Gibt es eine Schriftteilung in der Bibel?

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Von Daniel Muhl

Das Wort „Schriftteilung“ wird von einigen Bibelauslegern (vornehmlich in „konkordanten“ Gemeinschaften) dazu gebraucht, um deutlich zu machen, dass nicht alle Aussagen der Bibel (Altes und Neues Testament) auch gleichzeitig göttliche Anweisungen sind, denen Gläubigen wortwörtlich folgen sollen. Vielmehr muss bei jedem Buch oder Brief, auf den jeweiligen Adressaten geachtet werden.

Die Grundlage

Die Vertreter der Schriftteilung begründen ihre Ansicht u. a. mit folgenden Bibelstellen:

  • “Strebe danach, dich Gott bewährt zur Verfügung zu stellen als einen Arbeiter, der sich nicht zu schämen hat, der das Wort der Wahrheit in gerader Richtung schneidet (2Tim 2:15)!”
  • “ ... sondern im Gegenteil, als sie sahen, dass mir das Evangelium für die Unbeschnittenen anvertraut war ebenso wie Petrus das für die Beschnittenen - denn der, der in Petrus zum Apostelamt für die Beschnittenen wirksam war, war auch in mir für die Nationen wirksam (Gal 2:7-8).“

Diese und andere Bibelstellen werden so interpretiert, dass die Worte der Bibel “geschnitten” und entsprechend zugeordnet werden müssen. So wurden große Teile des Alten Testamentes für das Volk Israel geschrieben. Die Anweisungen für das Schlachten des Passahlammes beispielsweise (2Mo 12) haben für gläubige Christen zwar eine geistliche, resp. allegorische Bedeutung (1Kor 5:7), aber sie müssen von ihnen nicht im buchstäblichen Sinne ausgeführt werden. Der Adressat, in der Aussage von 2Mo 12, ist somit das Volk Israel in der Wüste und nicht die Christen. Wer diese Unterscheidung macht, schneidet „das Wort der Wahrheit“ richtig.

Die Unterteilung

Die Vertreter der Schriftteilung versuchen nun die ganze Bibel zu teilen, resp. zu schneiden, um definieren zu können, welche Anweisungen der Bibel für wen bestimmt sind. In der Regel wird daher folgende Unterteilung gemacht:

