Phase des Zeugnisses

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Abschrift des Buches: Heilsgeschichtliche Entfaltung im Neuen Testament
Verfasser: E. W. Bullinger (1874)

Herausgeber:
Manfred Mössinger, 76307 Karlsbad, Eigenverlag (1993)
In englischer Sprache:
The Foundation of Dispensational Truth

Weitere Bücher unter: Abschriften

Kapitel davor:
III. Die Apostelgeschichte

1. Phase der Erwartung

2. Phase des bestätigenden Zeugnisses

Wir müssen jetzt zeigen, dass diese Zeitspanne, die von der Apostelgeschichte abgedeckt wird, dadurch gekennzeichnet ist, dass die Worte des Herrn bestätigt wurden, die er während seines irdischen Wirkens geredet hatte. Das wird in Hebr 2:3 kategorisch festgestellt.

Der Brief an die Hebräer beginnt mit der schwerwiegenden Tatsache, dass die Bibel insgesamt den Anspruch erhebt, das Wort Jahwes zu sein. Dieser Anspruch stellt uns vor die grundlegende Frage der Inspiration. Wenn nämlich dieser Anspruch nicht berechtigt wäre, dann würde die Bibel aufhören, auch nur ein gutes Buch zu sein. Dieser Anspruch ist deshalb für uns von allumfassender Bedeutung. Ob nämlich "durch die Propheten," oder "durch den Sohn," oder durch die Evangelisten oder Apostel - immer ist es Jahwe, der spricht, und alle diese überlieferten Worte sind gleichermaßen göttlich. Kein Vers ist stärker autorisiert als ein anderer.

Der Plan des Feindes, Testamente mit unterschiedlich gewichteten Schriftstellen herauszugeben, lässt sich sofort als Versuch zur Blendung der Leser erkennen. Es wäre der Verlust der später verheißenen Worte des "Geistes der Wahrheit," offenbart durch "Paulus, den Gefangenen Christi Jesu," die in 2. Tim. 1, 8 allem gleichgestellt werden, was Jahwe geredet hat. Diese Tatsache verurteilt alle Bücher, die die Worte des Herrn Christus als wichtiger ansehen als die inspirierten Worte anderer Autoren der Bibel, oder die der "Lehre" des einen größere Autorität zumessen als der von anderen.

Was für ein wunderbares Licht wirft doch diese Tatsache auf die Eingangsworte des Hebräerbriefes, wie sich aus der Struktur der ersten zwei Kapitel ersehen lässt:

Hebräer:

A Hebr 1:1-2a: Gottes Reden durch die Propheten und durch seinen Sohn.
B Hebr 1:2b-14: Der Sohn: "Gott (Hebr 1:8), "viel höher als die Engel" (Hebr 1:4).
A Hebr 2:1-4: Gottes Reden "durch Engel" (Hebr 1:2). und seinen Sohn (Hebr 1:3). und "durch die, die es gehört haben" (Hebr 1:4).
B Hebr 2:5-18: Der Sohn: "Mensch" (Hebr 1:6): "eine kleine Zeit niedriger als die Engel" (Hebr 1:7).


Aus diesem Aufbau erkennen wir, dass wir diese beiden Kapitel nur verstehen, wenn wir den Teil B ( Hebr 1:2b-14) als Einschub zu den Teilen A (Hebr 1:1-2a) und A (Hebr 2:1-4) betrachten, und dass A (Hebr 2:1-4) als Einschub zu B ( Hebr 1:2b-14) und B (Hebr 2:5-18) anzusehen ist. Mit anderen Worten, wir müssen von Apg 1:2a nach Apg 2:1 springen und von Apg 1:14 nach Apg 2:5. Nur dann erkennen wir das Gewicht des Wortes "DARUM" am Anfang von Apg 2:1 und das Gewicht des Wortes "DENN" am Anfang von Apg 2:5.

