Die Zeitdauer Roms als 6. Reich

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Abschrift des Buches: Rom - Babel - Jerusalem
Der Weg der Menschheit im Licht der Schrift bis zur Vollendung des Gottesreiches

Verfasser: G. Thaidigsmann (Pfarrer in Waldbach) (1928)
Verlag: Gebrüder Schneider, Karlsruhe i. B.

Inhaltsverzeichnis
Kapitel davor:
2. Rom als 6. Reich

3. Die Zeitdauer Roms als 6. Reich

Bisher wurde von 3 Abschnitten in der Geschichte des 6. Reichs gesprochen. Diese Dreiteilung wurde nahegelegt, sowohl durch die Einteilung des das 6. Reich darstellenden unteren Teils von Nebukadnezars Traumbild in Schenkel, Füße und Zehen, als auch durch den tatsächlichen Geschichtsverlauf. Es wurde gesprochen von dem alten römischen Reich mit seiner westlichen und östlichen Hälfte und deren beiden politischen Mittelpunkten Rom und Konstantinopel. Das alte Doppelreich erhielt im Mittelalter seine Fortsetzung in der römisch-germanischen Welt des Abendlands mit seinem politischen und kirchlichen Brennpunkt, dem Kaisertum und Papsttum, und in der griechisch-slawischen Welt des Ostens, deren kirchlicher Mittelpunkt Konstantinopel blieb. In dieser Zeit vollzog sich, trotz der großen Einbußen, im Süden und Osten des alten römischen Kaiserreichs eine nicht geringe Erweiterung des 6. Reichs: es umfasste nun Europa. Dieses große Ganze, das noch im Mittelalter nur aus zwei Kulturkreisen bestand, ist in der Neuzeit in eine Anzahl von Nationen und Staatsgebilden auseinandergegangen; aber diese Gebilde gehören, trotz der vielen gegenseitigen Auseinandersetzungen, wie eine Art Familie zusammen, und in dem erfolgreichen Streben Frankreichs und Russlands nach der Vorherrschaft auf dem europäischen Festland, erneuerte sich die Zweigestalt des alten Reichs, sofern Frankreich der Erbe Westroms, und Russland der Erbe Ostroms ist. Und mitten in den nationalen, politischen, konfessionellen und wirtschaftlichen Kämpfen der Neuzeit blieb die römische Kirche bestehen, als geistliche Erbin des alten Roms, und strebt nach einer alles umfassenden, machtvollen Weltgeltung.

Aber es blieben noch eine Reihe von Fragen übrig. Nahe liegt die Frage nach der Stellung Deutschlands innerhalb Europas, nahe liegt der Blick auf die Völker außerhalb des europäischen Festlands; nahe liegt endlich die Frage nach der Zeit. Der Eindruck wird immer lebhafter, zumal nach den furchtbaren Erschütterungen der Kriegs- und Nachkriegszeit, dass es mit Europa abwärts geht. Die Geschichte ist zur Weltgeschichte geworden: merkwürdig greifen die Ereignisse und Bewegungen ineinander, selbst bei großer räumlicher Entfernung. Tiefgreifende Gärung hat alle Lebensbereiche ergriffen, und zwar auf der ganzen Erde. Das Zeitmaß des Geschehens ist erstaunlich rasch geworden. Auch für diejenigen, die nicht von biblischen Gedanken bewegt werden, wird die Frage brennend: wohin steuert die Weltgeschichte? Das Bangen vor den Dingen, die da kommen sollen, von dem Jesus gesprochen hat Lk 21:26, hat begonnen. Und wo auf das weissagende Wort der Schrift geachtet wird, da verdichtet sich die Erwartung zu der Frage: steht die Endzeit bevor, nicht im Sinn des Endes der Welt, aber im Sinn des Endes des gegenwärtigen Zeitlaufs, der mit dem Offenbarwerden Christi, und mit dem Antritt seiner machtvollen Regierung abschließt? Der Eindruck, dass die Endzeit nahe sei, ist weit verbreitet. Ist es nur ein Eindruck oder gibt es Zeichen bestimmter Art?

Die Zahl 666 als Zeitangabe

Um der Antwort näherzukommen, ziehen wir die hier [1] besprochenen Aussagen der Offenbarung hinzu. Die Endzeit im eigentlichen Sinn des Wortes ist die antichristliche Zeit des 8. Reichs. Ihr soll das kurz dauernde 7. Reich vorausgehen, das wohl als Überleitung vom 6. zum 8. Reich zu verstehen ist. Nun ist zwar nicht gesagt, welche Zeitdauer dem 7. Reich zukommt. Das "kurz" der Schrift muss nicht notwendig auf wenige Jahre zusammengefasst sein. Aber die Aussage wird gemacht werden dürfen: wenn der Eindruck recht hat, dass unsere Zeit in rascherem Tempo als früher der Endzeit entgegeneilt, dann muss die Zeit des 6. Reichs dem Ausgang nahe sein. Gibt es nun einen Anhaltspunkt, um über die Zeitdauer des 6. Reichs ins Klare zu kommen?

Eine geschichtliche Beobachtung bewegt den Verfasser dieses Buches seit Jahren. In der Geschichte des 6. Reichs hat es bereits zweimal einen Zeitraum von je 666 Jahren gegeben. Rom trat im Jahr 30 v. Chr. in seine Herrscherstellung ein. 667 Jahre nachher fiel Jerusalem in die Hand der Araber und damit des Islams. Nach weiteren 666 Jahren kam für das mittelalterliche Papsttum die entscheidende Wende im Jahr 1303. 666 bzw. 667 ist der dritte Teil von 2000. Sollten dem 6. Reich 2000 Jahre bestimmt sein, die in drei gleich langen Abschnitten von je 666 bzw. 667 (genauer 666 2/3) Jahren ablaufen? Dann würde gegen 1970 die Zeit des 6. Reichs zu Ende sein, und die antichristliche Zeit könnte nach einem kürzeren Reich rasch näherrücken. Aber es müsste eingehend an der Geschichte geprüft werden, ob die Jahre 637 und 1303 tatsächlich entscheidende Einschnitte in der Geschichte des 6. Reichs sind, und ob die Geschichte der Neuzeit und die Gegenwart, dem Gedanken vom Ausgang dieses Reichs nach einem starken Menschenalter günstig ist; ebenso ob die so entstehenden Zeitabschnitte sich decken mit den bereits besprochenen.

Die genannte geschichtliche Beobachtung würde belangloser erscheinen, wenn nicht in der Offenbarung die Zahl 666 ebenfalls genannt wäre. Sie wird in Offb 13:17.18 als die Zahl des Tieres bezeichnet und gleichzeitig als Menschenzahl; an der angegebenen Stelle wird auch zur Berechnung der Zahl aufgefordert. Diese Aufforderung klingt zwar anders als die oft ausgesprochene Versicherung, das das Verständnis der Bedeutung dieser Zahl der Endzeit vorbehalten sei. Aber sie entbindet nicht von der Aufgabe, zu prüfen, ob die Zahl 666 als ZEITangabe der Endzeit verwendet werden darf. Ergibt aber eine ernsthafte biblische Prüfung die Berechtigung dazu, und erweist eine geschichtliche Prüfung der Jahre 637 und 1303 deren Bedeutsamkeit für den Gang des 6. Reichs, dann hat die Beobachtung eine biblische Stütze erhalten, und die Gegenwart erscheint als der Vorabend von Ereignissen, die in raschem Tempo zur Endzeit hinüberführen. So ist die nächste Aufgabe eine Prüfung der Frage, welche Bedeutung die in Offb 13:17.18 genannte Zahl 666 habe.

Es gibt keine feststehende Erklärung dieser Zahl; aber unter den bisherigen Erklärungsversuchen können einige Gruppen unterschieden werden. Die Erklärungen knüpfen an die Bemerkung Offb 13:18, dass die Zahl 666 die Zahl des Tiers sei und daran, dass die Tierzahl zugleich als Menschenzahl bezeichnet wird. Bemerkenswert ist, dass durch die Gleichung: Tierzahl - Menschenzahl der Mensch dem Tier gleichgestellt wird. Daraus geht klar hervor, dass es sich um den Gott entfremdeten Menschen handelt. Nicht dem Menschen an sich, sondern nur den Menschen in seiner Empörung gegen Gott, meint die genannte Zahl. Es ist nun nicht unwichtig, zu betonen, dass die meist gebrauchte Übersetzung "eines Menschen Zahl" den Sinn des biblischen Ausdrucks sofort nach einer bestimmten Richtung wendet, und auf diese Weise einengt. Bei der genannten Übersetzung wendet sich der Blick sofort dem Antichristen zu. Die Zahl 666 scheint dann nur zur Kennzeichnung des letzten ungöttlichen Menschheitsführers verwendbar zu sein. Die richtige Übersetzung, welche für die Deutung Spielraum lässt, ist "Menschenzahl". "Mensch" bedeutet entweder eine Einzelperson oder den Menschen überhaupt. Im letzteren Falle ist die Benennung "Mensch" eine Sammelbezeichnung für die ganze Menschheit. Beide, sowohl der Antichrist, "der Mensch der Sünde", als auch die widergöttlich und widerchristlich gewordene Menschheit sind in der Offenbarung als "Tier" bezeichnet. So dient auch die "Tierzahl" 666 zur Kennzeichnung beider, also des Antichrists und der entarteten Menschheit.

Wird nun die Zahl 666 von der Menschheit gebraucht, so wird sie sinnbildlich verstanden, und zwar als Kennzeichnung der Erfolglosigkeit alles unheiligen Menschheitsstrebens. Zur 7, der Zahl Gottes, bringt es die Menschheit nicht, wenn sie auf ihrem bösen Weg verharrt, selbst wenn sie ihre Anstrengung verzehnfacht und verhundertfacht. Einzeldeutungen wären mehrere möglich. Auch wenn die Zahl zur Kennzeichnung des Antichrists dient, wird sie in sinnbildlicher Weise verwendet. Offb 13:17 ist von der Zahl des Namens des Tiers die Rede. Daran knüpft die Deutung an: man sieht in der Zahl eine Darstellung des Namens des Antichrists. Diese Art des Zahlengebrauchs ist dadurch möglich, dass zur Bezeichnung der Zahlen auch Buchstaben verwendet wurden. Die Ausrechnung der Zahl eines bestimmten Namens war leicht; zu diesem Zweck waren nur die für die Buchstaben geltenden Zahlenwerte zusammenzuzählen. Deren Summe ergab die "Zahl" eines Namens. Aber nahezu aussichtslos sind die Versuche, aus einer gegebenen größeren Zahl den Rückschluss zu ziehen auf den zugrunde liegenden Namen. Denn zu diesem Zweck müsste die Zahl zerlegt gedacht werden in mehrere Posten. Das ergibt aber bei einer Zahl wie 666 eine übergroße Menge von Möglichkeiten, die sich noch dadurch vermehrt, dass die Zahl der Buchstaben des Namens nicht bekannt ist. Wenn die Gemeinde Jesu einmal stutzig wird, ob ein die Menschheit in seinen Bann ziehender Führer der Antichrist sei, dann mag sein Name geprüft werden, ob er die Zahl 666 ergibt. In dieser Weise kann einst diese Zahl ein Wegweiser sein, für eine frühzeitige Erkennung des Antichrists, bereits in seinen Anfängen.

Nun ist die Frage, ob die sinnbildliche Deutung der Zahl mit den genannten Formen die einzig mögliche ist. Die Meinung ist nicht die, dass die bisherigen Deutungen aufgegeben werden müssten, wenn eine weitere Deutung sich als möglich erweist, sondern dass die verschiedenen Deutungen miteinander zurecht bestehen können. Eine Weissagung kann ja in mehrfacher Weise ihre Erfüllung finden; man vergleiche die Weissagung des Jeremia von den 70 Wochen. So ist es wahrscheinlich, dass die Zahl 666 in erster Linie zur Verhüllung und Enthüllung des Namens des Antichristen dient. In diesem Sinn wird ihr Verständnis wohl der Endzeit vorbehalten sein. Trotzdem kann ihre Bedeutung als Kennzeichnung der erfolglosen Menschheitsversuche bestehen bleiben. Es ist etwas Großes um die Erkenntnis, dass aller Glanz und alle Pracht der Welt die Menschheit nicht zum Ziel führt. Solche Erkenntnis kann auch dazu beitragen, dass das "Tier" nicht angebetet wird. Wie oft wird die Humanität, die Kultur verehrt! Das Bild des Tiers steht ja jetzt schon, und Propheten, die zu seiner Anbetung drängen, sind schon da, auch wenn noch kein Standbild zum Niederknien errichtet ist, und der falsche Prophet der Endzeit noch aussteht.