  1. Das Alte Testament beinhaltet zuerst einmal den Schöpfungsbericht, die Urgeschichte über die Menschheit, den Bericht über die Sintflut und den Turmbau zu Babel (1Mo 1 - 1Mo 11). Ab 1Mo 11:26 beginnt die Geschichte der Patriarchen. Mit Kapitel 27 beginnt dann die eigentliche Geschichte Jakobs, des Stammvaters von Israel. Ab dieser Stelle geht es im Alten Testament - mit einigen Ausnahmen - nur um das Volk Israel. Alle hier aufgeführten Anweisungen gelten generell diesem Volk (was aber nicht heißen soll, dass Gebote wie z. B. „du sollst nicht stehlen“ oder „du sollst kein falsches Zeugnis wider deinen Nächsten aussprechen“ für die übrige Menschheit bedeutungslos wären. Anweisungen, die aus der Nächstenliebe stammen, sollten alle Menschen beachten). Die Schlachtopfergesetze und auch diverse andere Anweisungen müssen Christen nicht mehr befolgen. Das Beschneidungsritual muss von nichtjüdischen Christen ebenfalls nicht befolgt werden (siehe „Brief an die Galater“).
  2. Die Evangelien im Neuen Testament berichten über das Leben von Jesus Christus. Er selbst und andere bezeugen, dass er der Sohn Gottes ist (Joh 3:16), der deshalb in die Welt gekommen ist, um als Opferlamm Gottes, die Sünden der ganzen Welt auszulöschen (Joh 1:29). Obwohl Jesus Christus als Retter für die gesamte Welt kam, wurde er zuerst einmal zu seinem Volk gesandt. Er selbst sagt: „Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel (Mt 15:24).“ Aus dieser Aussage wird abgeleitet, dass etliche Anweisungen in den Evangelien, in erster Linie dem Volk Israel sowie den messianischen Juden (an Jesus Christus gläubige Juden) gelten.
  3. Auch die Apostelgeschichte berichtet zunächst von den ersten Gemeinden in Israel. Die Gemeinde der ersten Christen in Jerusalem praktizierte eine Art „kommunistische“ Gemeinschaft, in der die meisten Mitglieder ihr gesamtes Vermögen zu Füßen der Apostel legten, damit sie die Armen und Bedürftigen mit Lebensmitteln versorgen konnten. Diese Form des Zusammenlebens wurde in den nichtjüdischen Gemeinden außerhalb Israels kaum praktiziert. Die Vertreter der Schriftteilung sind deshalb der Meinung, dass auch die Apostelgeschichte nicht als generell gültigen Verhaltenskodex für nichtjüdische Gemeinden verstanden werden kann. Im zweiten Teil der Apostelgeschichte werden mehrheitlich die Missionsreisen des Apostels Paulus beschrieben. Auch diese enthalten kaum Anweisungen für nichtjüdische Christen.
  4. Die Briefe des Apostels Paulus (Dreizehn an der Zahl - Römerbrief – Philemonbrief) werden von den Vertretern der Schriftteilung als gültige und verbindliche Anweisungen für alle nichtjüdischen Christen interpretiert, wobei auch jüdische Christen auf die Worte des Apostels Paulus achten sollten (2Petr 3:15). Als Hauptargument für die Allgemeingültigkeit dieser Briefe gilt, dass der Apostel Paulus als der „Nationen-Apostel“ bezeichnet wird (Röm 11:13 + Röm 1:5), während Petrus, Jakobus und Johannes das Apostelamt für die „Beschnittenen“ erhalten haben (Gal 2:7-9). Einige gehen sogar so weit und behaupten, nur die „Füllebriefe“ des Apostels Paulus (Gefangenschaftsbriefe: Epheser-, Kolosser- und Philipperbrief) beinhalten letztgültige Anweisungen für die Christen aus den Nationen. Dies wird jedoch von einer großen Mehrheit der Theologen und Schriftforscher abgelehnt.
  5. Der Hebräerbrief, dessen Autor* unbekannt ist, wird explizit an die Hebräer (Israeliten) geschrieben (Hebr 1:1). Weil auch hier der Adressat klar definiert wurde, gehen die Vertreter der Schriftteilung davon aus, dass dieser Brief nicht in allen Teilen verbindliche Anweisungen für nichtjüdische Christen enthält.
    1. * Einige vermuten Paulus, weil sich dieser Brief im Sinaiticus Bibel-Manuskript inmitten der Paulusbriefe befindet und weil hier Timotheus genannt wird (Hebr 13:23), der ein langjähriger Weggefährte des Paulus war. Die Tatsache, dass Paulus seine Urheberschaft im Hebräerbrief verbirgt, wird damit begründet, dass dem Paulus seine umstrittene Position bei den Juden bekannt war und damit rechnen musste, dass sein Brief an die Hebräer gar nicht zu Ende gelesen worden wäre, wenn er sich als Autor zu erkennen gegeben hätte.
  6. Die nachfolgenden Briefe von Jakobus, Petrus, Johannes und Judas wurden praktisch ausschließlich von den „Aposteln für die Beschneidung“ geschrieben. Deshalb wird auch hier die Meinung vertreten, dass diese Briefe nur mit gewissen Einschränkungen von den nichtjüdischen Christen befolgt werden müssen. Die Rechtfertigung aus Werken, wie sie Jakobus darstellt (Jak 2:21), wird als Gegenbeispiel zu den Aussagen des Apostels Paulus gesehen. Dieser behauptete, dass vor Gott kein Mensch aus Gesetzeswerken gerechtfertigt werden kann (Röm 3:20) und ein Mensch nur durch Glauben (gemeint ist eine „Vertrauenstreue zu Gott“) gerechtfertigt werden kann (Röm 3:28). Jakobus schrieb an „die zwölf Stämme in der Zerstreuung“ (Diaspora) (Jak 1:1), Petrus an die „Fremdlinge von der Zerstreuung“ (1Petr 1:1): Beide machen den Adressaten ihrer Texte kenntlich. Der zweite Petrusbrief wird als Folge des ersten gesehen und hat somit die gleichen Adressaten (2Petr 3:1). Wie bereits erwähnt, wirkte Johannes vornehmlich unter den jüdischen Christen (zumindest zu Beginn seines Lebens). In 3Jo 1:6-7 findet man die Bemerkung, dass „die Gemeinde ... nichts von den Heiden (nichtjüdische Menschen) annahm!“ Darin kann ein indirekter Hinweis darauf gesehen werden, dass auch der 3. Johannesbrief an jüdische Christen geschrieben wurde. Die Bemerkung aus Jud 1:17 wird so interpretiert, dass die Empfänger des Briefes, die Worte der Apostel Jesu gehört haben und diese „Hörer“ waren damals fast ausschließlich Juden. Somit ist auch hier indirekt - wenn auch undeutlich - ein Adressat genannt. Aufgrund dieser und anderer Argumente schreibt A. Loudy in „81/177 Die Schrift schriftgemäß erforschen“: “Alle diese Tatsachen sind Beweis genug für die Wahrheit, dass ... die Anweisungen des Jakobusbriefes (und der Petrusbriefe) den jüdischen Gläubigen gelten ... und die Briefe des Johannes und des Judas nicht für Gläubige aus den Nationen bestimmt sind!“
  7. Die Offenbarung (w. Enthüllung) wird von den Vertretern der Schriftteilung als ein prophetisches Buch für die Endzeit gesehen. Gemäß ihrer Auffassung wurde dieses Buch besonders für die judenchristliche Gemeinde in der Endzeit geschrieben, aber auch für Menschen, die in den letzten schweren Tagen zum Glauben an Jesus Christus finden. Die Gemeinde Jesu aus den Nationen, die von Paulus angeschrieben wurde, wird während des endzeitlichen Ablaufes des Offenbarungsbuches nicht mehr anwesend sein, weil sie von Gott zuvor entrückt wird (1Thes 4:14-17 / Röm 5:9). Deshalb wird die Offenbarung von den Schriftteilungs-Befürwortern für die heutigen Christen ebenfalls als irrelevant angeschaut.

