Abrams neuer Name

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Aus dem Zweimonatsheft für gläubige Schriftforscher:
"Das prophetische Wort“ (Jahrgang 1923-25)
Begründet von Professor E. F. Ströter

Herausgegeben von Heinrich Schaedel
Maranatha-Verlag, Klosterlausnitz i. Thür.

Siehe weitere Abschriften

Das erste Buch Mose

von: Prof. E. F. Ströter
Inhaltsangabe: 1Mo 1-50

7. Abrams neuer Name

Siebzehntes Kapitel

Dreizehn Jahre hat Gott geschwiegen; nun aber muss Er Sein Schweigen brechen (1Mo 17:1.2). Gott fängt an zu reden und nun fließt es und blinkt es wie ein breiter Strom; Abraham aber hat nichts mehr zu sagen. Gott kann einen Ungeduldigen stille machen. Abraham kann nur auf sein Angesicht fallen (1Mo 17:3) und er lässt Gott über sich reden.

Köstlich, wenn ein Mensch so weit gekommen ist, dass er schweigen kann im Staube und Gott allein reden lässt. Zugleich ist es ein klarer Beleg dafür, dass Gott nicht nachträgt. Er sorgt dafür, dass Abraham seine Züchtigung bekommt – die Hagar bleibt ein Dorn im Fleisch – aber Er hebt Sein Verhältnis zu ihm nicht auf; und wir sehen, wie Gottes Wort wächst. Mit dem gläubigen, gezüchtigten, gedemütigten Abraham verfährt Gott überaus mild und freundlich.

Man sieht das Wort wachsen (1Mo 17:4.5). Das ist eine der köstlichen Beobachtungen, die wir machen dürfen. Wir sind ja sehr hoch bevorzugt, wir, denen die Erträge an göttlichen Offenbarungen, Erkenntnissen, Kundgebungen nur so in den Schoß geschüttet werden, so dass wir über einen Reichtum von Gotteserkenntnis und –offenbarungen zu verfügen haben, wie das bei Abraham und all den Heiligen des Alten Bundes nicht der Fall sein konnte. Vergessen wir das nie!

Aber „wem viel gegeben ist, von dem wird man viel fordern“ (Lk 12:48). Das wird Gott nicht vergessen zu Seiner Zeit, wann wir zur Rechenschaft gezogen werden, wie wir hausgehalten haben über die Güter Seines Hauses, die uns in einer früher unmöglichen Weise zur Verfügung gestellt worden sind zu rechtem Gebrauch. Wir, denen ein solcher Reichtum der Offenbarungen Gottes in Seinem Worte zur Durchprüfung zur Verfügung gestellt wurde, wir dürfen es immer wieder beobachten, wie das Wort Gottes wachstümlich entstanden ist und wie sich in der Offenbarung die neuen Anfänge zeigen, gerade so, wie wir bei einem Baume die neuen Ringe und Triebe nach oben und an den Seiten sich bilden sehen, und wie neue Zweige nach verschiedenen Richtungen hin das Wachstum anzeigen. So sehen wir auch hier in der Wiederholung neue Schösslinge hervorbrechen, von denen Gott vorher nichts gesagt hat.

Könige sollen von Abraham abstammen (1Mo 17:6). Zum ersten Mal begegnet uns hier dieser Gedanke. Wir wissen, wie nachher dieser Zweig sich entfaltet in Mt 1:1: „Das Buch von dem Geschlechte des Sohnes Abrahams, des Sohnes Davids.“ Dort die Knospe, hier die ausgewachsene Frucht. Der Baum war schon dürr geworden, aber auf einmal schießt auf ein frisches Reis (Jes 11:1). Das aber hängt zusammen mit der Knospe, die vor unsern Augen hervorbricht.

„Ich bin der Allmächtige. Wandle vor Mir und sei fromm“ (1Mo 17:1), sagt der Herr. Gott sagt nichts von Schutz und Lohn, wie das letzte Mal; Er sagt nur, wer Er sei. Das sieht wie eine Einschränkung aus, als ob Er weniger zu sagen hätte. Und doch verstehen wir, dass dem nicht so ist. Wenn Gott uns dahin führt, dass wir uns nicht mehr mit den Dingen, Segnungen, Vorzügen, die Er uns verschafft und gibt, sondern nur noch mit Ihm beschäftigen, dass wir nicht mehr den Segen suchen, sondern den Geber, dass wir nicht mehr sagen: was kriege ich, sondern: nur wenn ich Dich habe, frage ich nichts nach Himmel und Erde – so ist das keine Minderung und Einschränkung, sondern eine unverkennbare Stärkung, ein klarer Fortschritt in den Offenbarungen Gottes an Seinen gezüchtigten und gedemütigten Abraham.

Es ist kostbar zu sehen, wie Gott weiter geht mit der Erziehung Seiner Kinder, und dass Er die herbsten Erfahrungen, die sie sich selbst eingebrockt haben, in wunderlicher Weise zu gebrauchen versteht, wie ja auch die Schrift (Röm 8:28) sagt: „Wir wissen, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zusammenwirken zum Guten.“ Dahin gehören auch die Ismaelskinder, die herben Früchte, die wir uns selbst aufgeladen haben. Gott hätte Ismael ja als Kind sterben lassen können; es wäre leicht gewesen, ihn zu beseitigen, ehe er sich als Wildesel entwickeln konnte. Aber er soll ein Wildesel bleiben und als solcher seine Aufgabe erfüllen, auch im Leben Abrahams. Gott aber bleibt auch, und Er bleibt treu.

Abram wird Abraham

„Ich will Meinen Bund zwischen Mir und dir machen“ (1Mo 17:2). Es liegt also nichts von Abrahams Vergehen zwischen ihm und Gott. Gott kommt dafür auf. „Und Ich will deine Nachkommenschaft reichlich machen.“ Gott konnte weiter gehen, denn Abraham hatte nichts zu sagen. „Ich will dich zu einem Vater vieler Völker machen“ (1Mo 17:4).

Und nun begegnet uns wieder eine Namensgebung. Das ist eine merkwürdige Handlung Gottes, wie wir sie schon bei Ismael gefunden haben. Jetzt handelt es sich aber nicht um einen neuen Namen, sondern um einen hoheitsvollen Eingriff Gottes in einen vorhandenen Namen, um eine Umwandlung, Bereicherung und neue Füllung, die Gott mit dem Namen und dem Träger dieses Namens vornimmt. Ein scharfer hebräischer Hauchlaut kommt in den Namen hinein (1Mo 17:5): nicht Abram, sondern Abraham soll er fortan heißen. Die Vokale spielen ja in dieser Sprache keine Rolle. Wie wenn ein neuer Hauch von Abraham ausgehen sollte, wofür nun Abraham, der Vater einer großen Menge von Völkern, gesetzt ist. Damit strömt die Zusage unsers Gottes hinaus über den Rahmen des auserwählten Volkes.

Einen ewigen Bund errichtet Gott mit Abraham. Nicht den sinaitischen; mit dem hat Abraham nichts zu tun. Der ist nebeneingekommen. Nie darf der sinaitische Bund den Sinn bekommen, als sei er ein Ersatz, eine Vervollständigung dieses großen Bundes mit Abraham. Das hat nie in den Gedanken Gottes gelegen.

All diese Aussagen Gottes sind auf den einen Ton gestimmt: „Ich will“. Sie beruhen auf keiner Gegenleistung Abrahams. Gott spricht Sich erst vollständig aus, was es um dieses Bundesverhältnis sein soll. Da ruht alles, was sich auf die Größe Abrahams bezieht, ausschließlich auf der Aussage: Ich will. Gott setzt Seine Vollkommenheit, Überlegenheit, Ehre und Wesen ein für die Erfüllung Seiner Zusage. Er stellt nicht das mindeste Ansinnen an Abraham, dass er für all diese Dinge eine Leistung aufzubringen habe. Nur Gottvertrauen fordert Er, und dass Abraham fortan sich keine Vorgriffe erlaube. Davon hat Gott ihn geheilt, aber seine Nachkommen nicht. Doch Gott nimmt Sich Zeit damit, und es wird auch bei ihnen dahin kommen.

„Zu ewigem Besitz“ (1Mo 17:8) verheißt Gott ihm und seinem Samen das Land. Von Gegenleistung ist keine Rede, denn der eine Teil der Vertragsschließenden war ja noch nicht da.

„Ich will ihr Gott sein.“ Bei uns ist es gang und gäbe geworden zu denken: Gott kann nicht, wenn der Mensch nicht will. Und in der Tat sehen wir auch, wie die Israeliten Gott das Geschäft nicht leicht gemacht haben, ihr Gott zu sein.

Aber wollen wir daraus einen Vorwurf für sie machen? Haben wir es Ihm leicht gemacht? Ist Er unser Gott? Wie lange musste Gott warten, ehe Er mit uns fertig wurde. Ist es Ihm aber gelungen, unser Gott zu sein, soll es Ihm dann zu schwer werden, eines Tages Israels Gott zu sein? Was haben denn unsere Aufbauschungen zu bedeuten: wir wollen nicht, darum kann Gott nicht. Gott wird mit d e m Volk fertig. Und wenn die Völker allzumal schreien: „Wir wollen nicht, dass Er über uns herrsche“ – Er wird auch mit ihnen fertig. O ihr werdet noch jauchzen, dass ihr vor Ihm die Knie beugen dürft!

Der Bund der Beschneidung

Nachdem Abraham das Siegel der Glaubensgerechtigkeit empfangen hatte, gibt Gott ihm den Bund der Beschneidung (1Mo 17:9-14). Dieser Bund war die Grundlage, auf der Gott Abraham und seiner natürlichen Nachkommenschaft nach dem Fleisch begegnen wollte. Es ist ganz klar, dass bei diesem Bundeszeichen nur zu denken ist an den Samen Abrahams nach dem Fleisch.

Eine Ausdehnung dieses Bundeszeichens nach seiner geistigen Bedeutung nicht auf die Taufe, sondern auf die Beschneidung des Herzens ist nicht nur erlaubt, sondern geboten. Das tut ja der Apostel Paulus auch in Bezug auf den natürlichen Samen Abrahams in klarster Weise. Er selbst zieht durch den Geist diese klare Linie. Er sagt von sich und den Gläubigen aus den Kindern Abrahams nach dem Fleisch: Wir sind die Beschneidung. Das sind erlaubte, verlängerte Linien. Aber die natürliche Nachkommenschaft empfängt die Verheißung Kanaans, nicht des Himmels.