In einer seiner Bibelausgaben hat Luther in einer Anmerkung zu Offb 13:17 die Zahl 666 als ZEITBEzeichnung aufgefasst. Er sah im Tier das weltliche Papsttum, und fand in der Zahlenangabe die Aussage, die Zeitdauer für dessen weltliche Herrschaft werde 666 Jahre betragen. In dieser Form hat sich Luthers Auslegung als unrichtig erwiesen; denn das Papsttum mit seinem Herrschaftsanspruch hat längere Dauer. Aber bemerkenswert ist, dass Luther 666 als wirkliche Zahl nahm, und zwar zur Benennung von Jahren. Nun ist zwar neuerdings das Recht zur Deutung der Zahl als Zeitbezeichnung bestritten worden. Die Bestreitung hätte recht, wenn eine derartige Deutung als die einzig mögliche oder als die in erster Linie zu Recht bestehende dargestellt würde. Diese buchstäbliche Deutung wird zwar im vorliegenden Buch in Anspruch genommen; aber nicht in ausschließlichem Sinn. Und damit fällt ein guter Teil der Einwände gegen die rein zahlenmäßige Verwendung der Zahl 666 weg.

Doch ist immer noch das biblische Recht zu dieser Art der Verwendung zu begründen. Es liegt meines Erachtens darin, dass die Zahl als Tierzahl bezeichnet wird. Weiter oben (S. 162) wurde ausgeführt, dass das Tier in den Aussagen der Offenbarung und Daniels drei Formen habe: es ist die entartete Menschheit und der in der Endzeit zu erwartende Mensch der Sünde und außerdem diejenige Entwicklungsstufe der Menschheit, die am wirkungskräftigsten aus der alten Zeit in die Endzeit hinüberleitet, die bei Daniel als das unbenennbare 4. Tier, und in der Offenbarung als 6. Tierkopf bezeichnet wird. Es wäre wohl begreiflich, wenn die der widergöttlichen Menschheit als Ganzem und dem Antichristen als Einzelperson zukommende Kennzeichnung durch die Zahl 666 auch dem 6. Reich zukäme. Zunächst in dem schon besprochenen sinnbildlichen Sinn, dass sie die schließliche Erfolglosigkeit der ganzen Entwicklung dieses Reichs zum Ausdruck bringt; sodann aber auch in dem besonderen Sinn, dass sie die Zeitdauer dieses Reichs andeutet. In einem einmaligen Lauf von 666 Jahren erschöpft sich dessen Dauer freilich nicht. Aber eine dreimalige Wiederholung gäbe einen guten Sinn. Dann wären beim 6. Reich drei Erscheinungsweisen zu unterscheiden von gleichlanger Dauer und von einer Gesamtfrist von 2000 Jahren. Zwar ergibt der 3. Teil von 2000 = 666 2/3 Jahre; aber die Weglassung der Bruchteile wäre denkbar. Bei der geschichtlichen Nachprüfung wären, unter Aufrundung der Bruchteile in drei Abschnitte von 667, 666 und wieder 667 Jahren zu unterscheiden, was von 30 v. Chr. an gerechnet, auf die schon fast genannten Jahre 637, 1303 und 1970 führt.

Im bisherigen wurde versucht, durch eine biblische Untersuchung die Berechtigung zu erbringen, die in Offb 13:17.18 genannte Zahl 666 auch als Zeitbestimmung für das 6. Reich zu verwenden. Nun steht die weitere Aufgabe bevor, die Jahre 637 und 1303 auf ihre Bedeutung für dessen Geschichte zur prüfen. Und weiterhin ist die Gegenwart darauf anzusehen, ob sie dem Gedanken Rechnung trägt, dass 1970 einen weiteren, noch tieferen Einschnitt bedeuten könnte, der das 6. Reich zu seinem Abschluss bringt, und über das kürzer währende 7. Reich zur eigentlichen Endzeit hinüberleitet. Dass Untersuchungen namentlich letzterer Art eine ernste Sache sind und fehlgreifen können, ist zugegeben. Wenn aber dieses Forschen geschieht nicht im Sinne eines Vorhersagenwollens, sondern im Bemühen, die Gegenwart im Sinn der Schrift zu verstehen, dann wird dem Vorwurf des Vorwitzigseins die Spitze abgebrochen sein.

Das Jahr 637 als Knotenpunkt

Inwiefern das Jahr 30 v. Chr. als das Jahr des Eintritts Roms in seine Herrscherstellung anzusehen ist, ist früher (S. 65 f.) eingehender dargelegt worden. Welches Jahr soll aber im weiteren Verlauf genannt werden als Kennzeichnung eines Einschnitts? Ein Jahr zu nennen, von dem man sagen könnte, dass es das Ende des alten Reiches bedeutet habe, ist eine schwierige Sache. Das Jahr 476 bedeutet insofern einen Einschnitt, als damals im weströmischen Reich der Kaisertitel zu Grabe getragen wurde; das war aber nur der Abschluss eines langsamen Sterbens des weltlichen Kaisertums. Ein Jahr für das Aufhören des westlichen Reiches selber anzugeben, ist schwieriger, denn das Reich erlag dem Ansturm der Germanen langsam, nicht in jähem Zusammenbruch. Und das besiegte Reich überwand langsam von innen heraus die Sieger. Es lässt sich kaum ein bestimmtes Ereignis nennen, von dem man sagen kann, es habe das Ende des alten Westrom auffallend dargestellt. Auch insofern ist die Kennzeichnung eines bestimmten Jahres als Ende des römischen Reichs schwierig, weil das oströmische Reich und dessen Kaisertum den Niedergang des alten Westroms überdauerte. Für das Ende des alten römischen Reiches dagegen lässt sich ein bestimmtes Jahr nennen: das ist 1453. Damals erlag Konstantinopel den Türken, nachdem es schon seit längerer Zeit einer vom Meer umbrandeten Insel geglichen hatte; und mit dem Fall der Hauptstadt hat das alte oströmische Reich und Kaisertum sein Ende gefunden. Trotzdem ist das Jahr 1453 nicht geeignet, um als Jahr des Ende des alten Rom angesprochen zu werden. Denn Konstantinopel war schließlich nur noch der letzte übriggebliebene Posten aus Roms alter Zeit. Als Konstantinopel endlich fiel, gehörte das römische Reich in seiner alten Form längst der Vergangenheit an.

Gibt es ein Ereignis, das für den Westen wie für den Osten bedeutsam war, für die politische Geschichte Roms wie für die kirchliche, das als Knotenpunkt einen früheren Zeitraum abschloss, und einen neuen begründete? Als ein solches Jahr bietet sich das Jahr 637 an. In diesem Jahr fiel Jerusalem in die Hände der Araber und damit des Islam. Kann man dem Fall Jerusalems solche Bedeutung zumessen? Wir unterscheiden die Bedeutung, welche diesem Ereignis auch sonst von der Geschichtsschreibung zuerkannt wird, und diejenige, welche diesem Geschehnis zukommt, wenn man es vom Reich Gottes aus betrachtet.

Politische und kirchliche Bedeutung

Der Fall Jerusalems war der Auftakt zum unerhörten Siegeslauf des Islam, zunächst unter arabischer, später unter türkischer Führung. Der Begründer der neuen Religion, Mohammed, war bereits einige Jahre tot. Aber seine Religion wollte die Welt erobern. Von Arabien aus gesehen, war das Heilige Land mit Jerusalem der Schlüssel zum römischen Reich. Von Palästina aus wurde das Mittelländische Meer umfasst, und auf diese Weise das ganze Gebiet des alten Reichs, auch das von den Germanen besetzte, in die Zange genommen. Der Angriff wurde über Ägypten durch ganz Nordafrika, von da über Spanien nach Frankreich vorgetragen. Auf der andern Seite rückten die Araber gegen Konstantinopel vor, das noch vor Ablauf eines Jahrhunderts zweimal eine Belagerung auszuhalten hatte. Erst im Frankenreich und vor Konstantinopel wurde dem Arabertum Halt geboten. Es ist richtig, dass die Araber gegen die Besiegten milder verfuhren als vor ihnen die Germanen gegen Westrom. Aber die Gefahr für das Reich von der arabischen Seite war trotzdem größer. Die Germanen beugten sich, nachdem sie Vieles zertreten hatten, vor dem Reichsgedanken und vor der Reichskirche; die Araber nahmen zwar sehr viel von der griechischen Kultur auf, aber vor dem Reich machten sie keine Verbeugung, und in die Kirche gingen sie nicht ein, wenn sie auch die bestehenden Kirchen verhältnismäßig glimpflich behandelten.

Immerhin sind die früher blühenden Kirchen Nordafrikas fast spurlos verschwunden. Von den kleinasiatischen und syrischen Kirchen erhielten sich unter arabischer, und später türkischer Herrschaft, nur Reste. Die armenische Volkskirche rette sich durch die Zeiten hindurch, bis sie im Weltkrieg unter unsagbaren Gräueln zum großen Teil ausgerottet wurde. Es ist eine geschichtliche Tatsache von großem Ernst, die der heutigen Christenheit kaum genügend zum Bewusstsein kommt, dass weite Gebiete, die früher christlich waren, das Christentum fast völlig eingebüßt haben, und heutzutage Missionsgebiete sind mit einem für das Evangelium steinharten Boden. Luther hat den Ernst dieser Tatsache der Christenheit seiner Zeit vorgehalten und sie gewarnt, sich nicht in satter Weise auf ihren christlichen Besitz zu verlassen, da sie nicht wisse, ob ihr nicht das gleiche Schicksal drohe, wenn sie für das Evangelium nicht dankbar und aufgeschlossen bleiben.

Was aber so schwerwiegend ist, wie das Aufhören und Zurücktreten christlicher Kirchen auf dem vom Islam besetzten Gebiet, das ist die Tatsache, dass der Islam um die Christenheit herum einen Wall gelegt hat, der ihr den Zutritt nach Asien und Afrika versperrt hat. So wurden diese beiden großen Erdteile bis zum Beginn des neuzeitlichen Weltverkehrs im Heidentum erhalten; denn christliche Einflüsse aus vorislamischer Zeit verblassten, und vereinzelte spätere Missionsunternehmungen konnten nicht durchdringen, weil die Verbindung mit der Christenheit durch den Sperrwall des Islam unterbrochen war. Als die Christenheit, die freilich oft recht unchristliche Verbindung mit der Völkerwelt Asiens wieder aufnahm, musste sie lange Zeit hindurch den weiten Weg um Afrika herum machen, bis im Jahr 1869 durch Erbauung des Suezkanals ein unmittelbarer Weg nach Asien und Ostafrika gebahnt wurde, quer durch das Gebiet des Islam hindurch. Von Amerika wusste die Christenheit in jenen Zeiten noch nichts. So blieb ihr nur der Weg nach dem mittleren und nördlichen Europa frei, zu den Germanen, die in der Hauptsache durch Rom das Christentum erhielten, und zu den Slawen, die sich der griechischen Kirche anschlossen. Deshalb konnte Rom, d. h. das 6. Reich, sich nur in Richtung Norden entwickeln. Es hat ja tatsächlich den Norden Europas in seine Geschichte einbezogen. Aber diesem Gewinn standen die fürchterlichen Amputationen (Gliedabnahmen) am Leib der Christenheit im Süden und Osten und ihre Aussperrung von der übrigen Welt gegenüber.

Dass das Ereignis des Jahres 637, nämlich der Übergang der Stadt, die der Christenheit heilig war, in die Hände des falschen Propheten die ganze abendländische Welt des Mittelalters 200 Jahre lang in Bewegung setzte, um durch die Kreuzzüge Jerusalem, und das heilige Land für die Christenheit wiederzugewinnen, ist bekannt. Dass dem Islam, zwar nicht unter arabischer, aber unter türkischer Führung, schließlich die Überwindung Ostroms gelang, im Jahr 1453, wurde bereits aufgeführt. Dass die von dort aus erfolgende Bedrohung des Abendlands - zur Zeit der Reformation und noch einmal vor 250 Jahren stand Wien vor dem Fall - durch die Türken und den Islam, die Christenheit lange in Atem hielt, bis sie endlich in einer Reihe von Stößen, die sich bis vor 15 Jahren hinzogen, bis in die Nähe von Konstantinopel zurückgedrängt wurden, bildet ein wichtiges Stück der neueren Geschichte. Erst der Weltkrieg hat das Jahr 637 zum Teil rückgängig gemacht. Aber erledigt ist die damals eingeleitete geschichtliche Bewegung nicht. Es ist eine Frage, ob sie erledigt wird. Vielleicht politisch; geistig nicht.

