Das Zukunftsbild des Propheten Joel

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Aus dem Zweimonatsheft für gläubige Schriftforscher:
"Das prophetische Wort"
Begründet von Professor E. F. Ströter


Herausgegeben von Heinrich Schaedel
Maranatha-Verlag, Klosterlausnitz i. Thür.
XIX. Jahrgang 1928

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Weitere Referate: Die 12 kleinen Propheten

Das Zukunftsbild des Propheten Joel

von Supt. W. I s r a e l , Berlin

Zeitliche Einordnung des Propheten Joel

Der Prophet Joel - sein Name bedeutet: „Der Herr ist Gott“ - hat wahrscheinlich das älteste prophetische Wort geredet, das uns aus Jerusalem erhalten ist. Die Gelehrten streiten zwar über die Zeit, in welcher Joel gelebt und geweissagt hat, denn der Prophet selbst gibt keine Zeitbestimmung an, aber es ist in hohem Maße wahrscheinlich, dass Jesaja das Buch des Propheten gekannt hat, ebenso Hesekiel. Ein schweres Erlebnis seiner Zeit lässt Gott für ihn den Anlass werden, einen Blick in eine ferne Zukunft zu tun. Das Land ist heimgesucht von Trockenheit, und dazu gesellt sich eine furchtbare Heuschreckenplage. In äußerst anschaulicher Weise schildert der Prophet diese Plage, die nicht allegorisch gedeutet werden darf, etwa auf den Einbruch feindlicher Heere, sondern ganz buchstäblich zu nehmen ist. Die Not, unter welcher Menschen und Tiere seufzen, erreicht ihren Höhepunkt darin, dass die Möglichkeit aufhört, Speiseopfer und Trankopfer zu bringen. Am Opferdienst aber hängt ja das Bundesverhältnis, in dem Gott zu dem Volke steht. Welch ernste Gedanken ein solcher Zustand im Volke erwecken musste, kann man daraus ersehen, dass, als später bei der Belagerung Jerusalems durch die Römer im Jahre 70 nach Christi Geburt, es auf das Äußerste gekommen war, man den Opferdienst erst einstellte, als es an Menschen fehlte, welche die Opfer hätten darbringen können, nicht etwa, weil man am Vieh hätte sparen sollen.

Aufruf zur Buße

Die ungeheure Landesnot ist natürlich ein Gericht Gottes über das Volk. Dabei war die Zeit Joels sicherlich nicht eine Zeit größter Erwartung; spätere Zeiten haben viel größere Sünden gesehen. Besondere Sünden geiseln den Propheten überhaupt nicht. Vom Götzendienst ist mit keiner Silbe die Rede. Aber gleichwohl ist Buße und Bekehrung nötig. Zu ihr ruft Joel auf: „Bekehret euch zu mir von ganzem Herzen, spricht der Herr, mit Fasten, mit Weinen, mit Klagen. Zerreißet eure Herzen und nicht eure Kleider. Blaset mit Posaunen zu Zion, heiligt ein Fasten, ruft die Gemeinde zusammen, versammelt das Volk, bringet zuhauf die jungen Kinder und Säuglinge. Der Bräutigam gehe aus seiner Kammer und die Braut aus ihrem Gemach. Lass die Priester, des Herrn Diener, weinen zwischen Halle und Altar und sagen: „Herr, schone deines Volkes und lass dein Erbteil nicht zu Schaden werden.“

Segensverheißungen

Wird das Volk der Stimme des Herrn gehorchen, so darf es sich darauf verlassen, dass der Herr gnädig ist, barmherzig, geduldig und von großer Güte, und dass ihn bald der Strafe reut. Er wird den Regen wiederkehren lassen zu opfern Speisopfer und Trankopfer, er wird den von Mitternacht, d.h. das Heer der Heuschrecken, in die Ferne verscheuchen, wo es verfaulen soll. Mit den Menschen sollen die Tiere sich wieder freuen, die Auen sollen wieder grünen, die Bäume wieder ihre Früchte bringen und die Feigenbäume und Weinstöcke sollen wohl tragen. Die Tennen sollen voll Kornes werden und die Keltern Überfluss haben. „Ich will euch die Jahre erstatten, - spricht der Herr - welche die Heuschrecken, Käfer, Geschmeiß und Raupen, mein großes Heer, das ich unter euch schickte, gefressen haben, dass ihr zu essen genug haben sollt, und mein Volk soll nicht mehr zuschanden werden, und ihr sollt erfahren, dass ich mitten unter Israel bin und dass ich der Herr, euer Gott, sei und keiner mehr.“