Das alles rückt die Apg 2:3.4 in ihre richtige Perspektive und lässt uns ihre umfassende Bedeutung erkennen. Vers 3 enthält unser augenblickliches Thema, denn er bezieht sich auf die ganze heilsgeschichtliche Phase der Apostelgeschichte nach rückwärts blickend, so wie das Gleichnis von der königlichen Hochzeit vorausblickt. Beide beziehen sich auf die ganze heilsgeschichtliche Phase der Apostelgeschichte. Das Gleichnis befasst sich mit dem äußeren, historischen Geschehen, während Hebr 2:3 den geistlichen Gehalt der Verkündigung zum Gegenstand hat.

Hebr 2 beginnt mit einem Aufruf, zu hören und aufzumerken; denn "wenn das Wort (das Gesetz) fest war (bestätigt ward bebaios), das durch die Engel gesagt ist, und jede Übertretung und jeder Ungehorsam den rechten Lohn empfing, wie wollen wir entrinnen, wenn wir ein so großes Heil nicht achten, das seinen Anfang nahm mit der Predigt des Herrn und bei uns bekräftigt (bebaioo) wurde durch die, die es gehört haben?"

Man beachte diese zweifache Bestätigung, die in vielen Übersetzungen verloren geht, weil das erste Wort z. B. bei Luther mit 'fest war' anstatt 'bestätigt' oder 'bekräftigt' wiedergegeben ist. Das Wort (des Gesetzes) durch Engel-Vermittlung gesprochen, war dadurch bestätigt, dass "jede Übertretung und jeder Ungehorsam den rechten Lohn empfing." Ebenso wurde das Wort von dem "so großen Heil," das der Herr gesprochen hatte, bekräftigt durch die, die es gehört hatten. Daher mussten die Folgen für das Missachten der Worte des Herrn noch ernster sein. "Übertretung und Ungehorsam" wiegen hier noch schwerer und werden ganz entsprechendes Urteil im Gericht nach sich ziehen, wie das unser Herr geweissagt hat.

Vor der Zerstörung Jerusalems

Die Zerstörung ihrer Stadt (Jerusalem) stand nahe bevor, wie aus der ernsten Warnung gegen Ende des Briefes hervorgeht, bezogen auf das Reden des Herrn Jesus selbst:

"Seht zu, dass ihr den nicht abweist, der da redet. Denn wenn jene nicht entronnen sind, die den abwiesen, der auf Erden redete, wieviel weniger werden wir entrinnen, wenn wir den abweisen, der vom Himmel redet. Seine Stimme hat zu jener Zeit die Erde erschüttert, jetzt aber verheißt er und spricht: 'Noch einmal will ich erschüttern nicht allein die Erde, sondern auch den Himmel.' Dieses 'Noch einmal' aber zeigt an, dass das, was erschüttert werden kann, weil es geschaffen ist, verwandelt werden soll, damit allein bleibe, was nicht erschüttert werden kann... denn unser Gott ist ein verzehrendes Feuer" (Hebr 12:25-29).

Die Gewissheit des zukünftigen vergeltenden Gerichts stand damals nahe bevor, nicht nur nach den Worten des Herrn, sondern auch nach den Worten derer, die ihm zugehört hatten und seine Worte bekräftigten. Hier kommen wir zum Kern der Sache. Die dem Herrn zugehört hatten, wiederholten und ergänzten nur das, was er bezeugt hatte. Das Zeugnis des Herrn ist das Thema der vier Evangelien, und das Thema der Apostelgeschichte ist die Bestätigung seiner Zuhörer. Das eine war der Aufruf der zuerst ausgesandten Knechte, um den zum Hochzeitsfest Geladenen zu sagen, dass das Fest fertig vorbereitet war.

Der Königssohn des Hochzeitsfests (Mt 22:1-7) ist dieselbe Person wie der Sohn des Weinbergbesitzers, der zu den Weingärtnern gesandt wurde (Mt 21:33-41). Das Ende ist beide Male gleich: Die Vernichtung der bösen Menschen. Da die Zerstörung Jerusalems erst kurz nach dem Ende der Phase der Apostelgeschichte erfolgte, haben wir darin einen unwiderleglichen Beweis dafür, dass die beiden Gleichnisse die ganze Zeit der Apostelgeschichte betreffen, und dass das Zeugnis der Evangelien und der Apostelgeschichte die beiden Teile ein und derselben heilsgeschichtlichen Phase sind.