Die Schlussfolgerung

Generell wird darauf hingewiesen, dass Israel ganz viele „irdische Verheißungen“ hat, während die gläubigen Christen durch Paulus auf ihre „himmlische Berufung“ aufmerksam gemacht werden. So haben Christen einen himmlischen Segen und ein himmlisches Bürgerrecht (Eph 1:3 / Phil 3:20). Im Gegensatz zum Volk Israel sollten die Christen keinen Kampf gegen „Fleisch und Blut“ führen, sondern gegen die „unsichtbaren Mächte der Bosheit in der Himmelswelt“ (Eph 6:12). Nach Ansicht der Schriftteilungsbefürworter haben die messianischen Juden (vor allem in der Endzeit und im tausendjährigen Reich) die Aufgabe, alle Nationen zu Jüngern zu machen (Mt 28:19), wohingegen Paulus „lediglich“ die Erwartung hatte, „einige (Menschen)“ zu retten (nicht alle Nationen; 1Kor 9:22). Das ist einer der Gründe weshalb sie auch zwischen den vier Evangelien und den Paulusbriefen unterscheiden. Sie weisen darauf hin, dass etliche Anweisungen in den Evangelien zu einem späteren Zeitpunkt für die messianischen Juden bestimmt sind und nicht für die Christen der jetzigen Zeit!