Aber nicht nur ein reiches Maß irdischen Segens verheißt der Prophet Joel, sondern auch ein solches himmlischen Segens. Ihm verdanken wir die wundervollen Worte: „Nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Ältesten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen. Auch will ich zur selbigen Zeit über Knechte und Mägde meinen Geist ausgießen.“ Was einst Mose gewünscht hatte: „Wollte Gott, dass all sein Volk des Herrn weissagte, und der Herr seinen Geist über sie gäbe“ (4Mo 11:29), das ist bei Joel als klare Gottesverheißung ausgesprochen. Nicht einzelne allein sollen in Zukunft die Bevorzugten sein, sondern alles Volk ohne Unterschied des Geschlechts, des Alters, des Standes sollen der höchsten Gabe Gottes teilhaftig werden. Allerdings ist diese Geistesausgießung beschränkt auf Israel, dass auch die Heiden an diesem Segen mit beteiligt sein werden, ist Joel noch verborgen geblieben.

Gerichtsankündigung

So tröstlich indessen in mehr als einer Hinsicht Joel redet, so ernst und drohend ist andererseits seine Verkündigung. Die Dürre und Heuschreckenplage, die furchtbare Not der Gegenwart wird ihm zum Gleichnis für Schwereres, was die Zukunft in ihrem Schoße birgt. Erlebt das Volk gegenwärtig eine schwere Heimsuchung des Herrn, es kommt dereinst der düstere Tag des Herrn, und vielleicht steht er bereits unmittelbar vor der Türe, der Tag, der alle gewesenen Schrecknisse überbieten wird. Er kündigt sich an in Wunderzeichen am Himmel und auf Erden: Blut, Feuer und Rauchdampf, die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden. Der Tag des Herrn ist ein großer und schrecklicher Tag. Er bringt Israel ungeheure Bedrängnis. Alle Heiden stehen wider das Volk. In jener Endzeit gilt es aus den Pflugscharen Schwerter, und aus den Sicheln Spieße zu machen. Alle Kriegsleute müssen mobilisiert werden. Die Schwachen sollen sprechen: Ich bin stark. Ungeheure Massen von Feinden bedrängen Juda und Jerusalem. Aber der Herr sammelt sie im Tal Josaphat zum Gericht über sie selbst. Dort will er mit ihnen rechten wegen des Frevels, den sie an Israel gegangen haben. Der Herr wird aus Zion brüllen und aus Jerusalem seine Stimme hören lassen, dass Himmel und Erde beben werden.

Aber auf dem Berge Zion und zu Jerusalem wird eine Errettung sein. Wer immer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll errettet werden. Die Feinde gehen zugrunde. Für Israel beginnt eine große Heilszeit. Der Herr wohnt in seiner Mitte, das Volk ist ein heiliges Volk. Vom Hause des Herrn geht eine Quelle aus, welche das Tal Sittim wässert. Naturhafter Segen ergießt sich über das Land, die Berge triefen von süßem Wein und die Hügel fließen von Milch. Ewiglich bleibt dieses Heil.

Geistesausgießung an Pfingsten

Was ist von dieser prophetischen Schau bisher in Erfüllung gegangen und was nicht? Dass die Heuschreckenkatastrophe vorüberging, bedarf kaum der Erwähnung. Dass die Verheißung der Geistesausgießeung nicht ausgeblieben ist, wissen wir. Petrus hat ja zu Pfingsten es klar bezeugt: „Ihr Juden, liebe Männer, und alle, die ihr zu Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, und lasset meine Worte zu euren Ohren eingehen. Denn diese sind nicht trunken, wie ihr wähnt, sintemal es ist die dritte Stunde am Tage, sondern das ist’s: „Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, ich will ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch usw.“ Aber ist mit dem, was zu Pfingsten geschah, die Weissagung schon ganz und gar erfüllt? Keineswegs. Über alles Fleisch wurde damals der Geist nicht ausgegossen, sondern über eine Minderheit. Die Weissagung harrt nach ihrer vorläufigen Erfüllung noch der völligen. Sie wird eintreten, wenn Israel sich dereinst bekehrt. Das hat der Prophet Hesekiel klar geschaut in dem Gesicht von dem weiten Feld voller Totengebeine. Nachdem er zuerst gesehen hat, wie dieses Gebeine sich mit Fleisch bedecken und mit Haut überziehen, ohne dass indessen bereits Odem in ihnen ist, muss er zum Wind sprechen: „So spricht der Herr, Herr: „Wind, komme herzu aus den vier Winden und blase diese Getöteten an, dass sie wieder lebendig werden.“

