Aus Jakob wird Israel

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Aus dem Zweimonatsheft für gläubige Schriftforscher:
"Das prophetische Wort“ (Jahrgang 1923-25)
Begründet von Professor E. F. Ströter

Herausgegeben von Heinrich Schaedel
Maranatha-Verlag, Klosterlausnitz i. Thür.

Siehe weitere Abschriften

Das erste Buch Mose

von: Prof. E. F. Ströter
Inhaltsangabe: 1Mo 1-50

12. Aus Jakob wird Israel

Zweiunddreißigstes Kapitel

Jakob und die Engel

Während Jakob weiterzieht nach der reinlichen Scheidung zwischen dem, was nun hinter ihm lag, und dem, dem er auf Geheiß seines Gottes entgegenging, - denn wir sehen deutlich, dass es auf dem Wege Gottes, auf allen verschiedenen Stufen des göttlichen Lebens immer nach dem Gesetz der Scheidung geht – da ereignen sich für Jakob drei merkwürdige Begebenheiten.

Es begegnen ihm zuerst die Heere Gottes, dann sein Bruder Esau und schließlich der lebendige Gott in menschlicher Gestalt. Das sind drei Begegnungen von tiefster Bedeutung.

Die Begegnung mit den Heeren Gottes (1Mo 32:2,3) wird zwar nur sehr flüchtig gestreift, aber doch nicht verschwiegen. Es muss eine Berechtigung, eine Begründung haben im göttlichen Rat und Plan, dass die Beziehungen der Engelwelt zu den Wegen und Führungen der Auserwählten Gottes auf Erden wirklich in die Offenbarungen Gottes aufgenommen sind.

Sind sie das aber, so haben sie uns etwas zu sagen. Denn in der biblischen Geschichte gibt es keinen bloßen Aufputz, keine bloße Ausschmückung der geschichtlichen Darstellung. Die Bibel ist nicht ein Lehrbuch der Ästhetik und des guten Geschmacks, das solchen Schmuck benötigte, wenngleich sie nie geschmacklos ist. Das ist ihre Aufgabe nicht.

Jakob begegnen die Heere Gottes; er erkennt sie und nennt sie mit prophetisch sicherem Blick Mahanaim, Doppellager Gottes. Da sehen wir den Schleier, den Vorhang hinweggehoben und sichtbar wird etwas von der sonst unsichtbaren Welt unseres Gottes.

Nicht das erste Mal ist es, dass Jakob Engel Gottes schaut. Es ist sehr bezeichnend, dass er eine ähnliche Begegnung hatte, als er vor seinem Bruder Esau floh und träumte, der Himmel habe sich über ihm aufgetan und die Engel steigen an einer Leiter auf und nieder.

Welch hohen Anteil nehmen diese Heerscharen des lebendigen Gottes an dem Geschick, dem Wege, den Wandelungen der Auserwählten Gottes auf dieser Erde! Hier erscheinen sie wieder, gewiss nicht ohne gesandt zu sein, jedoch ohne Teilnahme an seinem Ergehen zu bezeugen! Sie haben nicht den Auftrag, etwa wie bei Josua (Jos 5:14.17) Worte mit ihm zu wechseln. So wie damals bei Bethel haben sie auch hier ihm nichts zu sagen. Nach einer Botschaft aus der Engelwelt haben wir nicht zu lauschen. Es kommt später vor, dass Engel zu Daniel, Maria, Petrus mit bestimmtem Auftrag kommen. Hier aber nicht.

Bei dem Auftreten der Engel zeigen sich mancherlei Verschiedenheiten, auf die wir jetzt nicht eingehen können. Aber alle Erscheinungen der Engel Gottes im Leben Seiner menschlichen Auserwählten reden doch eine sehr vernehmliche Sprache, auch wenn keine Worte von beiden Seiten fallen. Wir deuten sie so, dass alle Wege Gottes mit Seinen Auserwählten auf Erden müssen von höchster Bedeutung und Tragweite sein für die himmlischen Heerscharen.

Dass es nicht bloß Neugier ist, die sie auf die Erde treibt, versteht sich von selbst. Eine solche Begründung ihrer Erscheinung können wir nicht aufkommen lassen. Da sind sie; wieder und wieder treten sie auf. Was treibt sie auf die Erde? Ganz unzweifelhaft treibt sie, wie Petrus (1Petr 1:12) sagt, das Verlangen, die Sehnsucht, in die geheimnisvollen Wege ihres und unseres Gottes mit den Seinen hineinzuschauen.

Was haben sie dabei? Wenn in der ganzen Engelwelt alles so wäre, wie es sein sollte, wenn in sie hinein nicht Störung, Empörung, Unordnung, Auflehnung gegen Gottes Majestät, Allgewalt und Liebe eingedrungen wäre, dann ließe sich das kaum erklären.

Sorgfältiges Nachdenken führt zu keiner anderen Erklärung, als das wohl eines vor ihrem Geiste steht, nämlich, dass der Ausgang der Wege Gottes mit Seinen menschlichen Auserwählten hier auf dieser Erde für den Ausgang der Dinge auch der obern Welt von ganz unberechenbarem Wert und unabsehbarer Bedeutung ist. Uns weiter auslassen darüber können wir hier nicht. Diese Andeutung möge genügen.

Für Jakob aber hatte diese Begegnung mit den Heeren Gottes auch eine Bedeutung. Sie musste ihn unfehlbar erinnern an die Begegnung vor zwanzig Jahren, als er floh vor seinem Bruder Esau und lag als ein Betrüger unter dem Himmel bei Bethel, und die wunderbare Gnade Gottes hatte für ihn nicht Donnerworte des Tadels, des Vorwurfs, der Verfluchung, sondern Jehova, der an der Spitze der Leiter stand, redete Seine großen königlichen Verheißungen: Ich will mit dir sein, dich segnen und dich wieder in das Land deiner Väter bringen.

Die Engel brachten ihm das alles ins Gedächtnis zurück. Sie waren die Boten des Allerhöchsten, die ihm bestätigten, dass er wirklich auf dem ihm von Gott gewiesenen Wege war, die ihm auch ins Gewissen riefen, was ihn damals aus dem Lande der Verheißung nach Mesopotamien getrieben, nämlich die furchtbare Sünde, die er an seinem Bruder Esau und an seinem erblindeten Vater Isaak begangen hatte. Merkwürdig, diese einschneidende Begegnung mit den Heeren Gottes!

