Das Zukunftsbild des Propheten Zephanja

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Aus dem Zweimonatsheft für gläubige Schriftforscher:
"Das prophetische Wort"
Begründet von Professor E. F. Ströter


Herausgegeben von Heinrich Schaedel
Maranatha-Verlag, Klosterlausnitz i. Thür.
XIX. Jahrgang 1928

Siehe weitere Abschriften
Weitere Referate: Die 12 kleinen Propheten

Das Zukunftsbild des Propheten Zephanja

Von W. Israel, Berlin

Die Zeit des Propheten

Man hat den Propheten Zephanja einen kleinen Jeremia genannt, so wie man Micha als einen kleinen Jesaja bezeichnet hat. Nur scheint sein Wirken nicht so in’s Große gegangen zu sein, wie es bei Jeremia der Fall war. Wahrscheinlich aus königlichem Geschlecht stammend - er nennt als einen seiner Vorfahren Hiskia, und wir haben keinen Grund, diesen Hiskia, nicht für den bekannten König zu halten - hat er unter dem frommen König Josia von Juda gewirkt, der sich redlich gemüht hat, die Gottesfurcht im Volke wiederherzustellen. Allerdings mit recht zweifelhaftem Erfolg. Zwar werden alle Morgen die Rechte des Herrn öffentlich gelehrt (Zeph 3:5), aber die Leute wollen sich nicht bessern.

Auch Zephanja entwirft ein sehr dunkel gehaltendes Sittenbild seiner Zeit. Er nennt Jerusalem eine gräuliche, unflätige, tyrannische Stadt, die nicht gehorchen noch sich züchtigen lassen will. Ihre Fürsten sind wie brüllende Löwen und ihre Richter Wölfe, ihre Propheten sind leichtfertig und Verächter, ihre Priester entweihen das Heiligtum und deuten das Gesetz frevelhaft. Offenbare Abgötterei, Gestirndienst, Baalsdienst bei den einen, eine Vereinigung von Götzendienst und Gottesdienst bei den anderen, völlige Gleichgültigkeit gegenüber göttlichen Dingen beiden Dritten. Die ausländische Kleidung, in der man sich gefällt, ist ein Sinnbild für das Eindringen fremder Kulte in das Volksleben. Krämergeist, Profitsucht, Mammondienst ist herrschend. Der König ist fromm, aber des Königs Kinder und Obersten geben das schlechte Beispiel. Man ist fleißig Bosheit zu üben. Allerdings es steht nicht durchweg so. Es gibt noch Menschen, welche Jehovas Rechte halten und Demut beweisen, Elende nennt sie der Prophet, es sind dieselben, die Jesus in der Bergpredigt als die Armen im Geist, als die da hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, selig gepriesen hat.

Der Tag des Herrn

Aber das allgemeine Verderben ist groß, deshalb ist das Gericht unausbleiblich. Es kommt. Der Tag des Herrn ist im Anzug. Er ist ein Tag des Grimms, der Trübsal und Angst, ein Tag des Wetters und Ungestüms, ein Tag der Finsternis und des Dunkels, ein Tag der Wolken und des Nebels, ein Tag der Posaunen und Trompeten wider die festen Städte und hohen Schlösser. Es wird den Leuten bange werden. Ihr Blut soll ausgeschüttet werden als wäre es Staub, und ihr Leib als wäre er Kot. Ihr Silber und Gold wird sie nicht retten. Ihre Güter werden zum Raub und ihre Häuser zur Wüste. Sie werden Häuser bauen und nicht bewohnen, Weinberge pflanzen und keinen Wein davon trinken. Das Land wird durch das Feuer des göttlichen Zorns verzehrt werden. Plötzlich kommt das Ende. Ja, es kommt anderes, als die dachten, welche sprechen: der Herr wird weder Gutes noch Böses tun. Es bleibt alle beim Alten. Sie werden sich zu verbergen suchen, aber vergebens. Der Herr lässt Jerusalem mit Leuchten durchsuchen; sie werden aus ihren Schlupfwinkeln hervorgezogen.

Bei der Eroberung Jerusalems durch die Römer im Jahre 70 n. Chr. zog man aus Kloaken, Höhlen und Klüften, wohin sie sich in ihrer Todesangst geflüchtet hatten, Fürsten, Priester und mächtige Herren hervor; dasselbe schaut der Prophet bezüglich des demnächst kommenden Gerichts. Das Volk ist wie ein Schlachtopfer, zu dem die Heiden als Gäste geladen sind.

