Von der endlichen Annahme des jüdischen Volkes

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Version vom 16. Oktober 2020, 16:18 Uhr von MI (Diskussion | Beiträge) (Endlich hört der Richter)

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Die Gleichnisse Jesu - Eine Auslegung in prophetischer Sicht

Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Quelle: private Abschrift, Verlag unbekannt

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Inhaltsverzeichnis des Buches

Kapitel davor:
Vom jüngsten Gericht
Mt 25:31-46

In Bearbeitung

Von der endlichen Annahme des jüdischen Volkes

Lk 18:11-18

Das jüdische Volk als Witwe

Unser vorliegendes Gleichnis betrifft mit besonderer Klarheit das jüdische Volk und bestätigt damit die Wahrheit unseres in den Gleichnissen eingenommenen Standpunktes. Es redet von einer Witwe in einer großen Stadt. Die Witwe ist in der ganzen Bibel das jüdische Volk in de0r Zeit seiner Verwerfung. Wie fangen doch die Klagelieder an: „Sie ist wie eine Witwe, die Fürstin unter den Nationen.“ Und Jes 54:4 heißt es: „Fürchte dich nicht, du sollst nicht zuschanden werden, du sollst der Schmach deiner Witwenschaft nicht mehr gedenken.“ Und Jer 56:5 heißt es: „Israel und Juda sollen nicht Witwen gelassen werden von ihrem Gott, dem Herrn Zebaoth.“ Hier ist also deutlich von einer langen Witwenschaft des jüdischen Volkes die Rede, welche aber vom Herrn aufgehoben werden wird. Ganz dasselbe sagt unser Gleichnis.

Damit ist zunächst unser Standpunkt, welcher Jungfrau, Braut, Weib, Witwe Hure auf das jüdische Volk bezieht, biblisch gerechtfertigt. Wir müssen uns daran gewöhnen, alle die weiblichen Beziehungen Israels zu lassen. Die Glaubensgemeine ist die Sohnesgemeine. In ihr ists das männlich-weibliche Prinzip zur wunderbaren Ausreife in Christus Jesus gebracht. Die Söhne-Schar hat gewiss auch weibliche Züge, sie ist männlich-weiblich in allerhöchstem Vollsinn der beiden wunderbaren Gottesprinzipien. Die Bibel aber zeichnet die Gemeine weniger nach ihrer weiblichen, vorwiegend Gott zugewandten Seite, als nach ihrer männlichen, der Welt zugewandten Seite.

Beim jüdischen Volk ist das männliche und weibliche Wesen zerteilt und bleibt es, weil es unter dem Gesetz bleibt. Aus ihm kommt das Weib, und aus ihm kommen die Knechte. Nach seinem innerlichsten,edelsten Teil heißt es Braut und endlich Weib. Bis dieser Teil endlich herausgeläutert ist, wird das Volk zur Hure und zur Witwe. Nach seinem ausgesandten Teil heißt es Knechte. Darum haben wir 144 000 versiegelte Knechte und 144 000 versiegelte Jungfrauen. Darum haben wir das Gleichnis von den Jungfrauen und von den Knechten. Gott tat alles durch Christus; Christus alles durch die Söhne - hier ist die Männlich-Weiblichkeit - dann geht es durch Weib und Knechte als getrennte Prinzipien.