Jakob begegnet Esau

Und dann kommt die Begegnung mit seinem Bruder Esau (1Mo 32:4-9). Zwanzig Jahre waren dahingegangen, seit er so schnöde, schändlich, echt fleischlich sich an Esau vergangen. Sünde und Schande ist aus Unglauben in jenem Vorgang geboren worden, und nun dieses Erlebnis!

Rebekka hatte zwar die Verheißung Gottes empfangen, dass der ältere Bruder dem Jüngeren dienen solle (1Mo 32:26,33), dass Gott zum Vorteil Jakobs die Naturordnung auf den Kopf stellen würde. Sie hat es deutlich erkannt, verstanden und ihrem Gatten nicht vorenthalten, dass es im Rat und Willen Gottes war, Esau solle nicht Träger der Verheißung sein, sondern sein jüngerer Bruder, nicht aus Verdienst der Werke, sondern aus Gnaden des Berufers. Aber diese Erkenntnis hatte nicht ausgereicht, Rebekkas fleischliche Neigung zum Schweigen zu bringen.

Da haben wir eine sehr wichtige und ernste Lehre, die wir uns zur Warnung dienen lassen wollen. Man kann eine klare Erkenntnis haben in göttlichen Dingen und keine Kraft, innerlich mit den fleischlichen Regungen fertig zu werden, wirklich zu ruhen auf den greifbaren göttlichen Zusagen, die man als solche erkannt hat. Es gibt wohl in dem Leben jedes Kindes Gottes solche beschämenden Erlebnisse, die uns zur Einsicht bringen, dass unsere Erkenntnis unserm Überwinden weit voraus ist. Das soll nicht sein.

Wie langmütig hat Gott da getragen und kommt doch noch zurecht auch mit dem Fersenhalter und Betrüger, diesem frommen Fleisch. Jakob war ja nicht raues, unangenehmes, hässliches, sondern liebenswürdiges Fleisch, der äußeren Erscheinung und dem Auftreten nach, der Lieblingssohn der Mutter, nicht wie Esau.

Nun kommt ihm ins Gedächtnis, was er vor zwanzig Jahren getan hat, und er sandte Boten hin zu Esau. Ja, in zwanzig Jahren wächst viel Gras, aber nicht genug, um den Bruder Esau damit decken zu können.

Wir mögen durch die Führungen unsers Lebens dahin kommen, dass wir draußen den Bruder Esau und unsere Schändlichkeit vergessen, aber nach zwanzig Jahren steht der Bruder Esau wieder auf.

Es gibt für Jakob keinen Eingang in das Land der Verheißung, bis er sich mit ihm auseinandergesetzt, abgefunden und das Böse hinweggetan hat. Was ihm das für innere Nöte gemacht haben muss, verrät er in seinem ganzen Verfahren. Er verrät damit aber auch, dass er innerlich noch ein ungebrochener Mensch ist. Ein Gesegneter des Herrn, der Laban gegenüber eine klare Stellung einnimmt, unzweifelhaft!

Aber man kann ein gesegneter Mensch Gottes sein, einen gesegneten Dienst hinter sich haben, eine klare Stellung der Welt gegenüber einnehmen, und doch mit dem Bruder Esau nicht fertig sein. Wir wollen davon lernen. Esau ist Jakobs eigen Fleisch, durch denselben Vorgang aus der gleichen Mutter geboren; sie sind Zwillinge. Mehr kann uns die Schrift in der bildlichen Darstellung nicht bringen, als dass wir in dem Zwillingsbruder, dem Esau, mit dem Blute, das noch in uns steckt, das eigne ungebrochene Wesen erblicken.

Mit Laban ist man fertig, aber mit dem Bruder Esau nicht – da hängt’s! Wie viel ungebrochenes Wesen findet sich bei sehr entschiedenen Kindern Gottes, und doch, was gilt nicht im christlichen Lager die Entschiedenheit! Die ist das ganze Abc des Christentums. Jakob ist ein Beweis, dass es damit nicht genug ist. Eher geht es nicht in das Land der Verheißung, als bis Esau überwunden ist; und das geht nicht durch eigene Machenschaften. Das ist kostbare Lehre, die uns das so ganz schlaue, bewundernswerte, unübertreffliche Verfahren Jakobs gegenüber dem Esau so anschaulich vor Augen stellt. Wie versteht er es so ausgezeichnet, dass man mit einem Geschenk den grimmigsten Zorn mildern oder beseitigen kann. Er teilt nicht nur seine Herde in zwei Teile, sondern er schickt auch, seinen Bruder zu besänftigen, auserlesene Stücke aus seiner Herde zum Geschenk zu seinem Bruder, der mit vierhundert Reitern Jakob entgegenkommt. Das war einsichtsvolle Klugheit im höchsten Grade!

Gewiss, Jakob betet auch dabei (1Mo 32:10-13). Es fehlt ihm nicht an tiefer Einsicht und Anerkennung alles des Großen, Guten, das Gott an ihm getan hat. Dankbarkeit ist da; das wollen wir nicht außer Acht lassen. Er beruft sich mit großer Bestimmtheit auf die Weisung, die Gott ihm gegeben. Mit seiner Erkenntnis ist auch Beugung verbunden. Gott hatte ihn ja überschwänglich gesegnet. Nur einen Stab hatte er, als er über den Jordan ging und nun ist er zwei Heere geworden. Aus tiefstem Herzen muss er Gott danken und er bittet auch um Rettung von seinem Bruder.

Dieser Jakob aber, der so ergreifend beten, Gott anerkennen und danken kann, ist derselbe, der seine eignen Pläne und Anschläge machen kann (1Mo 32:14-21)! Er weiß, wie man mit eignem Wissen, Wollen und Können dem Bruder zu begegnen hat. Und dann die wunderbare Freundlichkeit unseres Gottes! Jakob sagt: „Vielleicht wird er mich gnädig ansehen (1Mo 32:21)“. Gibt es noch ein Vielleicht nach einem ernsten Gebet, im Vertrauen auf Gottes Zusage: Ich will dich behüten und bringen in das Land deiner Väter? (1Mo 28:15; vgl. 1Mo 32:31.3).

