Von den Geistlichen

Aus Bibelwissen
Version vom 7. Mai 2021, 02:17 Uhr von MI (Diskussion | Beiträge) (Der Geistesmensch)

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Abschrift des Buches: Der da war, und der da ist und der da kommt!
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Aus dem Gemeinschaftsblatt für innere Mission Augsb. Bek.: "Reich-Gottes-Bote“ (1918-26)
Selbstverlag des Bibelheims „Bethanien", Langensteinbach

weitere Abschriften hier:

Inhaltsverzeichnis:
Kapitel davor:
43. Die überragende Hoheit der Kinder Gottes 1Kor 3:18-23 (1925)

In Bearbeitung:

44. Von den Geistlichen

1Kor 12:1-12
Über die Geistlichen will heute der Apostel seine Korinther in Klarheit setzen. Geistliche sind solche Leute, welche den Heiligen Geist innehaben. Geistlicher kann niemand von Natur sein. Geistlich sein ists nicht an Amt und Stand, nicht an Stellung und Beruf gebunden, sondern an den Heiland. Geistlich sein heißt: durch Wort und Geist neugeboren. Fleischlich sein, nach den Grundsätzen des natürlichen Ich-Wesens einhergehen, ist der große Gegensatz zu geistlich sein. Fleischlich ist jemand so lange, als in seinem Denken, Reden und Tun die diesseitige Ich-Natur Wort und Ausschlag hat. Geistlich ist jemand von da an, wo er in der geistgewirkten Erkenntnis von Sünde und Tod sich selbst gestorben ist und Gott lebt in Christo Jesu, unserem Herrn. Geistlich ist der, welcher sich unter dem Schalle des Evangeliums hat in die Selbst- und Sündenerkenntnis führen lassen und da in solcher Erkenntnis den Heiland ergriffen hat. In einen solchen zieht der Heilige Geist zur Einwohnung ein, und in Ihm herrscht Christus im Herzen. Da gibt’s dann ein Christus-, ein Geistes- und ein Glaubensleben. Dieser Geistlichen gibt es nicht viele.

Religiös und fromm sein, kirchlich und gemeinschaftsmäßig gerichtet sein heißt noch lange nicht: geistlich sein. Das religiöse Leben steckt bei den meisten Menschen, bei Heiden, Mohammedanern und sogenannten Christen, im Ich-Leben. Das geistliche Leben steht aber im Ich-Zerbruch und in der inneren Christus-Herrschaft. Dieses geistliche Leben nach seinen Grunderscheinungen will nun der Apostel den Korinthern schildern. Das tut not; denn da ist viel Verwechslung und Unverstand und Unkenntnis.

Der natürlich-religiöse Mensch

Paulus sagt den Korinthern zuerst, dass das Geistesleben der Geistlichen sich von allem natürlich-religiösen Leben grundmäßig und wesensmäßig unterscheide. „Ihr wisst“, schreibt er ihnen, „dass ihr Heiden wart, zu den Götzen hingerissen, die nicht Antwort geben, wie ihr getrieben wurdet.“ Das natürlich-religiöse Leben gehört zum seelischen Triebleben. Der Mensch, von Natur lebendige Seele, jetzt sogar gefangene und im Todeswesen verhaftete Seele, hat in sich das Gottwissen und das Wegwissen, das göttliche Gesetz. Darum ist der Mensch von Natur religiös. Er will einen Gott und muss einen haben. Was für einen er aber annimmt und welchem er dient, das hängt von seinem Triebleben ab. Ist er ein Mensch, von gemeinen, niedrigen, sinnlichen, erden- oder geldmäßigen Trieben regiert, dann kann er das religiöse Naturleben ganz unterdrücken. Er wird dann durch sein Triebleben zu den unreligiösen Götzen getrieben. Die meisten Menschen wollen aber doch Religion. Da lässt sich der Haufe nun meist dahin treiben, wohin er geführt wird. Darum hat bei uns der Haufe die christliche Form; die ist er gewöhnt von Jugend auf. von ihr nimmt er soviel an und auf, als ihm nach seinem gesamten Sinnen- und Triebleben und nach dessen Art passt. Das natürlich Religiöse liegt immer im Rahmen der sinne und Triebe.