Das Gericht ist gekommen. Die Menschen wurden ausgerottet aus dem Lande. Sie fielen durchs Schwert, sie wanderten in die babylonische Gefangenschaft: Über dieses Gericht Israels hinaus scheint Zephanja nicht zu blicken. Aber er schaut nicht nur Gericht über Juda und Jerusalem, er schaut auch das Gericht über die Heiden. Über die kleinen Völker Kanaans, über die Philister, über Moab, Ammon, über das Volk der Kreter. Ihre Länder sollen verwüstet, ihre Stätten wie Sodom und Gomorra werden. Ninive wird fallen, die fröhliche Stadt, die so sicher wohnte und in ihrem Herzen sprach: Ich bin’s und keine mehr. Tiere wohnen fortan in ihren Trümmern. Wer vorübergeht, pfeift sie an und klatscht mit der Hand über sie. Ja, Völker werden ausgerottet, ihre Schlösser verwüstet und ihre Gassen so leer gemacht, dass niemand darauf geht; ihre Städte werden zerstört, dass niemand mehr da wohnt.

Gericht über die Völkerwelt

Das alles ist im Verlauf der Zeiten in Erfüllung gegangen in der chaldäischen Zeit, zur Zeit Alexander des Großen, in der Zeit der Makkabäer. Aber der Prophet schaut nicht nur die Gerichte über einzelne Völker, sondern auch ein Gesamtgericht über die ganze Völkerwelt, geradeso, wie es bei Micha der Fall ist. Zephanja sieht, wie die Heiden, die Nationen, versammelt und die Königreiche zuhauf gebracht werden, und der Herr seinen Zorn über sie ausschüttet, alle Welt wird durch das Feuer seines Eifers verzehrt werden. Man wird, wenn man diese Weissagungen der alttestamentlichen Propheten liest, erinnert an Stellen aus der Offenbarung Offb 16:13ff: „Ich sah aus dem Munde des Drachen und aus dem Munde des Tieres, und aus dem Munde des falschen Propheten drei unreine Geister gehen, gleich Fröschen; denn es sind Geister der Teufel, die tun Zeichen und gehen aus zu den Königen auf dem ganzen Kreis der Welt, sie zu versammeln in den Streit auf jenen großen Tag Gottes, des Allmächtigen. Und er hat sie versammelt an einen Ort, der da heißt auf hebräisch Harmagedon“. Oder an Offb 19:11ff. „Ich sah den Himmel aufgetan und siehe, ein weißes Pferd. Und der darauf saß, hieß Treu und Wahrhaftig, und er richtet und streitet mit Gerechtigkeit. Seine Augen sind wie eine Feuerflamme und auf seinem Haupte sind viele Kronen, und er hatte einen Namen geschrieben, den niemand kennt denn er selbst. Und er war angetan mit einem weißen Kleide, das mit Blut besprengt war, und sein Name heißt „das Wort Gottes“. Und ihm folgte nach das Heer im Himmel auf weißen Pferden, angetan mit weißer und reiner Leinwand. Und aus seinem Munde ging ein scharfes Schwert, dass er damit die Heiden schlüge, und er wird sie regieren mit eisernem Stabe, und er tritt die Kelter des Weins des grimmigen Zorns Gottes des Allmächtigen. Und er hat einen Namen geschrieben auf seinem Kleid und auf seiner Hüfte also: Ein König aller Könige und ein Herr aller Herren. Und ich sah einen Engel in der Sonne stehen, und er schrie mit großer Stimme und sprach zu allen Vögeln, die unter dem Himmel fliegen: Kommt und versammelt euch zu dem Abendmahl des großen Gottes, dass ihr esset das Fleisch der Könige und der Hauptleute, und das Fleisch der Starken und der Pferde und derer, die darauf sitzen, und das Fleisch aller Freien und Knechte, der Kleinen und der Großen. Und alle Vögel werden satt von ihrem Fleisch."