Die Beschneidung ist eine tiefe, deutliche, sinnbildliche Handlungsweise, da sie ja nicht ohne Blutvergießen möglich war. Es geschieht da ein Eingriff in das Fleisch, ein sinnbildliches Hinwegnehmen des Fleisches. Wir entnehmen daraus, dass es im Sinne Gottes gelegen ist, wie aus der Beschneidung des Fleisches klar hervorgehen soll die Anwendung auf die Beschneidung des Herzens: die Hinwegnahme des natürlichen Sinnes, die Regungen und Neigungen des natürlichen Herzens, die in der Schrift Fleisch genannt werden. Das ist der Sinn dieser bildlichen Handlung, die ihre großartigste, kostbarste, endliche Durchführung gefunden hat in der Handlung Gottes am Kreuz. Da ist dem Fleisch endgültig und ganz das Urteil gesprochen.

Es ist unverkennbar, dass wir es in der Beschneidung mit einem Ausweis, einem Bundeszeichen der natürlichen Nachkommenschaft Abrahams zu tun haben. In den Augen Gottes hat es eine solch hohe Bedeutung, dass Er die Zugehörigkeit zu diesem Volke abhängig macht von diesem Zeichen. Welche Seele es nicht annimmt, geht der Zugehörigkeit zu diesem Volke verlustig (1Mo 17:14). Weder von Jesus noch von den Aposteln nach Pfingsten ist die Beschneidung zurückgenommen, aufgehoben worden. Die Schrift weiß nichts davon.

Einem jeden, der sich unterfängt, einem natürlichen Nachkommen Abrahams für sich und seine Nachkommenschaft dieses Zeichen zu nehmen, den trifft das scharfe Wort des Herrn: „Wer eines dieser kleinen Gebote aufhebt, wird klein sein im Königreich der Himmel (Mt 5:19).

Das bedeutet natürlich nicht: der kommt in die Hölle. Wir müssen frei werden von dieser unseligen Weise, als ob jede derartige Androhung eine Höllenstrafe in Aussicht stellt. Wir kennen gar nichts anderes, als in den Himmel oder in die Hölle zu kommen. Und die Hölle ist für alle ein gleiches Feuer. Es ist namenlos, wie man uns geknechtet, eingeschnürt, verkrüppelt hat. Das chinesische Fußschnüren ist eine Kleinigkeit dagegen.

Jenes Wort bedeutet also nicht, dass ein solcher seine Seele verliere, aber k l e i n wird er sein im Himmelreich. Gott wird das richtig zu ermessen wissen. Wir stehen hier vor der klaren Tatsache, dass wir es wieder einmal mit der Verirrung zu tun haben, dass wir den Gläubigen aus Israel ihr verbrieftes Anrecht an das Bundeszeichen nehmen wollen, das ihnen nicht durch Moses verordnet ist, sondern von Gott durch Abraham als Sieg der Glaubensgerechtigkeit.

Sarai wird Sarah

Nicht nur Abraham hat einen neuen Namen erhalten, sondern auch Sarai eine Wandlung ihres Namens, da sie fortan Sara heißen soll. Gott will sie segnen, so dass sie Mutter von Völkern wird. Darin ist Sara ein sehr deutliches und köstliches Vorbild des unfruchtbaren Volkes Israel, für das all die müden Jahrtausende der Unfruchtbarkeit vorgesehen sind, das aber dennoch ein Quell des Heils und der Erneuerung für die ganze Völkerwelt werden wird.

Es ist nicht zu leugnen, dass Israel bisher unfruchtbar gewesen ist, aber wir haben darin kein Aufgeben der ursprünglichen Gedanken unsers Gottes zu erblicken. Wie sie den neuen Namen trug und dennoch lange warten musste, ehe sie, die Unfruchtbare, eine fröhliche Kindesmutter wurde, so wird auch Israel, das Unfruchtbare, eine solch fröhliche Wandlung erleben, dass auf dieses Volk nach Jes 54:1-10 und Jes 66:6-9 seine Anwendung finden kann. Jetzt schon ist die Sara ein Vorbild der Sara, die droben ist (Gal 4:26). Die Segensworte für Sara sind gleichlaufend dem, was Gott zu Abraham sagte.

Abraham fällt auf sein Angesicht und lacht (1Mo 17:17). Nicht allein aber, dass er in seinem Herzen lacht, sondern er gibt noch einen weiteren Beleg, wie tiefgewurzelt in einem Menschenherzen, das sich viel sagen lässt von Gott, der Unglaube sein kann. Gott hat es nicht leicht mit uns, wenn wir auch viel geglaubt haben. Es findet sich immer wieder die tiefeingewurzelte Art des Herzens, an dem hängen zu bleiben, was es wünscht.

Abraham sagt es frei heraus und begegnet Gott mit der Bitte: „Ach, dass Ismael leben sollte vor Dir!“ (1Mo 17:18). Die schmerzlichen Erfahrungen mit seiner Mutter und die Unannehmlichkeit, die ihm aus dem Verhältnis der Hagar zu Sara erwuchsen, hatten ihn noch nicht gründlich geheilt und davon losgemacht, in Ismael die Durchführung der göttlichen Gedanken zu erwarten und erflehen.

Es ist doch wunderbar freundlich, wie unser Gott mit Stillschweigen darüber hinweggeht. Es ist geradezu auffallend, wie Gott ihm seinen Kleinglauben und Zweifel ohne Weiteres hingehen lässt (1Mo 17:19). Zwar schiebt Er Ismael zur Seite, ist also weit davon entfernt, Abraham entgegenzukommen und eine Änderung Seines ursprünglichen Planes vorzunehmen. Aber gegenüber der Andeutung Seines Knechtes, unserm Gott die Erfüllung Seiner Verheißung leichter zu machen, ist es, als ob Gott sagen wollte: es bleibt bei Meinem Wort, wie schwierig es dir auch scheinen mag und wie sehr Ich dir auch im Glauben das Äußerste zumute, dass Sara dir einen Sohn gebären soll (Vers 19). Das war eine genügende Zurechtweisung.

Später hat auch Sara über die Zusage eines Sohnes gelacht. Endlich aber lacht Gott auch; Er nennt den Sohn sogar Lachen, d. h. Isaak. Was für eine wunderbare feine Ironie Gottes über das Lachen Abrahams und Saras war das doch: Ihr lacht, aber Ich auch; Ich lache aber alle eure Schwierigkeiten hinweg und dann kommt Isaak heraus.

1Mo 17:20 ist bedeutsam. Gott hat in Seinem großen Haushalt auch Raum und Verwendung für Ismael. Gott verheißt dem Abraham, dass Er ihn segnen und sehr, sehr mehren, aber nicht, dass Er ihn zu einem Segen machen werde. Er hat Verwendung für Ismael, wenn auch nicht zum Segen, so doch zum Gericht, zur Zuchtrute. Das wird Ismael wahrscheinlich auch noch weiter tun müssen. Jedoch ist Ismael später Gegenstand weiterer göttlicher Weissagung geworden und er wird noch auf Seinem Altar als angenehmes Opfer dargebracht werden (Jes 60:6.7).

Beschneidung Abrahams

Abraham nahm die Beschneidung vor (1Mo 17:23-27), in Übereinstimmung mit der Verordnung Gottes. Ismael und das ganze Haus Abrahams empfängt das Bundeszeichen. Das war eine bedeutsame Handlung, aus der hervorzugehen scheint, dass auch Ismael, obgleich er nicht zu einem Segen für die übrige Menschheit gesetzt ist, nicht ausgeschlossen sein wird von dem Segen Abrahams.

In Jes 60:7 finden wir die Lösung der mohammedanischen Frage, die den Völkern schon viel zu schaffen gemacht hat und noch viel zu schaffen machen wird. Nebajot und Kedar sind zwei Söhne Ismaels, die anstelle aller genannt sind. Diese Art, da einige für alle genannt werden, findet sich oft in der Schrift. Nach Offb 1:7 werden alle Stämme Israels klagen, wenn sie ihren wiederkehrenden Herrn und Heiland schauen werden; in der Grundstelle Sach 12:10-14 werden aber nur zwei Häuser oder Geschlechter Israels genannt, die das ganze Haus umfassen.

So wie dort zwei Stämme genannt sind als Vertreter Gesamtisraels, so sind hier aus den zwölf Söhnen Ismaels nur die beiden als Vertreter aller genannt, als Musterbeispiel dafür, dass Gott auch Ismael hineinziehen wird in den vollendeten Segen Israels. Die mohammedanische Frage wird also ihre volle Lösung finden, wenn auch nicht in diesem Zeitalter, sondern erst, wenn Israel zu seiner Ruhe eingegangen sein und seinen großen Dienst an der Völkerwelt ausführen wird.

Israel selbst wird alsdann sein eine köstliche Probe davon, dass, was Jahrtausende lang in der göttlichen Verwaltung der Gnade bloß als Gerichtsvollstreckung gedient hat, Gott zum Segen für die Menschheit wandeln kann (Sach 8:13). So werden auch die Stämme Ismael kommen als angenehmes Opfer auf dem Altar Gottes.

Es ist eine kostbare Linie, wenn wir sie uns ziehen lassen, der wir schon öfter begegnet sind, dass jedes Gericht Gottes nicht sich in sich selbst erschöpft, sondern nur eine Vorbereitung ist auf kommende herrliche Segnungen.

Achtzehntes Kapitel

Der Herr besucht Abraham

In dem Abschnitt 1Mo 18:1-8 haben wir eine Schilderung, die durchaus einen ursprünglichen Eindruck macht, so dass man nicht verstehen kann, wie ein vorurteilsfreier Geistesmensch sie anders lesen kann, damals eine Tatsache. Hier ist nichts Dunkles, Sagenhaftes. Hell, licht, klar, durchsichtig ist für uns diese ganze Schilderung des Vorgangs – ein köstlicher Beweis, wie in der Schule des Gehorsams Abraham ein so sicheres, feines Gemerk bekommen hat für die göttliche Art, aufzutreten und zu erscheinen.

Es wird nicht gesagt, wie Abraham den Herrn erkannt hat; er kennt Ihn eben. Durch jahrelangen Umgang mit Ihm war Er ihm bekannt geworden; er hatte durch Gewohnheit geübte Sinne bekommen. Und so geht er auch als wie auf etwas ganz Selbstverständliches auf den Umstand ein, der für viele rätselhaft ist, dass Gott wie ein Mensch erscheint, mit menschlichen Bedürfnissen, Der der Ruhe nach der Wanderung bedarf, Dessen Füße gewaschen werden müssen, der erquickende Speise nötig hat.