In der Verwerfung heißt das jüdische Volk Witwe. Wie könnte auch die Gemeine, oder wie könnten auch ihre Glieder Witwe heißen? Ist denn nicht der Heilige Geist ausgegossen in uns und der Herr gegenwärtig in uns? Sagt denn der Herr von den Gläubigen nicht also: „Ich will euch nicht als Waisen lassen, ich komme zu euch.“ Wie weiß sich der Apostel Paulus durch alles hindurch als ein Geliebter in Christo Jesu, wo ist da Witwenschaft? Die Gläubigen sind das gerade Gegenteil einer Witwe. Sie sind ja in ihm und er in ihnen. Aber das jüdische Volk, das ist Witwe. Sein Mann war gekommen in Jesus aus Davids Stamm nach dem Fleisch. Und dieser Mann Jesus, der König, er hat seine Braut gesucht und zur Hochzeit geladen. Aber sie wollten nicht. Er ist für sie gestorben und ist als Auferstandener zu ihr zurückgekommen. Er hat sich ihr noch einmal anbieten lassen. Aber sie wollte ihn als solchen Gekreuzigten nicht. Da hat er sich zurückgezogen ins Himmlische; da her er sie hinausgestoßen unter die Nationen. Ihr Mann ist für sie gestorben, bis sie endlich den Erstandenen sieht und annimmt. So ist seit der Zerstörung Jerusalems das jüdische Volk das Witwenvolk unter den Völkern, und so wird es auch behandelt von den Nationen.

Jesus, der König der Juden

Wir haben in letzter Zeit mit dieser Beziehung der drei ersten Evangelien und des Hauptteils der Offenbarun auf die Juden Widerspruch erfahren. Man meint, wir verjudeten das Neue Testament. Wir aber meinen, man hat das NT vernationelt, und das ist die Ursache vieler Irrungen. Die Nationen reißen an sich, was ihnen nicht gehört - und dadurch ist ihnen die Schönheit und Herrlichkeit, aber auch das Kreuz und die Schmach der Gemeine verloren gegangen. Den Nationen muss jetzt die Kindschaft und Erbschaft in Christo verkündigt werden. Hier haben sie teil. Die Ausbreitung der Königsherrschaft ist den Juden gegeben, d. h. ihrem bekehrten Teil. Dass man das, was den Juden gehört, und damit indirekt auch den Nationenmassen, auf die Nationen zog und nahm, dadurch sind die falschen Kirchenbildungen mit ihren verschiedenen Auswuchs entstanden. Es mag uns Nationenleute demütigen, aber der Rat Gottes kreist bezüglich der Königsherrschaft ums Judentum. Und der innerste und herrlichste Kreis des Rates Gottes ist der Söhne und Gemeinekreis. In ihn wollen wir eintreten. Übersieht man die jüdische Orientierung so bleibt man in allem blind. Heutzutage wissen viele nicht einmal mehr klar und Bewusst, dass Pilatus in unbewusster Prophetie ans Kreuz schreiben musste: „Jesus von Nazareth, König der Juden“. Man macht heute allewege munter Jesus zum König der Nationen - ohne die Juden. Man macht ihn dazu, aber es gelingt nicht. Er wird nicht Nationen-König, soviel man auch davon redet. Er ist aber jetzt viel mehr, nämlich Haupt und Herr der aus Nationen und Juden gesammelten Gemeine.

Das in diesen Stücken, sonderlich im Braut- und Weibesgeheimnis, herrliche Väter in Christus anders dachten, kommt von der Verschlingung her, in welcher die Gemeine durch die Jahrhunderte mit den Weltmachtkirchen war und noch ist. Viele, auch Gläubige, haben keinen klaren Begriff von der Leitung in alle Wahrheit durch den Heiligen Geist. Auf ihren ewigen, unverbrüchlichen Grundlagen muss die Gemeine reifer werden. Und je mehr sich alles zum Ende zuspitzt, werden die Unterschiede klarer erkannt. Da müssen wir uns weisen lassen, oder wir bleiben sitzen. Haben die Väter in Christo nicht auch neue Seiten der offenbarten Wahrheit entfaltet und sind darüber gehasst und verfolgt worden? Wird sich in solch gewaltigen Tagen, wie wir sie jetzt erleben, die Wahrheit nicht weiter entfalten, natürlich immer entfalten?’’ Sie ist schon da in der gegebenen Offenbarung, aber sie wickelt sich aus. Und das ist das große Neue unserer Tage nicht eben der Heraustritt des Judentums, wenn er auch seitens der Juden in falscher Weise geschieht, nämlich im Ichwesen. Aber dürfen wir nicht an Hand der Wahrheit diese Entfaltungen sehen? Wir werden uns ja ganz gewiss in manchem auch irren, wie die Väter in Christo, deren keiner unfehlbar war, aber die Wahrheit wird sich trotz aller unserer Torheit und durch sie hindurch sieghaft ausgestalten. Sie gestaltet sich aber immer nur durch menschlich schwache Organe heraus.

