Der Werdegang des Königreichs Christi

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Abschrift einzelner Themen aus: Die Gemeine
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Auszug aus: Zeit und Ewigkeitsfragen im Lichte der Bibel
Verlag des Ev. Vereins für innere Mission Augsb. Bekenntnisses, Karlsruhe

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Inhaltsverzeichnis:
Kapitel davor:
Von der Zerstörung Jerusalems Lk 19:41-44

Der Werdegang des Königreichs Christi

  • Ps 2 (ELB) (1) Warum toben die Nationen und sinnen Eitles die Völkerschaften ? (2) Es treten auf Könige der Erde, und Fürsten tun sich zusammen gegen den HERRN und seinen Gesalbten : (3) «Laßt uns zerreißen ihre Bande und von uns werfen ihre Stricke!» (4) Der im Himmel thront, lacht, der Herr spottet über sie. (5) Dann spricht er sie an in seinem Zorn, in seiner Zornglut schreckt er sie : (6) «Habe doch ich meinen König geweiht auf Zion, meinem heiligen Berg!» (7) Laßt mich die Anordnung des HERRN bekanntgeben! Er hat zu mir gesprochen: «Mein Sohn bist du, [ich] habe dich heute gezeugt. (8) Fordere von mir, und ich will dir die Nationen zum Erbteil geben, zu deinem Besitz die Enden der Erde. (9) Mit eisernem Stab magst du sie zerschmettern, wie Töpfergeschirr sie zerschmeißen.» (10) Und nun, ihr Könige, handelt verständig; laßt euch zurechtweisen, ihr Richter der Erde! (11) Dienet dem HERRN mit Furcht, und jauchzt mit Zittern! (12) Küßt den Sohn, daß er nicht zürne und ihr umkommt auf dem Weg; denn leicht entbrennt sein Zorn. Glücklich alle, die sich bei ihm bergen!

Das Gesangbuch des Königreichs

Der Psalter ist ein durch und durch prophetisches Buch. Der Plan Gottes bis hin zur Königsherrschaft Christi im Herrlichkeitsreich von Zion aus, und noch darüber hinaus wird in vielen Psalmen auf klarste und köstlichste beschrieben. Der Psalter wird im Tausendjährigen Reich ein gar feines Gesangbuch sein, dann gefüllt durch die Fülle der dortigen Zeiten. Es ist kein Zufall, sondern wunderbare Leitung Gottes, dass gerade die reformierte Kirche, welche in kühner Vorausnahme kommender Zeiten die Aufrichtung der Herrschaft Christi besonders betonte, den Psalter zu ihrem Gesangbuch erkor. Sie hat ganz richtig geahnt, dass er das Gesangbuch des Königreichs Christi sein wird, hat aber dieses äußere Königreich zu früh und in falscher Linie erhofft. Umso wichtiger ist es, da nicht nur in der reformierten Kirche, sondern in allen Kirchen viel falsche Vorstellungen vom Gang des Königreichs Christi auf Erden sind, dass wir uns gerade auch vom Psalter leiten lassen. Einer der deutlichsten Wegweiser ist der zweite Psalm. Die Kirche hat das immer gemerkt und ihn darum besonders zu den prophetischen Psalmen gerechnet, aber den ganzen Inhalt seiner prophetischen Reichsplanzeichnung haben wir noch selten entfaltet gesehen. Ein Versuch nur soll das folgende sein, diesen Königreichsplan Gottes im zweiten Psalm etwas herauszustellen.

Der Werdegang des Königreichs Christi, wie es sich im Lauf der Jahrhunderte unter den Nationen entfaltet, ist ganz besonders schön und klar in diesem Plan gezeichnet. Dass er von der Königseinsetzung Christi, vom Sieg dieses Königs und von Seiner Herrschaft redet (Ps 2:2-6), ist jedem einfältig gläubigen Leser sofort offenbar. Tieferes Einringen verlangt der im Psalm geoffenbarte W e r d e g a n g des Reiches Christi.

