Die tägliche Arbeit

Aus Bibelwissen
Version vom 23. Februar 2021, 16:20 Uhr von MI (Diskussion | Beiträge) (Wir vertrauen aber auf euch)

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Abschrift des Buches: Der zweite Thessalonicher Brief
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Neu durchgesehene Auflage
St.-Johannis-Druckerei, Lahr-Dinglingen (Baden) 1957

weitere Abschriften:

Inhaltsverzeichnis des Buches

I. Die Trübsal in Christus
II. Die antichristliche Zeit

In Bearbeitung:

III. Die tägliche Arbeit

Im Lichte des Tages des Herrn

Kapitel 3
Hat der ganze zweite Thessalonicherbrief uns ins Licht des Tages des Herrn gestellt, so stellt das d r i t t e K a p i t e l noch in Sonderheit die t ä g l i c h e A r b e i t ins Licht des T a g e s des H e r r n. Auf den ersten Blick erscheinen ja die täglichen Arbeiten und das wahre Warten auf das Kommen des Herrn als Gegensätze. Bei den Thessalonichern haben sich auch beide Gegensätze in gewissem Sinne ausgewirkt. Über dem hin und her Besuchemachen bei Brüdern im Herrn und über dem Sichaussprechen über den nahe erwarteten Herrntag war eine Vernachlässigung der irdischen Berufsarbeit eingetreten. Schon im ersten Brief hatte der Apostel etliche Glieder der Gemeine aufs Stillesein und auf das Mit-den-Händen-Schaffen hingewiesen. Er muss das im zweiten Brief wiederholen. Dabei greift er aber weiter hinaus. Er stellt auch s e i n e ganze Arbeit ins Licht des Tages des Herrn. Nicht nur die irdische Berufsarbeit bekommt im Licht des Herrntages ihre ganz bestimmte und feste Stellung, sondern auch der Gebets- und Wortdienst an der Gemeine wird voll und ganz in seiner Art bestimmt durch den Blick auf den Tag des Herrn. Auf diese geistliche Wirkungsweise geht der Apostel nun zuerst ein. Dabei ruft er den Thessalonichern zu:

Im übrigen, Brüder, betet für uns

2Thes 3:1
Die apostolische Gemeine-Wirksamkeit ging durchaus von der Gemeine aus und war von ihr getragen. Wer irgendeinen Dienst in der Gemeine haben und tun wollte, der musste zuerst zur Gemeine gehören und ein gläubiger Bruder sein, einerlei ob er Apostel oder Ältester war. Auch Paulus ist als ein mit Gaben versehener Bruder von der Gemeine unter Handauflegung zum Apostel gesegnet worden. Wenn er sein Apostolat als von Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus herleitet, so tut er das, weil er weiß, woher er die natürlichen und geistlichen Gaben hat. Aber trotz dieser Gottbegnadung und Geistesbegabung tritt er nicht von sich selber in den Dienst, sondern die gläubigen Brüder, die ihn erkannt haben, segnen und bestimmen ihn auch. Und so ist er auch von der gläubigen Gemeine abhängig geblieben. Nicht nur kehrte er immer wieder zu ihr zurück und legte ihr Rechenschaft ab, sondern er stand auch fortwährend unter ihrem mitwirkenden Gebet. Dies konnte nur eben darum so wirksam sein, weil er stets als Bruder mitten unter der Gemeine stand.

Die heutige Reich-Gottes-Arbeit unterscheidet sich in vieler Hinsicht von dieser apostolischen, im Lichte des Tages des Herrn und damit eben im Lichte der Gemeine stehenden Art. Viele Träger des Wortes auf allen Gebieten sind gar keine Brüder, vor allem keine bewährten und bei den Gläubigen legitimierten und von ihnen anerkannten Brüder. Viele stehen auf einer viel breiteren, weltlichen Grundlage als jener der Gemeine der Brüder. Sie stützen sich auf human, wohlgesinnte, wohltätige und ähnliche Kreise. Darum sind sie auch nicht getragen von den Gebeten der Gläubigen, eher von den Geldmitteln gewisser Kreise. Die apostolischen Gemeineaufgaben haben nicht soviel Geld gekostet, sie bedurften aber desto mehr der Gebete. Sie waren eben nicht organisierte Unternehmungen, sondern organisch aus der Gemeine herausgewachsen. Was in der Gemeine steht und glaubensmäßig anerkannt und geistesmäßig legitimiert ist, das läuft unter dem vollen Gebetssegen der Gläubigen, und das gibt dann viel kräftigere Geistesauswirkungen. So ruft Paulus: „Brüder, betet für uns!“