Mit dem allem ist die Bedeutung des Jahres 637 nur insoweit beschrieben, als sie sich auf dem Gebiet des alten römischen Reichs ausgewirkt hat. Aber das gleiche Jahr 637 brachte auch den arabischen Vorstoß gegen das persische Reich, also in der Richtung auf das innere Asien. Die Araber vermochten ihrer Religion später von dieser Seite hervorbrechenden feldschuckischen und osmanischen Türken mit dem Erfolg zu übermitteln, dass dieselben ihre Lehrmeister an Eifer und Unduldsamkeit übertrafen. Und von Vorderasien aus haben sie, missionierend im Lauf der Zeit, ihre Religion bis nach Indien und auf die hinterasiatische Inselwelt vorgetragen; und von Nord- und Ostafrika aus drang und dringt der Islam bis in die schwarzhäutige Welt Afrikas. So hat das Jahr 637 als Schlüssel den Siegeslauf der Araber und des Islams, gewaltigen Einfluss ausgeübt, nicht nur auf die römische und europäische Geschichte, sondern auch über diese hinaus auf die Weltgeschichte. Der Schlusspunkt der Bedeutung des Jahrs 637 ist noch nicht erreicht.

Kirchengeschichtliche Folgen

Wir wenden uns nun den Auswirkungen des Jahres 637 zu, die nicht in diesem Maße auf der Hand liegen. Zuerst seinen kirchengeschichtliche Folgen genannt. Von der Abdrängung der Christenheit vom Süden und Osten, und von der Verlegung des Schwerpunkts vom südlichen ins mittlere Europa wurde bereits gesprochen. Aber der arabische (und türkische) Vorstoß gegen die Christenheit hatte nicht nur Einfluss auf die Außenbezirke, sondern brachte innerhalb der Christenheit selber eine Verschiebung hervor. Trotz der steigenden kirchlichen Regsamkeit der Westhälfte des Reichs, hatte die griechische Kirche geistig innerhalb der Christenheit die Führung. Im Osten wurden die großen Kämpfe um die Festlegung der christlichen Lehre geführt. Erst mit Augustin wurde die westliche Kirche in der Führung geistig ebenbürtig. Nun traf aber der Hauptstoß des Islam auf die griechische Kirche, engte sie ein und nahm ihre Kraft in Anspruch, und dies zu einer Zeit, als der Westen sich vom germanischen Einbruch erholte, und die Kirche dort auch unter den neuen Völkern Fuß fasste. So kam es, dass der griechischen Kirche langsam die Führung der Christenheit entglitt. Rom, das bisher die Gabe der äußeren Leitung besessen und ausgebildet hatte, bekam auch geistig die Führung. Sein Bischof wurde Papst, d. h. zum Vater, dem innerhalb der Christenheit nicht nur die Berechtigung zum Gebieten zuerkannt wurde, sondern auch zum Lehren. Er wurde zum Herrn und zum Mund der Christenheit. Das griechische Christentum, zwar ebenfalls mit ernsten Entartungen behaftet, aber doch manches Ursprüngliche bewahrend - wie jetzt noch ,und von neuem immer wieder an der griechisch-russischen Kirche zu sehen ist - wurde isoliert, in die Vereinzelung zurückgedrängt; sein Einfluss innerhalb der Gesamtchristenheit ging zurück. Rom dagegen trat hervor. Im Mittelter trat die römische Kirche in das helle Licht der Geschichte; die griechische trat ins Halbdunkel zurück.

So halfen die Araber, die die Kirche äußerlich und innerlich überwinden wollten, mit zur Errichtung des eindrucksvollen Baus der mittelalterlichen Kirche des Abendlandes. Sie war die Fortsetzung Roms. Rom war die Hauptstadt des alten Reichs gewesen; denn Konstantinopel war nur eine spätgeborene Schwester. Nun wurde Rom auch der geistliche Mittelpunkt, der auf den Leuchter gestellten Hauptkirche. Der Papst stellte in ehrwürdiger und ehrfurchtgebietender Gestalt den Kaiser dar. Zwar machte das Papsttum um die Mitte des Mittelalters eine Zeit der Haltlosigkeit durch. Aber danach erhob es sich zu umso stolzerer Höhe. Der Papst war es, der den Kaiser krönte und Anspruch auf den Gehorsam des Kaisers geltend machte. Die Kirche war über den Dienst an der Völkerwelt hinausgewachsen und ihre Herrin geworden. Am deutlichsten ist der Herrscheranspruch des Papsttums - und zwar mit Begründung auf die Schrift! - ausgesprochen in der Bulle (dem päpstlichen Erlass) des Jahres 1302, die man nach ihren Anfangsworten die Bulle "unam sanctam" nennt, welcher kurz darauf, 1303 , der Sturz des Papsttums von seiner mittelalterlichen Größe folgte.

Bedeutung für das Reich Gottes

Mit dem bisher Genannten ist die Bedeutung des Jahres 637 noch nicht erschöpft. 637 greift nicht nur in die Welt und Kirchengeschichte hinein, sondern auch in die Geschichte des Reiches Gottes, die nicht so offen zutage liegt. In diesem Jahr (1928) wurde das heilige Land und Jerusalem aus dem römischen Reich losgelöst, dem es seit dem Jahre 63 v. Chr. angehört hatte, genau 700 Jahre lang! Damit war dem römischen Reich sein Kronjuwel ausgebrochen. Mit dieser Kennzeichnung ist nicht zu viel verlangt, wenn sich die Betrachtung über die irdisch-menschlichen Gesichtspunkte erhebt. Weltreich und Gottesreich stehen einander gegenüber. Rom ist der bedeutendste Vertreter der Weltmacht in ihrer innerzeitlichen Entwicklung. Jerusalem ist Gottes Stadt, auch in den Zeiten seiner Erniedrigung, seiner Sünde, seines Zerfalls. Dass Rom über Jerusalem Herr wurde, ist ein Zeichen seines Sieges über die irdische Gestalt des Gottesreiches. Es ist geschichtlich nicht bedeutungslos, dass der Triumphbogen des Titus auf seinen Sieg über Jerusalem heute noch in Rom steht. Dann war aber Jerusalem noch in anderem Sinn Roms Kronjuwel geworden. Das römische Reich war zur Reichskirche geworden, und die Kirche blickte nach Jerusalem. Denn Jerusalem war der Kirche Ausgangspunkt von Jesu und der Apostel Zeiten an. Der Ruhm Roms und Konstantinopels als Mittelpunkte der Christenheit war von Jerusalem ausgeliehen.

Dass die Christenheit tatsächlich den Verlust Jerusalems sehr schwer empfand, zeigen die bereits erwähnten Kreuzzüge. Was die Kreuzfahrer in das ungewisse, gefahrvolle Unternehmen trieb, war nicht das Verlangen nach materiellem Gewinn, sondern der schmerzvolle Gedanke: der Christenheit fehlt ihr Mutterort! Daraus entsprang der heiße Wille: wir müssen Jerusalem wieder holen, mag es kosten was es will! Wenn es auch nicht dieser religiöse Sinn war, der neuerdings Englands Kampf um Jerusalem im Weltkrieg beseelte, so waren ähnliche Gedanken der englischen Christenheit doch nicht ganz fremd, während Deutschland unter dem Drang der feindlichen Übermacht sich an der türkischen Hilfe freute, aber zugleich an der Seite der Türkei gegen die Lösung Jerusalems, und des heiligen Landes kämpfen musste. Diese Deutschland aufgenötigte, aber mit seiner christlichen Berufung schwer zu vereinbarende Stellung, hat nicht unwesentlich zu dem für Deutschland schlimmen Ausgang des Krieges beigetragen. Aber auch für England wird seine Stellung zu Jerusalem noch zu einem Prüfstein werden. Nach Jerusalem dürfen nur reine Hände greifen; denn es ist Gottes Stadt. Jerusalem ist der Stein, an dem die Weltmächte zerschellen.

Die Wegnahme Jerusalems war ein Gericht über die alte Christenheit. Sie hatte sich zu tief mit dem Weltwesen eingelassen. Rom, das damalige Gegenstück Jerusalems, war zu ihrem Panier geworden. Nun wurde der Christenheit Jerusalem genommen, und sie selber noch mehr in Roms Hand gegeben. Und Rom hat von der Kirche in ungeahntem Maße Besitz ergriffen im Mittelalter. So steht das Jahr 637 da als das Jahr, da sich zwei Zeiten voneinander schieden, als Zeitenwende: die Zeit des alten Reichs und der alten Reichskirche war abgeschlossen; aber Rom selber war nicht am Ende angelangt, sondern ging über, in seine zweite Erscheinungsform. Das erste Drittel von 2000 Jahren, 666 bzw. 667 Jahre, war vorüber. Solange währte die Zeit von 30 v. Chr. bis 637 n. Chr.

Der Islam und das Reich Gottes

Es ist aber nötig, noch einmal auf dieses Jahr zurückzukommen. 637 ist das Jahr, da der Islam nach dem Heiligtum der Christenheit griff. Er hat dann Jerusalem zu einer heiligen Stadt für seinen Glauben gemacht mit dem Rang gleich nach Mekka. Innerhalb der Stadt erstand bald, unter Benutzung eines christlichen Gebäudes ein mohammedanisches Gotteshaus, die Aksamoschee; und nach einem halben Jahrhundert hatte der Islam auf dem alten Tempelplatz ein eigenes, von der ganzen heutigen mohammedanischen Welt anerkanntes Heiligtum: den Felsendom. Was ist der Islam? Ein Gebilde, das, geschichtlich nachweisbar, verdorbenes Judentum und verdorbenes Christentum zum Vater hat, eine Religion des natürlichen Menschen, die unter dem Schein völliger Ergebung unter Gott ("Islam") und größer Dienstbereitschaft für Gott (vergl. mohammedanischen Fanatismus) das Fleisch pflegt, und den Menschen großmacht. Der Islam ist der größte Mitbewerber des Christentums und sein geschworener Feind.

Damit ist aber der Islam noch nicht völlig verstanden. Der Islam ist auf arabischem Boden gewachsen. Die Araber sind die Nachkommen von Abrahams vorzeitigem Sohn Ismael, vielleicht noch vermischt mit anderen semitischen Völkern, auf die 1Mo 10:26-29 hingewiesen ist, und mit Nachkommen aus Abrahams 2. Ehe mit der Ketura (1Mo 25:1-6). Der Erzeuger Ismaels war ein Fehltritt Abrahams, menschlich wohl begreifbar, zumal da er durch seine rechtmäßige Ehefrau veranlasst war, aber umso schwerwiegender, weil die Führung Abrahams auf das Vertrauen angelegt war, und Abraham hier eigenmächtig selber der Verheißung nachhelfen wollte. Abrahams Fehlgriff hat in sein Haus eine Kette von Verwicklungen gebracht, und hat die Weltgeschichte auf tiefste beeinflusst. Zwei Völker von weltgeschichtlicher Bedeutung gingen von Abraham aus: Israel und die Araber; das erste von Isaak, die letzteren von Isamael abstammend. Sie sind nah verwandt; und doch sind die Araber geschworene Feinde Israels, weil der ältere Ismael vor dem jüngeren Isaak zurücktreten musste, um der Verheißung willen. Auch das von Isaak herkommende Israel hat sich später innerlich gespalten in das Israel nach dem Fleisch und das Israel nach dem Geist. Das geistliche wurde zur Gemeinde Jesu; das fleischliche Israel ist zum Judentum geworden, aber es wird wieder eine Gemeinde Jesu aus ihm entstehen, die sich unter vielen Schmerzen aus dem fleischlichen Israel herausschälen muss, in dem sie jetzt noch enthalten ist.

So hat Abraham eine dreifach geartete Nachkommenschaft: das Arabertum, das Judentum und das geistliche Israel. Das Arabertum hat auch ein wenig teil an dem über Abraham ergangenen Segen Gottes: es wurde ein zahlreiches Volk mit Weltbedeutung und ist nicht im Heidentum aufgegangen, sondern hat von Gottes Herrlichkeit etwas geahnt. Aber sein Ursprung hat sich ausgewirkt: was ihm von dem auf Abraham ruhenden göttlichen Segen noch verblieben ist, hat es in fleischlichem und eigenmächtigem Sinn missbraucht, und missbraucht es heute noch. Die Araber sind ein wilder Zweig aus heiligen Stamm; und ihre von Mohammed überkommene Religion, der Islam, ist ein falscher Trieb am Reich Gottes, der dessen Säfte an sich ziehen will.