Das sind einfache köstliche Züge, aus denen hell hervorleuchtet, wie diesem Abraham das ganze Geheimnis der Menschwerdung Gottes, der ganze wunderbare Rat und Plan Gottes, in die menschliche Natur einzutreten und Sich mit ihr eins zu machen, so ganz selbstverständlich vorkam. Er hatte nicht nötig, sich theologische Vorlesungen halten zu lassen, ob und wie so etwas möglich und ausführbar sei, sondern da er auf alle Wege und Führungen Gottes achtete, ist ihm aus dem, wie Gott mit ihm redete und aus dem Umgang mit dem lebendigen Gott, alles klar geworden.

Sehr wahrscheinlich ist es, dass in den Vätern vor Abraham, vor der Flut solche Gotteserkenntnis, solche Einsicht in die herrlichen Gedanken Gottes mit der Menschheit gelebt haben werden.

So spiegelt sich wieder in verzerrter Form in den Sagen aller heidnischen Völker der Gedanke, dass die Gottheit mit den Menschen sich vermählt habe. Diese allgemeine und furchtbare Verzerrung lässt uns mit großer Bestimmtheit darauf schließen, dass im Anfang des Menschengeschlechts bestimmte Erkenntnisse gelebt haben müssen über den Umgang Gottes in menschlicher Gestalt mit den Menschenkindern; Erkenntnisse, die vermöge der Langlebigkeit der Urväter durch Jahrtausende hindurch in der Überlieferung fortgepflanzt werden konnten. Freilich mochten diese Überlieferungen bei denen, die von der Linie der frommen Sethiten früh sich entfernt hatten, sehr bald verzerrt worden sein, bei denen aber, die auf dieser Linie wandelten und in Verbindung und Gemeinschaft mit Gott geblieben sind, werden sie ungetrübt sich haben fortpflanzen können.

So mag auch durch seine Ahnen ein großes Maß dieser ursprünglichen Gotteserkenntnis auf Abraham gekommen sein. Denn wir dürfen uns nicht vorstellen, als ob er von sich aus auf solche Erkenntnisse gekommen wäre, trotzdem seine Vorfahren Götzendienst getrieben hätten. Auch im Götzendienst ist eine Erinnerung an frühere Wirklichkeiten erhalten geblieben, wenn er auch in völlige Abhängigkeit von Satan geraten ist.

Der Fürst der Finsternis, so verschlagen er ist, ist auch auf diesem Gebiete ein eigentlicher Schöpfer nicht. Er scheint nichts anderes fertig zu bringen als Wahrheiten, Wirklichkeiten, Erkenntnisse, die Gott den Menschen anvertraut hat, zu verkehren. Etwas Neues zu schaffen, geht ihm ab. Verkehrung göttlicher Gedanken ist das Höchste, was er vollbringt. Dabei geht er ja auch bis zur Verneinung, Verleugnung und entsetzlichen Entstellung der Wahrheit, obgleich er es nicht hindern kann, dass man ihre Grundzüge noch zu erkennen vermag, so wie bei Entstellung des menschlichen Antlitzes die Grundzüge des Gesichtes doch bleiben. Im menschlichen Antlitz finden wir heute noch das Ebenbild unseres Gottes, trotz der tiefen Abneigung von Ihm. Satan bringt keine Neuschöpfung fertig, nur eine Entstellung mit Benutzung des Vorhandenen.

So war auch bei den Patriarchen ein Schatz von Erkenntnissen vorhanden, obwohl er der Berichtigung bedurfte, wozu Gott bei Abraham die Trennung von den Gewohnheiten und Übungen der Völker benutzte.

In 1Mo 18:9.10 gibt Gott Sich ganz menschlich, und doch merkt Abraham, dass hier mehr ist als ein Mensch. Sara aber lauscht hinter der Tür.

Wenn man 1Mo 18:13-15 liest unter dem Eindruck des Zeugnisses des Geistes über Sara in Hebr 11:11, dann muss man sich wieder freuen. Dieses Zeugnis ist wunderbar freundlich und köstlich. Das ist uns wieder so ein deutlicher Beleg, dass die Zusammenstellung der Gotteszeugen nicht nach menschlichem Maßstabe stattgefunden hat. Wir würden wohl anders geschrieben haben; Sara hätten wir wohl nicht auf diese Liste gesetzt. Gott hat einen anderen Maßstab als wir, und dass Er mit Seinen ungläubig lachenden und leugnenden Kindern fertig wird, das ist etwas Großes.

Die Zurechtweisung war scharf, wenn auch kein ungebührliches Wort gefallen ist. Die Zurechtweisung durch das rügende Wort des Herrn muss gewirkt haben. „Denn das Wort des Herrn ist lebendig und kräftig und schärfer denn kein zweischneidiges Schwert“ (Hebr 4:12). Da haben wir wieder einen Beweis für die zurechtbringende Kraft eines einfachen Wortes Gottes, bei dem Gott nicht mit Pfeffer und Salz eingerieben hat. Wir hätten ihr ein Stück Haut heruntergezogen. Gott verzichtet darauf. Er weiß, was Er Seinem Wort zutrauen darf.

Wenn wir es doch besser kennen lernen wollten, die Wirkung des klaren, nüchternen Wortes mehr Vertrauen entgegen zu bringen. Die Wirkung steht in Hebr 11:11. Die Zurechtweisung hat also die gewollte Wirkung gehabt. So hat sie trotz der bedenklichen Verirrung, deren sie sich schuldig gemacht hatte, ihren Platz gefunden unter der Reihe der Glaubenszeugen. Das ist ungemein tröstlich angesichts so vieler Verirrungen und des Lügengeistes, dem wir in unsern Tagen begegnen. Vertrauen wir Gott; Er wird mit Seinen irrenden Kindern fertig.

Mit den Worten: „Wie kann Ich dem Abraham verbergen, was Ich tun will?“ (1Mo 18:17) hebt eine wunderbare Rede unsers Gottes an, eines der größten Worte aus Seinem Munde. Gott handelt so, als gäbe es eine Gebundenheit Gottes Seinen Auserwählten gegenüber, als stünde Er unter ihrem Zwange. Ein großes, gewaltiges Wort! So köstlich ist es, so groß wird an diesem Wort unsere Verantwortung, so anders wir in Abrahams Nachfolge stehen, dass wir es uns sagen lassen. Es hat sich hier nicht um Heilstatsachen gehandelt, die Abraham angingen, und nicht um eigene Angelegenheiten. Was ging ihn schließlich Sodom an! Er wandelte hoch über Sodom auf den Höhen des Glaubens. Sodom lag zu seinen Füßen; er war nicht verwandt mit ihm. Er konnte es ruhig sich selbst und Gott überlassen.

Gott kündet Gericht an über Sodom

Gott aber will und muss mit Abraham über Sodom reden. Es treibt Ihn, über ein furchtbares Feuergericht zu reden, das Er vollstrecken will. Gott will Abrahams Augenmerk zuwenden Seinen Gerichtswegen, die Er zu gehen gedenkt. Wie Gott Sich dem Abraham nicht entziehen kann, so darf es auch Abraham nicht dem Herrn gegenüber. Das wäre eine schnöde Abweisung des göttlichen Zutrauens, eine ungebührliche Ablehnung einer Auszeichnung gewesen, die zu den höchsten gehört, die Gott einem Menschen zuteil werden ließ, als Gott ihn in Sein Vertrauen nimmt.

Und dass es sich gerade um einen solchen Gegenstand handelt wie der Vorliegende, ist ganz gewiss nicht ohne Bedeutung, nicht Zufall, noch viel weniger Willkür; es ist göttliche Weisheit und Absicht, Plan und Ziel. Es liegt Gott soviel daran, dass Er Seinen Auserwählten, Abrahams Kindern (1Mo 18:18.19), Seine Absichten mit Sodom, Seine Gedanken über das furchtbare Feuergericht, das Er zu vollstrecken vorhat, darlegen will, und dass sie sich alles sagen lassen, was Er für gut befindet. Das tritt hier mit Klarheit und Bestimmtheit entgegen.

Was hätten die Worte des Herrn in 1Mo 18:18.19 in diesem Zusammenhang zu tun, wenn sie nicht in Verbindung stünden mit der Durchführung des Gerichts? Kann auch da noch von einem Segen gesprochen werden, der unerreicht dastehen soll, wenn Gott Sein Vorhaben des Feuergerichts darlegt? Es muss doch wohl so sein, sonst könnte Gott sie nicht gebrauchen als Begründung für den Umstand, dass Er gerade über diesen Punkt reden will. Es handelt sich ja um Sodom, und nach der Schrift sind Sodom und Gomorra Exempel des ewigen Feuers Pein (Jud 1:7).

Wir sind hier somit auf einem Boden, der mustergültig geworden ist in der Schrift über die Kennzeichnung des furchtbarsten Gerichts, das Gott in Seiner ganzen Verwaltung kennt. Sind wir als Kinder und Nachfolger, als echter Same Abrahams bereit, auf dieser Linie uns zu bewegen und auf die Offenbarung Gottes betreffs Sodoms einzugehen und damit unsere Stellung einzunehmen mit dem gläubigen Abraham?

Diese Frage ist auch eine für unser eigenes Leben überaus bedeutsame Frage, wenn es sich darum handelt, unsere Berufung und Erwählung fest zu machen.

Es ist nicht statthaft, ohne uns an der göttlichen Offenbarung zu vergreifen, über solche Fragen hinwegzugehen und zu sagen: das sind Dinge, die uns nichts angehen, und mit denen sich zu beschäftigen müßig oder sogar gefährlich ist. Welch ein Urteil über den lebendigen Gott! Dann hätte Er Seinen auserwählten Knecht auf einen sehr schlüpfrigen Weg gestellt. Und Gott hat doch das tiefste Bedürfnis, Sich mit ihm auszusprechen über Sodom!

Warum glauben wir es nicht? Oder hat Gott Seine Gesinnung geändert? Er stünde heute nicht mehr zu Seinen Auserwählten? Er hätte heute nicht mehr das tiefe Bedürfnis, dass sie sich sagen lassen möchten, was Er über Sodom zu sagen hat?

Wir glauben an den unfehlbaren Gott Abrahams, den Vater unsers Herrn Jesu Christi und durch Ihn auch unsern Vater, dass wir wandeln dürfen in den Fußstapfen Abrahams und uns mit vollem Recht sagen lassen dürfen, was Er über Seine Gerichte zu sagen hat.

1Mo 18:19 sagt, dass zuerst im ganzen Haus das Wort zu seinem Rechte kommen muss, damit Gott Seine Verheißungen erfüllen kann. Dann erst kann bis zur Erschöpfung kommen, was Er vom Segen geredet.