Er war nicht ein Beamter oder angestellter der Gemeine, sondern ihr Glied - er war in ihrem Lebensorganismus, und da gehört die Gebets- und Fürbittefunktion wesentlich mit hinein. Es war ein gemeinsamer Kampf, welchen die Brüder alle, ein jeglicher in seiner Art und nach seiner Gliederaufgabe, um die Herausholung und Tüchtigmachung der Gemeine kämpften. Da kommt sich dann der einzelne, welcher keine besonderen Gaben hat, nicht bloß als ein bedientes Glied vor, sondern als ein lebendiger, mit in der vordersten Reihe stehender Kämpfer. Er b e t e t ja m i t. Die besonderen Gaben sind nichts und wirken nichts ohne diese Beterkolonnen. Nur als an- und eingewachsene Glieder des Gesamtleibes taugen sie etwas. Darum ruft sie Paulus immer wieder auf: „Brüder, betet für uns!“ Das ist Tagesarbeit im gegenwärtigen Gottestag und Hinarbeit auf die Vollendung dieses Gottestages - dieses Einsssein im Gebet. Und wer wird da am Tage des Herrn vielleicht als der Wichtigere und Gesegnetere geoffenbart: der besonders Begabte und auf sichtbarem Posten Stehende oder der starke Beter? Ja, der Tag des Herrn wird’s offenbaren! Bis dahin betet für uns!

Paulus als apostolisch Begabter, als Grundleger im Bruderdienst hat natürlich ein Hauptinteresse,

dass das Wort des Herrn laufe und verherrlicht werde wie auch bei euch'’' (Vers 1)
Wie ist Paulus davon durchdrungen; „Wort des Herrn“, also ewiges Gotteswort, zu bezeugen. Ja, was er weitertrug, war nicht etwas a u s i h m Geflossenes, sondern w i d e r i h n, wider seine ganze Natur hatte dieses Wort sich in ihm durchgesetzt. Zu einer ganz neuen Kreatur hatte es ihn gemacht - auf einen ganz neuen Weg, auf einen tief passionellen hat es ihn geworfen. Paulus hatte viele und lang fortlaufende Offenbarungen des Herrn - sichtbare und geistesmäßige. Wenn der Heilige Geist dies geoffenbarte Apostelwort in uns als Wahrheit verklärt und uns den Glauben gibt,es anzunehmen und darin zu stehen, wenn dies Wort der Apostel uns neu schafft und Geisteswege weist, dann stehen auch wir auf Gottes Wort und können Gottes Wort bezeugen. Und dies Wort ist eben jetzt das Wort von der Glaubensgemeine und von ihrem Gang bis auf ihren Tag.

Im Epheser- und Kolosserbrief hebt es der Apostel besonders hervor, dass das Wort vom Leibe Christi, aus Juden und Heiden heraus berufen, der sonderliche Gottesauftrag sei, welche er erhalten habe und welchen den vorigen Propheten noch verborgen gewesen sei. Es wird wenig volles Gottewort in diesem paulinischen Sinne verkündigt. Man ist hinabgesunken auf den gesetzlichen Königreichsweg und will vergeblich, ach so vergeblich, vorweg heraufführen, was erst nach Vollendung der Gemeine geschehen kann. Das Wort des Herrn ist nach paulinischem Begriff das Wort vom Leibe und vom Tage. Dies Wort hat in Thessalonich etliche Seelen herausgeboren im Geiste, und dasselbe solle es, so wünscht Paulus, auch weiter und anderwärts tun. Das Wort d e s H e r r n - das ist das Wort, ,welche Ihn, den Herrn, allein zum Gegenstand hat. Das ist das Wort, welches die Seelen zum Herrn rufen und in dem Herrn befestigen sollen. Je mehr sich die Wortverkündigung vom Gemeineboden entfernt, umso mehr verliert sie den Herrn als Zentrum. Sie kommt in ein Vielerlei von Werken hinein. Die Wortverkündiung außerhalb der Gemeine weicht vom Herrn.