Der ungerechte Richter

Nun zurück zum Gleichnis. Das verworfene jüdische Volk, die Witwe, schreit zu einem ungerechten Richter in der Stadt. Richter und Witwe wohnen in einer Stadt. Die Stadt ist Jerusalem. Sie ist die von Gott Erkorene, die Zentralstadt der Welt, aber nicht für die Gemeine. Die Gemeine hat keine irdische Zentrale. Ihr Zentrum ist der Herr. Bei der Gemeine ist alles persönlich durch und durch. Darum ist die Stadt und sind die Stätten über die Gemeinezeit auch zerstört. An nichts Diesseitigem solle die Gemeine ihren Halt haben. Das Königreich, ja, das hat eine Zentrale und braucht eine. Hier ist die gesetzliche Fülle. Alles Gesetzliche hat Zentralen. Die Gotteszentrale ist und bleibt Jerusalem. Es heißt in unserm Gleichnis, der Richter und die Witwe seien in einer gewissen Stadt gewesen. Etwas Geringschätzendes liegt in der Art dieser Bezeichnung. In der Gerichtszeit ist Jerusalem gar gering. IN der ganzen Zeit der Gemeine spielt es keine Rolle in der Welt. Die Nationenstädte w erden groß und zerfallen wieder. Jerusalem ist zur Zeit der Witwenschaft des jüdischen Volkes nur eine gewisse Stadt.

In diesem Wohnsitz des Richters und der Witwe schreit die Witwe um ihr Recht zum Richter. Das wollte ja dieses Gleichnis - aufmuntern zum unablässigen Schreien. Der Heiland wollte zeigen, wie nötig es sei weiter zu beten und nicht lässig zu werden. Das jüdische Volk ist ein schreiendes schon die zweitausend Jahre lang. Allein die Klagemauer in der gewissen Stadt ist nie leer. Ständig ist sie von heulenden Juden umdrängt. Und sie schreien nach Rettung, nach Heil und dem Heiland. Und jedes Passahfest ist ein Klagefest. Die Schreie nach der Herausführung ertönen in jedem gläubigen jüdischen Haus. Unter den Verfolgungen und Bedrückungen aber seitens der Nationen ist das jüdische Volk durch alle Jahrhunderte bis heute ein schreiendes gewesen. Gott erhält sein Zion unter Fluch und Schreien. Und der Heiland ermahnt im Gleichnis, ja nicht nachzulassen, sondern fortzufahren bis zum Ende hin. So langes, entsetzliches Rufen könnte wohl lahm machen, aber so sagt der Herr, nur weiter gemacht, es ist nicht nutzlos.

Die schreiende Witwe ruft zu einem ungerechten Richter. Wir beachten vor allem, wie die absolute innere Unabhängkeit des Richters zweimal hervorgehoben ist. Er fürchtet sich weder vor Gott, noch kümmert er sich um die Menschen. Er tut hierin, was ihn gut dünkt. Wir sehen in der Auslegung, welche der Heiland dem Gleichnis gibt, dass hier Gott mit dem ungerechten Richter verglichen ist. Ja, so frei und vollständig unabhängig ist Gott. Er tut, was er will. Nur, dass er nicht ungerecht ist. Und doch heißt er hier im Gleichnis so. Da sehen wir zunächst wieder, wie unmöglich dies Gleichnis auf die Gemeine bezogen werden kann. Die Glaubensgemeine ist ja gerade die, welche die Gerechtigkeit Gottes in allen Stücken in Christo Jesu erkennt. Ihr dienen ja alle Widerwärtigkeiten zu ihrem Beten. Die Kinder Gottes rühmen sich ja auch der Trübsale. Ganz anders ist das beim verworfenen jüdischen Volk. Dem kommt Gott in der schweren, langen Verwerfungszeit ungerecht vor. Es scheint, als tue Gott ihm zu viel.