Ja, es gibt ein solches vielleicht, solange wir noch ungebrochene Leute sind! Nicht wenige Gläubige haben tiefe Einblicke in Gottes Willen und Wege, aber wenn es sich darum handelt, mit unerschütterlicher Festigkeit am Herrn zu hangen und nicht in Unruhe zu geraten bei herannahenden Gefahren, dann versagen sie. Dann heißt es bei ihnen: ich muss mir selber helfen; vielleicht wird es mir gelingen. Wo es so steht, da ist keine klare Gewissheit, da ist inneres Schwanken und Wanken.

Jakob lässt das Geschenk hinüber gehen über den Jabok (1Mo 32:22-24). Er darf alle seine Pläne ruhig ausführen. Gott weiß ja, wie Er mit ihm verfahren und fertig werden wird.

Jakob selbst aber bleibt zurück im Lager (1Mo 32:22). Schlafen konnte er nicht, aber er betet und breitet seine Sache vor Gott aus und hat sich dabei sicher auf Gottes Verheißungen berufen. Warum aber kommt er nicht zur Ruhe?

Er lässt noch in der Nacht alles hinübergehen, was er hat (1Mo 32:23.24). Musste es so weit kommen, dass alles, was Gott ihm gesegnet, geschenkt hatte, erst durch den Jabbok von ihm getrennt wurde? Ja, Gott wollte ihn zu einer inneren Scheidung nötigen. Zunächst trifft Jakob eine äußerliche Trennung; das Äußere aber ist nur ein Abbild des Inneren.

Der Kampf am Jabok

Ehe es zu dem entscheidenden Kampf kam, von dem er noch keine Ahnung hat, trieb der Geist ihn eine völlige Scheidung von allem Segen, von allem Erworbenen, Gewordenen vorzunehmen. Es handelt sich nicht nur um eine klare Scheidung zwischen uns und der Welt, es muss unter allen Umständen der Jabok fließen auch zwischen uns und allem, was uns von Gott geworden ist. Alles von Gott geschenkte muss auch hinüber. Er blieb allein zurück. Tut Gott es nicht anders? Nein, sonst lässt Er den Jakob allein.

Und nun zuletzt die Begegnung mit Jehova. „Da rang ein Mann mit ihm (1Mo 32:25).“ Den hat Jakob ja nicht gerufen; an den hatte er gewiss nicht gedacht. Da steht nun so groß, mächtig, überwältigend vor uns: Aus Gnaden, aus Gnaden! Was Jakob getrieben hat, war die Unruhe. Was aber erzeugt die Unruhe? Das ist der unausgesetzte Kampf zwischen Geist und Fleisch, dem alten und neuen Menschen.

Wenn ein Mensch Gottes in solche innere Kämpfe und Unruhe gerät, so ist das zugleich etwas Schmerzliches und Ermunterndes, denn es ist der Beweis, dass der Geist wirksam ist. Leute, die sich gehen lassen, die zufrieden sind mit dem, was sie geworden sind auch durch den Herrn, die sich abgefunden haben mit unerledigten Dingen zwischen sich und ihrem Bruder Esau, haben solche Kämpfe nicht. Aber wenn wir in solche Unruhe hineinkommen, ist es kein gefährliches, sondern im Gegenteil, ein erfreuliches Zeichen.

„Denn das Fleisch gelüstet wider den Geist, und der Geist wider das Fleisch; dieselbigen sind widereinander, dass ihr nicht tut, was ihr wollt (Gal 5:17)“. Aber nun bringt der große herrliche Gott die Entscheidung, den Sieg herbei. Darin spiegelt sich eine große herrliche Wahrheit; es erschließt sich eine Herrlichkeit nach der anderen.

Zwanzig Jahre kann Gott einen Jakob tragen und segnen, ohne dass alles in Ordnung gebracht wird. Das kann Gott; aber Er lässt ihn nicht in das Land der Verheißung, als bis alles in Ordnung gekommen ist. Der Mann, der mit Jakob rang, schlägt ihn aufs Hüftgelenk (1Mo 32:26).

Es ist dem natürlichen Sinn etwas Unbegreifliches, dass es eine göttliche Erscheinung geben, dass Gott in menschlicher Gestalt auf die Erde kommen könnte, - denn mit nichts anderem haben wir es hier zu tun; es war der Herr Selbst, Der da erschien – und dass es Dem nicht gelingen sollte, den Jakob unterzukriegen.

Da ist so kostbar abgeschattet das Ärgernis des Kreuzes, dass Gott, der Herr Himmels und der Erde, erscheint in Knechtsgestalt und lässt Sich von Seinen sündigen, verkehrten Menschen unterkriegen. Das wird der menschliche Sinn nie fassen. Darum ist das Evangelium nie für die Massen berechnet. Dieses Geheimnis versteht der natürliche Mensch nicht.

„Und da Jehova sah, dass Er ihn nicht übermochte“, nicht weil Er von Haus aus nicht stärker gewesen wäre und ihm nicht hätte anders entgegentreten und ihn nicht zu Boden hätte schlagen können. Das ist aber nicht der Weg Gottes, sondern Gott will siegen im Überwundenwerden; und indem Er diesen Weg Selber geht, tut Er ihn für uns auf. Denn niemand käme auf den Gedanken, Überwinder zu werden, indem er selbst überwunden wird. Das ist nicht menschlich, sondern göttlich.

Das Herz Gottes muss sich gefreut haben, als Er aus dem Munde Jakobs das Bekenntnis und die Bitte hörte: „Ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn!“ (1Mo 32:27).

D i e s e s Verlangen in ihm zu wecken, das war es ja, was Gott die ganze Zeit vorhatte; daraufhin hatte Er vorgearbeitet; das war die reife Frucht all der Erkenntnisse, die Er Seinem Knechte geschenkt, all der Segnungen und Wohltaten, mit denen Er ihn überschüttet hatte, all der Kämpfe und Triumphe in den zwanzig Jahren.