Ein herrliches Zukunftsbild

Aber kein Prophet verkündigt nur Gericht. Gericht ist nur die Vorbereitung neuer Gnadenerweisungen des barmherzigen Gottes. Aus dem Tode sprießt stets neues Leben hervor. Die Gerichte der Endzeit räumen auf mit den Gottlosen und der Gottlosigkeit. Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus den Ruinen. Die Götter der Erde werden vertilgt. Die Spreu wird verbrannt. Was übrig bleibt aus dem Gericht, erlebt einen neuen Sonnenaufgang göttlicher Gnade, eine Auswirkung und Offenbarung des Heils, das Jesus der Menschheit und der Welt erwarb. Es wird Tag auf Erden, des Herrn Tag bricht an. In dem Schöpfungsbericht heißt es immer wieder: „Da ward aus Abend und Morgen, der erste Tag, der zweite Tag usw.“ Die Tage des Herrn bestehen aus Abend und Morgen. So auch der jüngste Tag. Den ersten Teil dieses Tages füllen die Gerichte, die andere Hälfte das neue Heil. Die Völkerwelt genest von ihrer Todkrankheit der Sünde und Verblendung. Sie wird entrissen der Herrschaft des Fürsten dieser Welt. Satans Betrug wird ihr offenbar, Gott und sein Christus wird erkannt. Scham, Reue, Buße über alle gehäufte Schuld erschüttert die Herzen. Anbetend sinkt die Völkerwelt nieder zu den Füßen des Hochgelobten. „Alsdann will ich den Völkern reine Lippen geben, dass sie alle sollen des Herrn Namen anrufen und ihm einträchtig dienen“, wörtlich übersetzt, mit einer Schulter dienen, denn sie nehmen jetzt gehorsam das Joch des Herrn auf sich (Zeph 3:9).

Aus dieser begnadigten Völkerwelt ragt aber Israel hoch hervor. Es ist wieder gesammelt im Lande seiner Väter, es ist ein heiliges Volk. Es braucht sich hinfort nicht mehr seines Tuns zu schämen. Die stolzen Heiligen sind abgetan. Die Übrigen in Israel tun kein Böses mehr und reden nichts Falsches mehr. Israel lebt und weidet in seinem Lande ohne Furcht. Jauchzende Freude ist sein Teil. Der Herr hat seine Strafe weggenommen, die Feinde abgewendet. Der Herr, sein König, ist bei ihm, so dass es kein Unglück mehr zu fürchten hat. Israel ist zu Lob und Ehren gebracht unter allen Völkern, wenn der Herr sein Gefängnis gewendet hat. Herrliches Zukunftsbild.

Falsche Interpretation

Eine gewisse Theologie will es uns nehmen. Sie deutet alle Verheißungen für Israel auf die Christenheit. Es würde zu weit führen, dies als einen Irrtum nachzuweisen. Nur auf einen Einwand möchte ich hinweisen. Man nimmt etwa den neunten Vers des zweiten Kapitels Zeph 2:9 vor: „Die Übrigen meines Volkes sollen sie erben, nämlich Moab und Ammon“, und sagt: sollen etwa Moab und Ammon in der letzten Zeit wieder auftreten? Diese untergegangenen Völker? Wenn aber daran nicht zu denken ist, dann kann auch, was Israel gesagt ist, nicht buchstäblich gedeutet werden. Sind Moab und Ammon nur Typen der feindlichen Völkerwelt der Endzeit, dann ist auch Israel ein Typus der Christenheit. Darauf ist zu antworten: Zephanja sagt nur, dass Israel einst in den Besitz des Landes kommen wird, das zuvor jene kleinen Völker innegehabt haben, und wenn jene Völker als solche nicht mehr existieren, so dürfte auch Israel eigentlich nicht mehr existieren, wenn jene Behauptung richtig wäre. Aber Israel existiert noch, wird auch weiter existieren, obwohl jüngst in einem Buch die Behauptung zu lesen war, dass Israel als Volk seinem Untergang entgegen sehe, Ahasver trage den Todeskeim in sich und schicke sich an, zu sterben.

Nein Israel hat noch eine Zukunft und zwar im Lande seiner Väter. Gewiss sind die Zustände im kommenden Weltlauf, obwohl sie diejenigen früherer Zeitalter bei weitem übertreffen in geistiger und leiblicher Hinsicht, in religiöser, sittlicher und naturhafter Beziehung, noch nicht das Vollkommene, sie sind noch nicht schlechthin himmlischer Art, aber sie bedeuten einen ungeheuren Fortschritt auf das Ziel der Vollendung hin. Und wenn die Prophetie, auch die neutestamentliche, und diese erst recht, von einem neuen Himmel und einer neuen Erde redet, wie kann man es rechtfertigen, verächtlich zu reden von jenem irdischen Übergangsstadium des Milleniums und zu behaupten, dass es einen zu „erdigen“ Geschmack habe? Es ist heidnische Philosophie, das Irdische zu verleumden, als ob es keinerlei Berechtigung habe, und als ob Gott sich seiner Schöpfung schämen müsse. Die Frage: Natur oder Geist? ist falsch gestellt. Nicht Natur oder Geist, sondern Natur und Geist, aber beide nicht auseinander, sondern ineinander. Schon der verschiedene Aggregatszustand der Körper kann uns das veranschaulichen. Aus Eis wird Wasser, aus Wasser wird Dampf, der sich verflüchtigen und unsichtbar werden kann, ebenso wie das bei viel festeren Körpern der Fall ist, wenn man sie den nötigen Hitzegraden aussetzt. Und wie der Fleischleib, den wir jetzt an uns tragen, bei der Auferstehung in eine verklärte Form geistlicher Art übergeführt werden soll, ohne deshalb aufzuhören Leib zu sein, so harrt die ganze Natur eines Zustandes der Verklärung und bleibt doch Natur. „Leiblichkeit ist das Ende der Wege Gottes.“ Aber es geht stufenweise vor sich.