Und der Prophet tat, wie ihm befohlen war, da kam Odem in sie und sie wurden wieder lebendig, und richteten sich auf ihre Füße und ihrer ward ein sehr großes Heer. Damit erfüllt sich das klare Wort des Herrn: „Ich will meinen Geist in euch geben, dass ihr wieder leben sollt.“ Dass zu Pfingsten nicht die volle Erfüllung eingetreten ist, darf man vieleicht auch entnehmen der kleinen Änderung, welche Petrus mit dem Text des Joel vorgenommen hat. Joel verkündigt als Wort des Herrn: „Ich will meinen Geist ausgießen über alles Fleisch“. Petrus gibt das Wort wieder in der Form: „Ich will ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch.“ Wer übrigens nur den Propheten Joel liest, könnte auf den Gedanken kommen, dass das Volk Israel in allen einzelnen Personen jene Verheißung der Geistesausgießung erleben wird; spätere Propheten haben diesen Gedanken verneint und klar bezeugt, dass nur ein Überrest gerettet wird.

Der Tag des Herrn

Wie steht es denn nun aber mit dem Tag des Herrn, den Joel verkündigt? Jesus hat einmal gesagt (Lk 17:22): „Es wird eine Zeit kommen, dass ihr werdet begehren zu sehen e i n e n Tag des Menschensohnes, und werdet ihn nicht sehen.“ Es gibt also mehr als einen Tag des Menschensohnes. Einer dieser Tage war seine Erscheinung auf Erden. Vielleicht darf man die Reformation als einen solchen Tag bezeichnen. Aber der größte, der letzte, der jüngste Tag des Herrn steht noch aus. Es gibt viele Gottesgerichte. Israel hat so manches Gericht erlebt, das Gericht durch die Assyrer, die Babylonier, die Römer. Wir Deutsche haben das Gericht des 30jährigen Krieges und des Weltkrieges erlebt. Die ganze Welt in grauer Vorzeit das Gericht der großen Flut. Aber das jüngste, letzte Gericht steht noch bevor. Aber auch darin ist der Blick Joels noch nicht völlig klar, dass er dieses Gericht nur als ein Gericht über die Völkerwelt, nicht auch über Israel schaut. Schuld scheint in jener Endzeit nur bei den Nationen, welche sich an Israel versündigen, nicht bei diesem selbst vorhanden zu sein. Aber das Gericht, welche Joel über die Völkerwelt geschaut hat, steht freilich in engstem Zusammenhang mit ganz außerordentlicher Bedrängnis des jüdischen Volkes durch die Welt der Nationen. Der Prophet sieht Juda und Jerusalem umringt von großen Heeresmassen. „Ich will alle Heiden zusammenbringen und will sie in’s Tal Josaphat hinabführen, und will mit ihnen rechten daselbst wegen meines Volkes und meines Erbteils Israel, weil sie es unter den Heiden zerstreut und sich in mein Land geteilt und das Los um mein Volk geworfen haben.

Man wird erinnert an Dan 7, wo die Rede ist von den vier Tieren, von den 10 Hörnern des vierten Tieres, zwischen denen ein anderes, kleines Horn herausbricht, das Augen hat wie Menschenaugen, und ein Maul das große Dinge redet, welches streitet wider die Heiligen und den Sieg über sie behält, bis der Alte kommt und Gericht hält für die Heiligen des Höchsten. Dieses kleine Horn wird gedeutet als ein Herrscher, der den Höchsten lästert, sich untersteht, Zeit und Gesetz zu ändern, in dessen Hände die Heiligen gegeben werden eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit, der dann aber dem Gericht verfällt und dessen Gewalt weggenommen wird. Die Weissagung des Joel, und verwandte Stellen anderer Propheten weisen hin auf die antichristliche Zeit, vielleicht sogar auf Gog und Magog nach dem Ablauf des 1000jährigen Reiches.