Auflehnung aller Nationen

Eines tritt in den ersten drei oder auch fünf Versen zwar sofort heraus: die Auflehnung aller Nationen gegen das Königreich Christi und seinen gesalbten König. Das ist denn auch die erste, mit der ganzen übrigen Schriftoffenbarung genau übereinstimmende Wahrheit, die der Psalm uns nahebringt, dass, ehe die Herrschaft Christi offenbar aufgerichtet werden kann, alle Völker der Erde mit all ihren Gewaltigen sich in den Gegensatz zum Herrn und Seinen Gesalbten hinein entwickeln, und infolge dieses Gegensatzes in schwere Gerichte fallen werden. Wachstümlich ansteigende Auflehnung gegen den göttlichen Rat und seine Ausführung und den endlichen Gerichtszusammenbruch zeichnet der prophetische Sänger zuerst. Ehe der Gesalbte Gottes zur Herrschaft kommt, muss die Sünde und das Böse zum Ausreifen kommen, und in seiner schrecklichen Gerichtsoffenbarung die Völker in sich selbst zermürben und zerschmettern, dann erst werden sie willig sein, die Herrschaft des eingesetzten Sohnes Gottes anzunehmen. Die Völkermassen werden sich nicht durch Wort und Geist zur Umkehr bringen lassen, darum geht es durch Offenbarung der Sünde, des Selbstwesens und seines Gerichtes.

Deswegen hat auch die sichtbare Königsherrschaft Christi bis heute nicht aufgerichtet werden können, weil die Ausgeburt der Sünde und ihres Verderbens noch nicht vollendet ist. Es ist ja in dem jetzt sich herausbildenden Geistesbereich schon so, dass niemand ohne tiefere innere Erkenntnis der Sünde und ihres Verderbens in dasselbe eintreten kann. Nur stets vertiefte Buße und dementsprechend vertiefter Glauben wachsen hinein in Christus. Bei den Gläubigen ist nur das der Unterschied, dass die Sünde nicht in allen Stücken herauskommen muss - wir lassen sie uns vom Geist offenbaren - und dass darum auch die Gerichte an uns nicht alle offenbar werden müssen - wir glauben sie in Christus vollzogen - glauben aber auch an die Gnade und leben in ihr.

Offenbarung des Selbstwesens

Bei der Masse der Nationen ist das anders. Da muss die Sünde gesamt den göttlichen Gerichten hervorbrechen, weil die innere Offenbarung nicht angenommen wird. So ist denn nach Ps 2 das der Weg des Königreichs Christi, dass zuerst auf Erden die ganze Selbstoffenbarung des Selbst- und Sündenwesens der Menschheit herauskommen muss in immer gewaltigerem Inhalt und Umfang, und dass darauf die Offenbarung der Gerichte folgt, ebenfalls in immer furchtbarerem Inhalt und Umfang. Dann ist die Welt erst reif für den ewig eingesetzten Erlöser- und Heilskönig. Lies die ersten Verse unseres Psalmes, dann stehst du voll und ganz unter dieser Wahrheit. Mit ihr müssen nun alle rechnen, die auf die Königsherrschaft Christi hoffen und an Seinem Reich arbeiten. Wer damit nicht rechnet, der geht fehl und arbeitet auch beim aufrichtigsten Wollen falsch.

Die entschiedenste und energischste Reichsgottesarbeit kann das nicht ändern, dass sich auf dieser Erde in den Massen der Nationen, und in ihren geistigen und machtmäßigen Führern, zuerst die Finsternis in ihrer ganzen Gewalt und Macht auswirkt bis hin zu ihrer ausgereiften Vollendung mit ihren entsprechenden Gerichtsoffenbarungen. Von einer geradlinigen Gewinnung der Völker durchs Wort des Evangeliums und von einer geradlinigen Aufrichtung der Herrschaft Christi und des Christentums unter den Nationen, etwa durch die Kirchengebilde, ist nirgends in der Schrift die Rede. Darum hat auch bis heute trotz aller Arbeit der Kirchen in nicht einer einzigen Nation die Herrschaft Christi aufgerichtet werden können. Wir sehen eher das Gegenteil: die Offenbarung des Selbstwesens ist in steigendem Maße hervorgetreten.