„Wort des Herrn“ kennt der Apostel. „Herrnleute“ will er herausrufen. Das Charakteristikum des Glaubens in diesen Tagen ist nicht das R e i c h s m ä ß i g e, sondern das H e r r n m ä ß i g e , nicht das große Sachliche, sondern das durch und durch Persönliche, wie es eben Glieder an einem Hupte sind. Und dieses Wort l ä u f t, wenn es Geister erfüllt mit dem Heiligen Geiste und sie glaubensmäßig versetzt in das Gesetz des Geistes, das da lebendig macht in Christus Jesus. Das W o r t l ä u f t - das ist ein merkwürdiger Ausdruck. Er hat etwas Schnelles und Eilendes in sich. So ist auch Paulus mit diesem Wort über Länder und Meere geeilt. Das Wort sitzt nicht und bleibt nicht sitzen und nimmt keinen seßhaften Charakter an. Es eilt an die Herzen, klopft an und ruft; erfolgt kein Echo, so eilt es weiter. Es läuft - es fasst hier einen und da einen und nimmt ihn mit auf den ewigen Weg. Es hört irgendwo auf und geht doch wieder hin. Und wo es Eingang findet, da schafft es L ä u f e r. Da gibt’s einen Wettlauf, den Ehrenpreis zu erlangen. Da wird nachgejagt dem vorgestreckten Ziel, dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christus Jesus. Wo das Wort des Herrn führt, da wird herausgelaufen aus dem eitlen Wandel nach väterlicher Weise, und da wird in den Schranken gelaufen bis es heißen kann: „Ich habe den Lauf vollendet.“

Und jeder, in welchem es läuft, der läuft selbst auch wieder, es anderen zu bezeugen, in seiner Art, nach seinem Maß der Gabe. Und so wird das laufende Wort „verherrlicht“. Neue Menschen, neue Gemeinen werden. In neuer Weise erstrahlt es in jedem einzelnen. Jeder Gläubige ist eine Verherrlichung des kräftig schaffenden Wortes. So ist’s ja auch in Thessalonich gegangen. Das Wort ist hineingelaufen und hat durch den Geist Ewigkeitsmenschen heraus zeugen dürfen. Wo Gläubige sind, ist das Wort herrlich - es erscheint in neugeborenen Menschen. Da läuft es einher in seiner Macht und Kraft in auferstandenen Seelen.

Allerdings, wie es auch in Thessalonich war: wo das Wort läuft und herrlich wird, da wacht immer auch die Finsternis auf und macht mobil. Wort gottes ohne Kampf und Streit ist wunderbar. Darum muss Paulus um Fürbitte flehen, dahingehend,

Dass wir errettet werden

2Thes 3:2
dass wir errettet werden von den platzwidrigen und bösen Menschen.
Die Zeit der Gemeinepredigt ist auch die Zeit der Machtoffenbarung Satans. Das ist klar. Durch die Gemeinepredigt werden die Erstlinge des Herrn herausgerufen. Durch die Gemeinepredigt werden die zukünftigen Könige und Priester herausgebildet. Die jetzt lebendig Glaubenden werden die Herrschenden im Königreich des Herrn. Die vollendete Gemeine nimmt nach Bindung Satans zunächst in geistesmächtiger Weise die Stellung Satans unter dem Himmel ein und übt von dort aus die Geisteseinflüsse aus, welche nötig sind zur Aufrechterhaltung und zu Durchführung der Herrschaft Christi. Das regt Satan auf. Da macht er all seinen Einfluss geltend, diese Gemeine zu vernichten. Aber es gilt der Gemeine in noch höherem und tieferem Sinn, was schon Israel gilt: „Die Pforten der Hölle sollen sie n nicht überwältigen.“ Aber der Teufel, der Widersacher, ist umgegangen und geht um und sucht, welchen er verschlinge. Und zur paulinischen Zeit ist er wirklich und wahrhaftig umgegangen wie ein brüllendeer Löwe. Da floss Blut. Da bittet nun Paulus die Thessalonicher, einzutreten, dass er errettet würde von den platzwidrigen und bösen Menschen.

