Sündlosen nicht eine himmelschreiende Ungerechtigkeit? Eigentlich schon. Aber weil Er dies aus Liebe zu uns an sich geschehen ließ, übertrifft dieses Geschehen jegliche menschliche Gerechtigkeit. Die Liebe Gottes steht über jeder anderen Gerechtigkeit und nur sie allein erzeugt die „Gerechtigkeit Gottes“, die uns auch im Römerbrief beschrieben wird:

  • Gottes Gerechtigkeit aber durch Glauben an Jesus Christus für alle, die glauben. Denn es ist kein Unterschied, denn alle haben gesündigt und erlangen nicht die Herrlichkeit Gottes und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist (Röm 3:22-24).

Der Lastenträger Jesus Christus hat die Wende in der ganzen Menschheitsgeschichte eingeleitet. Er hat uns durch Sein beherztes Handeln und durch Seine frohe Botschaft deutlich gemacht, wie wir gerechtfertigt werden. Leider haben noch nicht viele das wunderbare Vorrecht erkannt, dass wir Menschen uns nicht mehr selber vor Gott rechtfertigen und gerecht machen müssen, sondern dass wir uns dies allein im Glauben und umsonst schenken lassen dürfen.

Die Wegnahme der weltweiten Sündenschuld hat uns Menschen in eine ganz neue Situation versetzt. Allerdings geschah diese Wegnahme vorerst nur „juristisch“. Die Tatsache, dass wir von unserer Sündenlast befreit sind, ist noch nicht sichtbar und kann nur geglaubt werden. Wer den Worten Gottes aber vertraut, kann erkennen, wie es bereits heute aus der Sicht Gottes aussieht:

  • Alles aber von Gott, der uns mit sich selbst versöhnt hat durch Christus und uns den Dienst der Versöhnung gegeben hat, [nämlich] dass Gott in Christus war und die Welt mit sich selbst versöhnte, ihnen ihre Übertretungen nicht zurechnete und in uns das Wort von der Versöhnung gelegt hat. So sind wir nun Gesandte an Christi Statt, indem Gott gleichsam durch uns ermahnt; wir bitten für Christus: Lasst euch versöhnen mit Gott (2Kor 5:18-20)!

Aus dieser Stelle wird ersichtlich, dass der himmlische Vater das Gebet Seines Sohnes am Kreuz erhörte als Er sagte:

  • Vater, vergib ihnen! Denn sie wissen nicht, was sie tun (Lk 23:34)!

Der größte Lastenträger aller Zeiten bewirkte die alles entscheidende Wende in der Weltgeschichte. Weil Jesus Christus die gesamte Schuldenlast wegnahm, kann Er jetzt den Menschen, die Ihm vertrauen auch das wahre göttliche Leben schenken!

Einige Lastenträger tragen fremde Lasten infolge einer Pflicht und um dabei Geld zu verdienen (wie das vermutlich bei den meisten Sherpas der Fall ist). Einige aber tragen für andere Menschen ihre Lasten, weil sie sie lieben. Wenn wir lieben, dann lernen wir auch die Last des anderen zu tragen. So lesen wir im Brief an die Galater:

  • Einer trage des anderen Lasten, und so werdet ihr das Gesetz des Christus erfüllen (Gal 6:2).

Aus dem Textzusammenhang wird deutlich, dass es sich hier unter anderem zuerst einmal um Fehltritte von Mitmenschen handelt. Der Liebende sagt nicht: „Was gehen mich die Sünden meines Bruders an? Das ist doch seine Angelegenheit. Der soll doch selber schauen, wie er damit vor Gott klar kommt. Er ist schließlich selbst schuld, wenn er dann von Gott gerichtet wird!“ Genau diese Haltung hatte der Prophet Daniel nicht. Von Daniel lesen wir in der Bibel kein einziges Fehlverhalten. Auch wenn er nicht sündlos war, so berichtet uns die Bibel von ihm doch keine einzige Sünde. Er war treu und er vertraute Zeit seines Lebens auf Gott. Das Gleiche können wir aber nicht über sein Volk sagen. Das Volk der Juden war treulos und diente oft den Götzen, welche auch als fremde Götter und Dämonen bezeichnet werden. Daniel betete keine Götzen an! Trotzdem nahm er die Sündenschuld seines Volkes auf sich und trug diese Last vor Gott, als er betete und sprach:

  • Ach, Herr, du großer und furchtbarer Gott, der Bund und Güte denen bewahrt, die ihn lieben und seine Gebote halten! Wir haben gesündigt und haben uns vergangen und haben gottlos gehandelt, und wir haben uns aufgelehnt und sind von deinen Geboten und von deinen Rechtsbestimmungen abgewichen. Und wir haben nicht auf deine Knechte, die Propheten, gehört, die in deinem Namen zu unseren Königen, unseren Obersten und unseren Vätern und zum ganzen Volk des Landes geredet haben. Bei dir, o Herr, ist die Gerechtigkeit, bei uns aber ist die Beschämung des Angesichts, wie es an diesem Tag ist: ... (Dan 9:4-7).
  • ... Herr, höre! Herr, vergib! Herr, merke auf und handle (Dan 9:19)!

Es beeindruckt mich immer wieder aufs Neue, wie der Prophet Daniel die ganze Sündenlast seines Volkes auf sich lud und sie vor Gott brachte und um Vergebung bat. Menschen, die wie Daniel, über eine solche Herzenshaltung verfügen, sind wahrhaft Männer und Frauen Gottes, die ganz nach Seinem Herzen sind.
Streben wir auch nach dieser Lebenshaltung, die Schuldenlast unserer Mitmenschen im Gebet vor Gott zu tragen, um dann bei Ihm die Vergebung zu erbitten oder stehen bei uns immer noch die eigene Ehre und das Vergnügen im Mittelpunkt? Zugegeben, wer ist schon gerne Lastenträger? Das alles riecht sehr stark nach einer Verminderung unserer Lebensqualität. Tatsächlich ist es auch so, dass derjenige, der versucht, mit seiner eigenen Kraft die Lasten anderer zu tragen, ausbrennen wird! Doch wer die Liebe Gottes ganz persönlich erfahren durfte, so wie der verlorene Sohn die Liebe seines Vaters ganz persönlich erlebte (Lk 15:11-32), der kann gar nicht mehr anders, als zu lieben. Gleichzeitig führt uns die Liebe Gottes – die in uns wirksam wurde – zu einem wunderbaren Frieden und zu einer Freude, die jede andere irdische Lebensqualität bei weitem übersteigt.

Ich wünsche uns allen vermehrt den Mut, göttliche Lastenträger zu werden, weil es nicht nur die Erfüllung des (Liebes-)Gesetzes von Christus ist, sondern weil es auch eine Lebenserfüllung ist, die eine viel größere Freude zur Folge hat, als wir alle erahnen!