Die Edomiter

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Aus dem Zweimonatsheft für gläubige Schriftforscher:
"Das prophetische Wort“ (Jahrgang 1923-25)
Begründet von Professor E. F. Ströter

Herausgegeben von Heinrich Schaedel
Maranatha-Verlag, Klosterlausnitz i. Thür.

Siehe weitere Abschriften

Das erste Buch Mose

von: Prof. E. F. Ströter
Inhaltsangabe: 1Mo 1-50

13. Die Edomiter

Sechsunddreißigstes Kapitel

Es bietet sich uns in diesem Kapitel eine große Ausführlichkeit und ein Reichtum von Namen aus den Nachkommen Esaus, mit denen uns gedient wird. Es wäre ein lohnendes Studium, wollte man der Bedeutung auch dieser Namen nachgehen. Wir müssen es uns aber versagen, da es zu viel Raum in Anspruch nähme und für unsere Zwecke nicht erforderlich ist. Aber doch wollen wir ein wenig bei diesem Kapitel stehen bleiben und, ohne auf Einzelheiten einzugehen, nur einige der großen Züge ins Auge fassen.

Zuerst achten wir darauf, dass uns der Geist Gottes in der Offenbarung gerade dieser Ausgestaltung des edomitischen Lebens, des Lebens des erstgebornen Sohnes, des älteren Bruders Jakobs hier vorführt.

Diese Ausführungen kommen, ehe vor uns das kostbarste, lauterste, herrlichste Lebensbild entrollt wird, das die ganze alte Schrift kennt, das Lebensbild Josephs, in das die Lebensgeschichte Jakobs mündet, wie uns 1Mo 37:2 zeigt: „Das ist die Familiengeschichte Jakobs: Joseph war siebzehn Jahre alt.“ Das ist der bezeichnende Übergang, nachdem die Schrift fertig ist mit den Belehrungen über Jakob, der den Dienst in dieser Welt darstellte. Aber sie kann der Vollständigkeit nicht entbehren, kann nicht unterdrücken, dass zwischen Jakob und Joseph eine sorgfältige Erwägung über das Geschlecht Esaus stattzufinden habe.

Bei dem Doppelnamen Esau-Edom fällt uns die Ähnlichkeit des Namens Adam mit Edom auf. Edom und Adam sind, ohne Vokale geschrieben, wie es im Hebräischen ja der Fall ist, nicht zu unterscheiden. Das ist von tiefer Bedeutung. Bei Esau haben wir eine ähnliche Erscheinung wie bei Ismael im Hause Abrahams. Es findet sich da nur der Unterschied, dass seine Abstammung eine andere ist. Ismael ist geboren von der ägyptischen Magd, während Esau Sohn Rebekkas ist, so gewiss wie Jakob. Esau ist nicht Sohn der Magd, sondern des berufenen Weibes. Rebekka ist beider Söhne Mutter, so gewiss, wie dort derselbe Vater. Das prägt dem Charakter eine andere Tragweite auf. Bei Ismael ist das sklavische von vornherein gegeben mit der Magd. Hier bei Esau nicht.

Wir haben es mit einer Linie zu tun, die dem Herkommen nach sich vollständig deckt mit der Jakobs. Nach der Richtung ist keine Abweichung festzustellen, aber wir sehen, dass der Ausgang ein so ganz anderer ist. Die Gegensätze zwischen Esau und Jakob treten uns in der Schrift mit einer Klarheit, Schroffheit und Bedeutungsschwere entgegen, wie kaum wo anders.

Es fällt einem sofort das Wort der Schrift ein: „Jakob habe ich geliebt, aber Esau habe ich gehasst“ (Mal 1:2). Schärfer, bestimmter, einschneidender kann der tiefe Unterschied gar nicht zum Ausdruck gebracht werden, als es da geschieht.