Auch das Judentum ist ein falscher Trieb am Stamm des Reiches Gottes. Es sucht das Reich Gottes an sich zu ziehen, unter Zurücksetzung der Dienstpflicht. Statt dass Israel in harrender Buße sich auf die Einfügung in das Reich Gottes, und für den Dienst im Reich Gottes bereit gemacht hätte, nimmt das Judentum das Reich Gottes in Beschlag für seine ungeheiligte Art. So weisen der Islam und das Judentum verwandte Züge auf. Gemeinsam ist ihnen das, trotz alles scheinbaren Gehorsams ungeheiligte, trotz aller Ergebenheit und Hoffnung eigenmächtige, trotz aller scheinbaren Dienstbereitschaft hartherzige Greifen nach Gott, das den Weg des Glaubens uns Wartens verlässt. Aber ein Unterschied ist doch. An der Verheißung selber, die Abraham erhielt, hat Ismael keinen Anteil bekommen, auch wenn er von dem auf Abraham gelegten allgemeinen Segen mit eingeschlossen war; daher entbehren die Ansprüche des Islam der göttlichen Begründung, und sind rein fleischlicher Art; aber seine Art ist zugleich eine Verdrehung des Heiligen Geistes. Darum ist ausgeprägtes Judentum bösartiger als der Islam. Beide behaupten im Grunde, das Reich Gottes darzustellen, und stehen deshalb im ausgeprägten Gegensatz gegen das wirkliche Reich Gottes. Im Islam sind dieser Anspruch und dieser Gegensatz triebmäßig, instinktiv. Im Judentum unserer Tage tritt er noch nicht deutlich in Erscheinung; aber wenn seine Zeit gekommen sein wird, dann wird beim Judentum der Gegensatz gegen Jesus dem Bewusstsein entgegenreifen, bis er im Antichristen und im falschen Propheten die volle Klarheit des Bewusstseins erreicht.

Der Kampf der falschen Gottesreiche

Es gibt noch eine Verdrehung des Reiches Gottes, nämlich auf dem Gebiet der Völkerwelt: wenn nämlich die Christenheit sich mit dem Reich Gottes verwechselt, statt dass sie ihre Ehre darin sucht, die Gemeinde Jesu zu sein, bereit zum Dienst und zum Leiden, bis das Reich Gottes wirklich kommt. Diese Verdrehung muss nicht erst kommen, sie ist schon längst vorhanden, wenn sie auch ihren Höhepunkt noch nicht erreicht hat. Keine Kirche ist von der Gefahr ausgenommen, sich mit dem Reich Gottes zu verwechseln, oder sich wenigstens in besonders naher Beziehung zum Reich Gottes zu sehen, auch die evangelischen Kirchen nicht, auch die vereinsmäßigen Zusammenschlüsse nicht. Aber mit diesem Vorbehalt, dass alle Kirchen und Kirchlein in diesem Stück Grund zur Behutsamkeit und zur Buße haben, darf doch gesagt werden, dass die römische Kirche in besonderem Maß den Anspruch erhebt, die irdische Darstellung des Reiches Gottes zu sein; sie bezeichnet die Zugehörigkeit zu ihr als die unerlässliche Bedingung für die Zugehörigkeit zum Reich Gottes, in seiner Endgestalt. Diese stolze Stellung ist nicht die der Gemeinde Jesu in der Welt zugewiesene. Wodurch die Verdrehung entstand, wurde bereits gesagt: weil sich die Kirche verleiten ließ, ein Nachbild des Weltreichs zu werden.

Der Kampf der falschen Gottesreiche mit dem wahren Reich Gottes ist schon längst im Gang. Es gibt nicht bloß einen Kampf des Judentums gegen das Reich Gottes - der besteht, seit Jesus kam; und des Islam - der wurde sofort nach seiner Entstehung eröffnet; sondern es lebt sogar innerhalb der Christenheit, der Kirchen, ein Gegensatz zum Reich Gottes. Diese Erkenntnis ist schwer und niederdrückend; es sei noch einmal gesagt, dass das eine Gefahr für alle Kirchen ist, wenn auch in abgestuftem Maß; ebenso soll ausdrücklich gesagt sein, dass dieser Gegensatz den Kirchen selber nicht, jedenfalls noch nicht deutlich zum Bewusstsein kommt, und dass die Kirchen zugleich Wegweiser zum Reich Gottes sind. Aber so wie das menschliche Herz sich der Offenbarung Gottes aufschließt, und fast im gleichen Augenblick, oder in jähem Wechsel dem Einfluss aus der Tiefe sich öffnen kann, so sind die großen menschlichen Gebilde, auch die Kirchen, einer entgegengesetzten Beeinflussung zu gleicher Zeit erreichbar: sie können Boten und Organe des Reichs Gottes sein, und trotzdem satanischer Leitung zugänglich und satanischen Dienstes fähig. Der Gegensatz der falschen Gottesreiche zum wahren, wird noch ernster und schärfer werden. Vom Schlussbild der Weissagung aus gesehen, die eine gegen Christus und seine Gemeinde einige Menschheit zeigt, ist anzunehmen, dass die falschen Gottesreichsansprüche sich noch zusammenfinden zur gemeinsamen einheitlichen Austragung des Kampfes. Während aber Judentum und Islam zu solchem Zweck sich nicht wesentlich verändern müssen, ist der Gedanke an ein schließliches Reifwerden der Kirchen für das Antichristentum niederdrückend. Und doch lässt die Offenbarung, wenn man sie nicht in lauter Bilder auflöst, und sie als Gottes Wort gelten lässt, einen anderen Schluss nicht zu.

Dass es ein Zurücksinken von der Höhe der göttlichen Berufung gibt, das sogar zum Gegensatz gegen Gott und sein Reich ausarten kann, dafür haben die christlichen Kirchen ein warnendes Beispiel an Israel, das bereits Paulus verwendet hat in 1Kor 10:1-3. Israel artete aus zum Judentum. Und die christliche Gemeinde aus Israel, soweit sie nicht den heidenchristlichen Gemeinden sich anschloss, erhielt sich nicht; sie sank, wie aus manchen Anzeichen sich ergibt, allmählich ins Judentum zurück, oder erhielt ihr Christentum nur in entarteten Formen. Es wurde bereits angedeutet, dass der Stifter des Islam, Mohammed, der das altarabische Heidentum überwinden wollte, verdorbenes Judentum und Christentum als Bausteine zu seiner neuen Religion verwendete. Das Christentum lernte er nicht nur in griechischer Art kennen, sondern namentlich in entarteter judenchristlicher Form. Im Schlusswort seiner Schrift: "Die Kirche Jerusalems vom Jahre 70-130" (3. Heft der "Beiträge zur Förderung christlicher Theologie" 1898) zieht A. Schlatter eine gerade Linie vom Judenchristentum zum Islam. Da mir die geschichtlichen Zusammenhänge im einzelnen nicht vertraut sind, so sei hier der Gedankengang Schlatters wiedergegeben. Er erzählt, unter welchen Nöten sich die judenchristliche Gemeinde auch nach der Zerstörung Jerusalems gehalten hat; wie sie trotz naher Gemeinschaft mit der Judenschaft, und mit der heidenchristlichen Gemeinde ihre Selbstständigkeit beiden gegenüber längere Zeit festgehalten hat.

Es wäre für die Judenschaft, und für die aus der Völkerwelt gewonnene Christenheit, eine große Hilfe gewesen, wenn die jüdische Christenheit durch die Jahrhunderte hindurch als lebendige Kirche hätte weiterleben können. Die Judenschaft hätte sich nicht derart in sich verschlossen und von der Christenheit abgeschlossen, wie sie es tatsächlich getan hat; und die Christenheit aus den Heiden hätte nicht so leicht eine, mit ihrem heidnischen Ursprung zusammenhängende, abwegige Richtung eingeschlagen, wenn eine selbstständige kräftige Judenchristenheit zwischen Juden und Heidenchristen bestanden wäre, die beiden die Treue hätte halten können. Nun hörte aber aus verschiedenen Gründen diese jüdische Kirche als lebendiges Glied der Gesamtkirche auf. Soweit Reste ihre judenchristliche Art beibehielten, verloren sie den Zusammenhang mit der Gesamtchristenheit, und wurden den jüdischen Einwirkungen gegenüber offener. Dieses Judenchristentum wurde die Grundlage der Religionsstiftung Mohammedes, also des Islam. Über das Judenchristentum fand Mohammed den Anschluss an Abraham und an Jesus, aber unter Voranstellung seiner eigenen Person. So erscheint der Islam als die entartete Fortsetzung der alten judenchristlichen Gemeinde, wie die griechische Kirche, die in Bilderverehrung geriet, und die römische, die den Zugang zu Gott an menschliche und dingliche Vermittlung band, ihren Anfang hatte in der heidenchristlichen Gemeinde Jesu.

Der Gedanke, der oben wiedergegeben ist in etwas weiterer ergänzender Ausführung, ist furchtbar: die werdende mittelalterliche Kirche und der Islam werden hier nebeneinander gestellt als Gewächse aus einer Wurzel. Als Ausgangspunkt beider erscheint die Gemeinde Jesu; nur dass die alten Großkirchen aus der heidenchristlichen Gemeinde hervorgingen, während die Entstehung des Islam eng mit der judenchristlichen zusammen gesehen wird. Beide Ausläufer der Gemeinde Jesu binden ihr Glieder an Menschen: der eine an Priestertum und Papsttum, der andere an Mohammed. Ob diese Auffassung wohl recht hat? Dann hat aber die Christenheit keinen Grund, dem Islam gegenüber stolz zu sein; sondern sein Dasein und seine das Reich Gottes hemmende, und diesem feindliche Haltung, ist für die Christenheit ein Grund zur Buße. Vielleicht erklärt sich daraus auch die befremdliche Tatsache, dass der Islam für die Missionsarbeit fast nicht zugänglich ist. Er ist eben nicht Heidentum, dem das Evangelium erst noch zu bringen wäre, sondern entartetes Christentum, das sich gegen die Christenheit wehrt, wenn diese ihm mit dem Anspruch entgegentritt, im Besitz eines reineren Christentums zu sein. Zugleich ist die Christenheit veranlasst, sich selbst bis in die Tiefe zu prüfen, ob sie das Evangelium rein verwertet hat, ob sie nicht im Grunde unter der gleichen Verdammnis steht wie der Islam.

Zur Ergänzung seien einige Erwägungen aus einer 1907 erschienenen Abhandlung von Becker über "Christentum und Islam" beigefügt, die von ähnlichen Gedanken ausgehen, dass nämlich der Islam schon in seiner Entstehung sehr nahe Beziehungen zum Christentum habe. Es wird dann weiter ausgeführt, dass die weitere Gestaltung des Islam nach Mohammeds Zeit, aufs tiefste vom griechischen Christentum beeinflusst sei, das von den durch die Araber unterworfenen christlichen Kirchen aus, auf ihn eingewirkt habe. In der Ablehnung Jesu als des Heilsmittlers blieb der Islam unnachgiebig; aber im übrigen war er bereit, Gedanken, Stimmungen, und Verhaltensweisen auch von christlichen Kreisen aufzunehmen. Wiederum habe er infolge der Berührung der Christenheit mit der mohammedanischen Welt stark auf die erstere zurückgewirkt, und zwar nicht nur in äußeren, kulturellen Dingen. Becker glaubt z. B., eine mittelbare Quelle der "geistlichen Übungen des Begründers des Jesuitenordens, welcher der römischen Kirche in der Neuzeit große Dienste geleistet hat, in den strengen seelischen Zuchtübungen zu finden, die der Islam in Spanien bei manchen seiner Orden zur Erzeugung religiöser Wirkungen anwandte. Spanien ist ja der Schoß des Jesuitenordens, und gerade Spanien unterstand lange der Herrschaft des Islam.

Geistige Bewegungen unterstehen in hohem Maß der Herrschaft der unsichtbaren Geisterwelt. Sonst wäre auch ihre, die Massen ergreifende, und durch die Jahrhunderte hindurchgehende siegreiche Gewalt nicht zu begreifen. Wo es sich nun um Geistesströmungen handelt, welche die Gemeinde Jesu von ihrer Bezogenheit nach oben, und vorwärts abgezogen und in das Getriebe dieser Welt, und des gegenwärtigen Zeitlaufs hinein verflochten haben, da ist der Schluss sehr naheliegend, dass die unheimliche Geisterwelt ihre Hand im Spiel habe, die im Dienste des Fürsten dieser Welt steht, und deren Hauptaufgabe es ist, die Gemeinde Jesu zum Empfang des Reiches Gottes, und zum Dienst im Reich Gottes untauglich zu machen. Das Jahr 637 wurde schon gewertet als ein Gerichtszeichen Gottes über die alte Christenheit. Gottes Gericht kann in verschiedener Weise ergehen. Eine gnädige Weise des Gerichts ist es, wenn das Gericht der Zuchtübung dient. Eine viel ernstere Weise ist es, wenn Gott den Verderbensmächten Raum gibt zum Wirken. Er muss es manchmal tun, um seiner allumfassenden Gerechtigkeit willen, die auch den Einlass fordernden Verderbensmächten Raum gewähren muss. In diesem Sinn muss das Jahr 637 verstanden werden: es ist einen Einfallspforte der Finsternismächte in die Christenheit und zwar eine großen Stils. Wenn Dächsel in seiner Auslegung der 5. Posaune (Offb 9:1-12) hinter den mohammedanischen Arabern die Scharen der Finsternis sieht, die dem Abgrund entsteigen, dann hat er mit dieser Auslegung nicht ganz unrecht, auch wenn die eigentliche Erfüllung jenes Gesichts der Zukunft angehört.