Tosen und Brausen der Völkerwelt

In steigendem Maßen sagten wir eben. Das ist nun das wunderbar Prophetische in unserem Psalm, dass er uns die wachstümliche Auswirkung des Sünden- und Selbstwesens in den Nationen so packend schildert, als habe der prophetische Sänger im Geist die kommenden Jahrtausende voraus durchwandert. Er sagt im ersten Vers: „W a r u m toben die H e i d e n, und die V ö l k e r reden so v e r g e b l i c h ?“ Da sehen wir ein Tosen großer Nationen und ein geistsprühendes Denken und Reden der heidnischen Völker, das aber innerlich völlig eitel, das heißt leer ist. Das ist die Jugendzeit der heidnischen Nationen. Das ist das Knaben- und Jünglingsalter der Völkerwelt, seitdem sie auszog aus dem Vaterhaus und der Vater sie ziehen ließ. Wie in jugendlichem Übermut gebraucht sie tosend und brausend ihre gewaltigen körperlichen und geistigen Kräfte. Gewaltige Kulturen richtet sie auf und riesenmäßige Reiche: ägyptisches, chinesisches, indisches, babylonisches, persisches, griechisches und römischen Weltmachtwesen entfaltet sich. Religiöse, sittliche, geistige und machtmäßige Entfaltungen bilden sich in aller verschiedenster Art. Es ist ein Tosen und Brausen, ein Denken und Reden auf allen Gebieten. Es ist aber auch ein Toben gegeneinander. Jede einzelne dieser Völkermassen glaubt sich berufen, in der Welt das Heilsreich aufrichten zu können. Über all ihrem Bemühen steht das entsetzliche Wort: e i t e l , v e r g e b l i c h ; und eingegraben ist’s in den Ruinen der Menschheitsgeschichte. Das ist die erste, Jahrtausende umfassende Geschichtsperiode des Selbstwesens der Menschheit: t o b e n - r e d e n - v e r g e b l i c h !

Am Schluss dieses Abschnitts steht der Einschnitt des Sohnes Gottes in die Welt, steht die vollbrachte Erlösung, steht die Geistespredigt des Evangeliums. Im Gegensatz zu ihr erhebt sich eine zweite Stufe des Weltwesens. „Die K ö n i g e der Erde l e h n e n sich a u f , und die H e r r e n ratschlagen miteinander w i d e r den H e r r n und S e i n e n G e s a l b t e n (Ps 2:2).

Das Naturaustoben und das Naturdenken vertieft sich zum Gegensatz gegen die Offenbarung. Es wird geratschlagt, es geht gegen den Herrn und Seinen Gesalbten: erst im jüdischen Volk, dann im römischen Weltmachtreich, dann von Nation zu Nation die Auflehnung gegen den Sohn Gottes, gegen das Evangelium, gegen die vollbrachte Erlösung, gegen das Wort, das sie trägt, gegen die Gemeine der Gläubigen, diese Gesalbten des Herrn auf Erden. Diese Auflehnung des gesteigerten Selbstwesens gegen die geoffenbarte Gnade befindet sich jetzt in ihrer weltweiten Ausreifung und geht schon in die dritte Stufe über, welche unser prophetischer Psalm zeichnet, nämlich in die Auflehnung gegen jede göttliche und menschliche Ordnung. „Lasset uns z e r r e i ß e n ihre B a n d e und v o n uns w e r f e n ihre S e i l e“ (Ps 2:3). Das Ende des geoffenbarten Selbstwesens der Menschen ist die Anarchie - die Auflösung aller Ordnung - jeder ist ein Selbst. An dieser Auflösung auf allen Gebieten arbeiten Weltkriege und Revolutionen mächtig mit und führen sie weiter, und die eigentliche Weltrevolution ist bereits in Vorbereitung. Da werden Bande gesprengt und alle Seile zerrissen. Russland ist ein vorläufiges Schulbeispiel. Diese Stufen müssen sich vollenden, eher kann das Reich Christi nicht kommen.