Deshalb bestand der Dienst derer, die den Sohn gehört hatten, nur im Bekräftigen und Vollenden des Dienstes, den der Herr "begonnen" hatte. Am Anfang stand jeweils das gleiche Wort: "Tut Buße." Siehe Mt 4:17; Apg 2:38; Apg 3:19 usw. Diese Buße Israels war nicht notwendig zur Gründung einer Gemeinde, sondern sie war unentbehrlich für Israels Segnung. Das geht auf die einzige Bedingung zurück, die in 3Mo 26:40-42 festgelegt ist. Diese Segnung ist als die Erlösung Israels definiert (Lk 24:21), die als Erlösung in Jerusalem (Lk 2:38 K) vollbracht wurde, und die der "Trost Israels" sein sollte (Lk 2:25, geweissagt in Jes 40:1 usw.), auf den die warteten, die an Gott glaubten (Mk 15:43).

Es gab in all diesen Prophetien, die Israel betrafen, nichts über die Gründung einer Gemeinde. Das geht aus dem hervor, was in Apg 1:3.6 über die Weiterführung des Dienstes des Herrn offenbart ist. Joel, der in Apg 2:17-21 zitiert ist, prophezeite nicht über den Beginn einer neuen heilsgeschichtlichen Phase, sondern über das Ende der alten. Die "Verheißung" von Apg 2:39 war die Verheißung an Israels und nicht an die Gemeinde. Wir sprachen bereits über den zweiten Bußruf des Petrus in Apg 3 und haben auch die Ausgießung der Geistesgaben als Vorgeschmack von Joels Weissagung für Israel schon betrachtet (Hebr 6:4).

In den folgenden Kapiteln der Apostelgeschichte haben wir viele weitere Belege der bekräftigenden Worte des Petrus, wenn wir seine Auseinandersetzung lesen, die er mit den Herrschenden der Nation zum Beweis der Auferstehung des Herrn führte, und darüber, welche Bedeutung ihr im Ratschluss Gottes zukommt (Apg 3 und Apg 4).

In Apg 5 sehen wir die Ausübung der Vollzugsgewalt, die Petrus übertragen war, der "die Schlüssel des Himmelreichs" (nicht der Gemeinde) und die Vollmacht hatte, zu binden und zu lösen, sogar einschließlich der Macht über Leben und Tod.

Der erste Zeitabschnitt der Apg

Der erste Zeitabschnitt der Apostelgeschichte endet mit dem Zeugnis des Petrus in Jerusalem (der Hauptstadt des Landes) und der Steinigung des Stephanus.

Apg 8; 9; 10; und 11 berichten, wie Petrus, nachdem er das Himmelreich für Israel in Jerusalem aufgeschlossen hatte, fortfuhr, dasselbe auch in Samaria und Cäsarea unter Heiden zu tun. Auch das geschah in Erfüllung alttestamentlicher Prophetie und Gottes ursprünglicher Verheißung an Abraham in 1Mo 12:3. Es war nicht die Einführung von etwas Neuem. Und in Kapitel 12 endet der Dienst des Petrus mit seiner Gefangennahme, Befreiung und seinem späteren Wohnsitz.

In Apg 13 haben wird die Berufung und Aussonderung von Paulus und Barnabas als eine neue Wirkung des Heiligen Geistes, als er selbst sie zu der Mission bestimmte, wozu er sie berufen hatte, um die frohe Botschaft von der Auferstehung Christi weiterzutragen, zunächst zuerst unter Juden.