Diese und etliche andere Überlegungen haben dazu geführt, dass die Vertreter der Schriftteilung zu der Überzeugung gelangt sind, dass für die nichtjüdischen Christen in der heutigen Zeit, nur die Briefe des Apostels Paulus in vollem Umfange gelten.

Auch wenn die Befürworter der Schriftteilung nur die Anweisungen des Apostels Paulus als für sie relevant anschauen, so sind sie doch der Überzeugung, dass die ganze Bibel Gottes Wort ist. Sie stützen sich dabei auf folgende Aussage:

  • „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes richtig sei, für jedes gute Werk ausgerüstet (2Tim 3:16-17)“.

Durch die Nichtbeachtung der Schriftteilung, so die Befürworter, haben die Christen in vergangener Zeit viel Schaden angerichtet, indem sie die Verheißungen für das zukünftige Reich Gottes auf der Erde (das Gott selbst aufrichten wird) mit der himmlischen Berufung der Gemeinde Jesu durcheinander gebracht haben. Das hat u. a. dazu geführt, dass der irdische Machtanspruch einiger Kirchen zu einem Kampf gegen „Fleisch und Blut“ geführt hat, den es gar nicht zu führen galt. Auch die falsche Vorstellung von einer eigenen „Werkgerechtigkeit“ (entfacht durch den falsch verstandenen Jakobusbrief) hat in so manchen christlichen Kreisen dadurch Einzug gehalten. Eine solche lehnt Paulus jedoch vehement ab. Die Konsequenz der richtigen Schriftteilung wäre folglich, dass Christen ihrer himmlischen Berufung gerecht werden und nicht mehr nach irdischer Macht streben würden.

Der gemeinsame Nenner

Wie bereits angedeutet ist die Schriftteilung, wie sie oben dargelegt wurde, bei den Theologen und Bibelauslegern stark umstritten.

Worin sich die meisten Theologen und Bibelausleger jedoch einig sind, ist die Ansicht, dass sämtliche Schlachtopferrituale aus dem Alten Testament von Christen nicht mehr praktiziert werden müssen, weil die meisten Opferrituale nur eine symbolische Darstellung auf das große Opfer Gottes sind. „Das Lamm Gottes“ ist ja nach Aussage von Joh 1:29 Jesus Christus, der die Sünden der ganzen Welt weggetragen hat. Ebenso existiert mehrheitlich ein Konsens darüber, dass sich nichtjüdische Christen nicht beschneiden lassen müssen. Dieses Thema hat Paulus im Galaterbrief ausführlich dargelegt. Auch die Beschneidung hat für die Christen eine allegorische Bedeutung, wie dies Paulus in Kol 2:11 deutlich macht. Der Priester- und der Opferdienst sowie die jüdischen Feste werden in den Briefen der Apostel als „Abbild und Schatten der himmlischen Dinge“ gesehen (Kol 2:16-17 & Hebr 8:3-5). Dadurch wird zwischen dem Alten Testament (auch: Alter Bund) und dem Neuen Testament (Neuer Bund) unterschieden (Jer 31:31 & Hebr 8:13). Für praktisch alle Bibelausleger ist das Alte Testament genauso das Wort Gottes wie das Neue. Im Alten Testament werden aber viele göttlichen Dinge symbolisch dargestellt, um diese anschaulich zu machen. Eine wortwörtliche Umsetzung von Opfer- und anderen Ritualen ist daher für Christen nicht mehr erforderlich.

Bei den meisten Theologen und Bibelauslegern dürfte man sich also darin einig sein, dass die Handlungen des Alten Testamentes, die laut Aussagen der Autoren des Neuen Testamentes für beendet erklärt wurden, buchstäblich auch nicht mehr praktiziert werden müssen. Wenn die Schriftteilung und „das Schneiden des Wortes“ nur so verstanden wird, dann kann dies wahrscheinlich eine Mehrheit der Bibelkenner unterstreichen.