Beginn der jüdischen Zersetzung

Das Jahr 637 bedarf nun noch einer letzten Beleuchtung. Im Jahr 63 n. Chr. erlag Jerusalem dem römischen Reich, und im Jahr 70 n. Chr. wurde der Sieg Roms vollständig. Abgesehen von der kurzen Zeit der Drangsal unter Antiochus hat keine Weltmacht Israel derartig in die Tiefe gedrückt wie es vor und nach 70 n. Chr. geschehen ist. 637 ist nun der Beginn des Gegenstoßes gegen das römische Reich; nicht bloß gegen die Christenheit im Reich, sondern gegen das Reich selber. Wessen Vorstoß ist es? Der des Judentums! Das muss freilich richtig verstanden werden. Nicht in dem Sinn, als ob da das Judentum sich planmäßig gegen Rom aufgemacht hätte. Menschliches Wollen und Planen scheidet bei solchen umfassenden Vorgängen von weltgeschichtlicher Bedeutung aus. Aber der Fürst dieser Welt begann seine beiden Diener gegeneinander auszuspielen, um sie im Widerstreit gegeneinander noch tauglicher für seine Zwecke zu machen. Sein Diener war von alters her das heidnische Weltreich. Aber seit Jesu Kreuzigung, und seit der Ablehnung des Evangeliums hatte sich Israel dazu gesellt. Zunächst nun stellte der Satan Israel unter Rom. Rom war freilich ein guter Diener des Satans, solange es die Gemeinde Jesu verfolgte; es war auch noch ein guter Diener, als es die Gemeinde in die weltliche Bahn hinüberleitete. Aber ganz tauglich war es für die Finsternis schließlich doch nicht mehr. Es drang mehr Christliches ein, als dem Satan lieb war.

Da schickte er seinen zweiten, bisher unten gehaltenen, Diener vor. Das ging in Stufen und auf verschiedene Arten. Das fleischlich gewordene Israel hatte ja einen vorzeitigen Bruder, die Nachkommen Ismaels. Die wurden nun zuerst hervorgeholt, und Mohammed musste sie mit halb jüdischem, halb christlichem Geist durchtränken. Und so, mit ihrer neuen Religion des Fleisches, wurden sie auf das römische Reich losgelassen. Zu gleicher Zeit, und in der Folgezeit setzte ein weiterer Vorstoß jüdischen Geistes gegen denjenigen Teil des römischen Reiches ein, den die Araber nicht zu unterjochen vermochten, und von dessen weiterer Bedrohung sie abstehen mussten, nämlich gegen die abendländische Kirche. Nicht ein Vorstoß der Judenschaft selber, sondern des gleichen Geistes, den die Macht der Finsternis bei Israel be herrschend gemacht hatte, nämlich den Geist der Werkgerechtigkeit an Stelle der Buße, und damit des Geistes des gesetzlichen Dienstes, statt dankbarer Annahme der Gnade. Es ist ja bekannt, in welchem Maße das Evangelium von der freien Gnade aus der mittelalterlichen Kirche des Abendlands verschwunden ist, und wie das christliche Leben wieder unter das Gesetz gestellt, und zum eigenen Wirken der Gerechtigkeit angeleitet wurde.

Die Gemeinde Jesu lebt von dem einen großen Opfer auf Golgatha, und hat unmittelbaren Zutritt zum Gnadenthron; aber in der mittelalterlichen Kirche kam das Opfer wieder auf, und damit auch der Priester. Die Gemeinde Jesu bekommt die Leitung durch den heiligen Geist; aber der Christenheit wurde gesagt, dass sie dem Kirchenregiment in seinen Graden, von unten bis zur höchsten Spitze im Papsttum, Gehorsam leisten müsse bei Verlust der Seligkeit. Es ist der gleiche Geist, der das von seinem göttlichen Beruf abgefallene Judentum beseelte: die Christenheit fiel zurück ins Gesetz, das Abendmahl wurde zum Opfer, der Versammlungsort zum Tempel, der Leiter der Gemeinde zum Priester. An der Ausbildung des Papsttums hatte auch dieser jüdische Geist Anteil, nicht nur das im Kaisertum gegebene Vorbild: denn im Papsttum verkörperte sich das, der Dienstbereitschaft entgegengesetzte, Herrschenwollen. Selbstverständlich ist an dieser Entwicklung das Judentum nicht unmittelbar schuldig; aber es war der gleiche böse Feind, der Israels Wesen zum Judentum erstarren ließ, und der die Gemeinde Jesu in das gleiche Joch spannte. Er verwendet immer wieder die gleiche Handlungsweise, die gleiche Methode. So machte er die Kirche bis zu einem gewissen Grade mit dem Judentum gleichförmig. Vielleicht hängt mit dieser inneren Verwandtschaft die Härte zusammen, mit der die Judenschaft vielfach von der mittelalterlichen Kirche behandelt wurde. Wer innerlich von jemand abhängig wird, lässt es gern sein Vorbild fühlen, wenn er die Macht dazu hat.

Mit den folgenden Ausführungen wird zwar der späteren Darstellung einiges vorweg genommen. Trotzdem gehört es in den vorliegenden Zusammenhang, wenn der Erstarkung jüdischen Wesens und jüdischen Einflusses bis zur Gegenwart nachgegangen wird. Die Neuzeit hat den Einfluss des Judentums, auf die aus dem römischen Reich entstandenen Völker, gewaltig gesteigert. Was schon früher angesprochen wurde, sei wiederholt: weder die einzelnen Glieder des Volkes Israel, noch die Judenschaft als Ganzes, kann dafür unmittelbar verantwortlich gemacht werden. Hinter dem jüdischen Einfluss stehen unsichtbare Mächte. Mit den letzteren sind nicht sog. Drahtzieher gemeint, die sich im Hintergrund halten, und aus der Verborgenheit heraus die Verhältnisse in jüdischem Interesse leiten würden. Der Antisemitismus hat zwar manche richtige Beobachtung gemacht; aber die Empfindungen, die er der Judenschaft gegenüber hegt und pflegt, und die Willensregungen, die er gegen sie wachruft, sind nicht richtig. Geistesbewegungen lassen sich mit Hass und hasserfüllter Gegenwehr nicht bekämpfen. Denn sie stehen unter der unsichtbaren Geisterwelt. Und die in den Geistesströmungen führenden Männer sind selber geleitet. Die unsichtbaren Mächte werden von menschlicher Bekämpfung nicht unmittelbar getroffen. Solchen überirdischen Mächten kann nur die Macht des Glaubens, der Bitte und Fürbitte entgegengesetzt werden; und den menschlichen Bewegungen die Gebundenheit des Gewissens und des Willens an Gott, mit dem Mut der andersartigen Haltung und Handlung, die Liebe und Ernst miteinander vereinigt im Wesen, im Zeugnis, in der Tat.

Die Macht des Geldes

Bei den im Folgenden genannten Erscheinungen der heutigen Zeit liegt der jüdische Einfluss, z. T. offen am Tag, z. T. ist er verdeckt. Dass das Geld, das Kapital in der heutigen Wirtschaft die ausschlaggebende Rolle spielt, von der sogar Krieg und Frieden abhängen, ist bekannt. Die führende Rolle des Geldes ist schwerlich nur ein Ergebnis der Wirtschaftsgeschichte, sondern beruht darauf, dass das Judentum in der Wirtschaft führend geworden ist. Das Geld und die Beaufsichtigung des Geldumlaufs liegt großenteils in jüdischen Händen. Bezeichnet man die Abhängigkeit des gesamten Wirtschaftslebens vom Geld mit dem Namen Kapitalismus, so wird man kaum fehlgehen, wenn man im Kapitalismus weithin ein großjüdisches Gewächs sieht. Unter dem Kapitalismus im oben genannten Sinn, seufzt die Völkerwelt und kann sich ihm doch nicht entziehen. Er verdirbt ein Volk nach dem anderen, einen Stand nach dem anderen. Die Christenheit ist nahezu machtlos dagegen; sie kann den Kapitalismus nur durch einen andersartigen Sinn bekämpfen, und ist ihm doch selber weithin verfallen. Sie muss mit dem Geld arbeiten, und hat mit dem Geld mehr, als gut ist, rechnen gelernt. Die Versuchung mit dem Geld zu rechnen, ist an Jesus auch herangetreten, und er hat seine Gemeinde mit durchdringendem Ernst darauf hingewiesen, dass das Geld Götzendienst beansprucht, ob man es nun mit einer Gott vergessenden Gier, oder mit banger Sorge um das Notwendige als Gott ehrt. Weil das Judentum sich des richtigen Dienstes Gott verweigert hat, ist es ein Knecht des Geldes geworden, und zersetzt mit solchem Sinn zugleich die christliche Völkerwelt.

Die Verquickung des gesamten Wirtschaftslebens mit dem Geld, hat zusammen mit der Entseelung der Arbeit durch die Maschine, die soziale Frage der neueren Zeit geschaffen. Dass es auf diesem Gebiet jüdische Führer gegeben hat und gibt, ist bekannt. Aber ein anderer Punkt dieses weiten, heutzutage weltbeherrschenden Gebiets, auf dem es schon furchtbare Erschütterungen gegeben hat, und noch weitere geben wird, liegt nicht so sehr auf der Hand: das sind die mit den sozialen Fragen aufkommenden Zukunftserwartungen, welche die Gemüter noch mehr beherrschen als die Lohn- und Geltungsfragen. Der Sozialismus hat Zukunftsgedanken, die mit der Kraft der Religion auftreten, ja in vielen Gemütern das, was man sonst Religion nennt, zu ersetzen. Dieses Zukunftsbild erwartet kein göttliches Eingreifen und keine neue Schöpfung, es geht auch über das Materielle nicht wesentlich hinaus. Es strebt nach einer, durch Menschen herbeizuführenden neuen Ordnung der Dinge, in welcher die Menschheit, durch die Änderung der Verhältnisse, glücklich werde und sich dann von selbst als gut ausweise.

Die Erwartungen des Sozialismus

Nur Israel und die Christenheit hat eine Zukunftserwartung; aber sie erwarten deren Verwirklichung durch Gottes Eingreifen mit dem Erfolg, dass Er die Welt und die Menschheit sich untertänig mache. Das Judentum und der Islam haben ihre Zukunftserwartung in verzerrter Gestalt aus der biblischen Weissagung übernommen; in ihr spielen die Verhältnisse die Hauptrolle, nicht die neue Gemeinschaft mit Gott. Und das Hauptstück darin ist die Erhöhung des eigenen Wesens, nicht die Hilfe für die Welt. Die dem Sozialismus eigene, mit Sehnsucht festgehaltene, und als Ziel des Begehrens und Handelns vor der Seele schwebende, fast religiös verklärte Zukunftserwartung, ist wahrscheinlich eine Entlehnung aus dem Judentum. Denn dem Judentum ist mit seiner Abwendung von Jesus nicht nur der heilige Geist abhanden gekommen, sondern auch das, was man Seele nennt. Sein Gottesdienst hat die Seele verloren und ist zum seelenlosen Gesetzesdienst geworden; und so hat auch die, dem Volk der Verheißung als Wesensbestandteil eigene, Zukunfshoffnung ihren inneren Gehalt eingebüßt. Was geblieben ist, ist eine Schale, in doppeltem Sinn, sofern es auf das Hoffen selber nicht verzichten kann, und sofern der Inhalt der Hoffnung sich auf das Gebiet der Sachen, der Verhältnisse gelegt, und damit in die jetzige irdische Welt sich verloren hat. Diese Art von Zukunftshoffen, mit Glut, aber in den Verhältnissen dieser Welt befangen, nicht mehr getragen vom Ausblick auf den lebendigen Gott und seinen Christus, darum auf das Materielle sich werfend, ist Eigentum des Sozialismus geworden.