Es ist merkwürdig, wie früh die Prophetie ihren Blick bis auf das Ende hin richtet. Es liegt das im Wesen des heiligen Geistes. Gottes Geist in ein ewiger Geist, er haftet nicht an dem, was heute ist, er schaut beständig aus nach dem Endziel, nach der Vollendung. In den Keimen der Geschichte sieht er bereits die gereiften Früchte. Je mächtiger sich dieser Geist in Menschenherzen kundtut, umso mehr sind auch sie in Endstimmung. Jesus und die Apostel sind ganz eschatologisch gestimmt. Luther war es ebenso, und wenn heute in weiten Kreisen der Gläubigen die Enderwartung lebendig wird, so ist das nicht ein Merkmal von Schwärmerei, sondern ein Zeichen davon, dass der heilige Geist sein Werk treibt, wohl auch ein Zeichen dafür, dass die letzten Dinge im Anzuge sind. Nicht nur der moralische Zustand der Welt und der Christenheit stimmen die Einsichtigen ernst, sehr ernst, auch die politische Lage der Völker ist geeignet, düstere Gedanken zu erwecken. Man ruft: Friede, Friede, aber fast kein Mensch glaubt an den Frieden, und es ist auch nicht einzusehen, wie ein Zustand dauernder Ungerechtigkeit Frieden begründen und verbürgen könnte. Wenn das prophetische Wort von außerordentlichen Völkerbewegungen in der Endzeit redet, wir haben solche nicht nur erlebt, sondern wir sehen neue sich vorbereiten.

Gedanken zur Zeitgeschichte

Es ist interessant, einige Zeitstimmen zu vernehmen. der bekannte englische Arbeiterführer und ehemalige Premierminister Ramsah Mac Donald hat gesagt: „Europa kommt nicht mehr zur Ruhe. Es gibt keinen Frieden in Europa. Die Regierungen sind ohnmächtig. Sie fürchten sich, irgendwelche einschneidenden Maßnahmen zu ergreifen. Darum sehen sie einfach untätig zu, wie die Zustände sich zusehends verschlimmern. 1923 ist viel schlimmer als 1914“. Lloyd George sagte: „Ein neues Kapitel beginnt in der Geschichte Europas und der Welt mit einer beispiellosen, ungeahnten Drangsal, wie sie die Menschheit noch nie erlebte!. „Niemand, außer einigen unverbesserlichen Optimisten, kann leugnen, dass die gegenwärtige Welt sehr krank ist, und es kann sein, dass es eine Krankheit zum Tode ist“, so ließ sich Sir Philipp Gibbs vernehmen. Und der Viscount Grey hat geäußert: „Es scheint mir sicher zu sein, dass, falls es noch einen weiteren, europäischen Krieg geben sollte, die Zivilisation sich niemals davon erholen wird.“ Unser ehemaliger Kaiser erklärte einst, er verbanne die Schwarzseher aus seiner Nähe. Ob er heute noch so reden würde? Als das unglückliche italienische Schiff, die Prinzessin Mafalda, bereits das verhängnisvolle Leck hatte, hat man an Bord noch getanzt. Mir kommt die moderne Gesellschaft, die sich durch die Zeichen der Zeit nicht warnen lässt, geradeso vor.

Die Völkerwelt Asiens und Afrikas ist in Bewegung und steht heute Europa anders gegenüber als bisher. Der Ausbeutung durch die weiße Rasse müde, die Ungerechtigkeiten, die sie erlitten, intensiver als bisher fühlend, mit den Schwächen der alten Welt bekannt als ehedem, nimmt vornehmlich der ferne Orient, wie es scheint, eine immer drohendere Stellung ein gegenüber dem Okzident.-

Ich muss oft denken an das Wort aus Offb 16:12: „Der sechste Engel goss seine Schale aus auf den großen Wasserstrom Euphrat, und das Wasser vertrocknete, auf dass bereitet würde der Weg den Königen vom Aufgang der Sonne.“ Manche Völkerlawine hat sich in früheren Zeiten aus dem Osten gegen das Abendland gewälzt, haben wir in jenem Wort etwa die Andeutung, dass sich Ähnliches, nur in viel größerem Ausmaß, vorbereitet? Der Tag des Herrn trägt ungeheure Schrecknisse auch anderer Art in seinem Schoß. Wie hat man zu Joels Zeit unter der Heuschreckenplage gelitten. Wie wird es aber erst sein, wenn sich erfüllt was Offb 9:1 geschrieben steht: „Und der fünfte Engel posaunte, und ich sah einen Stern, gefallen vom Himmel auf die Erde, und ihm war der Schlüssel zum Brunnen des Abgrundes gegeben. Und es ging auf ein Rauch aus dem Brunnen wie ein Rauch eines großen Ofens, und es ward verfinstert die Sonne und die Luft von dem Rauch des Brunnens. Und aus dem Rauch kamen Heuschrecken auf die Erde, und ihnen ward Macht gegeben, wie die Skorpione auf Erden Macht haben. Und es ward ihnen gesagt, dass sie nicht beschädigten das Gras auf Erden, noch ein Grünes, noch einen Baum, sondern allein die Menschen, die nicht haben das Siegel Gottes an ihren Stirnen.