1Mo 18:20.21 sind recht menschlich gesprochen, ähnlich wie 1Mo 11 beim Turmbau zu Babel.

Abrahams Fürbitte

Der Abschnitt von 1Mo 18:23 an berichtet nun die Fürbitte Abrahams für das dem Untergang geweihte Sodom, die uns seine warme Teilnahme, sein herzliches Erbarmen mit den unheilvollen und unglücklichen Bewohnern erkennen lassen. Immer kühner werdend, wagt Abraham es zuletzt, vom Herrn zu erflehen, dass Er die Stadt nicht verderben möge, wenn auch nur zehn Gerechte darinnen wären. Tiefer als zehn hinabzugehen, traut er sich nicht.

Eins aber hat Abraham in seiner hartnäckigen Fürbitte herausgebracht, eins tritt uns mit überwältigender Macht entgegen: die ganz unbeschreibliche Bereitwilligkeit Gottes, wenn es nur irgend möglich wäre, Sein Gericht nicht nur hinauszuschieben, sondern aufzuheben, um einiger Gerechter willen. Das ist ganz wunderbar!

Aus einem solchen Vorkommnis bekommt Gott ein ganz anderes Aussehen, als das man Ihm gegeben hat. Dieser „finstere“ Jehova, der „schreckliche“ Gott, der ganze Völker niederschlagen lässt und Seinen Auserwählten die Anweisung gibt, weder Weiber noch Kinder, sogar der Säuglinge nicht zu schonen, von Dem man sich entrüstet abwendet um solcher Gräuel und Grausamkeiten willen, ist willig und bereit, Sein Gericht aufzuheben, wenn auch nur zehn Gerechte in all jenen Orten zu finden wären!

Auf Tritt und Schritt verraten wir, wie wenig wir Ihn kennen und verstehen, und wie wenig wir uns haben sagen lassen über Tod und Gericht und deren Bedeutung in der Verwaltung der Menschheit. Wir kranken an Übertreibung nach der einen und der andern Seite.

Unsere Anschauungen über die Mächte des Todes und Verderbens sind überspannt, so dass sie für uns unübersteigbare Hindernisse geworden sind für den Erweis der Macht und Herrlichkeit unsers Gottes. Und doch sind Tod, Verdammnis, Hölle, Feuer die Gerichte der fürchterlichsten Art, an deren schrecklicher Bedeutung und Tragweite nichts abzubrechen ist, nichts anderes als Mittel und Werkzeuge in der Hand Gottes, mit denen Er mit Sicherheit Seine großen Ziele erreicht.

Man hat aus ihnen für unsern Gott selbst, den Herrn der Herrlichkeit, unübersteigbare Schranken gemacht, so dass, wenn der Tod den Menschen erreicht, Gott ihm nicht beikommen könne in alle Ewigkeit. Und das mit einem Eifer, der einer besseren Sache wert wäre. Man könnte ergrimmen über die Hartnäckigkeit, mit der man behauptet, ein Gestorbener sei für Gott unerreichbar; selbst Christus, der Herr über Lebende und Tote könne da nichts mehr machen; der Tod sei unerbittlicher Herrscher.

Das haben wir fertig gebracht angesichts eines Beispiels wie dieses, und eines Gottes, Der Sein Gericht kommen lässt und dennoch Seine Bereitwilligkeit bewiesen hat, Sein Gericht nicht zu vollstrecken, wenn auch nur zehn Gerechte vorhanden wären, so dass man meinen könnte, wir müssten überwunden werden. -- Die Geschichte Sodoms ist nicht zu Ende, wenn auch hier die Geschichte abbricht mit den Worten: „Der Herr ging hin, da Er mit Abraham geredet hatte“ (1Mo 18:33).

Dieser Zwischenfall, diese herrliche Fürsprache Abrahams für Sodom, die priesterlich eintretende Liebe, das Einstehen für Sodom, die den Abraham zwangen, nicht abzulassen, sondern soweit zu gehen, als er durfte, all das war die göttliche Absicht. Gott wollte, Gott musste Seinen Knecht dahin bringen, sich selbst über sein Verhalten zu diesen Vorgängen klar zu werden.

Die Verhandlungen kommen freilich nicht zu dem gewünschten Ergebnis. Das Gericht kommt; es ist unaufhaltsam. Doch ist es nicht von ungefähr, dass der Bericht einen solch unbefriedigenden Abschluss zeigt, und die Fürsprache Abrahams für Sodom nicht erreicht hat, was sie erreichen wollte. Denn es veranlasst uns, der Sache weiter nachzugehen. Und gerade damit, dass hier abgebrochen wird, will Gott uns gleichsam zu verstehen geben: Ich gehe weiter im Gericht, aber spürt Mir nach und lasst euch sagen, dass Ich darüber mehr zu sagen habe. Bisher haben wir das freilich schwer oder gar nicht verstanden.

Neunzehntes Kapitel

Wir kommen jetzt zu einem der ergreifendsten Kapitel in der ganzen alten Gesichte, zu einem Kapitel, das auch für uns in unserer Erkenntnis der Gerichtswege Gottes – denn um solche handelt es sich hier in der gründlichsten Weise – von ganz einzigartiger Bedeutung und Tragweite ist.

Wir durften es uns bei der Betrachtung des vorigen Kapitels aus dem Munde Jehovas selber sagen lassen, wie sehr es Ihm Bedürfnis war, mit Seinem vertrauten Knecht und Freunde Abraham zu reden über das, was Er mit Sodom vorhatte. Die so sehr köstliche Zwiesprache endete allerdings in einer uns nicht ganz befriedigenden Weise. Jehova redete nicht weiter mit Abraham, und Abraham war an das Ende seiner Fürsprache gelangt. So nahm dann das göttliche Zorngericht über die Verderbtheit Sodoms und seiner Schwesterstädte seinen ungehinderten Verlauf.

In dem vorliegenden Kapitel nun wird eingehend, ausführlich berichtet s o w o h l die begleitenden Umstände des Gerichtes Gottes wie das Gericht selbst. Namentlich wird uns gewährt ein Einblick in die entsetzliche Verderbtheit, die dort eingerissen war, und von der wir in unseren Tagen in der „besten“ menschlichen Gesellschaft so gar erschütternde Beispiele haben, von der wir mehr wissen, als uns lieb ist. Wir haben da vor uns ein Bild von menschlicher Versunkenheit, wie es schwärzer kaum zu malen ist. Daneben haben wir köstliche Lichtpunkte, was die Erweisung des göttlichen Erbarmens, der rettenden und bewahrenden Gnade Gottes an Lot und seiner Familie betrifft.

Zwei Engel besuchen Lot

Die zwei Engel kamen am Abend nach Sodom, als Lot am Tor saß (1Mo 19:1). Die Stadttore im Osten sind derart geräumig, dass man dort öffentliche Versammlungen abhalten, Gerichtsverhandlungen vornehmen, Kaufgeschäfte abschließen kann. Es lässt sich aus dieser Darstellung schließen, dass Lot, obwohl ein Fremdling, eine gewisse Bedeutung erlangt, dass er eine gewisse Würde bekleidet hat. Ob er eine öffentliche Stellung einnahm, ist nicht festzustellen, aber er war da, wo der Mittelpunkt des Lebens seiner Stadt zu suchen ist. Er stand also mitten drin in diesem Leben, was ansässig und einheimisch in Sodom und hat ein festes Haus besessen als einer, der nicht warten konnte auf die Stadt, die Grundfeste hat.

Als Lot die Engel sah, nötigte er sie hereinzukommen. Da sehen wir also, dass ihm ein Rest von göttlichem Erkenntnisvermögen geblieben ist. Er erkennt in den beiden Männern, die als Wanderer kamen, überirdische Wesen. Das ist sehr bezeichnend. Es zeigt, dass auch, wenn ein Mensch sich tief eingelassen hat und arg verstrickt ist in weltlichem Treiben, wie das bei Lot der Fall war, ein Maß von göttlichem Unterscheidungsvermögen überbleiben kann. Und nun achtet er es für ein Vorrecht, an diesen Gesandten Gottes, als die er sie erkannte, Gastfreundschaft zu üben, sie als Engel zu beherbergen (1Mo 19:2).

Doch er fand nicht die Aufnahme, die er wünschte; er wurde scharf abgewiesen. Es ist ein herbes Wort, das er sich sagen lassen muss. Er glaubt, trotz seiner Abweichung vom Glauben ohne Weiteres zu einer solchen Gemeinschaft berechtigt zu sein und solche Abgeordnete Jehovas aufnehmen zu können. Sie belehrten ihn eines andern. Erst n a c h d e m er sie sehr genötigt hatte, kehrten sie zu ihm ein (1Mo 19:3).

Ehe sie sich zur Nachtruhe niederlegten, kamen Leute, um an seinen Gästen Schande zu treiben (1Mo 19:4). Da hatten die Engel einen handgreiflichen Beweis, dass das Gericht über Sodom nicht übertrieben war. Das Verhalten der Leute bezeugte zur Genüge, wie entsetzlich gesunken, wie sittlich verkommen sie waren. Zugleich bekommen wir einen Einblick in die tiefe Versunkenheit, in die Lot, diese gerechte Seele, geraten war. Denn dass er gerecht war, bezeugt der Geist, und er kam ja auch nicht um. Aber die Art und Weise, wie er sich erbot, den rasenden Menschen von Sodom seine Töchter preiszugeben (1Mo 19:8), hat etwas tief erschütterndes.

Von einem Vertrauen auf die göttliche Durchhilfe in dieser schweren Lage, von einem ruhigen Vertrauen auf den Gott, der Seine Boten dorthin gesandt hatte und die in sein Haus gekommen waren, ist nichts zu spüren. Dass seine Lage nicht leicht war, können wir uns vorstellen. Gedrungen von der hohen Vorstellung von morgenländischer Gastfreundschaft, die ihn nötigte, eher seine Töchter preiszugeben als seine Gäste schänden zu lassen, kam er in eine fürchterliche Bedrängnis.

Von einem Vertrauen auf Gott ist keine Rede, wohl aber hat Lot großes Vertrauen auf sein Vermögen, sich mit den Männern zurecht zu setzen. Mit diesem Vertrauen geht er hinaus, wird aber übel behandelt, so dass es ihm allein nicht gelungen wäre, sich ihren Händen zu entreißen, wenn nicht die Männer nach ihm gegriffen hätten, ihn ins Haus zu ziehen, um alsdann die Menschen mit Blindheit zu schlagen (1Mo 19:9-11).

