Geleitwort

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Abschrift des Buches: Rom - Babel - Jerusalem’'
Der Menschheitsgang im Licht der Schrift bis zur Vollendung des Gottesreiches

Verfasser: G. Thaidigsmann'’' (Pfarrer in Waldbach) (1928)
Verlag: Gebrüder Schneider, Karlsruhe i. B.

Inhaltsverzeichnis'’'

Geleitwort'’'


Das Vorwort ist die Stelle des Buches, wo ein persönliches Wort gesagt werden darf. So möchte der Verfasser hier einiges über die Entstehung des Buches, und der darin enthaltenen Gedanken mitteilen und aussprechen, was ihn bei der Herausgabe des Buches bewegt.

Das vorliegende Werk ist keine Augenblicksarbeit. Es ist herausgewachsen aus dem Lebensgang des Verfassers und aus seiner Stellung zur Bibel. Die letztere war ihm zwar von früh an wichtig und lieb gewesen, aber in manchen Teilen, zumal in ihrem weissagenden Wort, noch verschlossen, ja fremd geblieben. Dann kam, noch während des Kriegs, eine Zeit, da ihm die Bibel in neuem Sinn lebendig wurde, und zwar auch in den bis dahin noch nicht begriffenen, und ergriffenen Teilen. Nun entstand in ihm eine doppelte Bewegung: von der als Schrift erfassten Bibel zum Verständnis des eingreifenden Zeitgeschehens, und von der Wahrnehmung des Zeitlaufs, wieder zu tieferem Verständnis der Schriftwahrheit, zumal des weissagenden Wortes. Diese Doppelbewegung mit ihrer gegenseitigen Durchdringung ist der Quellort der vorliegenden Arbeit.

Seit annähernd einem Jahrzehnt haben mich die in diesem Buch dargelegten Gedanken bewegt, ja umgetrieben. Als geschlossenes Ganzes waren sie freilich nicht mit einem Male vorhanden. Vielmehr fügte sich eins ans andere. Manches Buch gab reiche Förderung; solche Schriften sind an den entsprechenden Stellen genannt. Genannt seien in diesem Zusammenhang auch die Schriften von Samuel Limbach, deren Inhalt mir zwar im einzelnen nicht mehr gegenwärtig ist, die mir aber zum ersten mal die Offenbarung Johannis nahegerückt haben. Bald war es ein müheloses Forschen, bald ein geschenkweises Aufgehen von Erkenntnissen, bald ein Weiterlernen, bald ein Umlernen, bald ein Erkennen mit heller Freudigkeit, bald ein Erschrecken vor den gewonnenen Erkenntnissen. Nun ist das Gedankengefüge zu einem gewissen Abschluss gelangt. Dadurch sind indessen Ergänzungen und Berichtigungen, selbst in wichtigen Stücken, nicht ausgeschlossen.

Auch die Entstehung des Buches selber sei gestreift. Der Drang zu zusammenhängender schriftlicher Darstellung der Gedanken bestand bei mir schon seit Jahren. 1919 kam die erste größere Niederschrift allgemeiner Art zustande; in den nächsten Jahren folgten vier Übersichten, die sich um das Verständnis der Gesamtgeschichte und der kommenden Zeit mühten. Im Sommer 1926 gedachte ich den Urlaub in einem stillen Schwarzwalddorf zur endgültigen Ausarbeitung zu benützen. Dieser Zweck wurde damals angesichts des Umfangs, und der Schwierigkeit der Aufgabe nicht erreicht. Und doch geht die Entstehung dieses Buches in jene Sommertage zurück. Denn am genannten Ort wurde ich ohne mein Zutun mit einem Mann bekannt, bei dem ich zu ersten mal volles Verständnis für die mich bewegenden Gedanken fand. Sein Name sei dankbar genannt: Stadtmissionar Fr. Schneider in Pforzheim. Damals begann ein lebendiger geistiger Austausch. Nun folgten nahezu 1 1/2 Jahre eines angespannten Arbeitens neben einem umfangreichen Pfarramt. Von fünf in dieser Zeit entstandenen Ausarbeitungen, mit verschiedenen Ansatzpunkten, liegt nun die letzte in diesem Buch vor.

Es liegt mir daran, die Darbietungen dieses Buches von der Darbietung des Evangeliums zu unterscheiden. Die letzte ist eine unmittelbare Bezeugung Christi, die sich an den ganzen Menschen wendet und ihn ins Reich Gottes ruft. Bei den Darlegungen dieses Buches handelt es sich zunächst nur um Darbietung von Gedanken, die um prüfendes Nachdenken werben, die also auch, selbst in wichtigen Stücken, bezweifelt, beanstandet und abgelehnt werden können, ohne dass daraus ein Schluss auf einen Mangel des Glaubenslebens gezogen werden könnte. Im Unterschied davon wäre eine Ablehnung des Evangeliums, wenn dasselbe einigermaßen verstanden worden ist, Sünde, die vor Gott schuldig macht. So sind die Ausführungen dieses Buches nicht als Joch gemeint, unter das ein Leser sich beugen müsste.