Der Herr lacht und spottet ihrer

Während dieser ganzen Völkerentfaltungs- und Völkeraufruhrzeit sitzt der Herr im Himmel und sieht ruhig, lächelnd, spottend, heilig spottend zu, weil sie Ihn immer mehr hinaustun wollen. Er hat Geduld und kann warten, bis alles reif ist. Er weiß, sie entschlüpfen Ihm nicht. Er weiß, mit all ihrem toben, Ratschlagen und Zerreißen laufen sie Ihm geradewegs ins Netz. Das ist Sein Lachen und Spotten. Weg wollen sie, selbstständig sein, doch alles treibt zu Ihm. „Der i m H i m m e l wohnt, l a c h e t ihrer, und der Herr s p o t t e t ihrer“ (Ps 2:4). Hier werden viele Menschen, auch fromme, zuschanden. Sie haben nichts von der Geduld Gottes, von dem ruhigen Sitzen Gottes. Sie wollen immer diesen Prozess aufhalten, unterbinden, eindämmen. Vergebliches Bemühen! Sie nennen diesen Prozess immer nur schädlich, entsetzlich und wollen ihn überwinden mit ungeheuren Kräften: sozialen, humanen, auch inchristlichen Liebes- und Wort-Wirken. Und sie überwinden ihn nicht. Der Todesprozess läuft zu den letzten Gerichten. Schon während der drei Perioden der Entfaltung des Selbstwesens sind je und je schwere Gerichtsgewitter zur Entladung gekommen. Die schwersten stehen am Ende: „E r wird einst mit ihnen r e d e n in Seinem Z o r n, mit S e i n e m G r i m m wird E r sie s c h r e c k e n! (Ps 2:5). Die Offenbarung Johannes zeichnet diese Gerichte weiter, und die gegenwärtige Welt- und Völkerentwicklung gibt einen Vorgeschmack davon und lässt ihre Größe und Tiefe ahnen.

Während dieser ganzen Zeit nun, wo der Herr die Massen der Nationen sich ihr eigenes Wesen auswirken lässt, sitzt Er nicht etwa tatenlos im Himmel, nur als lächelnder Zuschauer. Gewiss nicht! Das wäre Gottes nicht würdig. In dieser Zeit bereitet Er vielmehr die Einsetzung Seines eingeborenen Sohnes zum Weltenkönig vor und bahnt dessen Königsherrschaft an. Eine, um mit einem Fremdwort zureden, negative, das heißt verneinende Anbahnung der Christusherrschaft ist ja auch die Selbst- und Sündenentwicklung der Nationen. Neben ihr her geht aber eine positive, eine bejahende und vorbauende Arbeit Gottes. „I c h habe m e i n e n K ö n i g eingesetzt auf m e i n e m heiligen B e r g Z i o n“ (Ps 2:6). Der Herr richtet also alles zu - den König und die Königsstadt und, wie wir weiter sehen werden, auch ein Königsvolk - während der T o b e - und R e d e z e i t der Nationen. Da ist zunächst bemerkenswert der Ort: „Ich habe meinen König eingesetzt auf Z i o n“. Während die Völker ihre gewaltigen Weltstädte bauen und eine nach der anderen zur Welthauptstadt ausbauen, baut der Herr Zion auf.

Jerusalem und die Königsherrschaft

Jerusalem ist und bleibt die Welthauptstadt, die Zentrale des Königreiches Christi. Dort hat der Herr Seinen König eingesetzt. Dorthin hat Er Sein auserwähltes Volk geführt und ihm dort, unter dem Gesetz, den Mittelpunkt der Anbetung gegeben. Dort ist Er selbst erschienen in der Fülle der Zeiten und hat in der Erlösung und Versöhnung den inneren Grund zu Seiner Königsherrschaft gelegt. Dort wurde der Geist ausgegossen, der Baumeister der Eigentumsgemeine. Dort ist der Wurzelboden des, in diesen Tagen in alle Welt ausgehenden Evangeliums. Dies Zion ist zerstört und unter dem Fluch, solange das Volk des Bundes hinausgestoßen ist. Es wird wieder gebaut, wenn das Volk Israel umkehrt, und wird die herrliche Zentralstadt des Tausendjährigen Herrschaftsreiches Christi auf Erden. Auch auf der neuen Erde wird das neue Jerusalem Mittelpunkt sein. Das ist’s: „Ich habe meinen König eingesetzt auf meinem heiligen B e r g Z i o n“. Und Seinen K ö n i g hat Er eingesetzt. Diese Königseinsetzung geschieht zunächst durch lauter Geburten. Erst wenn die Ausgeburten vollendet sind, ist der König vollkommen und kann Seine Herrschaft antreten. Darum heißt es weiter im Psalm: „ I c h will von einer solchen W e i s e predigen lassen, dass der Herr zu m i r g e s a g t hat: D u bist m e i n S o h n, heute habe i c h dich g e z e u g t.“ (Vers 7).