Diese Zukunftshoffnung ist anderer Art als die Erwartung des kommenden Herrn, der das Reich Gottes aufrichten wird. Gemeinsam hat sie mit der echt christlichen Erwartung den Blick auf die Erde gerichtet. Insofern ist sie, mit ihrer, weite Kreise im Bann haltenden Kraft, eine Beschämung für die matt gewordene Christenheit, die weit hinter der Schrift zurückbleibt, und sich ins Jenseits flüchtet, zum Spott für die Welt, die sich an einer habhaften Hoffnung ergötzt, und über die Himmelshoffnung und Himmelssehnsucht lacht. Und das Aufkommen dieser, sich auf die Erde werfenden Hoffnung, ist zugleich ein Gericht Gottes über die Christenheit, weil sie den großen Verheißungen Gottes von seinem Reich auf dieser Erde, und von der Neuschöpfung dieser Erde nicht mehr zu trauen wagt. Aber dem, was die sozialistische Erwartung mit der Hoffnung auf das Reich Gottes auf Erden gemeinsam hat, steht ein nicht zu überbrückender Gegensatz gegenüber: das Reich Gottes wird nicht herbeigeführt durch Menschen und durch Verhältnisse, weder durch stilles Schaffen an den Verhältnissen, noch durch gewaltsame Änderungsversuche, sondern durch das Eingreifen des Christus, des einst Gekreuzigten und nun Erhöhten, den Gott senden wird. Und der Zustand des menschlichen Herzens ist nicht nebensächlich, sondern ausschlaggebend. Das menschliche Elend, das der sozialen Frage zweifellos zugrunde liegt, rührt letzten Endes von der Sünde her, und zwar nicht nur von der Sünde der einzelnen, sondern von der im Laufe der Jahrtausende ins Riesengroße gesteigerten Gesamtsünde.

Alle menschlichen Änderungsversuche, welche diese Großmacht, die Sünde, nicht sehen und sehen wollen, und von anderen Verhältnissen das Heil erwarten, vermehren nur noch das Elend und die Gesamtsünde. Ein wesentlicher Punkt wird in all diesen Zukunftsgedanken ganz außer acht gelassen: der Blick auf das Gericht, das jetzt schon in der Luft liegt, das in Zusammenbrüchen furchtbarer Art über die Menschheit hinein brechen muss, das jeden einzelnen wie die Gesamtheit der großen Abrechnung entgegenführt. Es ist erschütternd, zu sehen, wie die Menschheit in ihrem Wahn, der Gottes und seines Gerichts vergisst, und der von einer herrlichen, durch eigene Arbeit und Gewalt herbeizuführenden neuen Ordnung der Welt träumt, zur Vollstreckerin des göttlichen Gerichts an sich selber wird. Was die Menschheit zuletzt mit ihren Gott abgewandten Hoffen und Schaffen erreicht, ist ein großes Trümmerfeld, vor dem sie schließlich mit Wehklage steht, aber ohne Buße.

Der Einfluss auf das geistige Leben

In welchem Maß das GEISTIGE Leben unter jüdischem Einfluss steht, ist schon oft geahnt worden; nur liegen die Verbindungslinien, die vom Judentum zur Gestaltung des geistigen Lebens der Völker herbeiführen, nicht so offen da. Verhältnismäßig am deutlichsten sind sie auf dem Gebiet der Presse. Die Presse, die Zeitung, die Zeitschrift machen die öffentliche Meinung. Gewiss gibt es auch eine unabhängige Presse, die sich weder nach dem jeweiligen Zeitgeschmack richtet, noch eine parteimäßige öffentliche Meinung erzeugen will. Aber dass ein großer Teil der Presse, namentlich der auf den Zeitgeschmack eingestellten, in der Hand und im Dienst des jüdischen Kapitals ist, ist bekannt. Es ist wahrscheinlich, dass eingehende Forschung auch bei manchen Gedankengängen, die heutzutage die christlichen Völker durchziehen, und sie hindern, die Weltlage an ihrer tiefernsten Wirklichkeit zu sehen, jüdischen Ursprungs oder wenigstens eine jüdische Wurzel nachweisen könnte. So bei dem Gedankengängen und Bestrebungen, welche die durch Gottes Schöpfung geordneten Unterschiede vorzeitig ausgleichen wollen, also die Unterschiede vorzeitig ausgleichen wollen, also die Unterschiede des Volkstums, des Geschlechts, der natürlichen Über- und Unterordnung. Gewiss haben sich im Lauf der sündigen menschlichen Geschichte auch die vom Schöpfer für die alte Schöpfung geordneten Verhältnisse mit Sünde getränkt: die Schätzung des Volkstums ist vielfach in Nationalismus ausgeartet, die Beziehung der Geschlechter zueinander ist durch Härte und Weichheit und Selbstsucht vergiftet. Die Betonung der Notwendigkeit des Respekts kann in Unterdrückung berechtigter Selbstständigkeitsregungen übergehen. Aber Entartungen heben die Schöpfungsordnung Gottes nicht auf.

Die Zeit wird ja noch kommen, wo alle seitherigen Lebensordnungen auf eine neue Grundlage gestellt werden; das wird aber erst in der neuen Schöpfung der Fall sein, noch nicht einmal im 1000-jährigen Reich. So wird auch die Zeit, da die Kriege aufhören, erst kommen, wenn Gott im Gericht der menschlichen Selbstsucht keinen Raum mehr lässt. Selbstverständlich wird ein Christ, der Glauben und Hoffnung zu Gott hat, den Krieg nicht begehren und noch weniger auf ihn hinwirken. Trotzdem kann es ihm innerlich unmöglich sein, sich tätig an den Friedensbestrebungen der Zeit zu beteiligen, wenn er sieht, dass dieselben über die verborgene Wurzel alles Haders hinweggehen, und für den gegenwärtigen Zeitlauf schon vorwegnehmen wollen, was Gott seinem Reich vorbehalten hat. Solche ausgleichenden, nivellierenden Bestrebungen, die weder der alten noch der neuen Schöpfung gerecht werden, und mit der menschlichen Sünde nicht rechnen, liegen heutzutage gerade innerhalb der Völker in der Luft, die eine lange christliche Geschichte gehabt haben. Woher kommen sie? Aus der christlichen Vergangenheit nicht. Regt sich in ihnen das Heidentum, sei es in dem Sinn, dass unter der Decke schlummerndes Heidentum über die Jahrhunderte hinüber aus der vorchristlichen Zeit wieder ans Tageslicht kommt; der in dem Sinn, dass auch ein Christ und ein christliches Volk, neben einer christlichen Seele noch eine heidnische in sich trägt, die zu ihrer Zeit die Oberhand gewinnen will? Es gibt noch eine Möglichkeit, die schon genannt wurde, dass hier nämlich ein Einbruch jüdischen Wesen stattgefunden hat, nicht ein bewusster, der der Judenschaft selber zur Last zu legen wäre, sondern ein durch die Finsternismächte vermittelter. Es war ja nicht anders möglich, als dass Israel in der langen Zeit der Christuslosigkeit, der Zerstreuung, und des Drucks an seinem Wesen gelitten hat. Es war gezwungen, sich überall anzupassen und weltliche, auch weltbürgerliche Art anzunehmen. Diese Art hat nun weithin die christlichen Völker erfasst, und sie kommen nicht mehr davon los.

Nehmen wir die Knochenerweichung dazu, welche die christlichen Völker ergriffen hat auf ihrem ureigensten Gebiet, nämlich auf dem der Erlösung! Die Christenheit lebt von der Erlösung durch Jesus Christus. Schätzt sie diese nicht mehr, schämt sie sich gar ihrer, weil sie sich auch schämt, Sünde Sünde zu nennen, dann gibt sie sich selber auf. Was ist eine Christenheit ohne dankbare Schätzung des Gekreuzigten? Sie verdient ihren Namen nur als Gemeinde unter dem Kreuz, wenn sie auch am Geheimnis des Kreuzes nicht auslernt. Denn er, dessen Name sie trägt, ist um seines Namens willen ans Kreuz gekommen, und hat dort den wichtigsten Teil seines Christusamts vollbracht, nämlich die Erlösung. Es wird nichts Unrichtiges und kein Geheimnis ausgesprochen sein, wenn gesagt wird, dass die Beziehungen der christlichen Völker zum Gekreuzigten sehr lose geworden sind, sowohl oben als unten. Es ist hier nicht die Rede von dem Rest christlichen Empfindens, der zumal am Karfreitag die Kirchen füllt, und das von der geheimen Sehnsucht nach dem Gekreuzigten Zeugnis ablegt, sondern davon, ob das Leben außerhalb der Gotteshäuser, ob der Gang des kleinen und großen Geschehens, vom Blick auf den Mann bestimmt ist, der am Kreuz starb und der - wiederkommen wird.

Wenn er wiederkommt, dann tritt er in eine Welt ein die, auf das Ganze gesehen, schon längst nicht mehr mit ihm rechnet, und die sich deshalb entsetzen wird, dass Er auch noch da ist, und dass alles von Ihm abhängt. Es hat sich die Gewöhnung ausgebildet, die man als stillschweigendes Übereinkommen bezeichnen könnte, in der Öffentlichkeit, im Familienkreis, auf der Straße, in der Eisenbahn, im Fabriksaal, in den Sitzungen, in den gesetzgebenden Körperschaften, in der Gesellschaft, in der Presse von ihm zu schweigen! Aber neben dem Schweigen bildet sich bereits ein anderes Verhalten heraus, nämlich das, von ihm geringschätzig zu reden und zu schreiben. Es wird noch soweit kommen müssen, dass dieser Name gehasst und gelästert wird. Wo? In christlichen Völkern!

Auswirkungen auf die Wissenschaft

Woher kommt dieses unheimliche Schweigen? Der Name Jesu hat doch die Christenheit früher tief bewegt! In welchem Maß war die deutsche Öffentlichkeit zu Luthers Zeit von diesem Namen voll, bis in die Flugblätter hinein! Was hat die Änderung hervorgebracht? Warum wird heutzutage in der Öffentlichkeit das christliche Erbe wenig mehr als Bestandteil des geistigen Nationalguts geachtet? Mit anderen Worten: woher rührt das starke Zurücktreten des zweiten Artikels? Ist es wohl zu viel gesagt, wenn wieder von einem Einbruch des jüdischen Geistes gesprochen wird? Wieder nicht im Sinn einer bewussten Einwirkung des Judentums auf die christlichen Völker; aber im Sinne einer Überleitung jüdischen Empfindens auf die Christenheit durch die unsichtbare Welt. In der unsichtbaren Welt gibt es eine Liga, einen Bund gegen Christus; nicht in derjenigen der seligen Geister - denn die Engel preisen ihn mit Freuden, sondern in der der Obrigkeit der Finsternis unterstehenden Geisterwelt. Diese Einwirkung wird viel zu sehr unterschätzt. Seit Jesu irdischer Erscheinung ist, der das Judentum bestimmende Zug, der Widerspruch gegen den Gekreuzigten. Denn jede Anerkennung desselben vernichtet alle eigene Gerechtigkeit und gibt die große, über die Zeiten hinüberreichende Nationalschuld Israels zu. Daher die eigenartige Stellung zu Jesus. Das Judentum kennt ihn wohl, aber es spricht nicht von ihm. Es will ihn nicht kennen, es ignoriert ihn.

Es gibt noch eine andere Stellung: die Kampfesstellung, welche die Wahrheit seines Namens bestreitet, vielleicht leidenschaftlich bis zur Lästerung, und die zur Lästerung zwingen will. Die letztere Einstellung hat seinerzeit Paulus eingenommen in seiner vorchristlichen Zeit. Diese Stellung muss auch noch aufkommen. Ihr geht aber die andere voraus, die sich schweigend verhält. In dieser Verfassung ist heutzutage die Christenheit weithin. Es wird von ihm nicht geschwiegen bei der gottesdienstlichen Feier; da wäre Schweigen unnatürlich, und seine Nennung an solcher Stelle ist noch kein Zeichen von Mut. Aber wo es sich um ein freies Bekenntnis und Geständnis handeln würde, von Mund zu Mund oder in größerem Kreis, da herrscht das ängstliche oder verlegene, oder verständnisvolle oder eisige Schweigen vor. Die Nennung dieses Namens in heiliger Liebe würde die heutige Gesellschaft verlegen machen, bloßstellen, kompromittieren. In solche Stimmung fährt, hellleuchtend und erschreckend wie ein Blitz Jesu, das Wort: Wer sich mein und meiner Worte schämt unter diesem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht, dessen wird sich aus des Menschen Sohn schämen, wenn er kommen wird in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln (Mk 8:38). Hier ist ein wunder Punkt der heutigen Christenheit: die falsche Scham. Die hindert am Bekenntnis zu Jesus. Dem steht das schlichte, und doch so mutige Wort des Paulus gegenüber: des Evangeliums von Christus schäme ich mich nicht (Röm 1:16).