Das ist in gewissem Sinne ja auch so. Das prophtetische Wort sagt ausdrücklich, dass Israel in einer Fluchzeit ein Zwiefältiges empfangen habe für alle seine Missetat. Die stolzen Nationen gehen in ihrem Judenhass zu weit. Gott aber lässt sein Volk so gedemütigt werden, damit er ihm dann auch ein Zwiefältiges an Segen geben kann, wie die Propheten sagen. Diesen zweifältigen Segen sieht aber das Volk in seinem Fluchzustand noch nicht. Darum kommt ihm Gott als ungerechter Richter vor. Noch steht in unsern Tagen das jüdische Volk unter der ungerechten Nationenrute, noch schreit es zum ungerechten Richter. Gott erscheint aber auch darum als ungerechter Richter, weil er nicht hilft. Für das jüdische Volk scheint es keine Himmels-Gerechtigkeit zu geben.

Der Mensch des Unrechts

Und doch schreit es weiter. Es hat ja einen so furchtbaren Widersacher. Die Witwe hat einen Menschen des Unrechts am Hals. Das ist zunächst der Teufel. Satan ist des jüdischen Volkes Erzfeind. Dieses Volk ist ja auserwählt, dass aus ihm der Messiaskönig geboren wird, und dass es unter seinem Messiaskönig Gottes Reich aufrichte. Unter dieses Volkes Königszeit soll Satan einst gebunden sein. Darum, dies Volk zu vernichten, ist das ernsteste Bestreben Satans. Entweder irrt und narrt er es und macht es zum Träger aller verkehrten Philosophien und Pläne der Menschheit. Oder er spannt es an den Mammonskarren, oder er bringt es um. Offb 12 ist dieser Hass Satans gegen das jüdische Volk gar lebendig geschildert. Dort ist auch gesagt, wie er mach dem Weibe ein Wasser wie einen Strom schießt. Die ganze Nationenwelt der römischen Weltmonarchie und ihrer Ausläufer macht er mobil gegen die Juden. Der Herr aber gibt dem Weibe einen Zufluchtsort. Und den hat er ihr bis in unsere Zeit gegeben. Die Wasser haben das jüdische Volk wunderbarerweise nicht ersäuft. Es ist im Völkerstrom nicht auf- und nicht untergegangen.

Hier sei uns zwischendurch eine Bemerkung über den Zufluchtsort erlaubt. Man hat diese Stellen vom Zufluchtsort immer auf die Gemeine bezogen. Das ist falsch. Die Gemeine hat keinen Zufluchtsort. Die Gemeine ist in Christo, der ist ihr Schild und Schirm, ihre Burg und Festung. Die Gemeine ist nur in ihm. Aber das jüdische Volk hat einen Zufluchtsort bekommen und gebraut und trotz aller Bedrückungen bis auf diesen Tag erhalten. Nun ist es frei. Nun erfasst es sich als Volk.Jetzt kommen seine äußerlich größten und schwersten Zeiten. Wie es sich in Ägypten zum Volk entfaltete, dann in Ägypten bedrückt und dann wunderbar erlöst wurde, so wird es wieder sein. Es wird sich als Volk nach Art der Nationen bauen und groß unter ihnen werden, ja das Größte. Dann werden sie es drücken und schinden. Dann wird die Witwe schreien und schreien, und dann kommt der Herr. Der Satan aber, der Widersacher, der wird natürlich, je näher die Zeiten zum Ziele, zu seiner Bindung hineilen, um so größeren Zorn gegen die Witwe entfalten.

