Pfingsten

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Abschrift des Buches: Vom Geheimnis Gottes und Christi
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Sonderabdruck aus dem Monatsblatt für biblische Vertiefung „Die Gemeine“ 1925/26
Philadelphia Buchhandlung August Fuhr, Reutlingen

weitere Abschriften siehe:

Inhaltsverzeichnis des Buches
Kapitel davor:
9. Der über den Wassern brütende Geist

10. Pfingsten

Apg 2.
Pfingsten wird gewöhnlich als das Geburtsfest der christlichen Kirche oder auch der Gemeine angesehen. Die dortige Ausgießung des Heiligen Geistes soll die Grundlage des Wirkens des Geistes in den Gläubigen jetzt sein. Soweit wir die Schrift erkennen, möchten wir glauben, dass das nicht so ist, und hier versuchen, diese Meinung darzustellen. Zunächst gilt es, bei der Auslegung der Pfingstgeschichte zu beachten, dass wir in sehr vielen Stücken noch in katholischer Schriftauslegung stecken. Die katholische Schriftausegung hat als ein Hauptmerkmal das, dass sie, was den Juden zugehört, der christlichen Kirche zuschreibt. Dies aber kommt wieder daher, dass die Volks- und Massen-Kirche die Gemeine und ihre ganze Stellung nicht kennt, oder doch nicht klar und ernst vertritt. Das ganze prophetische Wort ist hier unter falschen Gesichtspunkt gestellt, und darum sieht man auch die Auswirkung desselben nicht im rechten Lichte.

Es ist ja hochverwunderlich, dass auch positive Bibelausleger sagen, das 1000-jährige Reich, wir sagen lieber das Königreich Christi, stehe nur an einer Stelle der Bibel ausdrücklich, nämlich in der Offenbarung Johannis. Das Königreich Christi steht in der ganzen Bibel ausführlich, mit Ausnahme derjenigen Bücher, welche von der Gemeine handeln. Alles Historische, d. h. alle Geschichtsbücher gehören dem Königreich Christi an, denn die Gemeine ist nicht historisch, sie trägt Persönlichkeits-Ewigkeits-Charakter. Natürlich zieht ein Geistesmensch aus allem Leben, aber er unterscheidet auch alles und lässt den Juden, was des Juden, und der Gemeine, was der Gemeine ist.

Der Auftrag Jesu

Da ist es nun von großer Wichtigkeit, zu erkennen, dass der Heiland zunächst und zuerst auf diese Erde gekommen ist, das Königreich Gottes aufzurichten in Erfüllung der gegebenen Verheißungen Johannes der Täufer, sowohl als der Heiland selbst reden zuerst immer vom Königreich. Der Heiland sagt auch ausdrücklich zum kanaanäischen Weibe, Er sei nicht gesandt, denn allein zu den verlorenen Schafen vom Hause Israel. Er hat auch in Seiner Wirksamkeit die Grenzen des jüdischen Landes nie überschritten, obwohl der Anforderungen dazu genügend vorhanden gewesen wären. Darum hat Er auch nur drei Jahre gewirkt; diese genügten, das jüdische Volk vor die Entscheidung zu stellen, ob Er der verheißene Christus sei, oder nicht. Wenn der Heiland weltweit hätte wirken wollen, hätte Er unbedingt länger leben müssen. Aber Er sollte und wollte nicht über die jüdischen Grenzen. Das Heil der Nationen stand ja nach dem gesamten prophetischen Wort im Zusammenhang mit den Juden.

Das ist ein Grundschade, welchen uns die Massenkirchen in ihrer falsch-prophetischen Stellung gebracht haben, dass wir einen heidnisch-zentrischen, anstatt den jüdisch zentrischen Standpunkt haben. Darunter verstehen wir das, dass wir die Nationen zu Trägern der Völkermission machen, anstatt dass wir den Juden diese Aufgabe lassen - und als Nationen, d. h. als Gemeine aus den Nationen, die Aufgabe unter der Leitung des Geistes vollführen, die Gemeine herauszurufen, zu sammeln und zu bauen, bis auf den Tag des Herrn. Es ist natürlich für Angehörige der Nationen nicht leicht, diesen juden-zentrischen Standpunkt einzunehmen. In jedem Nationen-Sprossen steckt von Natur ein Antisemit. Darum gehört ein völlig neugeborenes Herz dazu, einerseits die Gemeine zu sehen, und andererseits den juden-zentrischen Standpunkt einzunehmen. Die Geschehnisse unserer Tage erleichtern es uns ja sehr, diesen Stand wenigstens zu glauben, denn wir sehen ja, wie die Kulturnationen das vom Herrn verworfene Judentum immer mehr zum Zentrum haben und kriegen.