Jakobs neuer Name

Das war aber auch noch nicht die letzte und höchste Stufe, sondern Jehova fragt den Jakob: „Wie heißest du (1Mo 32:28)?“ Hier kommen wir wieder auf das so ernste und wichtige Kapitel der Namen, und von der tiefen Bedeutung, die im Walten und in der Offenbarung Gottes die Namen haben. Das Verständnis dafür ist bei uns natürlichen Menschen ganz geschwunden. Wir haben kaum noch eine Ahnung davon, was es heißt, den Menschen mit Namen so n e n n e n , wie er ist. Unsere Namen beweisen, dass wir schrecklich herabgekommen sind und dass wir das angestammte Vermögen, mit einem Namen das Wesen eines Menschen zu bezeichnen, verloren haben.

„Wie heißest du?“ Jetzt muss das eigenste Wesen ins Gericht der Gegenwart Gottes kommen. Das, was der Mensch im Innern ist, muss schonungslos herausgesagt werden. Mit weniger kann Gott Sich nicht zufrieden geben, als dass wir das Urteil über uns selbst vollstrecken, indem wir unser verborgenes Wesen schonungslos hervorziehen und in das Licht Gott stellen müssen.

Jakob, der Fersenhalter, der Mann voller Ränke und Verschlagenheit, unerschöpflich in seinen Machenschaften, der so klug war und so viel Auswege wusste, bis er darin Meister geworden war, der muss erkennen: all das ist nur Jakobswesen, nur Fleisch, nicht Geist.

Nach diesem Bekenntnis empfängt er einen neuen Namen (1Mo 32:29). Wenn Gottes Gaben und Berufung Ihn nicht gereuen, haben wir schon hier in dieser einfachen Namengebung, Namenwandlung die unzweifelhafte Bürgschaft dafür, dass Gott nicht nur mit dem einen Jakob, sondern mit dem ganzen Hause und Geschlechte Jakobs fertig werden und nicht ruhen wird, als bis Er aus dem Judenvolke ein Volk von Gottessiegern gemacht haben wird. Das ist das Ziel, wie es im Munde aller heiligen Propheten kundgetan worden ist.

Jakob wiederum fragt nach dem Namen seines Mitkämpfers. Das lehnt Gott ab (1Mo 32:30). Es handelt sich für diesmal nur darum, dass Jakob das wurde, was er werden sollte; nicht darum, dass er an Erkenntnis bereichert werden sollte, sondern dass er in die richtige Stellung zu dem lebendigen Gott käme.

Jakob nennt den Ort Pniel, weil er Gottes Angesicht geschaut hatte (1Mo 32:31). Die Sonne ging ihm auf, als er über den Fluss setzte, so wie sie ihm in seinem Innern aufgegangen war (1Mo 32:32). Aber ein Andenken an seinen Kampf hat er zurückbehalten – das Hinken. Die Erinnerung an diese Begegnung mit Gott verließ ihn so zeitlebens nicht.

Und damit die Kinder Israel sollten das Andenken an den zerknickten, zerbrochenen Jakob nicht vergessen, hat ihnen Moses das Gebot gegeben, die Spanne oder von dem Gelenk der Hüfte nicht zu essen (1Mo 32:33). Das, was die Geschmeidigkeit des Menschen ausmacht, den Sitz der eigenen Kraft hat Gott getroffen und damit ist der Sieg Gottes über Israel vollendet.

Dreiunddreißigstes Kapitel

Nun ist aus Jakob ein Israel und der Herr mit ihm fertig geworden. Es hat lange gedauert. Zwanzig Jahre hat der Herr Seinen Auserwählten in Seinem eigenen fleischlichen Treiben mit wunderbarer Geduld getragen. Es sind Gnadenwege unsers Gottes, die in einem so wunderbaren Lichte strahlen, dass man überwältigt wird, wenn man hineinschaut. So liegt vor uns nun das köstliche Ergebnis, dass der Herr nach all den Wirrsalen, nach all den Schwierigkeiten und Mühen, die Er hatte mit Seinem Auserwählten, dennoch triumphieren konnte.

Das ist nicht nur in kleinerem Rahmen ein gar köstliches Unterpfand für das ganze Leben des Gläubigen, sondern es ist auch im weiteren Rahmen – wir wollen das nie aus dem Auge lassen – ein Unterpfand dafür, dass der große Gott Israels auch mit dem ganzen Hause Jakobs fertig werden wird, und dass Er ganz bestimmt Seines Herzens Gedanken mit diesem Volk zur Ausführung bringen, und aus ihm ein echtes Volk Israel machen wird. Aber die Wege mit Seinem Auserwählten sind noch nicht zu Ende. Es handelt sich noch um die Begegnung mit seinem Bruder Esau.

Es ist wunderbar, wie Gott die Dinge zu führen versteht, und wie Er alles in Seiner eigenen unnachahmlichen Weise zu ebnen weiß, was uns wie bergige Schwierigkeiten vorkommt. Was hat doch das Verhältnis zu seinem Bruder Esau dem Jakob für Kümmernisse bereitet! Sein böses Gewissen klagt ihn beständig an. Wer mit Gott nicht im Reinen ist, den muss der Gedanken an den Bruder in die größte Verlegenheit bringen. Nun, nachdem Gott mit Jakob fertig geworden ist, was wird da mit Esau?

Es nötigt zur Anbetung, wie Gott auch damit fertig wird. Gott versteht das Gefürchtete so freundlich zu wenden, dass alle die Besorgnisse und Befürchtungen, die Jakob das Herz so schwer gemacht haben, ehe er sich mit Gott auseinandergesetzt hatte, und ehe er mit Ihm ins Reine gekommen war, vollständig zuschanden werden.

Er gibt ihm auch über Esau einen völligen Sieg, so dass weder er mit den Weibern und Kindern, noch die Herden auch nur die geringste Einbuße er erleiden haben (1Mo 33:1-11). Jakob würde es ganz gewiss als eine gerechte Büßung und Heimsuchung anerkannt haben, wenn Gott bei diesem Anlass ihn schwer gezüchtigt, wenn es ihn einen großen Teil seiner irdischen Habe gekostet hätte. Er hätte das mit großer Leichtigkeit überwinden können, nachdem er Gott von Angesicht gesehen hatte und genesen war.

