Ich habe das Werk vollendet

Aus Bibelwissen
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Abschrift des Buches: Das Gemeine-Gebet
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Sonderabdruck für biblische Vertiefung „Die Gemeine"
Selbstverlag von Frau Pfarrer Böhmerle, Langensteinbach

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Inhaltsverzeichnis
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Eine Auslegung von Johannes 17

In Bearbeitung

„Ich habe das Werk vollendet“

Joh 17:4: „Ich habe Dich verklärt auf Erden (vielleicht auch zu übersetzen: Im heiligen LandeI, indem Ich das Werk vollendet habe, das Du Mir gegeben hast, dass Ich es tun solle.“

Der Heiland hat ein Werk im Himmlischen und hat ein Werk auf Erden. Er kann Sich sagen: „Der Vater wirket bisher, und Ich wirke auch.“ - Der Heiland hatte schon ein großes Werk im Himmlischen, ehe Er Mensch wurde; und Er hat ein großes Wer nach Seiner Erdenwallfahrt ebenfalls zunächst im Himmlischen. Ehe Er Mensch wurde, hatte Er vor Grundlegung der Welten das heilige Geschäft, in der Gegenwart des Vater dessen ganzen wunderbaren Plan kennen zu lernen, diesen in Sich aufzunehmen und ihn anzunehmen zur Durchführung. Der Vater hat ja dem Sohne von Unendlichkeiten her alles gegeben. Der Herr redet von einer Herrlichkeit, welche Ihm der Vater gegeben habe vor Grundlegung der Welten. Also hat in jenen Unendlichkeiten schon ein Geben und Nehmen zwischen Vater und Sohn stattgefunden. Dort schon hat Sich der Sohn in den Kreuzesrat eingelebt und Sich zur Durchführung desselben bereit finden lassen. Es entstand in den Ewigkeiten eine Fülle der Sohnesherrlichkeit, übernommen aus der Fülle der Vaterherrlichkeit. Das war schon ein großes Werk im Himmlischen, dies Eingehen auf den Rat Gottes. Aus dieser übernommenen Sohnesfülle heraus hat dann der Sohn die Welten geschaffen. Das war auch ein Werk vom Himmlischen her - ein herrliches, mannigfaltiges. Als dann durch Satan der Fall eingeführt wurde, begann für den Sohn Gottes Leiden und Kampf. Die großen Kämpfe des Sechstagewerks (1Mo 1) waren auch ein Werk vom Himmlischen aus. Und ebenso war ein solches Werk die Schöpfung des Menschen.

Nach dem Fall des Menschen begann die Erziehung des Menschengeschlechts auf die Erlösung hin. Obschon hier der Herr Sich tief herab neigte ins gefallene Irdische, geschah doch dies ganze Vorbereitungswerk noch vom Himmlischen aus. Erst als die Zeit erfüllet war, trat Er ein in diese Erde und erfüllte Sein i n n e r - i r d i s c h e s W e r k. Nach Vollendung dieses i n n e r - i r d i s c h e n W e r k e s geht Er zurück ins Himmlische und tut von dort aus Sein Werk durch den Heiligen Geist. Er holt und bildet die Gemeine. Dann tritt Er wieder Schritt für Schritt herein ins Irdische. Im tausenjährigen Reich herrscht Er mit den Seinen von der Luft aus; dann nach dem Endgericht führt Er mit ihnen herab ins neue Jerusalem - und dann vollführt Er innerweltlich auf der himmlisch gewordenen Erde Seine gewaltigen, ewigen Aufgaben. So ist Sein Werk auf Erden ein kurzer Ausschnitt aus Seinem ganzen Wirken - aber fürwahr der allergewaltigste, wuchtigste, tiefste, ergreifendste, grundlegendste - kurz, es ist der herzmäßige Teil. -

Die Kinder Gottes haben in Ihm, ihrem Herrn, auch ein irdisches und ein himmlisches Wirken. Hier steht der eingeborene Sohn ganz allein. Obwohl der Vater im ewigen Rate die Söhne voraus bestimmt und voraus gewusst hat (Röm 8), so haben sie doch keine w i r k e n d e Vorausexistenz. Die Söhne sind ihrer Natur nach Geschöpfe - und haben als solche einen Anfang - und dieser Anfang liegt innerirdisch. Der Sohn Gottes ist o h n e A n f a n g und ohne Ende - ein rechter Priester nach der Weise Melchisedeks, von dem wir auch Anfang und Ende nicht wissen. Die Söhne Gottes haben als erstes das innerirdische Werk. Schon wenn sie mit ihrem Herrn im tausendjährigen Reich in der Luft herrschen, beginnt ihr himmlisches Werk. Am Tage des Endgerichtes setzt es sich fort. - Dann wird es mit ihrem Herrn wieder inner-irdisch, aber auf der neuen Erde.

In unserem Vers redet nun der Herr von Seinem inner-irdischen Werk. „Ich habe Dich verklärt auf der Erde, indem Ich vollendet habe das Werk, das Du Mir gegeben hast, dass Ich es tun sollte.“ Der Heiland hat also auf der Erde ein ganz bestimmtes, fest umrissenes Werk, das der Vater Ihm gab, dass Er es tun sollte. Und indem der Heiland in Seinem Erdenwirken Sich fest und ausschließlich an den Ihm gegebenen Weg hielt, hat Er im Gehorsam den Vater geehrt und herrlich gemacht. Das Werk des Herrn auf Erden war das höchste und größte, das je vollbracht worden ist und je vollbracht werden wird. Es war aber nach seiner äußeren Gestalt so niedrig und so gering, dass ein geringeres nie getan wurde noch getan werden wird.