Offenbarung des Königreichs

Der Heiland stand natürlich voll und ganz im Rate Gottes. Diesem gemäß handelte es sich nun zunächst darum, das jüdische Volk zu erwecken und zur Anerkennung Jesu als des wahrhaftigen Messias zu bringen. Die Nationen blieben zunächst ganz außer Betracht. Wenn schon den neugeborenen Heiland die Vertreter der morgenländischen Nationen suchen, so stehen diese ganz auf dem juden-zentrischen Standpunkt, sie suchen den n e u g e b o r e n e n König der J u d e n, von welchem das Heil auf die Nationen ausgehen sollte. Und sie gehen, auf göttliches Geheiß hin, ruhig wieder in ihr Land. Die Weisen aus dem Morgenland sind keine Missionsgeschichte, sie sind eine Messias-Königreichs-Geschichte. Der Glanz aus Zion leuchtet in ihnen auf - erlischt aber wieder, weil Zion den König nicht annahm. -

Der Heiland hat nach Seinem öffentlichen Auftreten gar nichts getan und geredet, als Sich selbst als den Verheißenen und Gekommenen dargestellt. Und auf das ist alles herausgelaufen: „Ist Er’s, oder ist Er’s nicht!“ Die Gemeine, die jetzt gebaut wird, tritt im ö f f e n t l i c h e n Wirken und Reden Jesu ganz zurück. Das ist auch die Bedeutung der Gleichnisse. Als der Heiland die innere Verstockung des Volkes ausbrechen und zunehmen sah, hüllte Er Seine Botschaft vom Reich in Gleichnisse, damit nicht das unbußfertige Volk ins Gottesreich hineintappe und es vertappe - und Er wickelte den zukünftigen Verlauf des Königreichs in Gleichnisse, damit sie ihn später wüssten und doch jetzt nicht sähen, und damit ihn vor allem die Gemeine wisse und, durch den Wahrheitsgeist erleuchtet, ihn sähe. Die Gleichnisse sind prophetisches Hüllenwort vom Königreich.

Nun hat der Heiland in Wort und Tat zuerst das Königreich und Sich selbst offenbaren wollen. Darum das Andringen auf das g a n z e V o l k. Das dürfen wir nicht auf die jetzigen Nationen übertragen. Darum die Unmasse von Heilungen und dergleichen. Diese dürfen wir nicht ohne weiteres auf die Gemeine übertragen, welche nur die Gabe des Heilens zur Förderung des Glaubens kennt. Darum geht auch das Wort Jesu immer auf’s Ganze; darum geht es auch auf Gerettet- oder Verloren-Werden; das alles bildet den Abschluss des Königreichs Gottes und Christi.

Geistausgießung an Pfingsten

Auf dieses Königreich geht nun alles. Noch am Kreuze haben wir unter göttlicher Leitung das Wort: „Jesus von Nazarareth, König der Juden“ - und das zuerst in h e b r ä i s c h e r, dann in g r i e c h i s c h e r und l a t e i n i s c h e r Sprache - von Zion geht aus das Heil Gottes auf die Weltmächte. In diesen ganzen Rahmen gehört auch Pfingsten. Nach der Auferstehung des Herrn geht noch einmal das Wort des Zeugnisses an das jüdische Volk, ob es wohl den Gekreuzigten und Auferstandenen zum Heiland und zum Messiaskönig wolle. Nach dem ganzen prophetischen Wort gehört zur Aufrichtung des Königreichs Christi eine Geistausgießung. Sonderlich Joel, Heskiel und Sacharja sprechen dies ganz klar aus. Und diese Geistesausgießung, welche von außen nach innen geht, und in gesetzlicher Weise sich auswirkt, hat nun an Pfingsten angefangen. Sie hat eine heilige Gemeinde geschaffen, welche dem Volk den Weg weisen, und es zu seinem Beruf tüchtig machen sollte. Diese Geistausgießung ist eine ganz andere als die der Gemeine. Sie hat zunächst Christus verklärt als den König und Herrn.