Aber nein, er erfuhr jetzt das an Esau, was aus einer späteren Offenbarung heraus in die Worte gekleidet worden ist: „Wenn jemandes Wege dem Herrn wohlgefallen, so macht Er auch seine Feinde mit ihm zufrieden (Spr 16:7)“. Gott, kann und wird in solchen Lagen auch Gegner und Feinde überwinden und zu unsern Freunden machen, so dass der Bruder Esau, der so bitter gegen Jakob war vom Boden der menschlichen Erkenntnis aus, sich sogar anbietet, seinem Bruder Jakob und seinem großen Tross ein sicheres Geleite zu gewähren durch die Wüste.

Das ist ganz wunderbar! Ich werde nie vergessen, was für eine unbeschreibliche Freude in mehr als einem Falle mir daraus wurde, dass liebe Brüder Esaus, die mir sehr zuwider gestanden hatten, vom Herrn vollständig überwunden wurden und mit größter Bereitwilligkeit und Hingabe an meiner Seite stehen heute noch. Ja, das kann Gott!

Jakob kauft ein Grundstück

Nun kommt etwas sehr bemerkenswertes, das Grund und Veranlassung bildet zu den schmerzlichen Ereignissen des folgenden Kapitels. Jakob kam wohlbehalten bis Sichem (1Mo 33:18.19). Gegenüber der kananitischen Stadt kaufte er ein Grundstück. Was für ein Recht hatte Jakob, sich hier anzukaufen und niederzulassen? Gar keins! Da wird er auf dem Boden des verheißenen Landes unversehens die Beute einer heimtückischen Versuchung, wie sie sich auch im geistlichen Leben der Kinder Gottes beständig wiederholt.

Das sind die gefahrdrohendsten Zeiten, wenn Gott uns reichlich gesegnet hat und uns wunderbar begegnet ist, wenn Gott in uns und mit uns große Siege erreicht hat, und wir dann in dem Errungenen ruhen wollen. Das liegt ja so nahe. Denn von dem Kampf wird man müde und auch der errungene Sieg nimmt das Gefühl der Mattigkeit nicht; und die Neigung ist vorhanden, dauernd sich niederzulassen. Das gibt es nicht und darf es nicht geben!

Jakob selbst legt den Grund für die so traurige Verführung seiner einzigen Tochter durch den Fürsten der Hewiter, von dem er Grund und Boden kaufte, um sich häuslich niederzulassen. Dazu war er nicht berufen. Wohl hatte Abraham auch Land gekauft, aber der Fall lag da ganz anders.

Abraham musste einen Acker kaufen, um für den Leichnam seiner Frau einen Begräbnisplatz zu erwerben. Er wollte und durfte das sich nicht schenken lassen, so wie er dem Könige von Sodom gegenüber sich nicht einen Faden noch Schuhriemen schenken ließ. Dieses Grundgesetz galt noch. Sein Kauf war durchaus berechtigt, denn er musste ja sein Weib bestatten. Nicht um sich niederzulassen, ansässig zu machen, ein Haus zu bauen, erwarb er das Landstück. Er verleugnete nicht im Geringsten seine Fremdlingsstellung im verheißenen Lande.

Jakob aber tut es. Er tut es auf einer hohen Stufe seines inneren Lebens. Wir verkennen hier, dass keine noch so hohe Stufe geistlicher Erfahrung irgend welche Sicherheit bietet gegen Versuchungen. Die Versuchung kommt aber nicht von äußeren Feinden, nicht von der aufsässigen Welt wie von Laban damals, auch nicht vom bösen Bruder Esau. Die Feinde sind zwar nicht genannt. Geistesmächte waren es, die auf ihn eingedrungen sind, die das Gebiet des verheißenen Landes vorher schon besetzt hatten.

Finsternismächte, die in jenen Völkerstämmen auf jenem Boden sich eingenistet hatten; so wie der Lauf dieser Welt, in dem wir Fremdlinge sein müssen und in dem wir nie heimisch sein dürfen, von Gott unterstellt ist nach Seinem weisen Rat und Willen den Finsternismächten unter dem Himmel, dem Fürsten dieser Welt. Das ist göttliche Ordnung. Von einem Eingreifen in Gottes Recht ist da keine Rede, sondern Satan übt nur mit seiner Herrschaft das ihm überlassene Recht aus. So wie das Wort in Hebr 2:5: „Gott hat nicht den Engeln untertan die zukünftige Welt“, die Schlussfolgerung nahe legt, wohl aber die gegenwärtige.

Auf dem Boden des verheißenen Landes hatte sich satanisches Unwesen in einer Weise eingenistet, wie nirgends schlimmer auf einem Flecken der Erde bis heute. Da liegt der Grund für die inneren Kämpfe und Gefahren, die dem Volke Gottes drohen auf diesem Boden.

Da liegt aber auch der Schlüssel für die Lösung der schwierigen Frage: Wie konnte Gott den Israeliten nur einen so grausamen Befehl geben, die Kanaiter mit Stumpf und Stiel auszurotten? Wahrlich, es wäre barmherzig gewesen für die übrige Menschheit, wenn sie es getan hätten! Die ganze Welt hat dieses satanische Unwesen vergiftet. Ihre Entwicklung wäre eine andere geworden, wenn Israel diese Giftbeule ausgeschnitten hätte. Sie haben’s nicht getan; sie sind selbst daran zu Grunde gegangen. Sie sind selbst in die kananitischen Teufelsdienste hineingezogen worden und haben die übrige Menschheit mit vergiftet. Das erleidet keinen Zweifel.

Da laufen deutliche Linien für uns und sie helfen uns allein, eine solche Stellung, wie Jakob sie einnahm, zu bewerten und beurteilen. Anders als in den dämonischen Umtrieben können wir keinen Schlüssel finden für die beschämenden Umstände des Falls der Dina. Was hat dieses unschuldige Mädchen verschuldet? Die Gründe für Dinas Verführung liegen darin, dass ihr Vater Jakob seine ihm zukommende Stellung nicht bewahrt hat.