Schon nach seinem äußeren Umfang war des Herrn Werk auf Erden sehr eng. Wir dürfen die Worte: „Ich habe Dich verklärt auf Erden! - vielleicht übersetzen; „Ich habe Dich verklärt im heiligen Lande.“ Das griechische Wort „Gä“, welches hier steht, heißt wohl „E r d e“ in vielen Stellen, es heißt aber auch an anderen Stellen „das heilige Land“. Das Erdenwirken des Herrn ist ja übers heilige Land nicht hinausgegangen. Der Heiland umreißt Sein Arbeitsgebiet selbst, wenn Er sagt: „Ich bin nicht gesandt, denn allein zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“. Das zu jener Zeit überaus kleine und enge Land war Sein Erdenwirksamkeits-Schauplatz. Und in ihm hat Sich der Heiland trotz aller Versuchungen, darüber hinauszugehen, im Gehorsam bewegt. Der Größte in den Himmeln und auf der Erde hat den engsten Raum zur Wirksamkeit. Nicht im Weltreich der Römer, nicht im Geistesreich und Kunstreich der Griechen ist Sein Werkbezirk - auf dem eng begrenzten Offenbarungsboden der Juden wirkt Er und stirbt Er.

„Ich habe Dich verklärt auf Erden.“ So müssen auch Kinder Gottes einen gottbegrenzten Wirksamkeitsboden auf dieser Erde haben. Wir dürfen nicht wirken nach dem Ausmaß unserer Gaben, wie sie sich natürlicherweise auswirken könnten, wir dürfen auch nicht wirken von irdischen Gedanken und Planen und Aufforderungen bestimmt - uns darf nur der Wille Gottes bestimmen. Wie gern wäre Paulus überall hingegangen, und wo wäre er hingegangen! Wie hat ihn Gott beschränkt! Gefangen setzt Er ihn vier Jahre; gefangen schickt Er ihn nach Rom. Kinder Gottes dürfen sich durch nichts, aber nicht durch die höchsten und idealsten Antriebe, ihr Werkgebiet bestimmen lassen, sondern nur durch den Geist und durch die Führung des Herrn. Unser stolzes Herz steckt die Zeltpflöcke immer wieder zu weit. Unser verzagtes Herz steckt sie zu eng. Es gibt Gläubige, die rennen und laufen viel zu weit; dann verliefen sie - und es gibt Gläubige die laufen nicht weit genug; dann verkümmern sie. Einfältig sein, gilt es, dann trifft man die Maße des Herrn. Die Erweckten und Bekehrten taten herum in der Welt; die Geborenen lassen sich führen.

„Ich habe Dich verklärt auf Erden, indem Ich vollendete das Werk, das Du Mir gegeben hast, dass Ich es tun sollte.“ Unsere Aufgabe auf Erden ist eine gegebene. Wie in einem Examen stehen wir, wo die Aufgaben auch gestellt werden. Sehr oft sind die gestellten Aufgaben gerade für uns die schwierigsten. So war es auch beim Herrn. Und doch ist es bei aller Schwierigkeit am seligsten, eine gegebene Aufgabe zu erfüllen. Mag sie dann hinführen wo sie will - sie ist gegeben.

Der Herr kam, um zu sterben

Die dem Herrn für diese Erde gegeben Aufgabe war: Im Fleische leiden und sterben. „Des Menschen Sohn ist gekommen, dass Er Sein Leben gebe als Lösegeld für Viele.“ Das ist der große Unterschied zwischen dem Sohn Gottes und allen Großen dieser Welt. Diese sind alle gekommen, um zu l e b e n ; der Sohn Gottes ist gekommen, um zu s t e r b e n. Eigentlich kommen ja alle Menschen in die Welt, um zu sterben. Der Tod liegt auf allen Fleischgeborenen. Aber die Menschen achten das nicht und wollen das nicht. Leben wollen sie und meinen, sie seien zum Leben da. Der Heiland wusste, dass Er zum Sterben da sei. Und frei, völlig frei, wiewohl unter Zittern und Zagen, ergriff Er diesen Beruf. Frei sollte Er hineingehen in Tod und Gericht, um sie beide zu zerbrechen. Wenn der Heiland in diesem Gebete sagt: „Ich habe vollendet das Werk, das Du Mir gegeben hast, dass Ich es tun sollte“ - und ist doch noch nicht gestorben; so nimmt Er Sein Sterben eben mit herein. Er ist willig zu sterben; Er ist auf dem Wege Sich hinzugeben. Und Er ist Sein ganzes Leben lang gestorben. Er hat keine Sünde getan, Er ist nie im Ich-Weg neben hinaus getreten. Und diesem Reinen war der Gang durch die Sündenwelt und Sünderwelt überall ein Sterben. Das Helle und Weiße, das Reine ist staub- und schmutzempfindlich. Seine Speise war der Wille des Vaters - und so hat Er den Vater verklärt. Und immer schmerzenssreicher, immer leidensvoller wurde der Weg, um zu enden in Kreuz und Grab. - Und er ging. - Nun war aber das Werk auch vollendet, welches der Vater Ihm gegeben, dass Er es tun sollte. Nun weckte Ihn der Vater auf, und nun konnte es zu neuem Wirken gehen im Himmlischen. Was der Heiland an Zeichen, Wundern und Werken tat, was Er redete in göttlichen Worten war alles nur Selbstoffenbarung, dass Er der Sohn sei - um Sein Leiden zu verklären und den Glauben zu wecken für das Verständnis Seiner Leiden. Das Zentral-Leben Seines Lebens war Leiden.