Sie begannen auf Zypern und setzten ihren Dienst fort "in den Synagogen der Juden“ (Apg 13:5). Zu Beginn ihres Dienstes in Antiochien in Pisidien sprachen sie die Versammlung als "Männer von Israel" an (Apg 13:16) und Paulus gab dann einen Abriss der Geschichte Israels und sagte: "Der Gott diese Volkes Israel hat unsre Väter erwählt." Dann führte er die Geschichte weiter bis zur Auferstehung des Messias. Schließlich verkündete er "die Vergebung der Sünden“ (Apg 13:38.39) und warnte eindringlich davor, diese Verkündigung zurückzuweisen (Apg 13:40.41). Genau damit hatte auch Petrus in Apg 2:38 und Apg 3:19 begonnen. Paulus beendete seinen Dienst in Antiochien, wie Petrus das in Cäsarea getan hatte, indem er erklärte, dass nach dem Ratschluss Gottes auch die Heiden in Gottes ursprüngliche Verheißung an Abraham einbezogen waren (Apg 13:46-49).

Das bringt uns zu einem anderen Punkt, der hier besprochen werden sollte, das ist die Ähnlichkeit der Methode, die die Zwölf befolgten, als der Herr sie ausgesandt hatte (Mt 10:14; Mk 6:11; Lk 9:5) "zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel," die verkünden sollten: "Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen," und die den Befehl des Herrn zu befolgen hatten: "Und wenn euch jemand nicht aufnehmen und eure Rede nicht hören wird, so geht heraus aus diesem Hause oder dieser Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen.“

In ist es das, was Paulus und Barnabas in Antiochien in Pisidien taten, wie die Zwölf es im Lande getan hatten.
In Apg 13:26 stehen die bedeutsamen Worte:
"Ihr Männer, liebe Brüder, ihr Söhne aus dem Geschlecht Abrahams und ihr Gottesfürchtigen, uns (Anm. d. Ü.: K.J.: to you’’= euch) ist das Wort dieses Heils gesandt."
Und in Apg 13:46 fügt er die bemerkenswerten Worte hinzu:
"Euch musste das Wort Gottes zuerst gesagt werden; da ihr es aber von euch stoßt... siehe, so wenden wir uns zu den Heiden."
Und er fährt fort, seine überraschende Erklärung zu bestärken, indem er Jes 49:6 zitiert:

"Denn so hat uns der Herr geboten: 'Ich habe dich (Israel) zum Licht der Heiden gemacht, damit du (Israel) das Heil seist bis an die Enden der Erde'" (diese Prophetie wird auf den Messias ausgelegt, aber als Anwendung von demselben Heiligen Geist ist es hier von Paulus für Israel gebraucht).

Die Schriften des Alten Testaments sind übervoll von Prophetien darüber, dass Israel es übernehmen sollte und noch soll, das Evangelium zu den Völkern der Erde zu bringen. Wenn diese Prophetien einst erfüllt werden, dann wird die heutige Heidenmission wie ein Kinderspiel sein gegenüber den wunderbaren Ergebnissen, wenn Gottes eigene, erwählte Missionare das Feld übernehmen werden und als "Lebende aus den Toten" das "Evangelium vom Reich" verkünden und zum Licht und Heil der Heiden werden.

Aber zurück zu Apg 13. Wo werden wir die Berechtigung für diese Aktion seitens Paulus und Barnabas finden, die fortfuhren, das Evangelium den Heiden zu verkünden, ungeachtet der Unbußferigkeit des halsstarrigen Israel? Es entsprach nicht der alttestamentlichen Prophetie, dass das Evangelium, das durch Israel gebracht werden sollte, unabhängig von Israel und von Gottes prophetischem Wort, über die ganze Erde verbreitet wurde. Das ist in Wirklichkeit Lehre der heutigen Theologie, war aber nicht Teil der göttlichen Offenbarung.

Der heilgeschichtliche Einschaub

Tatsächlich war diese besondere Annahme des Evangeliums in Apg 13 durch ein speziell jüdisches "Werkzeug" auch prophetisch und wirksam, obwohl Israel dabei unbeteiligt war. Der Apostel bespricht das ausführlich in dem wunderbaren heilsgeschichtlichen Einschub von Röm 9-11, wo er aus der Schrift des Alten Testaments beweist, dass dessen Ziel vorübergehend war und den Zweck hatte, Israel zur Eifersucht zu reizen. Damit wurde eine alte Weissagung über Israel aus dem "Lied des Mose" (5Mo 32:20.21) erfüllt.