Da sehen wir die Gefahr des Ausruhens nach Sieges- und Segenszeiten. Gerade dann gilt es wachsam zu sein gegenüber den Angriffen des Feindes. Hier treten nicht äußere Feinde zum Angriff an; die Kanaiter laufen nicht Sturm gegen Jakob, sondern die Mächte, die sich in ihnen eingenistet haben und die auf dem Boden, den Gott Abraham zugeschworen hat, zu Hause sind, und die auch das Recht haben, den Auserwählten Gottes zu überfallen und an ihm ihre Macht zu erweisen.

So kauft denn Jakob sich an, setzt sich fest, baut einen Altar und ruft den Herrn an, den er in guter, frommer Meinung „den starken Gott Israels“ nennt (1Mo 33:20). Es mag darin eine unbewusste Prophetie gelegen haben; denn es begegnet ihm ja nachher der Herr und offenbart sich, wie er es ihm gegenüber zuvor nicht getan hat, als der allmächtige Gott (1Mo 35:11).

Vierunddreißigstes Kapitel

Gewalttat an Dina

So ging Leas Tochter – der Lea, die Jakob sechs Söhne geboren und nur eine Tochter – um nach den Töchtern des Landes zu schauen (1Mo 34:1). Das war nun gar nicht ihre Aufgabe; dazu hätte ihr Vater ihr nicht die Gelegenheit geben sollen. Er hat selbst das Geleise schlüpfrig gemacht, auf dem sie zu Fall kam.

Sichem tat ihr Gewalt an, wollte aber sein an ihr begangenes Unrecht sehr gern wieder gut machen (1Mo 34:2-4). Er wollte sie heiraten, nachdem er sie geschändet hatte. Das ist ja das Höchste, was ein natürlicher Mensch in solcher Lage tun kann.

Die Söhne Jakobs gingen, mit Hinterlist allerdings, auf diesen Vorschlag ein und erklärten sich bereit, mit den Hewitern, den Bewohnern Sichems, einen Vertrag zu schließen, der darauf hinauslief, gleich hier, unmittelbar nachdem es Gott gelungen war, den Vater Jakob aus Mesopotamien herauszubringen und auf den Boden der Verheißung zu stellen, den ganzen Plan Gottes zu verderben.

Der Vorschlag ging zwar von dem Sohne Hamors und von seinem Vater aus, aber es ist erschütternd zu sehen, wie die eignen Söhne eines von Gott so wunderbar gesegneten und so hoch begnadigten Vaters auf den Gedanken kommen können, wenn auch nur mit Hinterlist, um Rache nehmen zu können, einen solchen Vertrag einzugehen (1Mo 34:5-17).

Auf die Bedingung hin, dass sich die Hewiter der Beschneidung unterzögen, willigten sie ein in die Vermengung mit diesem Volksstamme. Das ist der Schlüsselpunkt, um den es sich handelt.

Das zeigt uns wieder einmal, dass es keine noch so hohe Erfahrung in göttlichen Dingen geben kann, die vollständige Bewahrung und Sicherheit bedeutet gegen den furchtbarsten Fall, die schnödeste Verleugnung der einfachsten, klarsten Grundlinien, auf denen wir stehen.

Die Kinder Hamors sind sehr gern bereit zu dieser Vermischung der Stämme (1Mo 34:18-24). Das kann man nur zu gut verstehen. Die Kinder dieser Welt heißen jede Gelegenheit willkommen, nicht nur die einzige Tochter zu schwächen, sondern auch große Opfer zu bringen, um die ganze Nachkommenschaft der Auserwählten in ihr Bereich zu ziehen und mit ihnen vollständige Gemeinschaft zu machen.

Das ist das Verfahren des Feindes gewesen und geblieben bis heute. Nachdem die Tochter Jakobs geschändet und die Gemeine Gottes geschächt worden, hat man vor der Welt diese Tochter Jakobs, der Kirche Gottes auf Erden, die größte Anerbietung gemacht und das größte Entgegenkommen gezeigt, und die ist darauf hereingefallen.

Die eheliche Verbindung der Kirche mit der Welt ist vollzogen worden. Man hat ihr sehr gern gesetzgemäß die leitende Stellung im Volksleben eingeräumt. Wie wenig hat die Gemeine gelernt! Wir sehen, wie listig der Feind bis heute diese Linien verfolgt hat, und mit welchem Erfolg? Es ist erschütternd, dass bei allen Warnungen, die Gottes Wort gegeben, -- und die Christlichen Väter haben diese Dinge gesehen, die Gefahr erkannt und warnend ihre Stimme erhoben – dennoch die Gemeine Jesu Christi sich verehelichen konnte mit den Söhnen der Kananiter und einen Bund mit ihnen schließen. Man hat dieses nie gottgefälliges Verhältnis gebilligt und gepriesen. Und die Folge davon?

Rache der Söhne Jakobs

Die Söhne Jakobs sind wütend geworden. Das ist dann leicht. Nachdem die Schande vollzogen war, wollten sie blutige Rache nehmen und haben sie genommen (1Mo 34:25-29). War das nicht ein heiliges Eifern für die Wahrheit? Sie haben es wohl so angesehen. Aber ihr Vater hat nicht umsonst gesagt: „Verflucht sei ihr Zorn!“ (1Mo 49:7).

Die Pharisäer und Schriftgelehrten zu Jesu Zeiten waren wie Saulus später Eiferer um das väterliche Gesetz. Es gibt noch heute ein solch blindwütiges Eifern auf dem Boden der Reinheit der christlichen Gemeine. Kaum sind irgendwo größere Härten und Grausamkeiten geschehen als auf dieser Linie.

Wie oft sind in der Kirche eifernde Männer aufgestanden, um gleicherweise so zu handeln. Bildlich gesprochen werden heute noch Wunden geschlagen, Blut vergossen, Grausamkeiten verübt, Härten, die nicht zu sagen sind, und das kleidet sich dann wie hier in das Gewand des Feuereifers um die Unschuld!

Nein, die war fort! Die Schwester war ja keine reine Jungfrau mehr und wenn auch das ganze Volk niedergemetzelt worden wäre. Anstatt den eigenwilligen Weg aufzugeben, das Unrecht zu sehen, wo es ist und den Schaden abzustellen, wird mit dem Schwerte dreingeschlagen gegen die, die kein Verständnis dafür haben konnten.