Nun wird von Esau und seinen Nachkommen erzählt – von den verschiedenen Weibern Esaus wollen wir nicht reden, -- dass sie auf dem Gebirge Seir wohnten (1Mo 36:8). Seir aber ist das Eigentum, das Gebiet der Horiter gewesen (1Mo 36:20-30), und da ist es nicht von ungefähr, dass die Fürstengeschlechter der Horiter ohne Weiteres einverleibt werden in die Geschlechtstafeln der Fürsten aus dem Hause Esaus.

Diese Horiter waren eines der Riesengeschlechter unter den kananitischen Stämmen. Die Kinder Esaus haben diese Horiter niedergeworfen und ihre Behausungen eingenommen. Die Geschlechter, die mit ausgesprochenen Feinden Gottes aufgeräumt haben, mehr als die Israeliten mit den Kananitern (1Mo 14:6; 5Mo 2:12.22). Darin haben wir eine gewisse Auszeichnung vor den Söhnen Jakobs.

Das bringt uns auf eine Linie, die hinanreicht bis auf die Gegenwart Jesu. Wir finden wiederholt in den Schriften der Propheten von Mose an, dass den Kindern Israel unter allen Umständen gewehrt wird, das Schwert zu führen wider Esau. Esau darf von Jakob nie angegriffen, befehdet werden. Freilich vergilt Esau diese schonende Behandlung, die Gott dem Hause Israel einschärft, mit Hohn, Schändung, Verachtung, Herabsetzung.

Esau stellt dar die hämische Schadenfreude, angesichts der Niederlagen, der Verluste, die Jakob erleidet. Ja, es kommt soweit in der Entwicklung der Dinge, dass Esau das Regiment führt über Israel. Denn Herodes war ein Edomiter. Hätte Gott dem Kindermörder nicht gewehrt, so wäre er der Mörder Jesu, des Messias geworden.

Das sind merkwürdige Dinge, aus denen zu ersehen ist, dass hier bedeutsame Zusammenhänge liegen. Dabei aber werden wir auch auf die Unterschiede geführt, die zu beachten sind.

Was sollen sie uns sagen für die gegenwärtige Aufgabe in dieser Welt? Denn alle diese Dinge sind Vorbilder, Schattenbilder von damals fernerem Zukünftigen, ein klarer Spiegel, aus dem wir erkennen die Aufgabe, die er uns gestellt oder nicht gestellt hat.

Die Kriegslust der Söhne Esaus

Wir sehen noch einmal diese kriegslustige Tapferkeit, diese opferwillige Stimmung der Söhne Esaus an, wie sie mit den Riesen, den Horitern fertig werden und deren Gebiet sie einnehmen.

Was sagt uns das? Im Unterschiede zu Jakob, dem dienenden, und dessen Söhnen, die damals das Land nicht besitzen durften, so lange sie nach Rat und Willen Gottes Pilger und Fremdlinge im Lande der Verheißung sein mussten, sind die Söhne Esaus ja Einwohner des Landes.

Jene aber sind bei allem Dienst, den sie zu leisten haben, nicht berufen, diesen Dienst zu setzen in kriegerische Unternehmungen gegen die Einwohner des Landes, sondern in das Leben der dienenden, fruchtbaren Liebe. Jakob darf Weiber, Kinder, Herden einführen, friedlich, freundlich, ohne Schwertstreich, auf den Boden des verheißenen Landes. Das ist der gottgewollte Dienst Seiner Auserwählten heute noch. Ein solcher Dienst in höchster Steigerung im Gebiet des AT wird verlangt und ausgeführt von Joseph.

In ihm tritt entgegen in reinster, verheißungsvoller Weise der Dienst des Leidens, des widerstandslosen Leidens unter ungerechten Beschuldigungen, Anfeindungen sogar von den eigenen Brüdern im Hause Jakobs – ein Leiden, das gekrönt wird auf demselben Boden, auf dem Abraham, der bloß Glaubende, strauchelte und fiel; denn auf diesem Boden wird Joseph der siegreiche, herrschende. Das ist kostbar. Wir sehen da den uns verordneten Dienst in dieser feindseligen Welt.