Das Sprachenwunder

Sie hat das Sprachen-Wunder geschaffen, was doch der Geist von da an nicht mehr tat. Dies Sprachenwunder ist ein wahrhaftiges Vorbild, was geschehen wird, wenn das jüdische Volk sich bekehrt. Dies Volk spricht alle großen Kultursprachen als Muttersprachen, und dann werden alle Völker das Evangelium wahrhaftig in ihrer Sprache hören. Und die Geistessausgießung an Pfingsten hat eine familiär-völkische Wirkung. Söhne und Töchter, Greise und Jünglinge, Knechte und Mägde wird der Geist erfassen, und in ihnen wirken. So wirkt der Gemeinegeist nicht. Er wirkt weder familiär noch völkisch. Der Gemeinegeist, der Erstlingsgeist, wirkt einzeln und auf einzelne. Und der Pfingstgeist wirkt und wohnt mehr im Leiblichen, Weissagen, Träume haben, Gesichte sehen. Diese Dinge gehören alle m e h r der gesetzlichen Stufe als der eigentlichen Geistesstufe an - und darum werden sie erfüllt erscheinen in der vollendeten Gesetzesfülle im Königreich Christi.

Soziale Auswirkungen

Mit der Ausgießung des Pfingstgeistes sind nach Joel und nach Petrus (Apg) auch große Ereignisse auf dem Gebiet der Natur verbunden. Diese sind, weil die Geisteserneuerung nicht durchdrang, auch nicht eingetreten. Die Geistesausgießung an Pfingsten hat auch sofort alle Volksgebiete umfasst. Besonders im Gebiete des Eigentums hat sie das „Mein“ völlig aufgehoben. Das ist ein rechtes Zeichen, dass wir es hier mit dem Königreich Christi zu tun haben. Die Gläubigen in Christus des jetzigen Äons müssen sich unter den verschiedenen Wirtschaftsformen der bestehenden Weltreiche oft mühsam durchkämpfen. Einen bestimmenden, bleibenden Einfluss auf Wirtschaftswesen haben die Geistesmenschen in diesen Tagen nicht. Und wenn sie ihn einen Augenblick hätten, so würde die Selbstsucht ihn bald wieder ausschalten.

Im 1000-jährigen Reich wird alles, was an Sozialismus und Kommunismus Wahrheit ist, sich auswirken. Es wird gewiss, das sehen wir schon an Josephs Vorbild in Ägypten, einen stark sozialen Charakter haben. Im Alten Bund gehört ja auch alles Land dem Herrn, und niemand durfte es endgültig verkaufen. Im fünfzigsten Jahr fiel alles wieder zurück. Darum hat der Pfingstgeist in anfangender Weise auch das Gemeinschaftsleben mit den Kräften Christi durchdrungen. Das alles aber konnte nicht hindurch, weil im Volke unter Führung der Oberen sich alsbald der Gegensatz gegen den Gekreuzigten und Erstandenen regte, und die ganze Herrlichkeit des anfänglich ausbrechenden Königreichs wieder dahinsank. Die Gnade, welche die Pfingstgemeinde anfangs beim ganzen Volke hatte, wich alsbald dem Hass. Und nun zogen die Gewitterwolken immer näher - die Gerichte brachen herein - das Königreich Christi setzte aus bis ans Ende - die Gemeine-Zeit brach hervor.

Der Geist in der Gemeinezeit

Und es war eine harte Geduldsarbeit des Herrn, die Apostel auf die Gemeine einzustellen. Mit dem Gesicht des Tuches musste der Herr den Petrus auf Kornelius vorbereiten. Und das Erstaunen war groß, als die Tatsache sich offenbarte, dass Glieder aus den Nationen ohne Gesetz, aus dem Glauben mit eingeleibt wurden in die Erstlingsgemeine. Petrus verstand innerlich, wie Gal 2 zeigt, in Antiochien noch nicht ganz die Eigenart des Lebens in der Gemeine. Doch ist er dazu noch durchgebrochen - er kann im ersten Brief gar köstlich vom Wiedergeborensein reden.

