Die tägliche Arbeit

Aus Bibelwissen
Version vom 22. Februar 2021, 16:21 Uhr von MI (Diskussion | Beiträge) (Im übrigen, Brüder, betet für uns)

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Abschrift des Buches: Der zweite Thessalonicher Brief
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Neu durchgesehene Auflage
St.-Johannis-Druckerei, Lahr-Dinglingen (Baden) 1957

weitere Abschriften:

Inhaltsverzeichnis des Buches

I. Die Trübsal in Christus
II. Die antichristliche Zeit

In Bearbeitung:

III. Die tägliche Arbeit

Im Lichte des Tages des Herrn

Kapitel 3
Hat der ganze zweite Thessalonicherbrief uns ins Licht des Tages des Herrn gestellt, so stellt das d r i t t e K a p i t e l noch in Sonderheit die t ä g l i c h e A r b e i t ins Licht des T a g e s des H e r r n. Auf den ersten Blick erscheinen ja die täglichen Arbeiten und das wahre Warten auf das Kommen des Herrn als Gegensätze. Bei den Thessalonichern haben sich auch beide Gegensätze in gewissem Sinne ausgewirkt. Über dem hin und her Besuchemachen bei Brüdern im Herrn und über dem Sichaussprechen über den nahe erwarteten Herrntag war eine Vernachlässigung der irdischen Berufsarbeit eingetreten. Schon im ersten Brief hatte der Apostel etliche Glieder der Gemeine aufs Stillesein und auf das Mit-den-Händen-Schaffen hingewiesen. Er muss das im zweiten Brief wiederholen. Dabei greift er aber weiter hinaus. Er stellt auch s e i n e ganze Arbeit ins Licht des Tages des Herrn. Nicht nur die irdische Berufsarbeit bekommt im Licht des Herrntages ihre ganz bestimmte und feste Stellung, sondern auch der Gebets- und Wortdienst an der Gemeine wird voll und ganz in seiner Art bestimmt durch den Blick auf den Tag des Herrn. Auf diese geistliche Wirkungsweise geht der Apostel nun zuerst ein. Dabei ruft er den Thessalonichern zu:

Im übrigen, Brüder, betet für uns

2Thes 3:1
Die apostolische Gemeine-Wirksamkeit ging durchaus von der Gemeine aus und war von ihr getragen. Wer irgendeinen Dienst in der Gemeine haben und tun wollte, der musste zuerst zur Gemeine gehören und ein gläubiger Bruder sein, einerlei ob er Apostel oder Ältester war. Auch Paulus ist als ein mit Gaben versehener Bruder von der Gemeine unter Handauflegung zum Apostel gesegnet worden. Wenn er sein Apostolat als von Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus herleitet, so tut er das, weil er weiß, woher er die natürlichen und geistlichen Gaben hat. Aber trotz dieser Gottbegnadung und Geistesbegabung tritt er nicht von sich selber in den Dienst, sondern die gläubigen Brüder, die ihn erkannt haben, segnen und bestimmen ihn auch. Und so ist er auch von der gläubigen Gemeine abhängig geblieben. Nicht nur kehrte er immer wieder zu ihr zurück und legte ihr Rechenschaft ab, sondern er stand auch fortwährend unter ihrem mitwirkenden Gebet. Dies konnte nur eben darum so wirksam sein, weil er stets als Bruder mitten unter der Gemeine stand.

Die heutige Reich-Gottes-Arbeit unterscheidet sich in vieler Hinsicht von dieser apostolischen, im Lichte des Tages des Herrn und damit eben im Lichte der Gemeine stehenden Art. Viele Träger des Wortes auf allen Gebieten sind gar keine Brüder, vor allem keine bewährten und bei den Gläubigen legitimierten und von ihnen anerkannten Brüder. Viele stehen auf einer viel breiteren, weltlichen Grundlage als jener der Gemeine der Brüder. Sie stützen sich auf human, wohlgesinnte, wohltätige und ähnliche Kreise. Darum sind sie auch nicht getragen von den Gebeten der Gläubigen, eher von den Geldmitteln gewisser Kreise. Die apostolischen Gemeineaufgaben haben nicht soviel Geld gekostet, sie bedurften aber desto mehr der Gebete. Sie waren eben nicht organisierte Unternehmungen, sondern organisch aus der Gemeine herausgewachsen. Was in der Gemeine steht und glaubensmäßig anerkannt und geistesmäßig legitimiert ist, das läuft unter dem vollen Gebetssegen der Gläubigen, und das gibt dann viel kräftigere Geistesauswirkungen. So ruft Paulus: „Brüder, betet für uns!“