Es ist uns etwas schwer geworden, das erste Wort unseres Textes, welchesLuther mit „unverständig“ übersetzt, so recht sinngemäß wiederzugeben. „Platzwidrig“ nenne wir nach der Schrift die hier gemeinten Menschen. Paulus zielt offenbar auf die widrigen Juden, welche ihn überall verfolgen. Und diese Leute hätte wahrhaftig an einem anderen Platze stehen sollen. Sie hätten sollen Grundpfeiler der Gemeine sein. Ihr Platz war erwählungsmäßig in der Offenbarung des Herrn. Dass sie die Gehässigsten waren, das war platzwidrig. Diese Platzwidrigkeit tritt beim Laufe der Gemeine immer wieder heraus. An den Plätzen hätten Päpste, Bischöfe und andere Kirchenfürsten nicht stehen sollen, an welchen sie in dieser Gemeinezeit oft standen. An d e m Platze hätten Pfarrer und Lehrer oft nicht stehen sollen, an welchen sie den Gläubigen gegenüber Stellung genommen haben. Da hätte man viele nicht vermutet, wo sie oft standen, nämlich im Gegensatz zu einem lebendigen Geistesleben.

Die Platzwidrigen sind eine laufende Erscheinung im Gemeinezeitalter. Und dazu kommen die Bösen. Das sind die Menschen, welche dem unteren Prinzip angehören, die Diesseitsleute im Kulturwesen der Menschen auf allen Gebieten. Stellt die Platzwidrigen mehr das Judentum und im weiteren Verlauf die Kirche, so stellt die Bösen, die vom satanischen Großmachtprinzip Beseelten, mehr der Staat, die Wissenschaft, die Kultur. Beide vereint sind Gegner der Gemeine und haben auch Paulus schwere Tage bereitet. Je mehr es dem Ziel des Tages des Herrn zugeht, treten diese beiden im falschen Propheten und im Antichristen heraus. Von ihnen möchte Paulus durch die Hilfe der Fürbitte der Thessalonicher errettet werden.

Im Blick auf sie fügt Paulus im Geiste noch die Bemerkung hinzu:

denn nicht Sache des Jedermann ist der Glaube (Vers 2)
Da haben wir wieder aufs deutlichste den Gemeine und Auswahlgedanken. Der „Jedermann“, die „Alle“ kommen jetzt nicht dran. Das ist das Katholische, auf die „A l l e“ gerichtet sein, denn „k a t h o l i s c h“ heißt auf das Ganze, auf alle ausgehen. Diesen Weg beschreitet auch unsere evangelische Kirche, sonderlich seit Krieg und Revolution, klar und entschieden - wir sagen das mit tiefen Schmerz. Damit gerät sie immer schneller ins falsch-prophetische Lage. Der Glaube, der Glaube in der Gemeinezeit, ist nicht Sache der „Alle“. Der lebendige Glaube ist Geistes-Geschöpf, der natürliche Mensch will Fleisch; der lebendige Glaube ist Weben und Leben im Unsichtbaren, der natürliche Mensch will sehen und schauen; der lebendige Glaube ist Lebenshingabe an den Herrn im Ich-Zerbruch, der natürliche Mensch will Ich-Leben. Der „Jedermann“ hat das Gegenprinzip des Glaubenslebens zu seinem Element. Nur wenige lassen sich in diesen Gemeinezeiten herausrufen und herauswählen und in Gegensatz setzen zum Fürsten dieser Welt, zur väterlichen Weise und zum eigenen Ich-Begehren. Von einer Aufrichtung der Königsherrschaft Christi ist in der Zeit der Auswirkung des satanischen Prinzips keine Rede, für die Durchdringung der Massen mit dem Geiste Christi in der Zeit der mangelnden Buße keine Möglichkeit. Der glaube ist im Gemeinezeitalter Sache einzelner, Sache weniger. Die Gemeinen Christi dürfen j e t z t nicht hoffen, die Weltherrschaft Christi heraufzuführen. Sie müssen froh sein, wenn sie von ihrem Herrn durchgetragen werden durch alle Offenbarungen der Finsternis. Darum sagt Paulus auch weiter

Getreu aber ist der Herr

2Thes 3:3
Getreu aber ist der Herr, der euch stärken wird und bewahren weg von dem Bösen.
Der Teufel ist jetzt an der reihe und hat in der Öffentlichkeit das große Wort. Der Böse und in ihm das Böse treiben zur Offenbarung. Das m u s s zuerst sein, ehe Christus herrschen kann. Je mehr d e r Böse und d a s Böse heraustreten, umso furchtbarer ist das Todeswesen. Je furchtbarer aber das Todeswesen, umso erlösungsbedürftiger und endlich erlösungsverlangender werden die Menschen. Mitten durch die Entfaltung der Finsternis hindurch wird die Gemeine berufen, erwählt, bewährt und vollendet. Der Zorn, der Hass, der Eifer der Finsternis wird am Lichtwesen der Gläubigen entzündet. Darum ist die Gemeine in ihrem Äon unterm Kreuz. Keine äußere Herrlichkeit ist ihr eigen. Aber unter dem äußeren Druck wird in Christus ihre innere, am Tage des Herrn offenbar werdende Herrlichkeit geschaffen. Dabei hat die Gemeine der Gläubigen die Treue ihres Herrn zugesichert bekommen. In unwandelbar gleicher Liebe steht Er zu den Seinen. Ihnen ist er gestern und heute und in alle Ewigkeiten derselbe.