Noch ehe solches Schweigen in der Öffentlichkeit üblich wurde, war es bereits üblich in der Höhenlage des geistigen Lebens, in der Wissenschaft, als der denkenden Verarbeitung der natürlichen und geistigen Erscheinungswelt, und des Geschehens. Zwar kann gesagt werden, die Wissenschaft habe keinen Grund, ohne besonderen Anlass das Wort von Gott und Christus zu gebrauchen. Das soll ohne weiteres zugegeben werden. Aber sowohl die Naturwissenschaft, als die Geisteswissenschaften kommen, sowohl bei der Beschreibung dessen, was ist, als auch bei der Darstellung der geschichtlichen Vorgänge an Stellen, wo sie nicht nur an der Grenze des menschlichen Begreifens stehen, sondern auch an der Schwelle der unsichtbaren Welt; oder mit anderen Worten: sie stehen vor dem Geheimnis Gottes, als des Schöpfers der Welt, des Kleinsten und des Größten. Und die Geschichtswissenschaft steht vor dem Geheimnis Jesu. Aber es fällt der Wissenschaft so schwer, ein Wort von Gott und von Jesus zu sagen. Und diejenigen, die sich in die Ergebnisse der Wissenschaft vertiefen, merken diese Scheu, die nicht immer eine heilige ist, sondern manchmal ein Ausdruck der Verlegenheit, die manchmal auch eine Ablehnung der Welt des Glaubens in sich schließt; und sie ziehen ihre Schlüsse aus dem Schweigen der Wissenschaft. Ist es zuviel gesagt, wenn von einer Entgottung und Entchristlichung der Wissenschaft gesprochen wird? Mag auch in neuerer Zeit in den Kreisen des Wissens neue Ehrfurcht vor den letzten Geheimnissen wach geworden sein - wir leiden trotzdem bis tief ins Volksleben hinein unter einem Wissen, das die Welt meint, ohne Gott verstehen zu können.

Wieder sei es fern, unmittelbaren jüdischen Einfluss zu vermuten, zumal da die Judenschaft mit der Ablehnung Jesu den Gottesglauben nicht über Bord geworfen hat. Aber weiten Kreisen der Judenschaft ist Gott doch entschwunden; der Glaube an den Gott der Väter beherrscht nicht mehr das ganze Volk. Das Interesse am Blut, am Geschlecht, am Vorzug ihres Geschlechts tritt meist in den Vordergrund. Es kann nicht anders sein, denn der Gott Israels ist der Vater Jesu Christi. Und mit der Ablehnung Jesu tritt auch der lebendige Gott langsam aus dem Gesichtskreis. Das färbt auch ab auf des Denken, auf die für die Verarbeitung der Wahrnehmungen grundlegende Betätigung des menschlichen Geistes. Es sind in der Welt der Bildung ähnliche Veränderungen vor sich gegangen, wie beim nachbiblischen Israel, ob nun geschichtliche Vermittlungen vorhanden sind oder nicht. Es wäre auch nicht gut, sich zu beruhigen mit dem Gedanken, dass die atheistische, d. h. von Gott nichts wissende und ihn leugnende Welle, die die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts beherrschte, abebbe, und dass eine religiöse Welle auch in der Wissenschaft, und auf anderen Gebieten des geistigen Lebens, so in der Kunst, eingesetzt habe. Denn es ist nicht so, dass die Abwendung vom Materialismus, von der im Stofflichen befangenen Betrachtung der Welt, eine Rückkehr zum Vater Jesu Christi bedeuten müsste. Es gibt nämlich eine Geistigkeit und eine Religiosität, die von der Art des Heiligen Geistes weit entfernt ist. Hat der alte böse Feind sein Ziel mit gröberen Mitteln nicht erreicht, so versucht er es mit feineren. Ein ähnliches Verfahren hat er am Ausgang des Altertums angewandt, als der Kampf gegen das Christentum mit den Mitteln der Gewalt nicht zum Ziel gelangte: da stellte er dem Christentum ein verfeinertes, religiös gestimmtes Heidentum gegenüber, in der neuplatonischen Philosophie, die in der Kirche viel Schaden angerichtet hat.

Politische Einwirkungen

Es war seither von dem Verfahren der Finsternis die Rede, auch die neuere Entwicklung des Judentums auf die Christenheit zu übertragen. Ein Gebiet wurde bis jetzt nicht genannt: das politische. Dass das Judentum auch politische Einwirkungen zuwege bringen kann, liegt offen in dem berühmten englischen Versprechen des Jahres 1917, das Heilige Land zur nationalen Heimstätte des jüdischen Volkes zu machen. Das internationale Judentum, vertreten durch den sogenannten Zionismus, hat dieses Versprechen zuwege gebracht. Es war viel, dass England dem Judentum diese Zusage gegeben hat, wenn es auch wohl gewusst hat, warum es so handelte. Der Wege, um zu politischem Einfluss zu gelangen, gibt es mancherlei. Ein aussichtsreicher Weg ist der über die Wirtschaft, über das Kapital und über die Gedanken, die Ideen, zumal wenn es gelingt, weite Kreise, die öffentliche Meinung, oder gar die Weltmeinung dafür zu gewinnen. Dass die öffentliche Meinung nicht wachstümlich sein muss, sondern gemacht und verändert werden kann, hat man in Deutschland früher weniger gewusst, und geglaubt als nach den Erfahrungen der letzten 15 Jahre, wo man sehen konnte, wie sogar die Weltmeinung gemacht werden kann. Die Beeinflussung und Bildung der öffentlichen Meinung, vom kleinen Kreis bis zum Menschheitsganzen, ist eine Kunst geworden. Manche Größen der Weltgeschichte haben diese Kunst in hervorragendem Maß verstanden, so Napoleon I.. Es gehört Beharrlichkeit dazu und ein weites Gewissen. Hilfsmittel sind das gesprochene Wort und die Presse; aber sie sind nicht die einzigen.

Der Heilige Geist macht die öffentliche Meinung nicht, wenigstens nicht die gewöhnliche. Er fasst den Einzelnen, und zwar an dem Punkt, wo der menschliche Geist den Berühungspunkt hat mit der oberen Welt, am Gewissen. Das Gewissen ist ja mehr als nur der Sitz des Schuldbewusstseins. Zuzeiten hat der Heilige Geist auch schon gleichzeitig nach einem größeren Kreis gegriffen. Dann gab es Erweckungen. Doch stellen sich da meist auch Nebentöne ein, die nicht von oben sind. Der Heilige Geist macht das Herz fest. Fest in doppeltem Sinn: dass es den Ruhepunkt findet in Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen - der Heilige Geist verankert die, welche sich heiligen lassen, gleichzeitig an Christi Kreuz und am Thron - ; und dass es sich nicht mehr "von jedem Wind der Lehre durch das Trugbild der Menschen, die auf Irreführung ausgehen, wie Meereswogen hin- und herwerfen und umhertreiben lässt" (Eph 4:14 in der Übersetzung von Menge). Es ist erschütternd, wahrzunehmen, in welchem Maß der Christenheit heutzutage solche Festigkeit abhanden gekommen ist. Weithin fehlt es am festen Grund und deshalb auch an der Widerstandsfähigkeit gegen die jeweils herrschenden Zeitmeinungen.

Durch die Zeitströmungen führt der Fürst dieser Welt die Weltgeschichte seinem Ziel entgegen. Er sorgt auf mancherlei Weise, dass diese Bewegungen kommen und gehen. Auf den ersten Blick machen die geistigen Bewegungen den Eindruck großer Mannigfaltigkeit, und machen die Menschheit stolz auf ihre geistige Vielseitigkeit und Beweglichkeit. Im Grunde aber gehen sie auf eine Wurzel zurück: auf die Ruhelosigkeit des von Gott abgewichenen menschlichen Geistes. "Die Gottlosen sind wie das aufgewühlte Meer, das nicht zur Ruhe kommen kann" (Jes 57:20). In der Friedlosigkeit greift der Menschengeist nach Gott, und erhebt sich gleichzeitig über ihn. Deshalb haben die die Geschichte bewegenden, und dem Endziel zutreibenden Gedanken, Ideen, Strömungen auch einen Wahrheitsrest; aber trotz der Beimischung von Wahrheit treiben sie tiefer in die Gottlosigkeit hinein. Lüge ist etwas Furchtbares, sie kennt die Wahrheit, denn sie könnte ohne sie gar nicht bestehen, und gleichzeitig bestreitet sie dieselbe. Die Lüge muss sich noch in grausiger Weise ausgestalten und die Menschheit durchdringen.

Dann geht sie einen Bund ein mit einem ebenso grausigen Gebilde: der Lästerung. Die Lästerung kennt Gott und beschmutzt ihn gleichzeitig. Die Tiefen des satanischen Wesens dürfen den, dem sich der Blick dafür öffnet, wohl erschrecken, umso mehr als die Lüge bis in den Grund des menschlichen Wesens eingedrungen ist, und in satanische Bindung führt. Gott sei Dank, dass in Jesus Christus die Wahrheit in Person erschienen ist, und dass Er, der die Wahrheit ist, von der Lüge freimachen kann! Gott sei Dank, dass er im menschlichen Geist auch nach dem tiefen Fall einen Bezirk freigelassen hat, der selbst bei tiefer Verstrickung in die Lüge, noch aufnahmefähig ist für die Wahrheit, nämlich das Gewissen.

Die letzte Erwägung über die Bedeutung des Jahres 637, die es als Beginn des Gegenstoßes des jüdischen Wesens gegen das römische Reich wertete, ist noch zu Ende zu führen. Der Gedanke war, dass im Arabertum das Judentum in doppelter Weise in weltgeschichtliche Tätigkeit eingetreten sei; nämlich blutsmäßig, sofern die Araber die nächsten Verwandten Israels sind als Nachkommen Abrahams; und kraft der Religion, sofern der Islam nahe geschichtliche Beziehungen zum Judentum, und zu dem dem Judentum zugewandten Christentum hat, so dass er sogar als verderbte Fortsetzung des Judenchristentums angesehen werden kann. Es war weiter davon die Rede, in welchem Maße es der Macht der Finsternis gelungen sei, die jüdische Entwicklung auch auf die christlichen Kirchen überzuleiten, und wie mit dem Fortschreiten der Zeit, das Judentum auf manchen Gebieten auch unmittelbar führend eingreife, in einer für das Reich Gottes ungünstigen Weise. Noch ist die politische Führung nicht in seiner Hand. Aber der Gegenstoß gegen das römische Reih könnte sich in der Weise vollenden, dass es dem Judentum gelänge, das römische Reich in der Führung der Menschheit abzulösen. Ob es nicht berufen ist, der 7. Kopf des Tiers zu werden? In welcher Weise, das müsste die Zukunft zeigen. Aber Anhaltspunkte für eine solche Vermutung bietet die bisherige Geschichte, und der Blick auf das Schlussbild der biblischen Weissagung. Doch soll mit diesem Ausblick nicht der späteren Darstellung vorgegriffen sein.

Das Jahr 1303 als Knotenpunkt

Wenn der Grundgedanke, dass die Geschichte des römischen Reiches in 3 Abschnitten von 666 Jahren verlaufe, sich am tatsächlichen Geschichtsverlauf als richtig erweisen soll, so muss das Jahr 1303 ebenfalls ein Einschnitt von grundlegender Bedeutung in der europäischen Geschichte sein. Kann man dem Jahr 1303 die Bedeutung zumessen, dass es der Wendepunkt zwischen dem europäischen Mittelalter und der europäischen Neuzeit ist? Was ist 1303 geschehen? In diesem Jahr starb Papst Bonifaz VIII., der letzte kraftvolle Vertreter des mittelalterlichen Papsttums, nachdem er im Jahr vorher in feierlichem Erlass, die alles überragende Oberhoheit des Papsttums in Kirche und Staat, als göttliche Ordnung verkündigt hatte. Eben wollte er daraus gegen Frankreich im Namen Gottes die praktischen Folgerungen ziehen, da wurde er von seinen Gegnern seiner Freiheit beraubt und starb bald darauf. Nicht nur der Ausgang dieses Papstes, sondern auch die Folgezeit hat gezeigt, dass die mittelalterliche Höhe des Papsttums gebrochen war.

So kann man dem Jahr 1303, obwohl es in manchen Geschichtsdarstellungen nur kurz erwähnt ist, die Bedeutsamkeit nicht absprechen; aber ob es eine Zeitwende großen Ausmaßes darstelle, kann trotzdem bestritten werden. Deshalb sind weitere Ausführungen erforderlich, um die Bedeutung dieses Jahres auszuweisen.

Es sei dazu zunächst die allgemeine Bemerkung gemacht, dass die Auffälligkeit eines Ereignisses noch nicht den einzigen Maßstab für die Beurteilung seiner Bedeutung abgibt. Die Geburt Jesu ging in aller Stille vor sich; seit vielen Jahrhunderten aber wird sie als Wende der Zeiten gewertet, indem man nach ihr die Jahre zählt. Der weit blickende römische Geschichtsschreiber Tacitus hat zu seiner Zeit, als die Gemeinde Jesu längst begründet war, sie noch als etwas ganz Nebensächliches beurteilt, und den ihm bekannten Kreuzestod Jesu als ein völlig unbedeutendes Ereignis. Und doch hat Golgatha und das kleine Häuflein Jesu die Welt umgestaltet. Scheinbar kleine Ereignisse, die lange Zeit wenig beachtet werden, können Knotenpunkte sein, an denen der Abschluss eines Zeitraums und der Beginn einer neuen Zeit in Erscheinung tritt.