Danach gaben sie ihm die Warnung, seine nächsten Anverwandten hinauszuführen aus diesem Ort (1Mo 19:12.13), da der Herr die Stätte verderben werde. Diese Botschaft findet ein gewisses Maß von Glauben bei ihm, denn er sagt es weiter seinen Schwiegersöhnen; aber er wurde von ihnen nicht ernstgenommen (1Mo 19:14).

Es ist erschütternd, wenn ein gerechter Mensch von denen, die er retten will, nicht mehr ernst genommen wird. Da sehen wir sein völliges geistliches Unvermögen, trotz eigener persönlicher Bewahrung, den ihm nächststehenden Menschen zum Heil zu dienen. Das ist furchtbar!

Lot wird ermahnt zur Eile (1Mo 19:15.16). Da wird er an diesem und jenem von seinem Besitz gestanden haben, und Weib und Töchter mit ihm, und wir können es uns ausmalen, wie schwer es ihnen gefallen sein muss, sich von ihm zu lösen. Das alles muss zurückbleiben und kommt ins Feuer.

Noch im letzten Augenblick muss er sich von den Boten Gottes scharfe Drohungen sagen lassen (1Mo 19:17). Das war gewiss kein blinder Schreckschuss, wohl aber eine große Freundlichkeit Gottes, dass er einem sehr weit verirrten und sehr tief gesunkenen Gläubigen noch solch scharfe Warnung und Mahnung zukommen lässt, um ihn zu retten.

Die Zaghaftigkeit, die Kleinmütigkeit dieses Mannes (1Mo 19:18-20) hat etwas tief Beschämendes. Man sieht, wie kümmerlich das Glaubensleben im Menschen werden kann, wie jedes Vermögen, sich aufzurichten, vollständig verloren gehen kann; und dennoch achtet Gott auch das traurigste Restchen noch so hoch, dass Er einen Menschen verschont, trotz dieser unsäglich traurigen Verkümmerung, wenn auch nur schwache Fünkchen von einem Glaubensleben wahrzunehmen sind. Auch eines solchen Pflänzchens nimmt Er Sich noch an. Das ist anbetungswürdig von unserem Gott!

Die Rettung Lots

Ja mehr noch: Lot verhandelt mit Gott. Doch wie ganz anders geht es hier zu als bei Abraham, der mit Jehova einherging auf den Höhen und seine unermüdliche Fürbitte einlegte, dass doch kein Gerechter in Sodom umkommen, ja dass Er sogar Sodom um der Gerechten willen schonen möchte, wenn ihrer auch nur zehn wären.

Lot erlaubt sich mit Gott zu verhandeln, weil er fürchtet, es möchte ihm auf dem mühseligen Wege ein Unfall zustoßen. Er bittet Ihn, in eine zum Verderben bestimmte Stadt fliehen zu dürfen; und Gott geht darauf ein. Gott ist also bereit, Sein Gericht aufzuheben und lieber zu schonen, als zu verderben. Wenn wir das Fürsprache nennen dürfen, so könnten wir sagen, dass auf die Fürsprache eines, unter sehr kümmerlichen Verhältnissen geretteten Menschen – und ein solcher war Lot – Gott das Gericht aufhebt, wo Er es schon beschlossen hat. Das ist wunderbar von unserm Gott. Er geht auf das Ansinnen Lots ein und Zoar wird bewahrt vor dem Verderben.

Es ist ein gewaltiges Wort, das uns in 1Mo 19:21.22 entgegentritt; ein Wort, das uns hineinschauen lässt in die Art, wie Gott sich gebunden weiß an Seine Zusage und wie Er sie achtet. Ich kann nichts tun, Mein Gericht nicht vollstrecken, bis du herausgerettet bist. Das ist groß! Das berechtigt zu der Annahme, dass das Gericht über eine spruchreife Welt nicht vollzogen werden kann und wird, ehe nicht die göttliche Auswahl der Glieder des Leibes Christi herausgerettet ist; und um ihretwillen wird noch manches bewahrt und verschont werden in den zukünftigen Gerichten.

Es war heller Tag, als Lot in Zoar ankam (1Mo 19:23). Die Leute von Sodom haben es nicht zu Herzen genommen, dass dieser Fremdling ausgezogen war und werden es mit Spott und Hohn besprochen haben.

In den 1Mo 19:24.25 lesen wir eine der merkwürdigsten Aussagen der Schrift in Bezug auf das Wesen der Gottheit: „Da ließ Jehova Feuer und Schwefel regnen von dem Jehova vom Himmel herab auf Sodom und Gomorra.“

Ausgesagt ist also, dass ein Jehova auf Erden von Jehova vom Himmel, der Abgesandte, der Engel, der Engel-Jehova, der gesandte Jehova unterschieden wird von Jehova im Himmel. Wir haben es nicht mit zwei Jehova zu tun, aber wir erblicken immer wieder ein Geheimnis des Wesens und Waltens Gottes, das aller Versuche spottet, sich in Fesseln schlagen zu lassen, und das uns immer wieder in der Schrift begegnet.

Eine Lösung dieses Geheimnisses werden wir nicht finden. Aber die Einfältigen im Glauben lassen es sich sagen, dass der Jehova, der auf Erden ist, in gleicher Machtvollkommenheit und Vollmacht auftreten kann und ist, als der Jehova im Himmel. Das ist sehr deutlich hier angezeigt.

Lots Weib wird zur Salzsäule (1Mo 19:26). Das ist das ergreifende Gericht, an das Jesus Seine Zuhörer erinnert: „Gedenket an Lots Weib“, die ihren Ungehorsam schwer büßen musste.

Abrahams Blick auf Sodom

Nun tritt ganz deutlich auf den Plan der Mensch (1Mo 19:27.28), der wohl am meisten dazu beigetragen hat, dass Lot errettet wurde, durch seine treue Fürbitte bei dem Herrn, vor dem der Herr nicht verbergen konnte, was Er an Sodom tun wollte, und der jetzt vor die Gerichtsstätte gestellt wird, um da Zeuge zu sein von dem Rauch ihrer Qual, der aufstieg gen Himmel, und der auch für uns ein Zeuge der schonungslosen Gerichtsvollstreckung in den Äonen ist.

Was will uns das sagen? Uns ist das Wort Gottes gegeben, das uns meldet, was Abraham getan. Er muss seinen Gott darin recht verstanden haben, dass er nicht nur Zeuge sein soll für das, was Gott geredet und zu tun sich vorgenommen hat, sondern dass er sich durchaus für berechtigt halten darf auf Grund der Stellung, die Gott zu ihm einnimmt, auch ganz persönlich in Augenschein zu nehmen, was Gott getan, und seinen gläubigen Blick ruhen zu lassen auf den Stätten des göttlichen Gerichts und sich innerlich damit abzufinden.

Der Ort, wo Abraham vor dem Herrn gestanden hatte, war wohl eine der Höhen, von der aus man einen weiten Blick in das Jordantal und die Stätte hat. Er sah, dass ein Rauch aufstieg vom Lande.

Wenn wir Abrahams Same sind durch den Glauben, dann ist es gewiss, dass wir alle das Recht haben, in aller Ruhe eine solche Stellung einzunehmen wie er, und hinzusehen auf die gewaltigste Stätte des göttlichen Gerichts, die diese Erde je gesehen hat bis auf diesen Tag, und die nach allem, was die Schrift zu sagen hat, vorbildlich, mustergültig, maßgebend ist für all das schwere furchtbare Gericht, das Gott beschlossen hat über eine gottentfremdete Menschheit.

Die Schrift erklärt in bündiger Sprache, dass Sodom sei Exempel des ‚ewigen’ (äonischen) Feuers Strafe, die ja noch zukünftig ist für den großen Tag des Gerichts und der Heimsuchung der gottlosen Welt. Gott hat aber dafür Sorge getragen, dass wir in der Ruhe des Glaubens, unerschüttert in unserm Herzen, ohne unsern Blick auf den großen Gott, Der ein verzehrendes Feuer ist und in dessen Hände zu fallen Schrecklichkeit ist, auch nur im geringsten verschleiern und trüben zu lassen, die Spuren verfolgen mit Glaubensaugen, die Gott Selbst gelassen hat in Seiner Offenbarung.

Es ist nämlich eine Tatsache von großer Tragweite, dass Gott wiederholt in späteren Kundgebungen durch die Propheten, den Sohn und die Apostel gerade immer wieder auf Sodom zurückgreift und Dinge sagen lässt, die auch wir uns sagen lassen wollen.

So wollen wir uns ansehen, was Hes 16 schreiben darf über Sodom. Von Hes 16:32 ab werden die Schandtaten Judas und Jerusalems aufgezählt, und von Hes 16:38 ab das Urteil Gottes über sie.

Von Hes 16:44 bis Hes 16:52 aber finden wir eine Sprache des Herrn, die uns ganz unmöglich wäre. Da wird uns gesagt, nicht, dass die Gräuel Sodoms größer gewesen seien als die Judas, sondern umgekehrt, dass die Versunkenheit Seines Volkes tiefer reiche als das Verderben Sodoms. Auf diesem Boden können sie nichts einwenden, was als Milderungsgrund geltend gemacht werden könnte. Wenn Gott mit gleichem Maße misst, dann muss das Gericht über Jerusalem und Juda mindestens das Gleiche sein wie über Sodom.

Nun sagt aber Gott in Hes 16:41: „Ich will deiner Hurerei ein Ende machen“. Das also soll der Zweck Seines Gerichtes sein. Damit ist gesagt, dass die Absicht des göttlichen Gerichts die ist, an der Hurerei Judas Seinen Zorn zu stillen, so dass Er nicht mehr zu eifern brauche. Da sehen wir die klare Linie, dass die schwerste Heimsuchung über Juda den Zweck der Abhilfe und Zurechtbringung hat.

Deutlicher kann es nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass das furchtbare Gericht das Ziel hat, herbeizuführen die Wiederherstellung zu einem solchen Zustande, da man Gott nicht mehr reizen kann.

Gottes Ziel mit Sodom

Hes 16:53 aber spricht noch deutlicher: Gott wird die Gefangenschaft Sodoms wenden. Was das für eine Gefangenschaft war, ist nicht zweifelhaft. Sie war keine politische. Der Scheol, das Feuer- und Schwefelgericht vom Himmel war sie. Eine andere hat Sodom nicht erlitten. Schonungsloses Verderben bis auf den Grund hat es getroffen. Das ist ihre Gefangenschaft nach der Schrift.

Deutlich aber sagt die Schrift weiter: diese Gefangenschaft will ich wenden (Hes 16:53), wie die Gefangenschaft Samarias und Jerusalems. Dieses „Wenden“ wird also etwas sein, was Gott beabsichtigt hat als ein Berichtigungsmittel in der weiteren Erziehung und Führung Seines Volkes: „dass du die Schande trügest und schämest dich alles dessen, was du getan“ (Hes 16:54).