Dieses Eifern ist viel leichter und einfacher als der Schaden, den Abfall zu bekämpfen und sich mit unterzustellen unter die Schuld und mitzutragen; aber zur reinen Jungfrau wird die Gemeine durch Feuereifer nicht.

So überfallen denn die Söhne Jakobs die wehrlosen Einwohner ihre Bundesgenossen, schlagen alles männliche nieder, plündern, rauben die Habe. Jakob aber muss vor seinen Söhnen klagen: „Ihr habt mich verhasst gemacht“ (1Mo 30). Sogar also ihrem Vater, dem Gotteskämpfer, verzagt das Herz dabei. Wie konnte es ihm wohl anders werden bei den Gräueln seiner Söhne, zu dem sie keinen Auftrag hatten!

Fünfunddreißigstes Kapitel

Da schlägt nun Gott Selbst den Ton an, den Jakob früher angeschlagen hatte (1Mo 28:20-22), wenn Er ihn auffordert nach Bethel zu ziehen und dort einen Altar zu bauen (1Mo 35:1). Aber wenn des Herrn Zeit gekommen ist für Jakob, dann ist das etwas anderes, als wenn er den eigenen Weg sich wählt.

Nicht wütendes Eifern gegen die Feinde, die sich an der Schwester vergriffen, sondern Reinigung des eignen Wesens, aufräumen mit allem, was noch vorhanden war an verborgener Unreinheit und Abgötterei (1Mo 35:2.3), das war der richtige Weg, der eingeschlagen werden musste.

Jakob zieht weiter

So zieht Jakob denn auf Gottes Geheiß weiter, denn es gab noch viel Land zu erkennen, nicht einzunehmen, in Besitz zu nehmen. Er durfte ja nur Fremdling bleiben, aber Gott hatte ihm noch viel zu zeigen als dem Erben des Landes von der Länge und Breite des verheißenen Landes.

Darum soll er sich beim Eingang in das Land nicht niederlassen. Jeder Fortschritt aber auf dem Wege der erweiterten Erkenntnis ist bedingt durch innere Reinigung, Loslösung von allem, was Gott nicht gefallen kann. Auch die geliebte Rahel musste da heraus mit ihren Hausgöttern, und selbst den Ringen und Spangen (1Mo 35:4).

Nachdem ein solches Selbstgericht vollzogen war, fiel der Schrecken Gottes über die umherliegenden Städte (1Mo 35:5). Nun waren sie gefeit und gedeckt gegen die Feinde, weil sie auf dem Wege des Gehorsams gingen. Das Selbstgericht hatte sich vollzogen. Nicht bei andern hatten sie die Schuld gesucht, sondern bei sich selbst. Dann ist der starke Gott ihr Schutz und Schirm, so dass die Feinde ihnen nichts antun konnten.

Dreifacher Tod im Haus Jakobs

In Bethel starb Debora, eine Magd aus dem Hause Bethuels, die Amme der Rebekka, die von ihrer Mutter mitgegeben worden war (1Mo 35:6-8), und die sie begleitete, als sie dem Isaak als Braut entgegenzog. Sie hatte die ganze Zeit der Kindschaft, die in Isaak dargestellt ist, mit durchlebt.

Es starb aber auch Jakobs Lieblingsweib Rahel, nachdem sie ihm noch einmal einen Sohn geschenkt hatte, -- den Letzten, der ihm überhaupt geboren wurde. Sie war noch einmal fruchtbar geworden durch eine gnädige Heimsuchung nach dem Selbstgericht (1Mo 35:16-20).

Und noch ein drittes Weib, Bilha, die ihm zwei Söhne geboren, wird ihm genommen, überwältigt von seinem eigenen erstgebornen Sohne (1Mo 35:21.22).

Das sind drei tiefgreifende, schmerzliche Erfahrungen im Leben Jakobs, aber auch drei unverkennbare Lösungen, die in seiner Führung einen notwendigen Platz hatten. Er bedurfte ihrer. So sehr ihm diese drei auch ans Herz gewachsen sein mochten – er musste von ihnen gelöst werden.

Auf diese Vorgänge wollen wir nicht tiefer eingehen, aber streifen wollen wir sie. Eine Amme ist ja, die für die erste Ernährung eines Kindes zu sorgen hat. Wir verstehen, dass auf dem Boden des geistlichen Lebens eine Zeit kommen muss, wo die Amme zu weichen hat, wo starke Speise anstatt der Kinderspeise die Nahrung der Erwachsenen, der Vollkommenen, treten muss.

Rahel, die Geliebte, Schöne, an der Jakobs ganzes Herz gehangen, versinnbildlicht die schönen, tiefen Eindrücke, die die äußere Erscheinung der Wahrheit auf ihn gemacht hatte. Er musste auch davon gelöst werden, gerade so wie wir von all den seelischen Eindrücken der schönen Wahrheit müssen gelöst werden, die ihr Recht und ihre Bedeutung gehabt haben.

Und es ist auch Frucht aus Rahel für Jakob hervorgegangen. Der gesegnete Joseph und der kleine Benjamin; aber Rahel muss weichen. Und die Magd Bilha, die sehr dazu beigetragen hat, sein Haus zu mehren und die ihm zwei Söhne geboren hat, die also fruchtbar war, wird ihm in ergreifender Weise entwendet. Ruben, sein erstgeborner Sohn, besteigt das Lager seines Vaters.

Rubens Ehebruch mit Bilha

Was ist Ruben? Der Name ist vielleicht ein Schlüssel für die Bedeutung dieser Tat: der Sohn des Schauens, Erkenntnis, Wissens. Das schattet uns vielleicht ab die sehr ergreifende Tatsache, dass der erstgeborne Sohn Jakobs, seine erste Kraft, der Sohn des Erkennens seiner ersten Frau, ihm dieses fruchtbare Weib, diese eine Quelle seiner Fruchtbarkeit entwendet, der Fruchtbarkeit in seinem gesegneten Dienst. Durch die Berührung der Bilha durch Ruben hörte sie natürlich auf, je wieder für Jakob fruchtbar zu werden.

Menschliche Wissenschaft hat dem Hause Jakobs eine Quelle der Fruchtbarkeit geraubt, ist über die geoffenbarte Wahrheit gekommen, hat ihr Gewalt angetan und sie auf diesem Wege gehindert, dem Hause Gottes Söhne zu gebären.