Gegen ihn und seine Nationenhelfer ruft die Witwe den Richter an. Der aber wollte lange nicht. Fürwahr, 2000 Jahre sind eine lange Spanne. Alle Schreie bis heute scheinen verhallt zu sein. Und doch sind sie nicht verhallt. alle Tränen des auserwählten Volkes sind in einem Krug gesammelt. Aber harren muss die Witwe. Sie ist zäh, zäh im Bösen, zäh im Schreien. Ihre Zubereitung verlangt Zeit. Auch die Nationen müssen reif werden zum Gericht und zur Gnade, und das alles braucht Zeit - viel Zeit.

Endlich hört der Richter

Endlich aber hört der Richter. Er fürchtet, die Witwe könne ihn zum Ende hin noch quälen. Je näher dem Ende, umso furchtbarer der Widersacher, umso grässlicher das Schreien. Da lässt sich der Richter endlich herbei. Das jüdische Volk wird wieder angenommen, soweit es sich beugt und glaubt. Und damit wir diese Tatsache fest ins Auge und ins Herz fassen, springt der Heiland von der Gleichnisrede in die direkte Rede über und sagt: Höret hier, was der ungerechte Richter sagt. Sollte Gott nicht auch erretten seine Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen! Die Auserwählten sind hier ganz offenbar gleich der Witwe. Die Gläubigen sind natürlich auch Auserwählte. Es ist aber ein Unterschied. Die Kinder Gottes sind Geistesauserwählte und sind einzelne. Das jüdische Volk ist ein Volk und von Natur auserwählt. Das Auswahlzeichen der Juden ist die Beschneidung des Fleisches; das Auswahlzeichen der Gemeine ist die Beschneidung des Heiligen Geistes im Herzen. Die Beschneidung des Fleisches geht endlich im Glaubensgehorsam unter den König und seinen Geist. Und die sich untergeben, das gibt das Israel des Königreiches. Aus allen zwölf Stämmen ist es endlich eine geheiligte Vollzahl: 144 000 gleich 12 mal 12 mal 10 mal 10 mal 10. Die Fülle ist zur Vollendung gekommen. Und von diesen 144 000 wird dann die große Schar, die niemand zählen kann, eingetan im Namen des Königs Jesus Christus. Mit dieser Tatsache müssen wir rechnen. Das jüdische Volk, jetzt vielfach unter dem Fluch und vielfach im Fluch unter den Nationen; aber es bekehrt sich zu seinem König und dann wird’s ein heiliger Same der Welt.

Die Welt wird aus ihren heidnischen, d. h. Nationen-Zentralen hinausgeworfen und die Zions-Zentrale wird aufgerichtet. Mit diesem Totalumschwung müssen wir rechnen, wenn wir die Welt im Licht des Rates Gottes ansehen. Darum können wir nicht mitgehen, wenn jetzt die Welt und die christlichen Kirchen das vom Nationen-Standpunkt aus durchführen, was nur von Zion aus durchzuführen ist. Einen Höhepunkt nach dieser Seite hin hat die Entwicklung mit der Einführung des Festes „König-Jesus“ seitens der katholischen Kirche. Doch zielen alle Kirchen auf diesen König Jesus. Wir zielen auf den Tag der Gemeine und warten auf des jüdischen Volkes Erneuerung. Das ist der Stand unseres Gleichnisses und überhaupt der biblisch-prophetische Stand.

Von der Hinausführung dieser Wiederannahme des jüdischen Volkes sagt nun der Heiland: „Wahrlich, ich sage euch, er wird sie erretten schnell.“ Luther sagt: in einer Kürze - wir sagen blitzschnell. Das griechische Wort ist keine Zeitbestimmung, sonst würde es ja nicht wahr sein; das griechische Wort ist vielmehr eine Artbestimmung. Wenn die Stunden sich gefunden, bricht die Hilf mit Macht herein. Unser Grämen zu beschämen, wird es unversehens sein. In der Sündenwelt geht alles nach dem Gesetz des Falles. Auch die göttlichen Offenbarungen lassen sich da hinein ordnen. Am Anfang geht es am langsamsten, dann läuft es schneller und schneller, um sich endlich blitzartig zu vollenden. So geht es auch bei der Wiederannahme des jüdischen Volkes. Je näher dem Ziele zu, umso geschwinder, und endlich wird plötzlich das neue Zion erstehen.

