Der größte Prophet mit der weitesten Schau (C)

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Abschrift der Sammlung: Prophetische Traktate - Band 1
von Friedrich Malessa 1895-1981

Mit freundl. Genehmigung von Joh. Ullmann

Als Abschrift dort noch erhältlich.

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Inhaltsverzeichnis Band 1
Inhaltsverzeichnis Band 2

25. Der größte Prophet mit der weitesten Schau (C)

Die Prophetie muss als Gesamtschau gewertet werden. Der Blick in die Zukunft wird nur dann klar sein, wenn er mit der Vergangenheit übereinstimmt. Darum ist für die prophetische Schau der Rückblick genau so wichtig wie der Vorblick. Man muss sogar sagen, dass der Blick in die Zukunft nur dann berechtigt ist, wenn er von der Vergangenheit unterbaut wird. - Genau wie beim Bau eines Hauses das Fundament nicht wegzudenken ist, so ist auch beim gesamten Schöpfungs- und Heilsgeschehen das Rückliegende tragend und bestimmend.

Paulus ist es, der die weiteste Rückschau hat. Wohl hat auch Johannes den erhabenen Auftrag, den „Anfang“ aufzuzeigen. Nicht nur den Anfang der Schöpfungen, sondern auch des Schöpfers. „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott“ (Joh 1:1.2). Das ist eine ganz erhabene Rückschau. Johannes weist nicht nur das „Wort“ aus, sondern auch den Sprecher. Zu beachten ist dabei, dass das Wort Gottes immer ein Geschehen ist. „Was ER spricht, das geschieht, und was ER gebeut, das steht da!“ So sieht Johannes das Geschehen im Anfang. Das „Geschehen“ ist Gott selbst. Schöpfer-Gott!

Übersehen wir nicht die Tatsache, dass Johannes hier vom Geschehen, d. h. vom Schöpfer und seinen Schöpfungen spricht. Schöpfer und schöpferische Geschehnisse sind sein Thema.

Der Ur-Grund

Paulus geht noch weiter zurück. Bei ihm ist nicht der Schöpfer der „Anfang“, sondern der Vater! „Welcher ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor allen Kreaturen.“ (Kol 1:15). Beachten wir den einzigartigen Hinweis: Vor allen Kreaturen (Schöpfungen) ist die „Zeugung und Geburt“ des Sohnes! Der Urgrund ist also nicht der Schöpfer und die Schöpfungen, sondern der Vater und der Sohn.

Hier muss selbstverständlich jede menschliche Philosophie schweigen. Nur zu gerne möchten wir fragen und sagen - und wie oft geschieht’s - wie und wann solches geschehen ist. Diese Fragen kann niemand beantworten. Vor allem muss hier jede Zeitanwendung und Zeitbestimmung wegbleiben. Der göttliche Begriff „Anfang“ geht über unseren Verstand. Wenn wir z.B. sagen und sagen müssen: Der Vater ist ewig, d.h. immer seiend, dann ist auch der Sohn immer seiend. Das ewige Bestehen des Vaters setzt das ewige Bestehen des Sohnes voraus. Ohne Sohn kein Vater und ohne Vater kein Sohn. Und wo ein Vater ist, da ist auch ein Sohn.

So beginnt Paulus mit dem Vater und dem Sohn und zeigt den Sohn in der unfassbaren Größe des Vaters. Johannes hat das zwar auch bezeugt, aber immerhin nur das Gehörte bezeugt. Er war der „Berichterstatter“ dessen, was er aus Jesu Mund vernommen hat: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10:30). „Wer mich sieht, der sieht den Vater“ usw.. Eine Summe von solchen und ähnlichen Aussprüchen hat Jesus getan, die Johannes wortgetreu wiedergab. Paulus geht aber mit seiner prophetischen Darstellung auf den Ur-Grund zurück, und spricht vom „Anfang“ des Sohnes und des Vaters.