Alle Anläufe des Bösen dürfen sie in der vom Geiste in ihnen verklärten Liebe ihres Heilandes überwinden. Die Gemeine ist sehr schwach gegenüber der in großer Macht und Scheinherrlichkeit hervorbrechenden Finsternis. Der Herr wir die Seinen stärken. Standkraft, Haltekraft, Überwindungskraft bekommen sie. Es gibt keinen Anlauf,der im Herrn nicht abgeschlagen werden kann. Töten und wegschaffen will Satan die Gemeine, aber der Herr bewahrt sie vor dem Bösen. Trotz aller weltmachtmäßigen, trotz aller wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und anderen Mittel, welche dem Fürsten der Welt in diesen Tagen zu Gebote stehen, hat er die Gemeine noch nicht hindern können. Einfältig und zielklar geht sie ihren Weg. Sie war, sie ist, und sie wird sein. Und in der letzten, schwersten Zeit, wenn das Ich-Wesen am gewaltigsten, verführerischsten und gewalttätigsten sein Haupt erheben wird, da wird der Herr mitten drin Seine Gemeine wegnehmen und bei Sich verklären.

Das Gericht über Satan, den Antichristen und den falschen Propheten und über alle, die ihm anhingen, erlebt die Gemeine nicht mehr auf erden, sondern bei ihrem Herrn, zu dem sie versammelt ist in der Luft. Darum können die Thessalonicher ruhig und still bleiben und dieser Stärkungs- und Bewahrungstreue des Herrn sich zuversichtlich überlassen. Von ihren Aufregungen und Unruhen betreffs des Tages des Herrn können sie getrost ablassen. Der Apostel hofft und vertraut, dass die Thessalonicher in dieser Hinsicht tun und tun werden, was er ihnen gebietet. Er sagt:

Wir vertrauen aber auf euch

2Thes 3:4
Wir vertrauen aber in dem Herrn auf euch, dass ihr tut und tun werdet, was wir gebieten.
Wenn jemand in dem Herrn steht, darf und kann man allerhand Vertrauen zu ihm haben. Das weiß selbst die Welt, dass recht Gläubige Vertrauenspersonen sind. Vor allen Dingen soll man ihnen auch darin vertrauen können, dass sie ein Wort der Ermahnung und Zurechtweisung annehmen. Das ist sonst nicht gerade Sache des Menschen, nämlich des natürlichen Menschen. Der geistliche Mensch aber ist ein Wortannehmer. Er hat gelernt und übt es, das Wort anzunehmen mit Sanftmut. Nimmer er aber das Wort des unsichtbaren Gottes an, wieviel mehr wird er auch das Wort der Brüder in Christus annehmen. Dem Wort der Mahnung - wenn es von Glaubensseite kommt - widerstrebende Gläubige stehen gewiss nicht richtig. Der Apostel vertraut auf das in Christus gegründete Wesen der Thessalonicher, dass sie tun werden, was er ihnen nun noch sonderlich über das praktische Verhalten im Licht des Tages des Herrn zu sagen hat ehe er aber mit scharfer Zucht und Mahnung zugreift, tröstet er sie noch einmal. Sie sollen wissen: er liebt sie. Sie sollen wissen, er kennt ihr Kreuz und ihre Trübsal wohl, er will mit seinen Zuchtmahnungen nicht noch ein Kreuz zum anderen legen. Aber sagen m u s s er es ihnen. Doch zuvor ein Wort der Liebe und des Trostes.