Darum kann man im natürlich-religiösen Leben die Menschen hin- und herführen, ja hin- und herreißen. Man kann das natürlich-religiöse -wesen zu den gewaltigsten Steigerungen antreiben. Denken wir an die religiösen Erscheinungen, wie sie der Buddhismus, der Mohammedanismus hervorbringen. Zu den grausigsten Qualen, ja bis zum Tode hin, andererseits bis zur Preisgabe der ganzen Menschenwürde kann der Mensch im Religiösen hingerissen werden. Denken wir in den christlichen Formen an die Kasteiungen, Selbstquälereien, an die Wallfahrten - denken wir in der evangelischen Form an manche Erscheinungen auf dem Gebiet der Evangelisation, wie da die Massen getrieben werden. Man kann das religiöse Leben zu gewaltigen Äußerungen und Steigerungen antreiben. Das Triebmäßige, das Geführtwerden, das Hingerissenwerden ist das gemeinsame Merkmal. Das haben nicht nur die Korinther in ihrem Heidenwesen gehabt, das haben auch wir auf dem sogenannten christlichen Boden bis weit ins Gemeinschaftsleben hinein.

Dies natürlich Religiöse, sinnlich Triebmäßige hat nach außen viel mehr Kraft, viel mehr Form, viel mehr Erscheinung und viel mehr Imponierendes als das Geisteswesen; es gehört eben dem Gebiet des Sehens, Hörens, Fühlens, Schmeckens an und ist auch von Erscheinungen begleitet, welche diese Triebe befriedigen. Dieses natürlich-religiöse Leben haben wir sonderlich in unseren Tagen sehr stak. Die ganzen Zeitverhältnisse in Krieg und Revolution haben es aufgetrieben und angetrieben, und viele religiöse Führer suchen es auf jede Weise zu entfachen und zu unterhalten. Und da sehen wir in unseren Tagen große Haufen sich bewegen in allen religiösen Lagern, hingerissen, wo sie hingeführt werden, wie unser Text sagt. Je mehr man ihnen veranstaltet, umso mehr laufen sie. Das natürlich-religiöse Leben hat innerlich sein Naturtriebleben, äußerlich natürlich-religiöse Menschen zu Führern. Und a geht es, wohin es geführt wird. Hiervon unterscheidet sich das wahre Geisteswesen grundmäßig.

Der Geistesmensch

Das wiedergeborene Geisteswesen ist, wie 1Kor 12:3 sagt, voll und ganz vom Geiste des Herrn und damit vom Herrn selbst abhängig. Eigenführung und Triebführung verträgt das Geisteswesen nicht, das wird von ihm als Sünde empfunden. Der Geistesmensch hat in der Selbsterkenntnis gelernt, nicht mehr sich und seine Triebe zu wollen. Er ist auf den Herrn geworfen und im Heiligen Geiste dem Herrn unterworfen. Der Geistesmensch kann und will nichts anderes als der Herr will und als der Geist leitet. Darum kann ein Geistesmensch nie getrieben und hin- und hergerissen werden. Er hat e i n e n Halt: den Geist, und in ihm den Herrn. So hat Geisteswesen etwas Ruhiges, Innerliches, Festes und Gewisses. Es kann nicht dahin oder dorthin wild und ungezügelt hinausfahren.

Beim natürlich-religiösen Leben ist die B e g e i s t e r u n g, diese kann überall hingerissen werden. Begeisterung ist die Erhebung des Natur- und Sinnenlebens durch einen natürlichen Geist. Etwas ganz anderes ist die B e g e i s t i g u n g - das ist die Füllung des Herzens mit Geist von oben und die Untertanmachung der mancherlei Sinne durch diesen Heiligen Geist. Die Begeisterung stirbt: sie gehört dem Todesreich an; die Begeistigung lebt und wächst: sie gehört dem ewigen Leben an. Ein Geistesmensch kann nicht hin- und hergerissen werden. Eine Unordnung, eine Gesetzlosigkeit, eine Maßlosigkeit oder dgl. kann einer im Heiligen Geiste nicht begehen. Begegnet solches Geistesmenschen noch, so erkennen und bekennen sie es als Sünde und Abirrung ihres natürlichen Wesens. Darum kann auch niemand, der im Geiste ist etwa blindlings religiös getrieben ausrufen: „Verflucht der Herr!“ Das ist eine Unmöglichkeit. Der Heilige Geist kann seinen Herrn nicht verfluchen. Wenn ein solcher Ausruf je bei jemandem vorkäme, so wäre das eine Offenbarung des Finsternisgeistes.