Das wird uns in Röm 10:19-21 deutlich gesagt. Da lesen wir:
"Ich frage aber: Hat es Israel nicht verstanden? Als erster spricht Mose:
Ich will euch eifersüchtig machen auf ein Nicht-Volk; und über ein unverständiges Volk will ich euch zornig machen.
Aber Jesaja wagt zu sagen:
'Ich ließ mich finden von denen, die mich nicht suchten, und erschien denen, die nicht nach mir fragten.'

Zu Israel aber spricht er:

'Den ganzen Tag habe ich meine Hände ausgestreckt nach dem Volk, das sich nichts sagen lässt und widerspricht.'"

Deshalb sagt der Apostel in Röm 11:14:

"... ob ich vielleicht meine Stammverwandten zum Nacheifern reizen und einige von ihnen retten könnte.“

Im Dienst des Paulus unter den Heiden, während der Phase der Apostelgeschichte, findet sich durchweg keinerlei Hinweis darauf, dass er eine NEUE OFFENBARUNG oder ein offenbartes GEHEIMNIS verkündet hätte, das "von Zeitaltern her verborgen war," oder dass er eine Gemeinde gegründet oder eine neue Institution aufgebaut hätte. Im Gegenteil, er erklärt ausdrücklich am Ende seines öffentlichen Dienstes, unmittelbar vor seiner Abreise nach Rom:

"Aber Gottes Hilfe habe ich erfahren BIS ZUM HEUTIGEN TAG und stehe hier und bin sein Zeuge bei groß und klein und SAGE NICHTS, als was DIE PROPHETEN und MOSE vorausgesagt haben: Dass Christus müsse leiden und als erster auferstehen von den Toten und verkündigen das Licht seinem Volk UND DEN HEIDEN" (Apg 26:22.23).

Diese ausdrückliche Feststellung zeigt, dass Paulus nicht nur das bekräftigte, "was seinen Anfang nahm mit der Predigt des Herrn," sondern dass sein Dienst, wie der des Herrn selbst, ganz auf den prophetischen Schriften des Alten Testaments gründete: "Mose und die Propheten".

Daher ist es überzeugend, dass es keine heilsgeschichtliche Phase der Gemeinde in der Apostelgeschichte geben kann, und gewiss keine Offenbarung des Geheimnisses, das später bekannt gemacht wird in den Briefen aus seiner Gefangenschaft in Rom.

Der Dienst der Apostelgeschichte wird in Übereinstimmung mit der ausdrücklichen Feststellung des Apostels in Röm 15:19 zu einem endgültigen Abschluss gebracht:

"So habe ich von Jerusalem aus ringsumher bis nach Illyrien das Evangelium von Christus voll ausgerichtet (hier steht nichts von "predigen". Das Wort ist pleroo, das wie folgt übersetzt wird (Kol 2:10: an der Fülle beteiligt; Kol 4:12: vollkommen; Lk 7:1: vollendet; Apg 19:21: geschehen; Lk 9:31: erfüllen; Röm 15:19 voll ausgerichtet).“

Eine andere Tatsache wird leicht übersehen, dass es die ganze heilsgeschichtliche Phase der Apostelgeschichte hindurch eine "bleibende Stadt," Jerusalem, gab, obwohl ihre Zerstörung schon nahe war (Hebr 13:14). Der Tempel stand noch, der Tempeldienst wurde noch getan, Opfer wurden gebracht, die jüdischen Feste eingehalten, und Paulus anerkannte die schriftgemäße Stellung dessen, der das Amt des Hohenpriesters innehatte (Apg 23:5). Als gläubiger Jude blieb Paulus bei der Einhaltung der Feste:

"Ich muss allerdinge das künftige FEST zu JERUSALEM halten" (Apg 18:21 alte Luther-Ausgabe).
"... denn er eilte, am PFINGSTTAG in JERUSALEM zu sein, wenn es ihm möglich wäre" (Apg 20:16).
Man muss auch sehen, dass Paulus in Apg 16:3 den Ritus der Beschneidung hielt.