Das ist eine Tatsache, die kein einsichtsvoller Christ leugnen wird. Jukes hat trefflich in seinen „Vorbildern der Genesis“ dargetan, welch gar kostbare Dinge in den geschichtlichen Ereignissen im ersten Buch Mose für uns berichtet sind. Man muss freilich sehr vorsichtig und keusch verfahren in Bezug auf sinnbildliche Bedeutung der Vorgänge der Schrift, aber ohne solche Bedeutung sind sie nicht.

Selbst wenn es nicht statthaft wäre, eine solche Auslegung zu geben, würde das an der Tatsache nichts ändern, dass gewalttätiges Eingreifen der menschlichen Wissenschaft in die Sachen der göttlichen Offenbarung eben diese Offenbarung für die Gemeine Gottes durchaus unfruchtbar gemacht hat. Die einzige Möglichkeit der Fruchtbarkeit ist die Rückkehr zur göttlichen Offenbarung, unter völliger Ablehnung und Verneinung der Wissenschaft. Dass man 1Kor 1 u. 2 lesen und die langen müden Jahrhunderte hindurch dabei bleiben konnte, als Diener des Wortes Gottes niemand auf die Kanzel zu lassen, der nicht wissenschaftlich ausgebildet sei, das ist eine der erschütterndsten Tatsachen, die man erlebt hat. Der Apostel lehnt jede Verbindung mit menschlicher Wissenschaft entschieden ab, und verneint ihr jedes Recht, mitzureden in diesen Dingen.

Die christliche Kirche aber kehrt ganz genau die Sache um und spricht jedem Laien das Recht ab, über die Dinge Gottes zu reden. Sie gibt notgedrungen zu, dass auch Laien am Worte dienen dürfen; aber doch nur als Handlung herablassendster Duldung ihrerseits. Nur die sind verordnete Diener der Kirche, die sich an den Brüsten der Wissenschaft vollgesogen haben.

So weit ist es in der Gemeine Gottes gekommen, die die Zeugnisse von 1Kor 1 und 1Kor 2 Jahrhunderte lang vor Augen gehabt, aber in den Wind geschlagen hat.

Wenn Gott etwas zum zweiten Mal tut, dann kommt etwas dabei heraus. Das ist ja der köstliche Schlüssel, den wir immer wieder anwenden dürfen. Jetzt kommt Gott zum zweiten Mal, segnet den gesegneten Jakob und bestätigt zugleich die Namengebung vom Jabbok. Nun nennt Jakob selbst sich Israel (1Mo 35:9.10).

Damals als Gott ihm den neuen Namen gab, hatte Jakob Gott nach seinem Namen gefragt. Gott hatte es abgelehnt, ihn zu nennen. Nun, da er zum zweiten Male erscheint, den Namen Israel zu bestätigen, spricht Er: „Ich bin der allmächtige Gott“ (1Mo 35:11.12). Nachdem Jakob sein Haus gerichtet hat, lässt Gott ihn tiefe Blicke tun in Seinen kostbaren Namen.

„Sei fruchtbar und mehre dich“, so spricht Gott weiter. Das erscheint angenehm als eine müßige Verheißung, denn Jakob hat schon elf Söhne und die eine geschändete Tochter; und doch bringt ihm sein Lieblingsweib noch einmal einen Sohn zur Welt. Nun aber gibt Gott eine Ausdehnung Seiner Verheißung: „ein Volk und eine Völkergemeinde soll von dir kommen, und Könige sollen aus deinen Lenden hervorgehen“. Außerdem gibt Er ihm auch die Bestätigung der Verheißung des Landes.

Was die Selbstnamensgebung Gottes anlangt, so hat der Kolosserbrief (Kol 1) große Dinge zu sagen, die auf derselben Linie liegen. Gott kann diese Offenbarung Seiner Selbst als des allmächtigen Gottes Seinem auserwählten Knechte Jakob erst geben in dieser so späten Stunde, nach den langen und vielen Erfahrungen und den großen Erweisungen Seiner Kraft und Liebe.

Dann wird noch die Geburt Benjamins erzählt (1Mo 35:16-19), die seiner Mutter das Leben kostete. Für sie war er ein „Schmerzenskind“ (Ben Oni). Der Vater aber sah richtiger und nannte ihn prophetisch „Sohn der Rechten“. Er ist Vater jenes Stammes Benjamin, des kleinen, gewordenen, der einmal nahe daran war, ausgetilgt zu werden. Kein Stamm ist so den Todesweg geführt worden, wie der „kleine“.

Davon blitzt etwas heraus, wenn im NT der kleine Paulus zum auserwählten Rüstzeug Gottes erlesen wird, der ja aus dem Stamme Benjamin kommt (Phil 3:5). Aus dem kleinen Stamme also, der beinahe vollständig ausgerottet worden wäre, kommt dieser kleine Saulus. Wie hat Gott d e n fruchtbar gemacht!

„Ein Volk und eine Völkergemeinde soll von dir kommen“: das gilt im besonderen Sinne von den geistlichen Kindern des Paulus. Das Prophetenwort: „Aus dem Kleinen sollen Tausende werden (Jos 60:22)“, ist buchstäblich an diesem Stamme in Erfüllung gegangen. Wenn Gott also sagt: „Sei fruchtbar und mehre dich“, so geht es im besonderen Sinne auf diesen Schmerzenssohn, der den Todesweg zu gehen hat, wie kein anderer, der aber auch so fruchtbar geworden ist.

Endlich kommt Jakob zu seinem Vater Isaak (1Mo 35:27). Rebekka wird nicht genannt, sie wird wohl gestorben sein. Zu ihrem großen Schmerze hat sie ihren Lieblingssohn nie mehr gesehen, seit der Zeit sie ihn verführt hat zu schändlichem Betrug. Isaak hat noch die Freude erlebt, dass sein Sohn Jakob zu ihm kam; die Mutter nicht. So vollständig musste Jakob gelöst werden von den weiblichen Einflüssen seines Lebens. Das ist das vierte Weib, von dem er gelöst wurde. Dann aber starb auch Isaak alt und lebenssatt.

Lies weiter:
13. Die Edomiter (1Mo 36)