Die Wiederannahme des jüdischen Volkes

Doch eine ernste Frage hat der Heiland noch. Wenn des Menschen Sohn kommen wird, meinst du, dass er auch den Glauben, d. h. den für sein Kommen nötigen Glauben finden wird? Die Wiederannahme des jüdischen Volkes in seinem bußfertig gläubigen Teil ist keine Sache rein irdischen Wachstums, sondern geschieht durch die Wiederkunft Christi. Es ist grundfalsch, wenn viele meinen, durch die Predigt des Evangeliums seitens der Nationen könne die Welt unter christlichen Einfluss gestellt werden. Die Nationen kommen erst durch die Offenbarung Jesu Christi in seinem Eigentumsvolk unter die Herrschaft Christi. Diese Wiederkunft Christi zum jüdischen Volk ist nicht zu verwechseln mit der Versammlung der Gemeine. Die Erscheinung des Herrn bei den Seinen geschieht am Anfang des reiches des Antichristen; die Ankunft des Herrn auf Zion geschieht am Ende des antichristlichen Reiches. Bei der Ankunft des Herrn zu den Kindern Gottes kann man nicht fragen: „Meinst du, der Herr werde auch den Glauben finden auf Erden?“ Die Kinder Gottes sind freilich gläubig, sonst könnten sie nicht verwandelt werden in einem Augenblick Die andern aber sind im Zeitalter der Gemeine immer ungläubig gewesen. Die Frage des Heilands können wir nur recht verstehen im Blick auf das jüdische Volk.

Meinst du, der König der Herrlichkeit, welcher Menschensohn war, werde auch den Glauben finden auf Erden, wenn er kommt? Am Ende des antichristlichen Reiches wird er nicht viel Glauben finden. Die meisten werden das Malzeichen des Tieres an sich tragen. Darum werden ja die andern, die eigentliche Witwe, auch so geschrien haben, denn sie sind bedrückt von den Ungläubigen. Die gläubigen Juden werden es in der antichristlichen Zeit entsetzlich schwer haben. Die Witwe wird fast am Verzagen sein. Aber sie muss weiter beten, die Rettung kommt plötzlich. Wenn die Not am höchsten sein wird, dann wird der Herr erscheinen diesmal auf Zion mit seinen verherrlichten Söhnen - dann werden aber auf dieser Erde, hier im Diesseits, der geringere Teil sein. Es werden aber aus dem Totenreich viele dazu kommen. Dann wird ja die Auferstehung der Gerechten sein Hes 37. Dann erst werden im Glanz, der von Zion ausgeht, die Nationen zerbrechen und untertan gemacht werden.

Dies Gleichnis bringt auch den Gläubigen in Christo viel. Wir sehen ja, wir laufen immer zwischendurch unsern Gang und sind endlich dabei, wenn der Herr auf Zion kommt und seine Witwe zum Weib macht und seine Knechte als Samen der Welt aussendet. Wir können natürlich auch dieses Gleichnis geistlich auf unser Gebetsleben beziehen, und auch diese Schrift wird uns nützlich sein. Aber ihr eigentlicher Sinn bleibt die Botschaft von der langen Witwenschaft Israels; von seinem langen Schreien unter dem Widersacher; von Gott, der wie ein ungerechter Richter nicht hört und von der endlichen Rettung und Wiederannahme des heiligen Restes der Gläubigen in Israel zum Aufbau des Königreiches Christi.

Lies weiter:
Der ungerechte Haushalter
Lk 16:1-13