Sie sind auch, obwohl sie das ernste Betreben haben, die Linien des Schriftganzen einzuhalten, nicht gleichwertig mit den Schriftaussagen. Die Schrift, auch ihre einzelnen Aussagen können Ehrerbietung beanspruchen. Menschliche Ausführungen dagegen können den Anspruch auf Achtung und Beachtung nicht in gleichem Maß erheben, selbst wenn sie mit heißem Bemühen eine Zusammenfassung des Schriftganzen darbieten wollen. Auch in diesem Fall liegt die Möglichkeit des Missverstehens des Schriftsinns im ganzen und der Schriftaussagen im einzelnen vor. Darum muss die Bereitschaft bleiben, auch lieb gewordene Gedanken zu berichtigen oder aufzugeben, wenn es sich erweisen sollte, dass sie dem Schriftganzen widerstreben. Diese Bereitschaft muss besonders im Blick auf den Fortgang der Geschichte vorhanden sein, der unserem menschlichen Auge noch verhüllt und nur durch das weissagende Wort der Schrift beleuchtet ist. Das nachsinnende Erforschen der Weissagung ist von der Weissagung selbst zu unterscheiden. Die Weissagung wird ja erfüllt werden zu ihrer Zeit; die menschliche Ausdeutung der Weissagung dagegen kann sich als irrig erweisen, selbst in wichtigen Punkten. Der Verfasser ist sich des Ernstes dieser Unterscheidung bewusst. Es wird davon im Nachwort noch des näheren die Rede sein.

Haben nun diejenigen recht, die aus den eben dargelegten Gründen auf den Blick in die Zukunft verzichten, und glauben, auch die Christenheit könnte oder sollte, notgedrungen oder glaubensmäßig, sich mit einem solchen Verzicht zufrieden geben? Eine solche Bescheidung ist schwerlich Sinn der Schrift. Diese richtet die Gedanken und den Willen klar und bestimmt auf das kommende Reich Gottes. Was bis jetzt im Menschheitsgang wahrzunehmen ist, das ist wohl das Aufleuchten dieses Reichs, und sein stiller Gang durch die Geschichte, aber noch nicht sein Offenbarwerden. Die Schrift selber leitet dazu an, die Verbindungslinien zu sehen zwischen der Zeit der Verborgenheit und Niedrigkeit des Reichs und seiner Herrlichkeitsgestalt. Und der Hauptgegenstand ihres Unterrichts über dieses Stück der kommenden Zeit ist dies, dass die genannten Linien nicht auf ebenem Weg laufen, sondern über einen Abgrund hinüberführen. Der Abgrund ist die Ausgestaltung der Menschheit nach satanischem Willen.

Wenn der Blick auf das kommende Reich gewonnen ist, dann sträubt sich das ganze Gefühl, nicht nur das natürlichem, sondern ebenso das christlich geleitete, gegen das Leerlassen und Leerhalten des wichtigen Zwischenstücks zwischen der Gegenwart und dem Reich Gottes. Einem Christen werden klare Gedanken über den Menschheitsweg zum Reich Gottes zum Bedürfnis. Er muss sich ja vor dem Denken nicht fürchten, und es wird vom Glaubenden auch kein Verzicht auf das Denken verlangt. Nur eine gründliche Reinigung und Umstellung muss es sich gefallen lassen; dann aber fließt ihm gerade aus dem Glauben Belebung und Schärfung zu. Das Wort der Schrift gibt dem Denken Tiefe und Weite und Höhe. Indessen verlangt nicht nur Gefühl und Denkbedürfnis nach einem klaren Durchblick, und Überblick über die Menschheitsgeschichte, in die wir hinein verflochten sind; sondern auch die Notwendigkeit des Wollens und Handelns, die als sittliche Pflicht dem Christen obliegt, zwingt zum Durchdenken von Welt und Zeit anhand der Schrift. Der Zeitlauf ist ernst. Bilden wir unsere Gedanken nicht nach der Schrift, die den gegenwärtigen Zeitlauf, seit Christi erster Erscheinung, als dem Ende entgegeneilend bezeugt, dann lässt sich die Gefahr nur schwer vermeiden, sich über diesen Ernst durch gefärbte Stimmungen und trügerische Hoffnungen hinweg zu täuschen. Wenn wir uns die genannte biblische Bezeugung nicht zu eigen machen, dann wird die Versuchung zu freundlicher Umdeutung der Zeichen der Zeit um so stärker werden, je eindringlicher sie auf das nahe Ende des gegenwärtigen Geschichtslaufs hinweisen. Denn das Wort von diesem Ende ist eine Pein, die nur getragen werden kann, wenn der Glaube nach der Verheißung der Schrift über dasselbe hinausschaut, in den kommenden Weltlauf und in die neue Schöpfung Gottes.

Die biblische Beurteilung der biblischen Zeit ist verhältnismäßig einfach. Sowie es sich aber um die Beurteilung der Zeit seit dem Ende des 1. Jahrhunderts handelt, und noch mehr, wenn Richtlinien für die Bewertung der Gegenwart, und für den Blick in die Zukunft gesucht werden, dann spielen Stimmungen verschiedener Art eine große Rolle. Der Verfasser dieses Buchs bittet dessen Leser, sie möchten beim Lesen Stimmungen zurückstellen und das Buch zu Ende lesen. Über allen Stimmungen steht die Frage nach der Wahrheit und Wirklichkeit. Der Herr der Kirche, der zugleich der Herr der Menschheit ist, gebe Gnade, dass dieses Buch manchen ein Wegweiser sein darf!

Waldach, den 7. Januar / 18. Juni 1928

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