In Apg 21:24-26 finden wir Paulus beim Befolgen des Gesetzes gemäß 4Mo 6:3; Apg 13:18, wo er zeigt, dass nichts geschehen war, was das Verhalten der gläubigen Juden, die das Gesetz hielten ( Apg 13:20), geändert hätte, und dass, während heidnische Gläubige davon entbunden waren ( Apg 13:25), Paulus selber sorgfältig zeigte, dass er selber "nach dem Gesetz lebte und es hielt" ( Apg 13:24).

So dürfen wir nicht zunächst meinen, dass Paulus in unserer heilsgeschichtlichen Phase lebte, um ihn dann zu verurteilen, er habe in Apg 21 falsch gehandelt, entgegen dem Lebenswandel, der erst später, in den Briefen aus der Gefangenschaft, offenbart wurde. Paulus lebte in der Phase der Apostelgeschichte, und das führt zu einer ganz anderen Frage:

Sind wir als Heiden heute zu dem Evangelium gerufen, das Paulus damals gepredigt hat? Falls ja, haben wir genau den gleichen Stand wie seine Zuhörer (man beachte dazu Apg 15:19-21), und dann müssen auch wir, "nach dem Gesetz leben und es halten," was viele zu tun versuchen. Dann sind wir vor Gott in demselben Stand wie Israel damals, und unser Anspruch basiert auf den prophetischen Aussagen des Alten Testaments. Dann, zumal wenn unsere Berufung von Pfingsten her datiert, oder von irgend einem Punkt in dieser Zeitspanne, dann stehen wir aus Gottes Sicht ebenso, nicht höher und nicht niedriger, als Israel in diesen achtundzwanzig Kapiteln.

Unsere Hoffnung ist dann ebenso hoch und nicht höher als bei denen, zu denen der Apostel redete, oder an die er in den früheren Briefen während dieser Zeit schrieb.

Und worin bestand diese Hoffnung?

Wir werden nicht im Zweifel darüber gelassen, denn im allerersten Brief, den der Apostel schrieb, (1Thes) wird es klar festgestellt und beschrieben. Das war aber nicht mehr, als was der Herr in seinem eigenen Dienst gegeben hatte. Paulus "bekräftigte" nur, was als Wort des Herrn in Joh 11:25.26 gesagt ist. Es stimmt, dass Paulus es in 1Thes 4 erweitert und erklärt hat, aber es ist keine andere oder unterschiedliche Hoffnung. Es ist nicht das, was man "die Hoffnung der Gemeinde" nennt - im Unterschied zur "Hoffnung Israels." Es war dieselbe Hoffnung, nur klarer beschrieben und weitergeführt.

"Das Wort des Herrn" über diese Hoffnung hatte er in Joh 11:25.26 gesagt. Alles war in ihm, der "die Auferstehung und das Leben" ist, zusammengefasst. Beides war daher nur in ihm und von ihm und durch ihn zu finden und zu erleben. Deshalb sagt er:

"Wer an mich glaubt, der wird leben (im Auferstehungsleben ich werde für ihn 'die Auferstehung' sein), auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr (griech.: ou me = keinesfalls, niemals die stärkste Verneinung) sterben (denn für den bin ich 'das Leben').“

Die Erwartung der Parusia

Das war das Wort des Herrn zu Marta. Und das ist "das Wort des Herrn" im ersten Brief, den der Apostel geschrieben hat. Er erweitert es durch Inspiration:

"... dass wir, die wir leben und übrigbleiben bis zur Ankunft (parousia oder Gegenwart) des Herrn, denen nicht zuvorkommen werden, die entschlafen sind. Denn er selbst, der Herr wird, wenn der Befehl ertönt, wenn die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes erschallen, HERABKOMMEN VOM HIMMEL, und zuerst werden die Toten, die in Christus gestorben sind, auferstehen. Danach werden wir, die wir leben und übrigbleiben, ZUGLEICH MIT IHNEN entrückt werden auf den Wolken in die Luft, dem Herrn entgegen; und SO werden wir bei dem Herrn sein allezeit."