Im darauffolgenden Hes 16:55 wird ausdrücklich „deiner Schwester Sodom“ zugesagt, dass sie mit ihren beiden Schwestern „in den vorigen Stand“ zurückkehren solle.

Das Ergebnis der wunderbaren Wiederherstellung Jerusalems werde das sein, dass auch Samaria und Sodom daran Anteil haben würden: deine Töchter sollen werden wie sie zuvor gewesen sind. Gott wird es tun, eingedenk des Bundes der Jugendzeit Seines Volkes (Hes 16:60), nämlich bei Abraham. Diese Worte weisen also zurück auf die Zeit vor Mose.

Eingeschlossen in diese Wiederherstellung aber ist, dass Gott ihnen ihre Sünde verziehen wird (Hes 16:63). Ist das das Ziel der göttlichen Gerichtswege, dann wissen wir, was in Jud 1:7 gemeint ist mit dem Beispiel ‚ewigen’ (äonischen) Feuers Pein.

Dieses Schriftwort habe ich wiederholt Brüdern vorgelegt zu einer Zeit, da mir der Blick noch nicht aufgegangen war über die endgültigen Gedanken Gottes über das Feuergericht hinaus. In jener Zeit war ich wie einer, den der Herr von Blindheit heilt. Ich erkannte, dass es mit der herkömmlichen Vorstellung von der Feuerhölle nicht stimmen wollte; dass Linien da waren, die sich in dieses Dogma nicht hineinzwängen ließen. Klarheit aber hatte ich nicht. Alles aber, was mir hochstehende, teure Brüder, die ich in meiner innersten Bedrängnis um Rat gefragt hatte, sagen konnten, war: wir wissen nichts mit diesem Worte anzufangen; wir lassen es stehen. Auf meine Gegenfrage: Ist dieses Wort ein vollwichtiges Gotteswort? Erwiderte man: O ja, aber wir wissen es nicht unterzubringen. Man weigerte sich, darauf einzugehen und sich offen und ehrlich mit ihm auseinander zusetzen.

Zufrieden geben konnte ich mich damit nicht und ich durfte nun nicht auch aufhören, diese Linie weiter zu verfolgen, weil diese bewährten, treuen, herrlichen Knechte Gottes, zu denen ich hoch aufschaute, nicht weiter gehen wollten. Gewiss, es hat mich geschädigt; für viele dieser lieben Brüder wurde ich unmöglich; sie können nicht mehr mit mir arbeiten. Aber ich ruhte nicht, bis ich Klarheit hatte. Die habe ich nun! Ich kann nicht mehr hinter dem Berge halten.

Wenn ich den Menschen zu Gefallen redete, wäre ich kein Knecht Gottes mehr. So aber bin ich nicht gebaut. Zwar ist noch manches Dunkle da, aber auf diesen Linien sehe ich jauchzend klar, dass die Gerichtswege Gottes, auch die schaurigsten nicht, sich nicht erschöpfen im Gericht, sondern nur Durchgangswege sind zur Wiederherstellung; und dafür ist Sodom ein so großartiges B e i s p i e l , wie die Schrift kein Zweites bietet.

Rettung Sodoms als Muster

Ich erinnere an ein anderes Wort, an Mt 11:23.24. Schier erschrocken bin ich vor diesem Wort. Die Dogmatik ging in lauter kleine Stücke. Es wird ja als unerschütterlich feststehend angesehen, dass Gott an allen Menschen in diesem Leben alles tut, was nötig ist zur Bekehrung, und dass eine Hoffnung für verstorbene Menschen über das Grab hinaus völlig ausgeschlossen ist. Das ging bei mir angesichts dieses Wortes in die Brüche. Denn hier haben wir eine Erklärung des Sohnes Gottes, dass Gott unzweifelhaft an Sodom etwas nicht getan, was Er an Kapernaum getan; wenn es aber geschehen wäre, dann hätten die Menschen in Sodom Buße getan (Mt 11:21).

Und nun verlangt man von mir in der herkömmlichen Lehre, zu glauben, dass Gott eine große Anzahl von Menschen, die nach dem Zeugnis Seines Sohnes zur Umkehr fähig waren, die umgekehrt wären von ihrem bösen Wege, wenn solche Taten bei ihnen geschehen wären wie in Chorazin und Bethsaida, infolge dieser Unterlassung von Seiten Gottes in die ewige, d. h. endlose Hölle verstoßen werde. Das war mir ferner unmöglich.

Was würde dann aus dem Wort: „Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen (1Tim 2:4)“? Und der Sohn erklärt: Sodom hat eure Erkenntnis nicht gehabt, sonst stünde es noch heutigen Tages.

Das sind biblische Linien, die ich einfach zog. Man wird begreifen, was da für mich bedeuten musste. Ich konnte auf dem alten Wege nicht mehr mit. Zwar gab es Kämpfe durch eine Reihe von Jahren hindurch, bis ein Band nach dem andern sich löste. Aber wie Schuppen fiel es mir endlich von den Augen. Hell und klar erkannte ich, was mich in tiefster Seele erschüttern musste, wie erfolgreich es dem Feinde gelungen war, der gläubigen Christenheit die Vorstellung von Gott beizubringen, Er werde zu endloser Qual verdammen, die keinen Zweck und Ziel hat, denn es gäbe daraus nie Befreiung; und dass man mit einer furchtbaren Gleichgültigkeit und Härte das aussprechen konnte!

Es ist unfasslich, wie es bei dem Menschen je dahin kommen konnte, von dem Schöpfer Himmels und der Erden eine solch furchtbare Vorstellung zu gewinnen, dass Er mit Vorbedacht den Erzfeind auf die soeben geschaffenen Menschen loslässt, - zudem eine zwingende Notwendigkeit nicht vorlag, weil Gott ihn hätte beseitigen können, - und indem Er das tut, gleichsam zu Sich sagt: es wird zur Folge haben, dass Ich nur einen verhältnismäßig ganz kleinen Teil zu Mir in die Herrlichkeit nehmen kann und weitaus die Hauptmasse all dieser Schöpfung wird in endlose, hoffnungslose, bewusste Qual verdammt werden; aber es hat Mir nun einmal so gefallen. –

So hat man unseren Gott gelehrt und so lehrt man Ihn heute noch. Mache man es sich klar, welche Tragweite das hat, wenn man nur an das Wesen und die Beschaffenheit Gottes denkt. Hält man sich ernst vor Augen, was dabei aus der Schöpfung und den Geschöpfen wird, so wäre schon das tief erschütternd.

Schlimmer aber wird es, wenn wir uns die Frage vorlegen: was wird aus Gottes Wahrheit, aus Seinem Sohne, aus dem Opfer Christi auf Golgatha, aus der Vollmacht, die der Vater Ihm gegeben über alles Fleisch und der aus dieser Vollmacht fließenden sicheren Gewissheit, dass Er das ewige Leben gebe allen, die Ihm der Vater gegeben?

Was wird aus der großzügigen Erklärung Gottes von Seinem herrlichen Sohne: „Darum hat Er Ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen alle derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr sei, zur Ehre Gottes, des Vaters“ (Phil 2:9-11).

Die Menschen aber sagen: nein, nur Wenige werden gerettet; die Andern legen dieses Bekenntnis zähneknirschend ab. Gott kann niemand zwingen, sich retten zu lassen, auch das Zähneknirschen in endloser Qual dient zur Ehre Gottes, des Vaters.

Und was wird aus dem Wort in 1Kor 15:24-26, dass Christus, nachdem Er aufgehoben haben wird jede Obrigkeit und Macht, auch den letzten Feind, den Tod, abtun werde?

Die Menschen behaupten dagegen: dann werde überbleiben Aufruhr, Empörung durch endlose Ewigkeiten hindurch, und die Obrigkeit der Finsternis.

Das aber steht nicht in unserer Bibel! Da lesen wir vielmehr weiter: „Zuletzt wird auch der Sohn selbst untertan sein dem, der Ihm alles untertan hat, auf dass Gott sei alles im allem“ (1Kor 15:27.28).

Gehen wir zurück zu dem Wort Jud 1:7. In eindringlicher Weise hat Jud 1:5.6 seine Leser gewarnt, indem er hinweist auf die Engel, die ihr Fürstentum nicht behalten hatten und nun ihr Strafurteil tragen müssen b i s auf das Gericht. Wir sehen also ein Strafgericht, das sein Ziel finden wird am Tage des Gerichts; alsdann wird ein anderer Spruch gefällt werden. An diesem Beispiel ist mir klar geworden, dass das Feuergericht über Sodom endlich ist.

Auch in der Geschichte des Volkes Israel tritt uns das deutlich entgegen. Das ist mir der erste Anstoß geworden, über das Gericht Gottes eingehend nachzudenken. Ich sah in Röm 11 wie dasselbe Volk, von dem die Schrift in der ergreifendsten Weise das Urteil fällt: „sie sind verstockt“, wiederum in Gnaden angenommen werden wird, indem sie in der allereinfachsten Weise erklärt, dass auch dieses Gericht endlich sei: „Verstockung ist Israel widerfahren nur s o l a n g e , b i s die Vollzahl der Nationen eingegangen sein wird (Röm 11:25).

Weiter aber erklärt sie, dass Gott sie a l l e , Juden und Nationen, unter den Unglauben eingeschlossen habe, auf dass Er Sich ihrer a l l e r erbarme (Röm 11:32).

Wir haben hier also zwei genau gleichlaufende Linien. Wenn die gelten, dann bedeutet das die Gesamtheit des Volkes Israel, die verschlossen ist unter dem Verstockungsgericht, auf dass Er Sich derselben erbarme. In demselben Kapitel aber wird gesagt (Röm 11:30.31): in gleicher Weise, wie ihr Heiden (Nationen) ehemals nicht gehorsam wart, also haben auch jene (Israeliten) nicht wollen glauben an Gott, auf dass sie Barmherzigkeit überkämen. -- Diese Worte sagen also so klar, wie es klarer gar nicht gesagt werden kann, dass die furchtbarsten Gerichte, wie Verstockung, gedient haben als Hintergrund, als finstrer Untergrund der großartigen Rettungs- und Liebesgedanken Gottes.

Ein Vorbild der Verstockung ist Pharao, dessen Herz Gott verstockt hat, damit Er Seine Macht an ihm offenbare, den Gott getragen habe mit großer Geduld, als Gefäß des Zorns, das zugerichtet ist zur Verdammnis, um an ihm den ganzen Reichtum Seiner Herrlichkeit an den Gefäßen Seiner Barmherzigkeit zu erweisen (Röm 9:22.23).