Der Herr richte eure Herzen auf

2Thes 3:5
Der Herr aber richte eure Herzen geradewegs auf die Liebe Gottes und auf das Tragen Christi
Im Kreuz nur nicht steckenbleiben! Durch den Geist geradewegs auf den Herrn gerichtet sein! Und eines festhalten: Geliebt bin ich von Gott, ja ich bin ein Geliebter Gottes. Das darf bei einem Menschen, der einen Heiland hat, welcher für ihn gestorben ist, nie wanken, dass er von Gott geliebt ist. Kreuz und Trübsale, Sorgen und schwere Tage sind uns kein Gegensatz zur Liebe Gottes, sondern sind uns Mittel der Liebe Gottes zu unserer Vollendung. Ein Kind zweifelt unter den Schlägen des Vaters nicht an der Liebe des Vaters. Diese steht dem Kinde auch unter Tränen fest. Geliebt sind wir, es gehe, wie es will. Dahin richte der Geist stets unsere Herzen; auf die Liebe Gottes. Sie ist darin erschienen, dass Er Seinen Sohn für uns gegeben hat; daran erkennen wir sie. Und hier kann sie nichts und niemand uns rauben. Hat Er des einzigen Sohnes nicht verschont, wie sollte Er uns mit Ihm nicht alles schenken, Stracks und unentwegt den Blick auf diese Liebe - dann geht’s in jeder Lage und durch jede Lage Hier wächst das „Ich vermag alles" heraus.

Die Liebe Gottes ist im Tragen und Übernehmen (Luther: Geduld) Christi vollendet. Was hat der Heiland tragen und übernehmen müssen, um Satan und sein Reich zu überwinden! Was muss der Heiland heute noch tragen und auf Sich nehmen, bis der Sieg Schritt für Schritt ausgewirkt ist! Das ist eben nun auch Sache der geborenen Gottessöhne, zu tragen und zu übernehmen. Nicht gleich durch Kreuz und Trübsal zum Ungeduldigwerden, zum Wunsche nach Abkürzung der Leidenszeiten sich drängen lassen. Es muss alles getragen, übernommen und durchgetragen sein. Und da hat die Gemeine durchzutragen an ihrem Teil, was noch mangelt an Leiden Christi. Nicht unruhig werden in Leiden und Kämpfen. Ruhig stillhalten; stracks den Blick auf das Aushalten Christie gerichtet! Tragen und Übernehmen sind die Haupttugenden der Gläubigen in Christus. Mit diesem Doppelblick des Herzens laufen wir i der Offenbarungszeit Satans. Die Liebe Gottes und das Übernehmen Christi stehen uns vor Augen. „Ewig soll Er mir vor Augen stehen, wie Er als ein stilles Lamm dort so blutig und so bleich zu sehen, hängend an des Kreuzes Stamm.“ Und das ist die tiefste Offenbarung der Liebe in der Geduld Christi. Das ist des praktischen Lebens Grundprinzip bei denen, die auf den Tag warten: Kreuz und Sterben in der Liebe Gottes, des Vaters, übernehmen.

Vom sechsten Vers unseres dritten Kapitels an geht der Apostel nun in die eigentliche praktische Arbeit hinein und stellt sie ins Licht des Tages des Herrn. Jeder Gläubige hat in der Werktagsarkbeit Nöte. Der Ewigkeitsmenschm mit seinem zunehmenden Geschmack an der Ewigkeit, wird in der täglichen Arbeit mitten in die unteren Prinzipien hineingestellt und hat mit ihnen in de rArbeit einen steten Kampf. Dieser ist natürlich verschieden schwer, je nach dem Beruf - doch ist er in den religiösen und in den geistigen Berufen noch schwerer als in den mehr handwerklichen. Der irdische Beruf gehört für Kinder Gottes in vielen Stücken zum Leidlichen. Umso treuer müssen wir ihn in Christus ausfüllen und auszufüllen suchen. Der Apostel hat aber heute weniger diese Seite im Auge als das, was wir ü b e r h a u p t a r b e i t e n. In Thessalonich waren nach 2Thes 3:11 Leute, welche nicht mehr in einem praktischen Beruf arbeiteten. Die nahe erwartete Ankunft des Herrn beschäftigte sie derart, dass sie innerlich vom irdischen Beruf abgelenkt wurden. Den himmlischen Beruf haben, schien ihnen das allein noch Wichtige. Darauf wollten sie auch die Geschwister hinweisen. Sie gerieten darum in eine geistliche Vielarbeit an den anderen und verloren Lust und Kraft, im Äußeren demütig ihre Pflicht zu tun.