Er war nicht ein Beamter oder angestellter der Gemeine, sondern ihr Glied - er war in ihrem Lebensorganismus, und da gehört die Gebets- und Fürbittefunktion wesentlich mit hinein. Es war ein gemeinsamer Kampf, welchen die Brüder alle, ein jeglicher in seiner Art und nach seiner Gliederaufgabe, um die Herausholung und Tüchtigmachung der Gemeine kämpften. Da kommt sich dann der einzelne, welcher keine besonderen Gaben hat, nicht bloß als ein bedientes Glied vor, sondern als ein lebendiger, mit in der vordersten Reihe stehender Kämpfer. Er b e t e t ja m i t. Die besonderen Gaben sind nichts und wirken nichts ohne diese Beterkolonnen. Nur als an- und eingewachsene Glieder des Gesamtleibes taugen sie etwas. Darum ruft sie Paulus immer wieder auf: „Brüder, betet für uns!“ Das ist Tagesarbeit im gegenwärtigen Gottestag und Hinarbeit auf die Vollendung dieses Gottestages - dieses Einsssein im Gebet. Und wer wird da am Tage des Herrn vielleicht als der Wichtigere und Gesegnetere geoffenbart: der besonders Begabte und auf sichtbarem Posten Stehende oder der starke Beter? Ja, der Tag des Herrn wird’s offenbaren! Bis dahin betet für uns!

Paulus als apostolisch Begabter, als Grundleger im Bruderdienst hat natürlich ein Hauptinteresse,

dass das Wort des Herrn laufe und verherrlicht werde wie auch bei euch (Vers 1)
Wie ist Paulus davon durchdrungen; „Wort des Herrn“, also ewiges Gotteswort, zu bezeugen. Ja, was er weitertrug, war nicht etwas a u s i h m Geflossenes, sondern w i d e r i h n, wider seine ganze Natur hatte dieses Wort sich in ihm durchgesetzt. Zu einer ganz neuen Kreatur hatte es ihn gemacht - auf einen ganz neuen Weg, auf einen tief passionellen hat es ihn geworfen. Paulus hatte viele und lang fortlaufende Offenbarungen des Herrn - sichtbare und geistesmäßige. Wenn der Heilige Geist dies geoffenbarte Apostelwort in uns als Wahrheit verklärt und uns den Glauben gibt,es anzunehmen und darin zu stehen, wenn dies Wort der Apostel uns neu schafft und Geisteswege weist, dann stehen auch wir auf Gottes Wort und können Gottes Wort bezeugen. Und dies Wort ist eben jetzt das Wort von der Glaubensgemeine und von ihrem Gang bis auf ihren Tag.

Im Epheser- und Kolosserbrief hebt es der Apostel besonders hervor, dass das Wort vom Leibe Christi, aus Juden und Heiden heraus berufen, der sonderliche Gottesauftrag sei, welche er erhalten habe und welchen den vorigen Propheten noch verborgen gewesen sei. Es wird wenig volles Gottewort in diesem paulinischen Sinne verkündigt. Man ist hinabgesunken auf den gesetzlichen Königreichsweg und will vergeblich, ach so vergeblich, vorweg heraufführen, was erst nach Vollendung der Gemeine geschehen kann. Das Wort des Herrn ist nach paulinischem Begriff das Wort vom Leibe und vom Tage. Dies Wort hat in Thessalonich etliche Seelen herausgeboren im Geiste, und dasselbe solle es, so wünscht Paulus, auch weiter und anderwärts tun. Das Wort d e s H e r r n - das ist das Wort, ,welche Ihn, den Herrn, allein zum Gegenstand hat. Das ist das Wort, welches die Seelen zum Herrn rufen und in dem Herrn befestigen sollen. Je mehr sich die Wortverkündigung vom Gemeineboden entfernt, umso mehr verliert sie den Herrn als Zentrum. Sie kommt in ein Vielerlei von Werken hinein. Die Wortverkündiung außerhalb der Gemeine weicht vom Herrn.

„Wort des Herrn“ kennt der Apostel. „Herrnleute“ will er herausrufen. Das Charakteristikum des Glaubens in diesen Tagen ist nicht das R e i c h s m ä ß i g e, sondern das H e r r n m ä ß i g e , nicht das große Sachliche, sondern das durch