Die Geburten des Sohnes Gottes

Die Königsherrschaft Christi kann erst aufgerichtet werden, wenn der König ganz vollendet ist. Diese Vollendung des Königs aber geschieht auf dem Wege von Geburten. Das will Ps 2:7 unseres Psalms offenbar sagen. Die Anwendung dieser Psalmstelle im Neuen Testament, Apg 13:33; Hebr 1:5 und Hebr 5:5 weist deutlich auf verschiedene Geburtsakte hin. Diese Geburtsakte vollziehen sich nun, während die Massen der Nationen sich austoben zu ihren schweren Gerichten hin. Der König ist zunächst der e w i g eingeborene S o h n (Ps 2:7), der Erhabene über alle Engel, Throne und Herrschaften. Unter diesen Geschöpfen ist Er der einzige naturmäßig aus Gott Geborene. Gott hat beschlossen, in Ihm Sein Reich über alles aufzurichten. Dieser Erst- und Eingeborene wird nun auch durch Geburten vollendet. Zunächst musste Er selbst in die Menschheit hineingeboren werden. Die Verkündigung Seiner Geburt durch den Engel an Maria, und dann Seine Geburt in Bethlehem waren Stunden, über denen das Wort steht: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.“ Als Mensch ging Er hin, litt und starb für die Sünde und trug deren Frucht, den Tod. Der Vater erweckte Ihn aus dem Tode, und das war wieder eine neue Geburt, von der es heißt: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.“ Auf die Auferstehung folgte in der Himmelfahrt die Throneinsetzung. Dies ist die vollkommene Ausgeburt des königlichen Hauptes, darum gilt auch von der Himmelfahrt: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.“

Nun kam der Geist der Wiedergeburt, der Sohnes- und Kindesgeist, vom vollendeten Haupt auf die Erde herab. Durch Ihn gibt es viele Geburten. Alle, die die Evangeliumsbotschaft aufnehmen, macht Er zu Gotteskindern. In jedem gläubigen Menschen wird durch den Geist der Sohn Gottes geboren, und bei jedem wiedergeborenen Menschenkind wird es von neuem wahr: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.“ Und ist endlich der ganze Leib Christi aus den Nationen herausgeboren, dann steht Er, umgeben von den herrlichen, durch Ihn geborenen und vollendeten Gliedern, gewissermaßen fertig zum Herrschaftsanantritt da. In Seiner nächsten Wiederkunft wird Er diesen Leib anziehen in der Erstaufstehung der Gläubigen. Dann wird es in herrlicher Weise heißen: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt“. So sehen wir, dass der Psalmist den, während der zunehmenden Herausbildung des Antichristentums unter den Nationen, sich bildenden Leib Christi in Seiner Geburtsgemeine schon in prophetischer Hülle sieht.

Das Los der tobenden Nationen

Ist nun diese Geburtenzeit erfüllt, dann ist auch das Maß der tobenden Nationen vollgelaufen, dann wird der Gesetzlose (2Thes 2) aufgetreten sein, der zerrissen hat alle Bande und von sich geworfen alle Seile, dann wird der nunmehr vollendete König auftreten und vom Vater „h e i s c h e n die H e i d e n zum E r b e und der W e l t Enden zum E i g e n t u m“ (Ps 2:8). Und der Vater wird's Ihm geben - ist der Sohn doch nun reif zum Herrschaftsantritt. Dieser Vers weist auf einen innergöttlichen Vorgang hin, in dem der Sohn sich gewissermaßen erhebt von der Rechten des Vaters, vor Ihn hintritt und nun, nachdem Er alles vollendet hat, Seinen Herrschaftsantritt heischt und erbittet. Nach der Übergabe durch den Vater erfolgt die Wiederkunft des Sohnes in Herrlichkeit. Diese wird zunächst eine furchtbare Wirkung haben sowohl beim jüdischen Volk, das sich in jenen Tagen in bösem Abfall den Nationen gleichgestellt hat, als auch unter allen Nationen. Zerschlagungsberichte werden erfolgen. „D u sollt sie mit einem e i s e r n e n Z e p t e r zerschlagen, wie T ö p f e sollst D u sie z e r s c h m e i ß e n“. (Ps 2:9).