Die Edomiter haben geglaubt, wie auch heute noch vielfach geglaubt wird, dass sie im Hause Isaaks wirkliche Söhne und Erben der Verheißung seien, wirkliche Söhne Esaus, nicht in dienender Stellung. Es heißt nicht von ihnen, wie von Ismael: Stoss den Sohn der Magd hinaus. Esau ist ein rechtmäßiger Sohn der Freien, nicht der Magd, und sein Erbteil darf nicht gemindert, nicht verkürzt werden.

Aber was stellt Esau dar auf dem Boden des Dienstes? Er weist hin auf die Bestrebungen, die von keinem andern Dienst wissen, als dass man müsse die Riesenübel in der Welt zu Boden schlagen, mit den Riesenaufgaben aufräumen mit Feuer und Schwert in gewaltsamer Weise. Dass man diesen Dienst für den einzig Richtigen ausgibt, dass ein stilles Einherwandeln in weiten christlichen Kreisen als etwas Verachtetes, Schwächliches, Unerträgliches angesehen wird, das ist uns nur zu wohl bekannt.

Wie oft müssen wir von Brüdern, die auf jenen Linien wandeln, den Vorwurf hören: Ihr habt ja kein Herz für die Schäden des Volkes! Jeder Gläubige müsste sich ins Geschirr werfen, um den bestehenden Missständen ein Ende zu machen. Die Horiter niederzuschlagen und ihr Gebiet einzunehmen, der Kirche Boden zu erobern, auf denen jene Horiter gesessen, soziale Umwälzungen, Reformen durchzuführen: das gilt in vielen Kreisen als einzig berechtigte Art des Christentums, für den einzig richtigen Dienst.

Jakobs Friedensdienst

Es ist Jakob nicht gestattet, das Schwert zu ergreifen, am Kampf teilzunehmen. Wollen wir doch verstehen, dass Jakob-Joseph eine andere Aufgabe nach dem Rat und Willen Gottes erhalten haben, als die Esau darstellt. Es ist uns aber auch nicht gestattet, unsern Bruder Esau zu richten, lassen wir diesen tun, was seines Berufes ist!

Unsere Aufgabe auf der Linie der Verheißung, wenn wir Gott verstanden und unsern Platz erkannt haben als solche, die hier Fremdlinge sind, ist die, die Kananiter im Lande zu dulden, sie zu tragen, den Namen Gottes zu verkündigen, ohne sie auszutilgen.

In dieser weltstürmenden edomitischen Tätigkeit liegt ein Vorgreifen Gottes, ein fleischliches, eigenwilliges Vorgehen. Die Zeit war noch nicht gekommen, dass das ganze Haus Jakobs das Schwert ziehen sollte gegen die Kananiter. Sie kam erst später, erst nachdem Jakob ein großes Volk geworden, dem Gott das Schwert in die Hand drückte.

Und einmal wird Ps 149:5-9 zur Ausführung gelangen. Dann werden Seine Heiligen die Ehre haben die Welt zu richten. Das kann nicht ohne Schwertstreich gehen. Die blutigen Gerichte über die satanischen Mächte sind nicht anders auszuführen als durch Tod. Alles hat seine Zeit.

Für Joseph, der berufen ist, durch Leiden zur Herrlichkeit geführt zu werden, die von Gott gewollte Ausgestaltung zu erlangen, laufen die Linien anders. Die Gemeine soll nicht die herrschenden Stellungen in der Welt erobern. Lass die Edomiten diese Arbeit tun! Das wollen wir lernen aus dem, was hier eingeschaltet ist von den Fürsten aus dem Geschlechte Esaus, des Edomiters.

Lies weiter:
14. Josef, Rahels Erstgeborener (1Mo 37-38)