Dass die Gerichte aber nicht nur ein solch dunkler Untergrund für die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes sein soll, sondern dass in ihnen selbst Jehova Seine Herrlichkeit offenbart, und auch die von Seinen Gerichten Getroffenen wiederherstellen wird, davon haben wir das deutlichste Zeugnis gehört.

Wenn die Einwendung gemacht wird, Hes 16 schreibe nur, Sodom würde, wie auch Samaria und Jerusalem, nur in den früheren Stand zurückgeführt, von einer Wiederannahme, Wiederbringung, von einer Erlösung und Verherrlichung sei nichts zu lesen, so meinen nicht Wenige, damit sei schon alles entschieden. Kann nun aber jemand, ganz abgesehen von der zugesagten Vergebung (Hes 16:63), der Meinung sein, dass, wenn jenen Sodomitern nach der viertausendjährigen Gefangenschaft, in die Gott sie hineingelegt hat, das in Christo erschienene, auch ihnen mögliche Heil angeboten wird, sie noch einmal die Neigung haben werden, in die Feuerhölle zurückzukehren, aus der sie wiederhergestellt sind?

Wir dürfen wohl annehmen, dass alle jene Gerichteten Gottes Gelegenheit haben werden für Den sich zu entscheiden und den zu ergreifen, der für sie und das All in den Riss getreten ist und dessen Blut eine Versöhnung bietet für alles, das im Himmel und auf Erden ist (Kol 1:20). Denn wenn für das Volk Israel, das nach Aussage der Schrift schlimmer gewesen ist als Sodom, die Zeit kommen wird, da sie um Den klagen werden, in den sie gestochen haben (Offb 1:7) und Ihm ihr Hosianna entgegenrufen werden (Mt 23:39) bei Seiner Wiederkunft, dann ist für Sodom nichts weniger zu erwarten, wenn der durch das Feuergericht geklärte Blick, das vom Herrn erleuchtete Herz hingelenkt wird auf den, in dem das ganze Heil der Welt beschlossen ist.

Es möge gestattet sein, in Verbindung mit dem Gesagten das Feuergericht von 2Petr 3:7.10-13 zu streifen. Wenn wir dieses Wort vergleichen mit Ps 102, und dessen Ende obendrein mit Hebr 1:10-12, so werden wir finden, dass es sich allerdings um ein ganz großartiges, Erde und Himmelskörper umfassendes Feuergericht handelt, aber nicht zur Vernichtung, sondern zur Verwandlung; wie denn auch unsere wissenschaftliche Erkenntnis gezeigt hat, dass man durch Feuer nichts vernichten kann, sondern es werden durch Feuer, durch den Verbrennungsvorgang die Stoffe, die man verbrennt, nur aufgelöst und für eine neue Verwendung im göttlichen Haushalt frei.

Unsere Chemiker können uns das anschaulich machen und beweisen, indem sie gewisse Stoffe, z. B. Metalle wie Silber in eine ätzende Flüssigkeit legen und sie darin auflösen, wie wir Zucker in Kaffee, so dass von ihnen keine Spur mehr zu sehen ist; dann aber vermögen sie aus dieser Flüssigkeit z. B. durch den elektrischen Strom die Metalle wieder niederzuschlagen. Bei ihnen erwächst durch diesen Vorgang ein kleiner Verlust an Metall.

Gott ist ein noch größerer Chemiker als wir und Er versteht Sich besser darauf. Die Erde vergeht in ihrer gegenwärtigen Gestalt. Ich jauchze darüber. All der Unrat, den wir angerichtet, die Kunst, Literatur usw. kommt ins Feuer. Jedoch, was ins Feuer geht, ist nur unsere Arbeit; der Urbestand aber, wie er aus Gottes Hand hervorgegangen ist, -- von dem geht keine Spur verloren! Alles wird frei zu neuer Verwendung.

Sahen wir einmal ein großes Feuer? Es jubelt, es jauchzt! Es klingt wie ein Jubelsang, dass die Stoffe wieder frei werden und Gott sie wieder neu verwenden kann. Unser Dichter sagt: Die Elemente hassen das Gebilde aus Menschenhand.

Welch großartige Erlösung wird es sein, wenn die Schöpfung von der Verderbnis frei werden wird, die der Mensch über sie gebracht hat. „Die Erde und die Werke, die darauf sind, werden verbrennen“.

Und unsere Leiblichkeit und unser ganzes Wesen? In 2Kor 5:17 lesen wir: Ist jemand in Christo, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen“, es steht auf dem Todesetat; der Geist aber wirkt Leben um der Gerechtigkeit willen; „es ist alles neu geworden“. Die Gläubigen haben das Unterpfand, dass dieses Sterbliche wird anziehen das Unsterbliche.

Verwesen ist chemisch genommen gleich verbrennen. Die Leichenverbrennung ist also nicht etwas so Entsetzliches, für das man sie vielfach hält. Nur der Beweggrund dazu ist verwerflich: die Furcht vor der Auferstehung. Der Mensch aber bringt es nicht fertig, sich selbst oder andere etwa durch Verbrennung zu vernichten. Wenn man meint, Leichenverbrennung sei ein Verlust, dann denke man doch an die Scheiterhaufen, auf denen die Martyrer verbrannt wurden.

Von den Fortschritten der Wissenschaft wollen wir ruhig auch das annehmen, dass sich durch Verbrennen nichts vernichten lässt. Nur die Zusammensetzung löst sich auf, und die Bestandteile stehen zu neuer Zusammensetzung zur Verfügung. Der Grundbestand der Erde wird also durch Verbrennung nicht aufhören. Auch die Veränderung des Leibeslebens hebt den Menschen nicht auf; sie ist vielmehr eine Bürgschaft für Erneuerung des hinfälligen Leibes. Wir bekommen ein neues Leibes- und Geistesleben.

Zwanzigstes Kapitel

Abrahams Prüfung in Ägypten

Abraham muss, ehe er seinen Isaak von Gott empfängt, noch eine Probe bestehen oder eine tiefe Demütigung durchmachen. Die Begegnung Abimelechs mit Abraham (1Mo 20:9) hat uns viel zu sagen. Das Gesetz hat, wie Hebr 10:1 sagt, den Schatten der zukünftigen Güter und trägt ein vorbildliches Gepräge. So auch diese Philisterfürsten und das ganze Geschlecht der Philister, die an Wesen und Verhalten uns gewisse Richtungen und Strömungen in der natürlichen Menschheit, soweit sie in Berührung kommt mit dem Volke und dem Wesen Gottes, entgegentreten.

Die Philister stammen aus Ägypten, sind also eine Ableitung aus derselben Quelle, die wir aus der Schrift kennen, nämlich aus der fleischlichen Menschheit, die alles durch die Sinne erkennen will, die Bedeutendes leistet auf diesem Wege, die Großes zu Stande bringt, die auf das Volk Gottes großen Eindruck macht, und von deren Errungenschaften auch das Volk Gottes keuschen Gebrauch machen darf, so wie Moses nicht umsonst in aller Weisheit der Ägypter unterwiesen worden ist.

Dieses Volk entstammt dem Kanaan, dem Sohne Hams. Schon die Lage ist bezeichnend. Es ist der Küstenstrich, der von Ägypten nordwestlich hinauszieht an der Seite des gelobten Landes, von da aus man mit Umgehung des Toten Meeres und des Jordan in das Land der Verheißung kommen kann.

Diese Züge stellen uns bildlich dar den bis auf den heutigen Tag immer von Neuem gemachten und durch Verschulden des Volkes Gottes zeitweise erfolgreichen Versuch, mit Umgehung des Selbstgerichts, des Todes- und Auferstehungsweges das Land der Verheißung in Besitz zu nehmen. Aber Gott hat es ihnen nicht gelingen lassen, sich dauernd in den Besitz des Landes zu setzen.

Abimelech streckt seine Hand aus nach etwas, was keinem Philister gehört (1Mo 20:2), sondern dem Manne Gottes. Er will sich in den Besitz des Weibes setzen, das in der wunderbaren Vorsehung Gottes (s. Gal 4:21-31) bestimmt ist, ein erhabenes Vorbild zu sein von einem neuen Bundesverhältnis, wie Gott es auf Seinem eigenen Wege durch Tod und Auferstehung mit denen einführt und aufrecht erhält, die Er diesen Weg führen kann. Sara schattet uns ja ab das himmlische Jerusalem, die Freie, aus der nicht Sklaven geboren werden, sondern Söhne. Sara ist die Vertreterin und Darstellerin des Neuen Testaments, des himmlischen Bündnisses, das Gott einzugehen bereit ist mit einer gläubigen Menschheit, und der Mutterschoß, aus welchem die Söhne der Verheißung, die Erben Gottes, die Hoffnungskinder geboren werden sollen.

Das ist wohl die zutreffende Deutung auf geistlichem Gebiet und für das geistliche Verständnis. Abraham stellt den Geist des Glaubens dar, wie er durch Gottes Zeugung eigne Zeugung hervorgerufen, wie er von Erkenntnis zu Erkenntnis, von Kraft zu Kraft geführt wird, wie Gott ihn nährt und stählt und schließlich auf die äußerste Probe stellt, damit er bewährt werde, mehr als das vergängliche Gold, das durch Feuer geläutert wird.

Und nun diese Begegnung mit Abimelech! Abimelech ist höchstwahrscheinlich ein Titel, kein Name. Ins Deutsche übertragen bedeutet er: Mein Vater der König. Ähnlich ist auch Pharao kein Personennamen; er bedeutet soviel wie Fürst, Kaiser oder besser noch wie die Hohe Pforte.

„Mein Vater der König“: ein merkwürdiger Titel! In diesem Worte drückt sich eine hohe Erkenntnis aus, die Erkenntnis über die Zusammengehörigkeit des Vaternamens mit dem Königtum. Dass es also unter diesem Philistergeschlecht nicht an einer gewissen Erkenntnis Gottes gefehlt hat, tritt uns deutlich hier entgegen.

Es ist sehr bezeichnend und beschämend für den Mann des Glaubens, dass er diese Tatsache so vollständig übersehen zu haben scheint. Er entschuldigt sich mit der Annahme, an diesem Orte sei keine Gottesfurcht, worin er also im Irrtum war (1Mo 20:11).