Das Zeugnis des Paulus

Paulus hat unseren Herrn Jesus Christus in einer unvorstellbaren Größe aufgezeigt. Selbstverständlich hat er auch die Fortgänge in den Schöpfungen und Erlösungen bezeugt. Auch diese Fortgänge stehen bewusst auf dem Fundament: Vater und Sohn! - Wer das erkennt, der weiß die ganzen Geschehnisse anders zu bewerten. Der weiß auch, dass alles „von ihm (Vater und Sohn), und durch in und zu ihm geschieht“. Der sieht das ganze Geschehen in einer Vater-Sohn-Verklärung! Darum hat Paulus den „Anfang“ und das „Ende“ in gleicher Wesenhaftigkeit gesehen. Lies 1Kor 15:28. Darüber reden wir noch.

Hier müssen wir eine kurze Nutzanwendung machen. Sieh, lieber Leser, das ist dein Jesus Christus! Kein geringerer als der Sohn des ewigen Vaters will und soll dein Heiland sein. Du wirst die Erlösung viel erhabener sehen, wenn du den erhabenen Erlöser siehst. Überwältigt wirst du mit Paulus sagen: „O welche eine Tiefe des Reichtums, beides der Weisheit und der Erkenntnis Gottes. Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege“ (Röm 11:33).

In gleichem Atemzug hat Paulus auch den Fortgang des Vaters und des Sohnes zu bezeugen. Er ist der große Prophet und hat bei jeder Darstellung einen Totalblick. Wie sieht er die „fundamentale“ Fortsetzung? „Denn durch ihn (Sohn) ist alles geschaffen, das im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Obrigkeiten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. Und er ist vor allen, und es bestehet alles in ihm“ (Kol 1:16.17). Wir beachten: Grundsätzlich hat Paulus nur das zu bezeugen, was Jesus bereits gesagt hat: „Mir ist gegeben alle Gewalt, im Himmel und auf Erden“ (Mt 28:18). "Meine Speise ist die, dass ich tue den Willen des, der mich gesandt hat, und vollende sein Werk“. „Denn ich bin vom Himmel kommen, nicht dass ich meinen Willen tue, sondern des, der mich gesandt hat“ (Joh 4:34; Joh 6:38). Paulus bringt aber dieses Geschehen in der Gesamtschau. Man lese im Kolosserbrief, Kol 1:17-20. Es wird uns da ersichtlich, dass Paulus Anfang - Fortgang - Ende im Auge hat.

Der Sohn ist der Schöpfer

Stellen wir uns das Geschehen durch den Sohn etwa näher vor. Es soll uns ja der Sohn des ewigen Vaters in seiner tatsächlichen Größe sichtbar werden. „Denn durch Ihn ist alles erschaffen“ (Kol 1:16). Was sagt Paulus? Der Sohn ist der Schöpfer! Er vollführt alles, was der Vater will. Er ist der Willensoffenbarer. Er ist der absolute Vollführer. Alles Geschehen durch Ihn!

Hat man diese Tatsache begriffen? Spricht man auch wirklich davon, dass Jesus Christus der Schöpfer ist? Diese paulinische Feststellung ist für die Allgemeinheit märchenhaft (paulinische Phantasien). Man spricht doch nur von Gott als dem Schöpfer. Und Jesus? Der wird bei den Schöpfungsgeschehnissen überhaupt nicht erwähnt. Dabei ist in allen Schöpfungsberichten der Schöpfer in der Mehrzahl benannt: „Am Anfang schufen Gottheiten (Elohim) die Himmel und die Erde.“ Oder: „Lasset uns Menschen machen, ein Bild das uns gleich sei“ (1Mo 1:1.26). - Wir könnten hier eine ganze Reihe Schriftstellen anführen, die dasselbe bekunden. Des Raumes wegen müssen wir das hier unterlassen. Es sei aber auf meine Schrift: „Jesus Christus im Alten Testament“ verwiesen, die auf die Dinge näher eingeht.