Aus diesen Gerichten, welche sich mit denen 2Thes 2:8ff. decken, wird dann endlich die Buße geboren. Die große Nationalbuße der Juden, die darauf folgende Annahme des Messiaskönigs Jesus Christus und die hierauf folgende Herrlichkeit des heiligen Volkes und des Heiligen Landes werden auch die Nationen erfassen, und zur Umkehr bringen, und der Ruf von Zion aus wird willige Annahme finden: „So l a s s t euch nun z ü c h t i g e n, ihr R i c h t e r der E r d e ! D i e n e t dem Herrn mit F u r c h t und freuet euch m i t Z i t t e r n !“ (Ps 2:10.11). Die Herrschaft Christi mit Recht und Gerechtigkeit, in Wahrheit und Frieden wird auf dieser Erde eine Zeit der Erquickung heraufführen. Das Geistesvolk wird in dieser Zeit - wohl in der Luft (1Thes 4:17) - das große Abendmahl, die selige Hochzeitsgemeinschaft mit seinem Herrn feiern und mit Ihm königlich-priesterlich herrschen. Das ist das sogenannte Tausendjährige Reich.

Die letzte Revolution

Aber allerdings ganz vollkommen wird ja auch diese Zeit nicht sein. Wohl ist Satan gebunden, aber die Sünde steckt noch im Menschengeschlecht. Es wird zwar im Herrschaftsreich Christi schnelle, gerechte Justiz sein (Sach 5), aber das Böse wird doch je und je ausbrechen. Darum wird die Mahnung immer wieder nötig sein: „K ü s s e t den S o h n , dass E r nicht z ü r n e“ (Ps 2:12). Ja, gegen Ende des Herrlichkeitsreichs wird die Sünde, das Selbstwesen noch einmal aufstehen. Eine Revolution wird sich gegen Jerusalem wälzen, aber „S e i n Z o r n wird bald e n t b r e n n e n , und sie werden u m k o m m e n auf dem W e g e “. (Ps 2:12) Dann wird die Weltenuhr abgelaufen sein. Die Erneuerung der Erde im Feuer wird kommen und zu gleicher Zeit das Endgericht über alle Völker. Da wird es sich dann herrlich zeigen, was das heißt: „W o hl allen, die auf Ihn t r a u e n“ (Ps 2:12). Schon während der Herrschaftszeit Christi hat es sich erwiesen, dieses „Wohl allen“, aber noch vollkommener wird es sein auf der neuen Erde, wo von Zion aus die Geistesgemeine herrscht und die Seligen alle ohne Sünde wohnen.

Sollen wir hier nun den prophetischen Gehalt unseres köstlichen Verheißungspsalmes abschließen, oder dürfen wir, anlehnend an so viele anderen, klareren Stellen der Schrift, die Linie noch weiter ziehen? Trotz der schweren Gerichte, welche dreifach den Psalm durchziehen (Ps 2:5.9.12), ist doch ein solch wunderbarer harmonischer Abschluss da. Die Gnade, das Heil triumphieren gewissermaßen über alle Gerichte. Die Gerichte sind nur immer neue Offenbarungsgrundlagen für die weitere Heilsentfaltung. Sollte es nicht auch bei den Ewigkeitsgerichten so sein? Es sind hierüber viele klare Hinweise in der Schrift. Doch soll es nur als Frage angeschlossen sein. Dann wäre am Schluss unseres zwölften Psalmverses das große, gewaltige Finale aller Rettungswege Gottes gegeben: „Wohl allen, die auf Ihn trauen!“ Schließt nicht auch der g a n z e P s a l t e r mit dem wunderbaren, allumfassenden Wort: „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn! Halleluja“? Und nach 1Kor 15:28 ist doch endlich Gott alles in allen! Der Weg ist grausig - der Weg der Selbstverhärtung und ihrer Gerichte - das Ziel ist gewaltig! Die Gnade, die den Triumph über alles Gericht davonträgt, währet in Ewigkeiten! Gnade und Wahrheit ist in Christus geworden: „Wohl allen, die auf Ihn trauen!"

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