Die Glieder der Gemeine hatten den Heiligen Geist auf den verschiedenen Stufen der Offenbarung schon lange, ehe Pfingsten war. Ein Abel konnte seine Stellung unter den Erstmenschen gewiss nicht ohne Geist Gottes, wie Er jener Stufe entsprechend war, aufrecht erhalten. Der Geist Gottes machte in ihm die Gottesnormen und Gottesworte jener Tage geburtsmäßig lebendig. Auch Henoch wird wohl nicht ohne Geist Gottes ein göttliches Leben geführt haben unter einem verkehrten Geschlecht. Und was für Geist brauchte Noah, um unter dem Sintflut-Volk die Arche zu bauen und Gottes Wort zu bewahren. Melchisedek aber war sicher ein Geistesmensch. David, um einen weiten Sprung zu machen betet: „Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gibt mir einen neuen gewissen Geist,, verwirf mich nicht von Deinem Angesicht und nimm Deinen Heiligen Geist nicht von mir. Tröste mich wieder mit Deiner Hilfe und mit einem freudigen Geist rüste mich aus.“ So waren sie alle, ein jeglicher in seiner Art.

Die Gemeine hat den Geist von innen heraus - daher meist durchs Wort und im Wort, das sie annimmt. Bei der Gemeine geht es zeugungs- und geburtsmäßig. Das ist etwas ganz anderes, als wenn der Geist mit Brausen kommt, und füllt die Herzen und macht sie untertänig. Ein Knecht kann, um ein Beispiel aus dem natürlichen Leben zu nehmen, den Geist eines Hauses auch ganz annehmen und sich ihm untertan machen - in das Kind des Hauses wird der Geist hineingeboren und erwächst. Und es bleibt zeitlebens ein Unterschied zwischen den Geborenen und den Untertan-Gemachten.

Unter den Tausenden jener jerusalemischen Pfingstzeit waren gewiss auch Erstlinge, aber lange nicht alle waren es. Vielleicht waren es nicht einmal alle Apostel, welche, als die Zwölfe, eben zunächst den Anbruch des jüdischen Volkes darstellen, und im anbrechenden Königreich wieder eine Rolle spielen werden. Bei dem Pfingstgeist des 1000-jährigen Reiches, der ein Geist der Bekehrung ist, kann man auch wieder abfallen, wie wir das am Ende des Königreichs Christi sehen. Wo eine neue Geburt ist, sagt der Herr: „Sie können nimmermehr umkommen, und niemand wird sie Mir aus Meiner Hand reißen."

Das Wachsen des Geistes

Der Heilige Geist ist ein wachstümlich voller werdender, bei den Gliedern der Gemeine. Von Abel an, von Äon zu Äon ist der Heilige Geist reicher, gefüllter geworden, nach dem Lauf der göttlichen Offenbarung. Die Heiligen der früheren Äonen sind Stufe um Stufe drüben mitgewachsen. Nach der vollbrachten Versöhnung, und nach der folgten Auferstehung und Erhöhung des Herrn, konnte erst das gefüllte Auferstehungswesen angezogen werden. Aber auch von dort an erhalten die Gläubigen eine immer größere Fülle. Wir bekommen heute, wo ganz sichtbar ein neuer Äon sich anbahnt, eine ganz andere geistliche Innenfülle, als die Gläubigen zuvor sie bekamen, als sie auf Erden wandelten. Was ist in unseren Tagen entsiegelt - in was dürfen wir allem blicken? Wie tun sich uns Wahrheiten auf - Wahrheiten, die schon lange in der Schrift niedergelegt sind, aber jetzt nehmen sie Gestaltung an.

Denken wir nur an die Juden, an die Gemeine, an das in verschiedenen Akten verlaufende Kommen Jesu; an die heiligungsmäßig anzuziehenden Auferstehungskräfte Jesu usw. Der Geist leitet eben nicht nur im Einzelnen, sondern auch im Großen in alle Wahrheit. Und das geht wachstümlich, stufenweise. Die Geborenen nehmen eben Teil an der Hinausführung des Rates Gottes. Die Pfingstleute, um so zu sagen, die nehmen die erworbene Rettung an, lassen sich in Gottes Untertanenschaft einführen, und begehren S e l i g k e i t. Die Kinder sind selig, wachsen in dieser Seligkeit nach Breite, Länge, Höhe und Tiefe, nehmen Teil an des Herrn Kreuz und Niedrigkeit, an Seinem Sterben und Auferstehen und warten der Herrlichkeit, die an ihnen soll offenbart werden.

So wollen wir bitten um des Geistes Erstlinge, um das Geburtswesen - und wachsen in Ihm zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes - dann werden wir in des Heilands Gemeinschaft auch das Joel-Pfingsten miterleben, wenn es ausbrechen kann auf Zion und sich ausbreiten wird unter den Völkern.

Lies weiter:
11. Die Sünde wider den Heiligen Geist