Schriftteilung innerhalb des Neuen Testamentes?

Eine „Teilung“ innerhalb des Neuen Testamentes ist sehr umstritten. Die Befürworter der Schriftteilung innerhalb des Neuen Testamentes, sind der Auffassung, dass durch ihre Sichtweise viele Widersprüche innerhalb des Neuen Testamentes gelöst werden können. Die Gegner monieren, dass dadurch mehr Probleme entstehen als gelöst werden. Wohl kaum ein Befürworter der Schriftteilung innerhalb des Neuen Testamentes würde die Meinung vertreten, dass alle Aussagen in den Evangelien für die Christen keine Bedeutung mehr hätten. Für die Befürworter „dieser Schriftteilung“ dürfte z. B. die Aussage von Jesus, dass derjenige, der sein Wort hört und an den glaubt, der ihn gesandt hat (den Vater), das äonische Leben hat und nicht ins Gericht kommt, nach wie vor gültig sein (Joh 5:24); auch für die Christen aus den Nationen. Wenn die Befürworter viele Aussagen in den Evangelien aber nach wie vor als relevant bezeichnen, wer bestimmt dann, welche Aussagen in den Evangelien noch gelten und welche nicht? Wird dann nicht plötzlich die subjektive Wahrnehmung des einzelnen Auslegers zum Maßstab? Endlose Diskussionen und Streitigkeiten sind hier vorprogrammiert.

Die Argumente der Gegner

Die Gegner einer Schriftteilung innerhalb des Neuen Testamentes weisen auf die oben erwähnten Probleme hin und erklären sich wie folgt:

  1. Die Aussage „das Wort der Wahrheit“ richtig zu schneiden (2Tim 2:15), bezieht sich in erster Linie auf die Unterscheidung von alttestamentlichen Aussagen an das Volk Israel und dem Evangelium des Neuen Testamentes. Es ist kein Hinweis darauf, die Worte des Neuen Testamentes ebenfalls zu unterteilen. Im Weiteren kann diese Textpassage auch so verstanden werden, dass man je nach Lebenssituation, ein anderes Wort anwenden soll. Jesus hat den Juden erklärt, dass sie im Herzen bereits Ehebruch begehen, wenn sie eine Frau lüstern anschauen (Mt 5:28), währenddem er die Frau, die beim Ehebruch ertappt wurde, nicht verurteilte (Joh 8:11). Dieses Wiederum-steht-geschrieben ist ein sehr wichtiger Aspekt in der theologischen Diskussion und der praktischen Anwendung (Mt 4:7).
  2. Wenn Paulus im Galaterbrief erklärt, dass dem Petrus das Evangelium für die Beschnittenen und ihm das für die Unbeschnittenen (nichtjüdische Personen) anvertraut wurde, dann bedeutet dies lediglich, dass Petrus von Gott den Auftrag erhielt, mehrheitlich den Beschnittenen das Evangelium darzulegen (Gal 2:7-8). Dieser Auftrag ist ein anderer, weil die Juden einen ganz anderen Hintergrund haben. Sie denken sehr stark vom sinaischen Gesetz her und müssen aus einer anderen Position abgeholt werden, als die „Heiden“. Im Buch der Sprüche finden wir zwei gegensätzliche Anweisungen, die wie folgt lauten:
  • "Antworte dem Toren nicht nach seiner Narrheit, damit nicht auch du ihm gleich wirst! Antworte dem Toren nach seiner Narrheit, damit er nicht weise bleibt in seinen Augen!" (Spr 26:4-5)