Höre: Jesus Christus ist der Schöpfer! Dieser Schöpfer ist dein Christus, dein Seligmacher! Sei darum getröstet, dass du ihn zum Heiland hast. Er kann dein Heil wahrhaftig vollführen, denn er ist kein Schwächling. Er vollführt deine Erlösung mit der Gründlichkeit, die nicht nur seinem Wollen, sondern auch seinem Wesen entspricht. Er erschafft dich zu einer „neuen Kreatur“, als Wesensgenosse. Du bist nämlich gezeugt und wiedergeboren! Damit bist du aus der Kreatürlichkeit herausgehoben. Du läufst fortan auf der Linie des Sohnes und des Vater und wirst darum „alles ererben“! „Sind wir denn Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi.... Denn welche er zuvor ersehen hat, die hat er auch verordnet, dass sie gleich sein sollten dem Ebenbild seines Sohnes, auf dass derselbe der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Welche er verordnet hat, die hat er auch berufen; welche er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht; welche er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch herrlich gemacht“ (Röm 8:29.30).

Das sind Heilsgeschehnisse, die dem Sohn des ewigen Vaters entsprechen. Diese „Neuschöpfungen“ führen in den Sohnesstand und in die Sohneswürde. Solches kann auch nur der Sohn vollführen. Paulus sieht das und ist davon derart ergriffen, dass er zu dem bekannten Ausspruch kommt: „O welch eine Tiefe des Reichtums....“.

Wird es uns jetzt klar, dass Paulus eine so einzigartige Christuserkenntnis hat? Wird es uns auch bewusst, dass die paulinische Erkenntnis heute weithin fremd ist? Merken wir nicht, dass wir die Größe des Christus und die Größe des Christuswerkes fast restlos verkennen? Ist uns der große Schaden bewusst, der durch die mangelhafte Christuserkenntnis ersteht?

Das Ziel der gesamten Erlösung

Mit dieser wunderbaren Schau wird uns auch das Ziel der gesamten Erlösung erkenntlich und verständlich. Wie heißt das Ziel? „Wenn aber alles ihm (dem Sohn) untertan sein wird, alsdann wird auch der Sohn selbst untertan sein dem, der ihm alles untergetan hat, auf dass Gott (der Vater) sei alles in allen“ (1Kor 15:28). Das ist ein Ziel, das unseren Verstand übersteigt. Wenn wir aber dieses ganz erhabene Ziel in etwa erfassen, dann können wir nicht mehr reden von einer verbesserten Schöpfung, von einer zukünftigen sündlosen Welt, von einer glückseligen Menschheit im Jenseits, von einer Schöpfung, die sich ihrem Schöpfer würdig erweisen wird. Gewiss, dass sind erhabene Dinge, aber vom Ziel noch weit entfernt. Das Ziel ist weit höher und weit erhabener. Im Ziel ist die absolute Wesenhaftigkeit, die im „Anfang“ war: „Welcher ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene von allen Kreaturen“. Beachten wir die Tatsache: Kreaturenschaft ist in der „Mitte“ und hat Mittel-Dienst. Gezeugtes Leben ist vermehrte Lebensoffenbarung! Kreaturen sind zugeordnet und haben Zeitverhältnisse, d.h. sie sind zeitlich begrenzt. Gezeugtes Leben ist in der ewigen Lebensoffenbarung, ist Lebens-Fülle! - Paulus sieht die „Mitte“ im gleichen Wesensvollzug von „Anfang“ bis „Ende“.

Wer diese paulinische Erkenntnis in etwa begreift, der sieht das Erlösungsgeschehen, das Ziel der Erlösung, vor allem auch den Erlöser mit anderen Augen. Der kann nicht die derzeitigen Erlösungsresultate als das Endgültige ansehen. Der wird wissen, dass das Erlösungsziel mindestens dem „Anfang“ entspricht. - Etwas anderes wäre eine Degradierung des Heilsgeschehens Gottes, des Vaters.