Der Heilige Geist offenbart und gibt uns Wahrheit und Kraft, die nie aus dem Natürlichen kommen können. So kann niemand sagen: „Jesus ist der Herr!“ ohne durch den Heiligen Geist. Diese Erkenntnis ist dem Natürlichen und auch dem natürlich Religiösen nicht gegeben. Wer Jesum als Herrn bekennt und bekennen kann, der hat den Heiligen Geist. Und völlig göttlich schaltet der Geist. Er offenbart; aber Er treibt nicht als blinder Trieb. Seine Offenbarung kann mein Ich ablehnen oder annehmen. Nur wo sie angenommen wird, wirkt sie als Lebenstrieb, Als der Stellvertreter Gottes und Jesu ist Er ebenso majestätisch udn göttlich stetig in Seiner Offenbarung, wie Er dem Menschen die völlige Freiheit lässt. Der natürlich-religiöse Geist zwingt und knechtet; der Heilige Geist offenbart und lässt frei. Hinreißen in ein: „Verflucht sei Christus!“ kann der Heilige Geist nie; aber das freie Bekenntnis zum H e r r n schenkt Er den Gläubigen. Geisteswesen ist darum stille, demütige Annahme der Offenbarung Gottes und Christi und das Leben in ihnen. Führer ist da Einer: der Herr im Geiste. Geistesmenschen sind Gottgelehrte und dienen einander, ein jeglicher mit dem, was er selbst gelehrt ist.

Jeder hat nur einen Teil

Das ist ein zweiter, wunderbarer Zug der Geistlichen. Keiner von ihnen ha den Heiligen Geist als G a n z e s, jeder nur e i n e n, ihm völlig angepassten Teil. Es sind „Zerteilungen“, sagt der Apostel dreimal. Dadurch werden die Geistlichen so zusammengezogen; dadurch werden sie brüderlich; darum suchen sie sich so gemeinschaftsmäßig, weil jeder nur einen Teil hat. Es ist aber klar, dass ein großer Hunger da ist nach dem Ganzen. Ein Teil schreit immer nach dem Vollen. Das Volle kann einer allein aber nie haben, immer nur einen Teil. Darum mach’ ich mich nun heran an die anderen Teile und such mich mit ihnen zu vereinigen, damit ein möglichst großes Teilstück mir offenbar werde. Darum sehnen wir uns als Geistliche auch so nach dem Tage des Herrn, weil dort alle Teile zum Ganzen verbunden sind. - Das macht die Geistlichen so demütig, weil sie wissen, sie sind nur ein Teil; die Brüder haben die anderen Teile. Und darum erkennen wir jetzt so stückweise, weil wir immer nur eine Anzahl Teilchen kennen.

Darum drängt es die Geistlichen auch so so oft auf die Einheit des Leibes, weil sie so gerne das Ganze sähen. Darum treiben die drei Sätze von den „Verteilungen“ in 1Kor 12:4-6 auch so sehr die Einheit: „Derselbe Geist, derselbe Herr, derselbe Gott, der da wirkt alles in allen.“ Das ist der Geistlichen wunderbares Wesen: I c h b i n e i n T e i l und g e h ö r e zu dem g ö t t l i c h e n G a n z en - das sind die Glieder am Leib in ihrem D e m u t s- und in ihrem H o h e i t s b e w u s s t s e i n. Geisteswesen zeigt sich stets in seiner Ich-Niedrigkeit: es ist nur ein Teilchen und in seiner Gotthoheit: es ist ein Glied am Leibe Christi.

Begnadungen, Dienste und Kräfte

Die Verteilungen haben einen dreifachen Grundcharakter. Die einfachsten sind die „G n a d e n g a b e n“. Das sind natürliche Begabungen und Kräfte, welche einer von Geburt an mitbekommen hat und welche nun voll und ganz vom Heiligen Geiste in Beschlag genommen Christo dienen: Zur Ehre des Herrn all mein Naturwesen! Wenn die Natur in den Geist und der Geist in die Natur geht, das ist Begnadung. Wenn diese Begnadungen für den Nächsten wirksam werden dann sind es „D i e n s t e“ Nicht Ämter sind hier gemeint, sondern Dienste. Das Geisteswesen d i e n t. Es wirkt nicht für sich, sondern für den Herrn und für andere. Die Geborenen Christi sind geborene Herrscher und herrschen im Dienen. Geistliche Begnadungen, mit welchen wir dienen, sind große, göttliche „Kräfte“ Im Heiligen Geist werden Sünden überwunden, Sünder zerbrochen, Krankheiten gehoben oder freudig getragen, Schwierigkeiten im Glauben besiegt, Sorgen abgeworfen und auf den Herrn geworfen, da werden Feinde zu Füßen gelegt und selbst der Tod verschlungen vom Leben. Diese Begnadungen, Dienste und Kräfte - man könnte auch sagen: die in den Dienst Gottes und der Menschen gestellten Gnadenkräfte - sind Kennzeichen der Geistlichen.