So muss man z. B. die Anweisung aus Vers 4 auf die innere Grundhaltung anwenden, währenddem man den Ratschlag von Vers 5 manchmal nach Außen hin praktizieren muss. Obwohl sich diese beiden Stellen auf den ersten Blick widersprechen, so haben sie beide - richtig angewandt - eine wichtige Bedeutung. Es handelt sich also nicht um zwei Evangelien, die inhaltlich unterschiedlich wären, sondern um „ein Evangelium“ das unterschiedlich vermittelt und dargelegt werden soll. Einem Juden muss man das Evangelium ganz anders darlegen, als einem Urwaldindianer! Aber für beide gilt; nur durch den Glauben, resp. die Treue Jesu Christi in den Gläubigen, kommt es zu einer Rechtfertigung vor Gott (Gal 2:16). Auch Jakobus weist darauf hin, dass die Gläubigen den Glauben Jesu Christi in sich haben sollen (Jak 2:1).

  1. Das wohl augenscheinlichste Argument für eine Schriftteilung zwischen den Paulusbriefen und z. B. dem Jakobusbrief sind die sogenannt unterschiedlichen „Rechtfertigungslehren“. Daraus werden zwei unterschiedliche Evangelien gemacht. Paulus erklärt in Röm 3:28 und Röm 4:2, dass man „vor Gott“ nur durch Glauben, ohne Werke des Gesetzes, gerechtfertigt wird. Jakobus schreibt in seinem Brief (Jak 2:24), dass der Mensch aus Werken gerechtfertigt wird und nicht aus Glauben allein. Durch diese scheinbar gegensätzlichen Aussagen sind die Schriftteilungsbefürworter zu der Überzeugung gekommen, dass das Evangelium für die Beschnittenen ein anderes Evangelium ist; ein Evangelium aus „Gesetz und Gnade“, während Paulus nur ein Vertreter des „Evangeliums der Gnade“ war. Das aber würde, nach Auffassung der Gegner, in letzter Konsequenz bedeuten, dass es für einen messianischen Juden möglich wäre, vor Gott, mit „Glauben und Werken“ gerechtfertigt zu werden. Dem aber widerspricht Paulus, wenn er sagt, dass Gott „die Beschneidung aus Glauben und das Unbeschnittensein durch den Glauben (w. Vertrauenstreue) rechtfertigen wird“ (Röm 3:30). Warum sollte es den Juden möglich sein, durch Werke und Glauben vor Gott gerechtfertigt zu werden, wenn doch Paulus schreibt, dass aus Gesetzeswerken „kein Fleisch“ vor Gott gerechtfertigt wird – auch kein messianischer Jude (Röm 3:20). Ein vorerst augenscheinlicher Widerspruch muss aus göttlicher Sicht noch lange kein Widerspruch sein! Auch Paulus sagte in Röm 2:13, dass nicht die Hörer des Gesetzes vor Gott gerecht sind, sondern die Täter des Gesetzes werden gerechtfertigt werden. Diese Aussage widerspricht ebenfalls auf den ersten Blick mit Röm 3:28. Doch bei anderer Betrachtung lassen sich die unterschiedlichen Aussagen von Paulus und Jakobus vereinen, so dass auch die Aussagen von Jakobus, der Rechtfertigung „vor Gott“ „aus Glauben“, nicht widersprechen. Zwei Dinge sind dabei ganz wichtig: „Jakobus spricht nicht von ‚Werken des Gesetzes’ und er spricht auch nicht von einer ‚Rechtfertigung vor Gott’, wie das Paulus in Röm 3:28, resp. Röm 4:2 macht!“ Eine Rechtfertigung „vor Gott“, gibt es sowohl für die Beschnittenen, als auch für die Unbeschnittenen nur durch den Glauben, resp. die Treue Jesu Christi, die einen Christen erfüllt hat. Sobald der Glaube Jesu Christi in einem Christen vorhanden ist, entstehen „Glaubenswerke“, Werke die Gott zuvor bereitet hat (Eph 2:10). Paulus ermunterte auch, reich an guten Werken zu sein (1Tim 6:18). Er tat das nicht deshalb, weil man dadurch „vor Gott“ gerechtfertigt würde, sondern weil der „echte Glaube“ aus der Liebe lebt und die Liebe tut seinem Nächsten Gutes. Der echte Glaube produziert also immer „Glaubenswerke“. So hat der echte Glaube des Abraham, zu dem Werk geführt, dass er bereit war, seinen Sohn für Gott zu opfern (1Mo 22). Dadurch wurde Abraham vor Engeln und Menschen gerechtfertigt, aber nicht vor Gott! Die Glaubenswerke zertifizieren den echten Glauben. Geschöpfe können das Werk sehen und attestieren dann einen echten Glauben. Somit kommt es zu einer Rechtfertigung aus Werken vor Engeln und Menschen. Vor Gott gilt nur eine Rechtfertigung aus dem innewohnenden Glauben Jesu Christi, denn Abraham glaubte Gott und es wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet (1Mo 15:6 / Jak 2:23). Jakobus beschreibt in seinem Brief den „unechten Glauben“, den auch die Dämonen