Diese Worte sind die Erweiterung und Beschreibung der Worte des Herrn in Joh 11:25.26 und offenbaren weitere Einzelheiten über die Auferstehung. Aber es ist die Bekräftigung der Worte des Herrn, wie er in Hebr 2:3 schreibt.

Und es ging um die parousia oder Gegenwart des Herrn. Das war das Thema des Herrn durch alle Evangelien. Es war auch das Thema der Bekräftigung in 1Thes 4.

Und das Wort "parousia" findet sich nur in den Evangelien, in der Apostelgeschichte und in den früheren Paulinischen Briefen, die er in dieser Phase geschrieben hat.

Wir begegnen ihm viermal im ersten Brief an die Thessalonicher und einmal im ersten Brief an die Korinther. Aber dann niemals mehr. Der Apostel Paulus gebraucht das Wort danach nicht wieder, und die Erwähnung in 1Kor führt uns zurück zu einem Zeitpunkt, der dem von Apg 19 entspricht. Später findet es sich nicht mehr. Die Hoffnung auf die parousia wird in den Briefen an die Korinther weiter besprochen, aber das Wort wird in diesem Zusammenhang nicht verwendet.

In 1Kor 15 wird die "Auferstehung" vollends erklärt als die "erste" und im Zusammenhang mit "der Posaune" von 1Thes 4 In 2Kor 5 ist von der Entrückung als mit einer Verwandlung verbunden die Rede (wovon in 1Thes nichts gesagt wird) und davon, dass wir, bevor wir entrückt werden, "überkleidet werden" mit einem geistlichen Leib ohne den keine "Gegenwart" (oder parousia) des Herrn sein könnte.

Aber das ist alles, was über diese Hoffnung offenbart ist, bis zum Ende dieser heilsgeschichtlichen Phase. Und warum? Weil Israel verstockt blieb. Weil die Voraussetzung für diese Hoffnung nicht erfüllt wurde.

Wendepunkt in Israels Geschichte

Apg 28 ist der Wendepunkt von Israels biblischer Geschichte, und Gott hat es gefallen, uns völlig und genau zu erklären, wie es dazu kam und wie es ausging. In diesem Kapitel (Apg 28) wird uns gesagt, dass die Verkündigung in Rom, der Hauptstadt der Diaspora, ebenso endete wie in Jerusalem, der Hauptstadt des Landes. Die Gefangenschaft des Petrus beendete die eine und die Gefangenschaft des Paulus beendete die andere.

Die "Angesehensten der Juden" (die Oberhäupter der Synagoge) waren formell versammelt. Sie hatten selber den Tag festgesetzt. Die Unterredung mit Paulus dauerte den ganzen Tag, "vom frühen Morgen bis zum Abend."

"Da erklärte und bezeugte er ihnen das Reich Gottes und predigte ihnen von Jesus aus dem Gesetz des Mose und aus den Propheten."

Er schloss mit dem Zitat des ernsten Urteils von der Verblendung als Gericht, das Jahwe durch Jesaja ausgesprochen hatte (Jes 6:9). Das kam von jetzt an zur vollen Auswirkung, obwohl es schon früher begann, bevor der Apostel in Rom eintraf. Hier ist jetzt das Ende der heilsgeschichtlichen Phase der Apostelgeschichte erreicht.

Kein Wort haben wir gefunden von der Gründung einer Gemeinde als eines neuen Organismus, nur die Bekräftigung; und kein Wort über das hinaus, was Jahwe durch den Sohn zu reden begonnen hatte. Da ist kein Hinweis auf irgendein Geheimnis, das "von Ewigkeit her verborgen" war. Keine Erwähnung irgendeiner neuen Hoffnung, die an die Stelle der ausgesetzten parousia treten sollte. Wir Heiden und die Gemeinde des Leibes hätten keine andere Hoffnung als die Israels; aber die späteren Briefe sind nachher für unsern Glaubensgehorsam geschrieben worden. Nur in denen lesen wir von dem "Reichtum seiner Gnade" (Eph 1:7; Eph 2:7) und vom "Reichtum der Herrlichkeit" (Eph 1:18; Eph 3:16; Phil 4:19; Kol 1:27).