Der geistliche Mensch ist ja nun eben geistlich und hat die geistlichen Dinge bei sich und bei anderen zum Arbeitsgegenstand. Jeder Glaubensmensch ist geistlich tätig und verwendet Zeit und auch Kraft auf geistliche und ewige Dinge. Er hat Besprechungen, Konferenzen, Besuche, seelsorgerliche Aufgabe - er ist hin und her in Anspruch genommen. Daraus kann leicht ein geistliches Vielumherlaufen, Vielumhersitzen, Vielumherreden werden, und die irdischen Aufgaben leiden Not. Die Geschwisternähren und speisen und unterhalten einen, und so wird das Selbstarbeiten immer weniger dringend. Hier fährt nun Paulus dazwischen. Er sieht eine Hauptstütze des gläubigen Lebens wanken. Darum gebraucht er ernste und eindringende Worte. Hier war die Geisteslinie in ihrer richtigen, praktischen Auswirkung verlassen; hier war Gefahr, dass dadurch der Name Christi verlästert wurde - hier musste scharf zugegriffen werden. Irdische Arbeitspflicht in Christus musste fest eingeprägt werden. Er leitet deshalb diesen Teil des Briefes mit den Worten ein:

Wir schärfen euch aber ein, liebe Brüder

2Thes 3:6
Luther übersetzt hier „gebieten“. Mann kann das tun, wenn man es richtig versteht. Wir möchten diesen Ausdruck lieber nicht gebrauchen. Im engeren Sinn lässt sich auf geistlichem Boden nichts gebieten. Im Geistesleben ist alles frei. Es gibt bei dem Geistlichen keine Macht und Gewalt, mit der einem Gebot könnte Nachdruck gegeben werden. Gebot gehört auf die gesetzliche Linie. Wo Gebot ist, muss auch Gericht sein im Übertretungsfall. Einschärfen, einprägen in Herz und Gewissen, das können wir. Das tun und Befolgen liegt aber ganz bei dem Ermahnten. Und folgt er nicht, so haben wir, wie das auch aus den folgenden Versen des Apostels ersichtlich ist, nur geistliche Mittel, um auf ihn Eindruck zu machen. Aber „einschärfen“, d.h,, scharf ins Herz drücken, will der Apostel die nachfolgenden Wahrheiten den Thessalonichern.

Wo Grundlinien des Glaubenslebens überschritten wurden, da war voller und ganzer Ernst nötig,, Es gibt Dinge, die ziemen sich für Gläubige einfach nicht - und wo sie dennoch geschehen, ist auch ein scharfes Wort am Platze. Wir dürfen in unseren Gemeinschaften dieser oft harten und schweren Pflicht nicht aus dem Wege gehen, auch auf die Gefahr eines Kampfes hin, dass wir, wo es nötig ist, „einschärfen“. Fein ist es, dabei zu sehen, wie bei allem scharfen Zurechtweisen der Apostel die Liebe nicht verletzt. „Wir s c h ä r f e n euch aber ein, l i e b e B r ü d e r“, sagt er. Er rückt brüderlich zu ihnen hin und erweckt durch den Zuruf „liebe Brüder“ ihre eigene brüderliche Liebe. Er will ihnen aber auch sagen, dass, wenn sie stehlen, die anderen Brüder darunter leiden. Er will sie an die Einheit und Solidarität der Gläubigen erinnern. Wenn ihr so verkehrt handelt, will er sagen, fällt es auf alle Brüder zurück. Dann heißt es in der Welt: „So handeln Brüder in Christo!“ Wir kennen das, wie es bei jedem Fehler eines Gläubigen sofort heißt: „So sind sie alle“. Darum ist es um die Gemeinschaft mit den Brüdern etwas so Großes; es liegt in ihr eine gewaltige, bewahrende Kraft. Ich muss immer denken, ,was ich auch tue, es fällt mit auf die Brüder. Die Worte „liebe Brüder“ gaben der Ermahnung eine schärfere Spitze. Sie besagen, wollt ihr uns andere belasten? Wie kann ein einziges solches Wort wie das „liebe Brüder“ einen tief bodenbereitenden Wer haben. Das ist ganz ähnlich, wie wenn in entscheidender Stunde ein Feldherr seine Soldaten mit dem Wort „Kameraden“ anredet. Das zündet! Ein Bruder ist für die Brüder mitverantwortlich.