besitzen (Jak 2:19). Der unechte Glaube macht sich dadurch bemerkbar, dass man nicht aus der Liebe lebt, und das zeigt sich darin, dass man dem hungernden Bruder nichts zu essen gibt, obwohl man die Möglichkeit dazu hätte (Jak 2:15). Dadurch kann einem Menschen selbst und auch für andere deutlich werden, dass „dieser Glaube“ nicht echt ist und dieser unechte Glaube kann nicht retten! Jakobus beschreibt den echten und den unechten Glauben und macht deutlich, dass der echte Glaube reich an (Glaubens-)Werken ist – die Gott zuvor bereitet hat - währenddem der unechte Glaube eine große Gleichgültigkeit gegenüber der Not des Bruders zu Tage fördert! Jakobus beschreibt nach Meinung der Schriftteilungsgegner keine Rechtfertigung vor Gott aus „Gesetzeswerken. Alle Menschen, egal ob beschnitten oder unbeschnitten werden vor Gott nur durch den Glauben Jesu Christi gerechtfertigt. Es gibt kein „anderes Evangelium!“ Würde es ein Evangelium aus „Gesetz und Gnade“ geben, wo Menschen mit „Gesetzeswerken und Gnade“ gerettet werden könnten, dann wäre Gott nicht nur „doppelzüngig wie die Schlange“, sondern dann wäre Jakobus gemäß Gal 1:8-9 auch verflucht (w. gebannt). Es ist zwar denkbar, dass Jakobus anfänglich „gesetzlich“ geprägt war (Gal 2:11-12 / Apg 21:18-20) und dass dies beim Schreiben seines Briefes auch eine Rolle spielte. Doch der Heilige Geist als „Hintergrund-Autor“ des Jakobusbriefes (2Tim 3:16), hat darüber gewacht, dass das „eine Evangelium“, nämlich die Rechtfertigung vor Gott aus Glauben allein, gewahrt blieb. Man kann nur durch den echten Glauben gerettet werden und nicht durch Werke; auch bei Jakobus! Jakobus offenbart nur den unechten Glauben, der nicht retten kann! (Weitere Informationen zu den scheinbaren Widersprüchen in der Bibel, siehe Das Schwert des Geistes - Bipolares Schriftverständnis von H. Stoye und Die Bipolarität der Schrift (Grafik)).
  2. Es ist zwar augenscheinlich, dass Jesus seinen Jüngern noch nicht alles sagen konnte – weil sie es nicht ertragen konnten (Joh 16:12) – und trotzdem bilden die vier Evangelien die unabdingbare Grundlage für das Evangelium der Gnade, welches von den Aposteln zu einem späteren Zeitpunkt vertieft erläutert wurde. Die Briefeschreiber des Neuen Testamentes durften zu einem späteren Zeitpunkt die Dinge darlegen, welche die Jünger vor dem Tod und der Auferstehung Jesu Christi noch nicht ertragen konnten. Erst durch weiterführende Erlebnisse, Prozesse und Offenbarungen war dies möglich.
  3. Ein zentrales Argument der Schriftteilungsgegner ist, dass kein verbindlicher Maßstab dafür besteht, welche Aussagen der vier Evangelien und der Briefe für wen gelten. Wenn man behaupten würde, dass sämtliche Aussagen dieser Texte für Christen „aus den Nationen“ keine verbindliche Bedeutung mehr haben, dann würde man diesen Christen die Grundlage des Evangeliums der Gnade rauben. Würde man behaupten, dass nur diejenigen Stellen noch von verbindlicher Bedeutung sind, die nicht mit den Aussagen des Apostels Paulus widersprechen, dann macht man das eigene Empfinden zum Maßstab. Der persönliche Intellekt sieht in vielen Stellen zuerst einmal einen Widerspruch (z. B. Spr 26:4 + Spr 26:5 oder Röm 2:13 + Röm 3:28), der aber aus göttlicher Sicht gar nicht existiert, und der erst nach mehreren Lebens- und Denkprozessen in ihrer gesamten Bedeutung erkannt werden kann. Wenn Menschen bestimmen, welche Worte Gottes uns gelten und welche nicht, dann gibt es immer ein geistliches Chaos! Die erste Verführung Satans, begann mit den Worten: „Hat Gott wirklich gesagt (1Mo 3:1)?“ Heute kommt die Verführung anders daher! „Das was Jesus zu den Menschen gesagt hat, gilt für dich als nichtjüdischer Christ in etlichen Teilen nicht persönlich! Du musst dich durch seine Aussagen nicht beunruhigen lassen. Das hat Gott nicht wirklich zu dir gesagt!“ Die Gegner der Schriftteilung innerhalb des Neuen Testamentes orten darin eine gefährliche Irrlehre.
  4. Darin, dass man in der Offenbarung und in anderen Schriften des Neuen Testamentes Angaben, Prophetien und Verheißungen findet, die nach der Entrückung der Gemeinde von Bedeutung sind, sehen die Kritiker keinen Beleg für die Richtigkeit der Schriftteilung innerhalb des Neuen Testamentes.