Abschließende Erwägungen

Die Judenmission könnte keinen größeren Fehler begehen als den Versuch zu machen, die Juden überzeugen zu wollen, dass alle Verheißungen der Propheten bereits erfüllt seien in dem geistlichen Besitz der Christenheit. Ein Jude, Max Brod, charakterisierte einmal den Unterschied zwischen heidnischer, christlicher und jüdischer Weltanschauung in folgender Weise: „Das Heidentum steht unter der Idee der Diesseitsfortsetzung, das Christentum unter der der Diesseitsverneinung, es ersehnt die Auflösung der sichtbaren Welt zugunsten der unsichtbaren, das Judentum aber gibt die einzig mögliche Lösung, es sagt zum Diesseits weder ja noch nein, sondern etwas ganz anderes. In diesem Urteil mischt sich Wahrheit und Irrtum. Es ist falsch zu sagen, das Christentum verneine die sichtbare Welt; es verneint nur die sündige, von Leiden und Unheil durchzogene Welt und harrt einer sichtbaren Welt der Verklärung, die jedem Fluch entnommen ist. Allerdings hat eine irrende Theologie jenem Irrtum Vorschub geleistet und tut es teilweise heute noch.

Noch eins bedarf der Erwähnung und der Erwägung, das Wort Zeph 2:3.4: „Suchet den Herrn, alle ihr Elenden im Lande, die ihr seine Rechte haltet, suchet Gerechtigkeit, suchet Demut, auf dass ihr am Tage des Zornes des Herrn möget verborgen werden.“ Also eine Verheißung des Geborgenwerdens in der Zeit des Gerichts. Was der Name Zephanja bedeutet, nämlich einen Menschen, den der Herr verbirgt und beschützt, das soll an den Elenden, die des Herrn Rechte halten, zur Wahrheit werden. Es ist von jeher so gewesen, dass die Gerechten mit den Ungerechten, die Guten mit den Bösen leiden mussten; es gibt einen Schicksalsgemeinschaft, die gleiche Lose verteilt, aber es ist dies kein ausnahmslos geltendes Gesetz. Beim Propheten Maleachi spricht der Herr (Mal 3:18): „Ihr sollt sehen, was für ein Unterschied sei zwischen den Gerechten und den Gottlosen und zwischen dem, der Gott dient und dem, der ihm nicht dient.“ Noah ging nicht zugrunde im Gericht der Sintflut, Lot wurde aus Sodom gerettet, die Christengemeinde wurde vor der Zerstörung Jerusalems rechtzeitig nach Pella in Sicherheit gebracht. Wird die Gemeinde des Herrn die ungeheuren Weltnöte der letzten Zeit mit durchmachen müssen? Oder gibt es ein Hinwegnehmen, eine Entrückung, die ihr das Allerschwerste erspart?

Dass es Märtyrer geben wird in der letzten schwersten Zeit ist keine Frage; die Offenbarung Johannes zeugt ganz klar davon, aber ob die Gemeinde, der Leib Christi, auch einer solchen Bluttaufe zu ihrer Ausreife und Vollendung bedarf? Wenn Paulus im Römerbrief (Röm 5:8ff) sagt: „Darum preist Gott seine Liebe gegen uns, dass Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren. So werden wir ja viel mehr durch ihn bewahrt werden vor dem Zorn, nachdem wir durch sein Blut gerecht geworden sind“, so fragen wir: Ist dieser Zorn die Verdammnis des Jenseits, oder ist er die Gluthitze des jüngsten Tages, die große Trübsal der Endzeit? Wir wissen wie die Meinungen in dieser Hinsicht auseinandergehen. Ganz spruchreif scheint die Frage noch nicht zu sein, aber sie ist der Erwägung wert; und ein Wort, wie das eben angeführte des Propheten Zephanja, will uns dazu anregen. Leidensscheu darf uns gewiss die Antwort nicht diktieren, aber sollten wir es machen, wie manche Christen in den ersten Verfolgungszeiten der Kirche, die sich zum Martyrium drängten, das Gott ihnen gar nicht zugedacht hatte? Der Herr schenke uns Licht und Willigkeit, in allem und jedem zu sagen: Dein Wille geschehe.