Abraham hatte früher schon einmal eine Begegnung mit einem König der Völkerwelt (1Mo 14). Desselben Königtum und Priestertum umfasst einen weiteren Rahmen als alles, was in Israel beschlossen war und sein konnte. So hätte Abraham ausreichend Grund gehabt zu einer andern Annahme als die war, die er zum Ausdruck bringt. Abraham hätte denken können, dass Gott sich auch unter den Philistern nicht unbezeugt gelassen hatte, dass da ein Überrest von göttlicher Erkenntnis sein möchte, wie er es anerkannte in der Person Melchisedeks, von dem er sich segnen ließ auf Völkerboden.

Es ist sehr beachtenswert, dass die Wirkungen des Geistes Gottes auch in jenen frühen Tagen, während der Zeit, da Gott Seinen Auserwählten in Seiner besonderen Schule hatte, sich keineswegs beschränkt haben auf diesen auserwählten Abraham, sondern dass sie auch außerhalb des Rahmens dieser auserwählten Familie sich tätig erzeigt haben in der Bewahrung und Erzeugung von allerlei kostbarer Erkenntnis und Einsicht.

Es wäre verkehrt zu sagen, dass es damals nur einen Menschen gab, der etwas von Gott wusste, sondern es gab neben Abraham und Melchisedek auch einen Abimelech, mit dem Gott redete, der sich von Gott segnen lässt, bei dem also ein nicht geringes Maß von Gottesfurcht und –erkenntnis vorhanden ist. Er ist kein aufgeklärter Zweifler oder Leugner eines Lebens Gottes, trotzdem er ein Philister ist, sondern er beugt sich und anerkennt und ist gehorsam dem Worte Gottes, im Traum geschehen. Dass diese Offenbarung im Traum geschehen musste, daran war Abraham schuld, weil dieser Mann des Glaubens versagte. Wo der Haushalt des Glaubens versagt und nicht zur Wahrheit steht, da geht Gott Seinen eigenen Weg meisterlich über Abraham hinweg.

Auserwähltsein heißt nicht, das absolute Monopol aller Wahrheit zu haben. Das wäre ein sehr gefährlicher Wahn. Es ist nicht das erste Mal, dass er versagte, und zwar auf derselben Linie (1Mo 12). Er hielt zurück mit der vollen Wahrheit. Es ist tief beschämend für uns, in gewissem Sinne freilich auch tröstlich zu sehen, dass unser Vater Abraham auch schwach war.

Ein Licht fällt von hier aus auf die so schmerzlichen Erscheinungen im Rahmen der Kirchengeschichte, auf dem Boden der Kinder dieser Welt, die alles sinnengemäß und erkenntnisweise sich aneignen wollen. Wenn der Mann des Glaubens aus Scheu, die ganze Wahrheit zu sagen, zurückhält, so geht Gott hoheitsvoll vor. Hätte Gott nicht eingegriffen, so wäre es fraglich geworden, ob Isaak der Sohn Abrahams oder Abimelechs gewesen wäre. Der Auserwählte hätte das nicht verhindert. Er gab sein rechtmäßiges Weib als seine Schwester aus und erhob nicht einmal Einspruch, als der Philister sein Weib von seiner Seite holen ließ.

Darin spiegelt sich ab eine der traurigsten Erscheinungen auf dem Boden des Haushalts, des Glaubens, dass der Same des Glaubens nicht nur keinen Einspruch erhoben hat dagegen, dass der Philister auf seine eigene Weise, auf einem ungöttlichen Wege in das Geheimnis des neuen Bundes hineindringen wollte, sondern dass der Haushalt des Glaubens diesem Philisterverfahren noch Vorschub geleistet hat.

Von Seiten der gläubigen Gemeine wird das, was rechtmäßiger Weise nur dem Haushalt des Glaubens gehört, den Kindern dieser Welt ohne Widerspruch überlassen zu natürlichem Erkennen, sie begünstigt sogar dieses von Gott nie gewollte Verfahren.

So hat man das ganze Gebiet der Erkenntnis Gottes in Christo der Philisterwissenschaft überliefert und nur gesagt: sie ist meine Schwester, nicht aber: sie ist mein Weib. Und dann hat man sich vom Philister nachher noch Vorwürfe machen lassen müssen. Da hat der Haushalt des Glaubens vollständig versagt wie Abraham.

Nur der Glaube hat das Recht, göttliche Dinge göttlich zu erkennen. Trotzdem hat man es zugelassen, dass man in weiten Kreisen glauben konnte, durch theologisches Studium könne man mit Umgehung des Toten Meeres und des Jordans hineinkommen in ein ganz neues Verhältnis mit Gott. Mit gutem Recht wendet man sich nun gegen den Haushalt des Glaubens: Ihr habt das über uns gebracht. - Wir wollen ehrlich bekennen, mitschuldig zu sein, weil wir der Welt gegenüber nicht ehrlich gewesen und nicht dabei geblieben sind, den Standpunkt beharrlich zu vertreten, dass es Dinge gibt, die der natürliche Mensch nicht erkennen kann.

Der Philister darf nie der Gatte der Sara werden und Kinder zeugen. Die ganze Art, wie man mit den Beziehungen Gottes zu der Menschheit in der Welt umgegangen ist, legt Zeugnis davon ab, dass Gott allein Recht behält und Er allein verhindert, was der Haushalt des Glaubens hätte verhindern sollen, aber nicht verhindert hat, weil er nicht sein ausschließliches Recht an diesen Dingen geltend machen wollte.

Noch eine andere Wahrheit, in der das hohe köstliche Vorrecht der Gläubigen uns so leuchtend entgegenstrahlt, begegnet uns hier, nämlich dass alle die Dinge, die außerhalb des Glaubens liegen, unser sind. Paulus sagt: „Alles ist euer“ (1Kor 5:22). Der von Gott zurecht gewiesene Abimelech gibt schließlich Abraham nicht nur sein rechtmäßiges Weib zurück, d. h. er beugt sich nicht nur voll und ganz unter die Ordnung Gottes, er erkennt nicht nur das ausschließliche Recht des Vaters der Gläubigen auf Sara und was darin beschlossen ist, sondern er ist sogar im Stande, Abraham und Sara reich zu beschenken (1Mo 20:14-16).

Das will uns sagen, dass die natürliche Menschheit, wie sie gipfelt in dem Menschen, der erkenntnisweise auf eine hohe Stufe der Vollkommenheit gebracht wird, uns durch das natürliche Erkennen bereichern kann, wenn sie auch niemals im Stande ist, die Geheimnisse Gottes wirksam zu ergreifen, denn das ist nur möglich im Wege des Sterbens und Auferstehens. Den Eingang in die Dinge Gottes kann sie uns niemals erschließen; das ist allein dem Geiste Gottes vorbehalten.

Töricht indes wäre es, nicht anerkennen zu wollen, dass menschliche Kultur und Wissenschaft uns bereichern könnten. Aus einfachen Naturvorgängen können wir für göttliche Dinge manche Beleuchtung und Veranschaulichung gewinnen. Der Herr Selbst gibt uns hierin ein Beispiel, wie in den Lilien auf dem Felde, den Vögeln unter dem Himmel, dem Weizenkorn in der Erde. Solche Beispiele sind keine eigentlichen Schlüssel, die uns das Geheimnis Gottes erschließen, wohl aber Veranschaulichungen, die der Offenbarung nicht feindselig gegenüber stehen, sondern die einen großen Dienst tun können dem, der in keuscher Weise sich ihrer bedient.

Viele fragen: Inwieweit darf sich der Gläubige Dinge wie Wissenschaft, Kunst, Technik dienstbar machen, die außerhalb des Rahmens der eigentlichen Offenbarung, gleichwohl aber innerhalb der Schöpfung im Bereich der Allmacht und Herrschaft Gottes liegen.

So gewiss es nun wahr ist, dass die ganze Welt im Argen liegt, so gewiss ist es wahr, dass die ganze Schöpfung und alles, was auf dem boden der Menschheit sich zeigt, sofern es nicht ausgesprochen grundsätzlich gegen den erkannten Willen Gottes gerichtet ist, uns gehört, d. h. dass wir ein gutes Recht haben, es uns dienen zu lassen, wie z. B. die Erfindungen des Klaviers, der Buchdruckerkunst, und sogar der Presse, die sich mit Leib und Seele dem Teufel verschrieben hat. Wir haben sie nicht erfunden; nun sie einmal da sind, dürfen sie uns dienen. Da ist kein Gebiet menschlichen Könnens, das der Gemeine Gottes nicht dienen dürfte. Die Gefahr des Missbrauchs der Dinge liegt freilich auch nahe.

Paulus schreibt aber auch: „Alles ist mir erlaubt, doch nicht alles fördert mich! Alles ist mir erlaubt, doch ich werde mich durch nichts unter deren Vollmacht stellen lassen“ (1Kor 6:12). Es kann also Umstände geben, unter denen es ein höheres Vorrecht des Glaubens ist, aus Rücksicht auf einen schwachen Bruder mich dessen zu enthalten, wozu ich ein unbestrittenes Recht habe. Das ist aber etwas anderes, als wenn ich mir ein Joch auferlege, das mir sagt: du darfst das nicht.

So darf also der Philister den Haushalt des Glaubens beschenken.

Abimelech aber kommt nicht ohne Gericht zur Erkenntnis (1Mo 20:18). Ja, Gott wird mit einer verkehrten Welt nicht ohne Gericht fertig; Er weiß sie aber zurechtzubringen zur Anerkennung von Tatsachen, die dem jeweiligen natürlichen Erkennen gegen den Strich gehen und gegen die es sich empört. Der Philister, d. h. der natürliche Mensch will alles seinem Erkennen gemäß erfassen, und darum lehnt er sich auf gegen Gottes Werkzeuge. Ihm ist kaum eine Wahrheit widerwärtiger als die der Erwählung. Aber er wird von Gott genötigt zu erkennen den Auserwählten Gottes, und dass es zwischen Abraham und Sara eine Ausschließlichkeit gibt, auf die er kein Recht hat. Er erkennt, dass es eine Auserwählung eines besonderen Haushaltes gibt und dass Gott mit Seinen Auserwählten besondere Pläne hat.

Der Philister kommt aber nicht nur zur Erkenntnis, sondern auch zur Anerkennung. Wir dürfen diese Linie verlängern. Unser Gott versteht auch, wo der Haushalt des Glaubens versagt hat, den Philister auf dieser Linie zur Erkenntnis und Anerkennung zu bringen.

Der Philisterkönig bringt seine Gaben dar und beugt sich damit unter den Rat Gottes. Dem Abraham aber wird die Tür aufgetan für eine Reihe von Segnungen, die mit Isaak beginnen. Nachdem Isaak geboren, kommt es zu den innigsten Beziehungen zwischen Abraham und Abimelech.

Lies weiter:
8. Die Geburt Isaaks (1Mo 21-23)