Paulus hat eine gewaltige Rückschau, demzufolge auch eine einzigartige Vorschau. Er kann nicht den „Anfang“ vom „Ende“ trennen. Im Gegenteil, er sieht den „Anfang“ vom „Ende“ in einer unübersehbaren Ernte. Hier wird Paulus als der größte Prophet erkenntlich. Wohl bewegt sich auch der Seher Johannes - in seinen späteren Wirkungsjahren - auf dieser Linie: „Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder, und ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, dass wir ihm gleich sein werden; denn wir werden ihn sehen wie er ist! (1Jo 3:2). Auch Johannes hat die zielgemäße Schau. Und doch sind seine Darlegungen nur Teile, die jeweils für eine Wahrheitsbezeugung angewandt werden. Paulus dagegen sieht diese herrlichen Dinge immer im Zusammenhang. So oft er eine dieser Perlen anzeigt, merkt man sofort sein Bestreben die ganze Perlenkette aufzuzeigen. Er lebt eben in den großen Zusammenhängen.

Das ist es, was uns meistens fehlt, nämlich die geschlossene Schau, die Zusammenhänge, der Totalblick. Das sollten wir erstreben, weil es so notwendig ist. Warum? Weil wir dann die Wesenszüge der „Mitte“ besser verständen. Die Mitte muss dem „Anfang“ und dem Ende entsprechen. Und wie sehen wir die „Mitte“, d.h. das Heilsgeschehen im Vollzug? Wir sehen vielfach das, was in die Zusammenhänge wenig hineinpasst. Wir sehen die „Mitte“ als Ende an. Wir sehen verchristlichte Menschen, verchristlichte Welt, wir sehen die Dienst-Wahl-Gruppen wie: Braut Christi, 144 000 Versiegelte usw. als letzten Vollzug an. Wir sehen als letztes die neue Erde und den neuen Himmel. Wir sehen diese Dienst-Ordnungen. Zweifellos sind das wunderbare Heils-Dienst-Ordnungen, aber sie liegen vor dem Ziel, sie gehen der „Mitte“ an. Wenn aber alle Mittler-Dienste beendet sein werden, dann kommt das Ziel. Und im Ziel ist der Vater! „...auf dass Gott (der Vater) sei alles in allen“! Vaterschaft und Sohnschaft sind des Zieles Signatur.

Die Zeit des Werdens

Ist diese Erkenntnis so unbedingt wichtig? Ja, denn sie erklärt nicht nur die „Mitte“, sondern sie klärt auch unsere Haltung in der „Mitte“. Beachten wir: die gesamte Vollführungszeit, richtiger gesagt die Vollführungszeiten tragen Zielcharakter. Kindschaft, Sohnschaft, Erbschaft sind die Merkmale in der Zeit des Werdens. Wäre diese Erkenntnis unter uns vollständig, dann würden wir uns untereinander nicht hervortun - und damit abtun - mit allerlei Sonderdingen: Ich bin Erwählter, ich bin Berufener, ich bin Ausgesonderter, ich bin Versiegelter, ich bin Glied der 144 000, ich bin, ich bin, ich bin... Was bin ich? Kind - Sohn - Erbe! Was bewirken Kindschaft-Sohnschaft-Erbschaft in der Vollführungszeit? Etwa Sonderanmaßungen? Nimmermehr! Kindschaft-Sohnschaft-Erbschaft führen einzig und allein zur Bruderschaft. Also, was bin ich? Noch oben: Kind-Sohn-Erbe, nach unten: Bruder! Ich bin Bruder unter Brüdern, nichts mehr und nichts weniger.

Wenn wir doch mehr paulinisch denken und erkennen könnten. Dann wäre sonderlich unter den ernst Gläubigen dieser Zeit ein anderes Verhältnis möglich. Dann würden sie nicht mit der geballten Faust voreinander stehen und sich die zeitlichen Dinge als ewige Besitztümer absprechen. Dann würden sie zufolge der Grundordnung als Kind-Sohn-Erbe nach dem Bruder fragen. Dann wäre ihnen die Bruderschaft mehr als eine gewisse „Versiegelung“. Dann hätten sie als Richtschnur jenes Wort: „Nicht tut durch Zank oder eitle Ehre, sondern durch Demut achte einer den anderen höher als sich selbst“ (Phil 2:3).

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