Und es ward ihnen gegeben, dass sie sie nicht töteten, sondern sie quälten fünf Monate lang, und ihre Qual war wie eine Qual des Skorpions, wenn er einen Menschen schlägt. Und in den Tagen werden die Menschen den Tod suchen und nicht finden, werden begehren zu sterben, und der Tod wird vor ihnen fliehen.“ Dem Apokalyptiker Johannes hat das Gesicht Joels von der Heuschreckenplage jener Zeit vor Augen gestanden, aber es ist ihm ein Gleichnis geworden für eine viel größere Plage der Zukunft, welche einen dämonisch-überntürlichen Zug an sich trägt. Überhaupt ins Dämonisch-Übernatürliche geht es hinein in der Endzeit, wenn die lügenhaften Kräfte und Zeichen des Menschen der Sünde uns seines Vaters, des Teufels, sich offenbaren und Gott darauf antwortet. Die Vorgänge in der Naturwelt sind natürlich, und doch insofern, wie ich glaube, übernatürlich, weil geistige Potenzen hinter ihnen stehen. Die Engelwelt, die gute und die böse, wirkt hinein in die Sphäre des Natürlichen.

Werden wir nicht immer wieder nachdenklich, wenn wir hören, wie die Naturkatastrophen sich häufen? Neulich las ich in einem naturwissenschaftlichen Blatt, dass nicht nur ängstliche Gemüter, sondern ernsthafte Forscher die Ansicht vertreten, dass große unterirdische Veränderungen vor sich gehen, die sogar eine riesige Katastrophe für Europa befürchten lassen, bei der ganz England und große Teile der norddeutschen, belgischen und nordfranzösischen Küste unter Wasser gesetzt würden. Der Philosoph Leibniz lehrte die prästabilierte Harmonie. So ist es unzweifelhaft die Anschauung der Bibel, dass die Erscheinungen in der geistigen, in Sonderheit der moralischen Welt, parallel gehen mit denen in der Naturwelt. Deshalb spiegeln sich die geistigen Zerrüttungen in der Menschenwelt geradeso wieder in Naturkatastrophen, wie dereinst die Zustände einer wiedergeborenen Menschheit sich widerspiegeln werden in einer Verklärung der Schöpfung.

Der Herr kommt bald

Joel hat die Nähe des Tages Jehova’s verkündigt. Jesus spricht durch Johannes: „Siehe, ich komme bald“. Jahrtausende sind seit Joel und jenem Worte des Herrn verstrichen. Wieviel ist darüber nachgedacht worden, dass bis jetzt weder der jüngste Tag erschienen, noch Jesu Wiederkunft erfolgt ist. Gibt es Möglichkeiten, Angedrohtes oder Verheißenes in seiner Erfüllung aufzuhalten? Man darf es annehmen, hat doch Joel gesagt: „Bekehret euch zu dem Herrn eurem Gott, denn er ist gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte und ihn reut bald der Strafe.“ Ja, der Mensch kann hemmend oder fördernd in den Gang der Geschichte eingreifen, aber an seinem Weltplan hält Gott dennoch fest. „Was er sich vorgenommen und was er haben will, das muss doch endlich kommen zu seinem Zweck und Ziel".

Gerechtigkeit und Gericht ist und bleibt seines Stuhles Festung; Gnade und Wahrheit sind und bleiben vor seinem Angesicht (Ps 89:15). Und selbst wenn Gott sich nicht einstellen könnte auf das Verhalten der Menschen, wenn es bei diesen keinerlei Möglichkeit gäbe, hemmend oder fördernd einzugreifen in den Gang der Dinge, wenn das Wort „nahe“ und das Wort „bald“ ohne jeden Vorbehalt gesprochen wäre, nach Gottes Uhr bestimmt und am Maßstab der Ewigkeit gemessen, war und ist der Tag des Herrn nahe. Dem Bräutigam und der Braut ist der Hochzeitstag nahe, innerlich nahe, selbst wenn er äußerlich sich noch verzieht, so ist der Tag des Herrn und die Wiederkunft Jesu den Gläubigen stets innerlich nahe, als ein Datum des Herzens. Wir sollen, wie Petrus sagt (2Petr 3:12), warten und eilen zu der Zukunft des Tages des Herrn. Wie es bei uns eine Synthese gibt von Warten und Eilen, so gibt es beim Herrn eine solche von „bald“ und „noch nicht“.