Zusammenfassung

Ohne Zweifel werden etliche Anweisungen des Alten Testamentes, von den Autoren des Neuen Testamentes für die Christen als abgeschlossen erklärt (Schlachtopfer, Krieg gegen „Fleisch und Blut“, Beschneidung für Nichtjuden usw.). Trotzdem werden diese Anweisungen als Wort Gottes angesehen und haben nach wie vor eine allegorische Bedeutung! Wenn aber die Autoren des Neuen Testamentes praktische Anweisungen des Alten Testamentes für das Leben im Alltag nicht aufheben, dann tut jeder Mensch gut daran, sie weiter zu befolgen.
Die Befürworter der Schriftteilung innerhalb des Neuen Testamentes, begründen ihre Meinung mit den genannten Adressaten, des jeweiligen Buches oder Briefes. Scheinbar widersprüchliche Anweisungen zwischen den außerpaulinischen Texten und den Briefen des Apostels Paulus, sehen sie als Beweis für ihre Meinung, dass diese Schriften nicht den Christen aus den Nationen gelten.
Sowohl die Befürworter, als auch die Gegner der Schriftteilung innerhalb des Neuen Testamentes, verfügen auf den ersten Blick über stichhaltige Argumente für ihre Meinung. Um sich in dieser Sache eine fundierte Meinung bilden zu können, sollte man auf jeden Fall keine vorschnellen Schlüsse ziehen, sondern die jeweiligen Argumente einer möglichst „objektiven Prüfung“ unterzuziehen.

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