Gewiss, es gab Gnadengaben und Verheißungen von Herrlichkeit schon vorher, aber von diesem "Reichtum" ist erst in den späteren Briefen des Paulus die Rede! Und dennoch hat man teilweise darauf bestanden, dass Paulus den Ältesten der Gemeinde in Ephesus sagt, "ich habe nicht unterlassen, euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen" (Apg 20:27). Aber wer diese Stelle so missbraucht, der legt die Betonung auf das falsche Wort. Sie liegt nicht auf "ganz," sondern auf "Ratschluss."

Paulus hatte nicht unterlassen, "den ganzen RATSCHLUSS Gottes" zu verkündigen. Aber der "Ratschluss" war nicht der "Vorsatz" Gottes (Eph 1:8.11 usw.). Der "Vorsatz" Gottes, der das Geheimnis betrifft, war "EHE der Welt Grund gelegt war" (Eph 1:4); aber der "Ratschluss" Gottes (der Israel und das Königreich betraf) war "vom Anfang der Welt an" (Mt 13:35; Mt 25:34; Lk 11:50; Hebr 4:3; Hebr 9:26; Offb 13:8; Offb 17:8).

Diese beiden Wörter werden in Eph 1:11 einander gegenübergestellt, wo wir lesen:

"In ihm sind auch wir zu Erben eingesetzt worden, die wir dazu vorherbestimmt sind nach dem VORSATZ dessen, der alles wirkt nach dem RATSCHLUSS seines Willens" ("Bestimmung seines eigenen Wunsches." Der "Vorsatz" Gottes, in Eph 1:10 offenbart, ist in Apg 20:27 nicht berührt).

Der "Ratschluss Gottes," von dem der Apostel in Apg 20:27 erklärt, dass er nicht unterlassen hat, ihn ganz zu verkündigen, ist in Vers 25 definiert als "das Königreich Gottes" betreffend. Er konnte deshalb nicht das Mysterium (oder Geheimnis) betreffen, das damals noch nicht offenbart war, und von dem man sah, als es in den Gefangenschaftsbriefen offenbart wurde, und dass es mit dem "Königreich Gottes" nichts zu tun hatte.

Die ganze Phase der Apostelgeschichte hindurch hatte sich Paulus darauf beschränkt, den "Ratschluss" Gottes zu verkündigen. Aber der "Vorsatz" Gottes wurde nicht bekanntgegeben, bis ihn, nach dem Abschluss dieser Phase, Gott selbst den Gläubigen in Ephesus in dem an sie gerichteten Brief offenbart hat. Dabei liegt Eph 1:10 ganz außerhalb des Zeugnisses, das in der Apostelgeschichte gegeben ist.

Wie bedauerlich, dass man den "Vorsatz" Gottes, der in diesen "Schätzen der Weisheit und der Erkenntnis" (Kol 2:3) offenbart ist, und sich in den späteren Briefen des Paulus unserm staunenden Blick darbietet, auf die leichte Schulter nimmt, und sich freiwillig selber zurückversetzt in den Stand der Juden zur Zeit der Phase der Apostelgeschichte, und das für unsere Stellung vor Gott halten!

Leider sieht man nicht, dass man damit das gelobte Land verschmäht, das voller "Reichtümer" der Gnade und Herrlichkeit Gottes ist, und wo die Hoffnung der anastasis (Auferstehung) gegen die exanastasis eingetauscht ist und die Entrückung in die Luft gegen die Berufung in den Himmel selbst die höchste aller Sphären (Phil 3:11.14). Das ist unsere "herrliche Hoffnung", die jeden Augenblick Wirklichkeit werden kann, ohne damit Israel seiner ihm zugesagten Hoffnung zu berauben, die an jenem glücklichen Tag seiner Buße und Umkehr zum Herrn endlich in Erfüllung gehen wird.

Lies weiter:
3. Phase des göttlichen Zeugnisses