Die eigentliche scharfe Spitze in der Ermahnung des Apostels liegt aber in den Worten:

Im Namen des Herrn Jesus Christus (Vers 6)
Bei dem Nichtarbeiten der Thessalonicher Brüder handelt es sich um eine öffentliche Sache. Das Verhalten der Nichtarbeitenden war vor der Welt offenbar. Wie leicht konnte es da heißen: „Christen sind Träumer, Christen sind Faulenzer.“ Das hört man ja heute noch manchmal. Damit ist aber unser Herr Jesus Christus öffentlich herabgewürdigt. Freilich, Gläubige können und wollen nicht s o und nicht s o v i e l arbeiten wie Weltleute. Der Mensch ist kein irdisches Arbeitstier und kein Arbeitssklave. Wir brauchen Zeit für die Ewigkeit. Wir dehnen auch unsere Werke und Betriebe ohne Not nicht so aus, dass das Irdische uns frisst. Wir üben aber einen ganzen und vollen irdischen Beruf aus in aller Treue. Das ist eine Notwendigkeit auch für gesundes geistliches Wachstum. Arbeiten manche Thessalonicher nicht, so ist Christi Name in falsches Licht, ja in Finsternis gestellt. Die Irrenden in Thessalonich sollen bedenken, wem sie Eintrag tun - nämlich dem Herrn Jesus Christus. Wir Gläubigen können niemals nur zu unserem Schaden sündigen, wie eigentlich überhaupt niemand; die Gläubigen aber sonderlich nicht. Bei uns ist immer nicht nur die ganze Brüderschar, sondern auch unser teurer Herr Jesus Christus mitgeschlagen. Je höher in Gott man steht, umso gewichtiger werden Sünden und umso folgenschwerer. Das müssen wir uns stets vor Augen halten. So ist’s ein wuchtiger Eingang, wie Paulus den Thessalonicher Brüdern auf den Leib rückt: Wir schärfen euch aber ein, Brüder, im Namen unseres Herrn Jesus Christi.

Die richtige Stellung zur irdischen Arbeit ist eine Hauptgrundlinie, darum ist auch ihre Verletzung so schwerwiegend. Darum muss, wo Verletzung vorliegt, auch so ernst eingegriffen werden. Christentum ist keine Himmelei, keine Schwärmerei und Bummelei, vielmehr harte und kampfreiche Geistes-Erdendurchdringung. Darum fährt Paulus scharf zu im Namen des Herrn und sagt:

Wir schärfen euch ein, von jedem Bruder euch zurückzuziehen, der unordentlich wandelt (Vers 6)
Das ist ernst: sich zurückziehen; das soll heißen, ihm die Lebensgemeinschaft aufkündigen; d. h. ihm sagen, hier gehen wir nicht mit dir - du musst arbeiten. Die Welt, die den Fehler des Bruders s i e h t, muss auch s e h e n, dass wir nichts mit ihm zu tun haben in diesem Stück. Solange du also nicht arbeitest, stehen wir nicht mit dir in brüderlicher Lebensgemeinschaft. Wir haben dich lieb, und wir halten dich innerlich fest, aber die Versammlungen und Stunden musst du meiden, solange du hier nicht umkehrst. Und unsere enge Lebensgemeinschaft kann nicht aufrechterhalten werden, solange du so wandelst. Also etwa gegenseitige Besuche oder dergleichen müssen solange abgelehnt werden. Die Welt muss sehen, nicht zwischen d i r und u n s , aber zwischen deinem W e s e n und Leben und uns ist ein Strich. Dieses „Sich-Zurückziehen ist keine Kleinigkeit. Die geistliche Bruderliebe ist das engste Band, das es gibt. Zu einem solchen „Sich-Zurückziehen“ gehört viel geistliche Weisheit und viel geistlicher Takt und viel auf sich nehmende Liebe. Es ist ein Sterben. Geschieht’s in richtiger Weise der Wahrheit und der Liebe, so wird’s gewiss auch auf die Betroffenen den Eindruck nicht verfehlen.

Paulus nennt das Nichtarbeiten ein „u n o r d e n t l i c h e s W a n d e l n“. Das Wort „unordentlich“ bedeutet soviel wie nicht in der S c h l a c h t r e i h e einhergehen. Der große Kampfweg der Gotteskinder hat seine ganz gewisse Schlachtordnung. Nirgends muss größere Ordnung herrschen als in großem Kampf. Da muss jeder genau seinen Posten halten. So ist’s bei den Gläubigen. Das gotteskindschaftswesen hat in dieser Welt seine ausgeprägten, heiligen Ordnungen