1303 als Abschluss des Mittelalters

Die Bedeutung des Jahres 1303 liegt zunächst darin, dass der mit dem Sturz des Papstes Bonifaz VIII. eingeleitete lange Niedergang des Papsttums, zusammenfällt mit der auf die Spitze getriebenen Geltendmachung der päpstlichen Weltherrschaftsansprüche. Der Sturz des Papsttums ist die unmittelbare Folge seiner Selbsterhöhung. 1302 und 1303 müssen zusammen geschaut werden. In der Bulle "unam sanctam" ist die römische Art der Kirche zu einem Gebäude ausgebaut, zum System erhoben, sie steht als klares, planmäßiges Gefüge da, mit dem Anspruch auf unbedingte Geltung für die Welt. Römisches Reich und römische Kirche sind zur Einheit verschmolzen. In der römischen Kirche, wie die genannte Bulle sich nennt, ist das römische Reich wiedererstanden mit seiner ganzen straffen Art. Auch der Kaiserkult ist wieder da, nur in anderer Form: in der göttlichen Autorität des Papsttums. In der Sprache der Offenbarung. Das Bild des Tieres war aufgerichtet; die göttliche Ehrung war bereits geboten. Da wurde plötzlich noch einmal Halt geboten. So stellt sich 1302/1303 als Vollendung der mittelalterlichen Kirche des Abendlands dar, und zugleich als Weissagung auf die Endzeit, wo das Bild von neuem aufgerichtet werden wird, dann mit dem Anbetungszwang, aber auch mit dem späteren, noch tieferen Fall.

Wenn aber auch anerkannt wird, dass mit 1303 die mittelalterliche Geschichte des Abendlandes zum abschließenden Höhepunkt gelangt ist, so kann doch noch zweifelhaft erscheinen, ob man 1303 auch als Wendepunkt der gesamteuropäischen Geschichte ansehen kann. Denn neben dem Abendland stand doch noch Ostrom mit seinem kirchlichen Ableger in Russland. Aber tatsächlich hatte ja das Abendland seit dem Ansturm des Islam die Führung Europas inne. Von der Zeit an, das Ostrom mit dem Islam den lange dauernden Kampf auf Leben und Tod auszufechten hatte, wurde die europäische Geschichte bis tief in die Neuzeit hinein im Abendland gemacht. Erst seit rund 200 Jahren wird sie wieder durch Osteuropa mitbestimmt, in der neuesten Zeit in tiefeingreifender Weise. So wandert der Schwerpunkt. Der Abschluss des ersten Zeitraums der Geschichte Roms erfolgte von Osten her: 637; der Abschluss des zweiten Zeitraums trat im Abendland in Erscheinung, 1303. Und die Stelle, wo die Geschichte Roms ihren Gesamtabschluss erreichen wird, wird voraussichtlich wieder der Osten sein.

1303 als Beginn der Neuzeit

Lässt sich aber das Jahr 1303 auch nach vorwärts als Zeichen des Abschlusses eines größeren Zeitraums verstehen? Zeigt sich aus Anlass dieses Jahres etwas Neues? Diese Frage ist ebenfalls zu bejahen. Der päpstliche Machtanspruch zerbrach an einer der neuen Nationen, die aus der geschlossenen Welt des Abendlands sich herausarbeiteten. Um das Traumbild Nebukadnezars zu verwerten: es begann die Zeit der Zehen. Innerhalb der europäischen Staaten stellen Frankreich im Westen, und Russland im Osten, die beiden von West- und Ostrom nach Norden vorgeschobenen Außenposten des römischen Reiches dar. Es ist nicht bedeutungslos, dass Frankreich diejenige Nation war, die dem Papsttum den Fehdehandschuh hinwarf, als dasselbe seine Machtansprüche geltend machte und durchführen wollte, und die es nach dem Tod von Bonifaz VIII. in Abhängigkeit von sich zwang, ja es veranlasste, auf mehr als 2 Menschenalter seinen Sitz von Rom weg nach Südfrankreich zu verlegen. In Frankreich bäumte sich das weltliche Rom gegen das kirchliche auf.

Als Rom wieder Sitz des Papsttums wurde, folgte ein weiteres Menschenalter hindurch die Zertrennung desselben durch gleichzeitige Vertreter, die sich gegenseitig bekämpften. Bald darauf unterlag es bis in den Anfang der Reformationszeit schöngeistigen, ästhetischen Neigungen, oder sittlicher Entartung oder lokalpolitischen Interessen. Es ist merkwürdig zu sagen, entspricht aber doch den Tatsachen, dass erst die Reformation das Papsttum wieder festigte. Es erstarkte am Gegensatz gegen die Reformation, und fand am Jesuitenorden einen treu ergebenen Diener. Es musste den letzteren später eine Zeit lang der Zeitströmung opfern. Aber das Papsttum holte ihn zurück als stets bereiten Helfer.

Das allgemeine Konzil im Vatikan erkannte dem Papsttum die höchste Machtvollkommenheit zu über die gesamte Kirche, und bekannte sich zu seiner Unfehlbarkeit. Das war im Jahre 1870, einen Tag vor dem Eintreffen der französischen Kriegserklärung in Preußen. Nun war das Papsttum wieder auf der Höhe seines bereits 1302 geltend gemachten Anspruchs angelangt, und die römische Kirche hatte ihn, allerdings unter nicht geringem Widerspruch, der aber nachher verstummte, bestätigt. Seitdem steht der Papst als Alleinherrscher der Kirche da, und hat seinen Anspruch auf alle Getauften ausgedehnt, auch auf die der römische Kirche nicht Angehörenden. Der politische Anspruch ist nicht unmittelbar ausgesprochen worden, aber im Grunde ist er im Kirchlichen enthalten.

Im Jahr 1870 ist das Papsttum zum Jahr 1302 zurückgekehrt. Damals führte die Geltendmachung des ungeheuerlichen Anspruchs rasch zum Fall. Jahrhunderte hat es gewährt, bis es den Anspruch neu aufnehmen konnte. Dieses Mal folgte der Fall nicht, wenigstens nicht in der Art und Weise wie 1303. Es hatte Rom Zeit, seine Ansprüche zu verwirklichen. Wir werden kaum irren, wenn wir annehmen, dass es seine Zeit nutzen werde. In diesem Licht erhellt zugleich, das 1303 nur einen ZeitABSCHNITT beendet, nicht den ganzen ZeitRAUM. Die römische Kirche des Mittelalters war freilich unwiederbringlich dahin. Die rege Kirchlichkeit der zwei Jahrhunderte vor der Reformationszeit, trägt nicht mehr die Art des kirchlichen Gefühls wie während der HOCHzeit der Kirche. Die genannte Kirchlichkeit hat zwei Gesichter: eins, das sehnsüchtig rückwärts schaute und von der Vergangenheit lebte, die wie ein verlorenes Paradies erschien; und eins das sehnsüchtig nach vorwärts blickte, einem noch unbekannten Neuen entgegen. Man sollte ja meinen, dass der Sturz des Papsttums auch die Kirche hätte mitreißen müssen. Das war nicht der Fall. Gerade in ihrer, alle Lebensgebiete durchdringenden und umfassenden, Art hatte sie im Herzen der abendländischen Völker, zumal des deutschen, zu tief Wurzel gefasst. Auch die Verfallszeiten des Papsttums konnten sie nicht entwurzeln.

Aber es starb in jener Zeit etwas; vielleicht kann man es das Gefühl der Geborgenheit nennen, so wie es der glücklichen Kindheitszeit eigen ist. Aber das unbestimmte Heimwehgefühl nach dem Kindheitsparadies blieb zurück neben all dem Gärenden, das in den erwachenden Völkern und Staaten sich regte. In dieser Unmittelbarkeit wie im Mittelalter, bekam die römische Kirche die Völker nicht wieder zu eigen, und wird sie auch nicht wieder zu eigen bekommen. Sie muss sich in ganz anderer Weise zu ihnen einstellen und allerlei Berechnungen zu Hilfe nehmen. Es wurde ja bereits an zwei Stellen (S. 195 ff. und S. 222 ff) von den gewaltigen Umwälzungen gesprochen, welche über die abendländische Welt hereingebrochen sind, und welche nicht zur Ruhe kommen, bis sie sich in der ganzen Menschheit ausgewirkt haben. Das Gefühl der völligen Änderung der Lage ist es, was die römische Kirche veranlasst, immer wieder auf ihre Glanzzeit im Mittelalter zurückzublicken. 1303 ist das Jahr, das die Wendung kennzeichnet. Die Absicht der römischen Kirche geht dahin, den Stand vor 1303 wieder zu erreichen und womöglich zu überbieten.

Es sei noch eine weitergreifende Erwägung beigefügt, um die Berechtigung zu erhärten, den tiefen Einschnitt in der Geschichte Europas an einer anderen Stelle zu suchen, als sonst üblich ist. Denn 1303 gilt sonst nicht als solch ein Einschnitt. Wir sind aus langer Tradition gewohnt, den Geschichtslauf zwischen Altertum, Mittelalter und Neuzeit zu unterscheiden. Es wird nicht immer versucht, diese Zeiten durch Namhaftmachen bestimmter Jahre zu trennen. Besonders schwierig ist die Abgrenzung des Mittelalters vom Altertum. Aber auch eine Grenze zwischen Mittelalter und Neuzeit anzugeben ist nicht leicht. Soll die Entdeckung Amerikas im Jahr 1492, oder der Beginn der Reformation als solche Wende gelten? Immerhin kann man die beiden folgenschweren Ereignisse zusammennehmen, und kann die Neuzeit mit der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert beginnen lassen. Aber gerade dann entsteht eine Kluft zwischen Mittelalter und Neuzeit, die tatsächlich vorhanden ist. Denn die Reformation fiel auf einen vorbereiteten Boden. Man kann deshalb den Trennungsstrich nicht wohl zwischen die Reformation, und die auf sie bereits zueilende Zeit legen. Das gleiche Gefühl entsteht, wenn man die der Reformation vorhergehenden 2 Jahrhunderte mit dem Mittelalter zusammennimmt. Sie tragen nicht mehr das Gepräge des eigentlichen Mittelalters. Man muss sie in diesem Fall schon als Ausklang der letztern verstehen. Aber nun entsteht noch einmal die Frage: ist das 14. und 15. Jahrhundert näher mit dem Mittelalter oder mit der Neuzeit verwandt?

Ohne das schon erwähnte rückwärts schauende Gesicht der genannten Jahrhunderte zu verkennen, legt sich der Schluss näher: sie sind der Beginn einer neuen Zeit. Der Blick auf die europäische Völker- und Staatengeschichte, die aus dem mittelalterlichen Gefüge sich bereits im 13. Jahrhundert herausarbeitet, und im 14. Jahrhundert bereits ihre neuzeitliche Entwicklung ahnen lässt, macht den Schluss noch eindrücklicher. Der umfassende mittelalterliche Kaisergedanke hatte überlebt, als 1268 der letzte Hohenstaufer in Neapel unter dem Fallbeil starb. Die großen gemeinsamen Taten des Abendlands, vor allem die Kreuzzüge, hatten aufgehört. 1291 ging der letzte Rest der Eroberungen der Kreuzzüge verloren. Die gemeinsamen Ideale der abendländischen Welt, außer den kirchlichen, waren im Schwinden begriffen. Vielleicht hätte sich schon länger eine andere Abteilung des Geschichtsverlaufs durchgesetzt, wenn nicht der Gedanke an das Neue, das mit der Reformation in die abendländische Welt eintrat, von einer Früherlegung des Trennungsstrichs abgehalten hätte. Nun leitet aber gerade auch die kirchengeschichtliche Betrachtung, nicht bloß die Beachtung der Völker- und Kulturgeschichte an, den Einschnitt zwischen den Zeiten früher zu machen. Das Jahr 1303 bietet sich an. Denn in diesem Jahr hat sich zum ersten Mal ein europäischer Staat dem mittelalterlichen Völkergefüge, und der kirchlichen Oberhoheit gegenüber, für selbstständig erklärt und seine Unabhängigkeitserklärung auch durchgesetzt.

Die biblische Zeiteinteilung

Die Erwägungen über die übliche Zeiteinteilung der Geschichte bedürfen noch einer Ergänzung. Sie ist einseitig vom Standpunkt der europäischen Geschichte aus gewonnen, und berücksichtigt in erster Linie die profane, die weltliche Seite des Geschichtsverlaufs. Die besondere Berücksichtigung der Geschichte Europas hat zwar Berechtigung, denn Europa hat in den letzten Jahrhunderten der Weltgeschichte den Stempel aufgedrückt. Aber für eine Zusammenschau der Gesamtgeschichte der Menschheit ist die genannte Zeiteinteilung nicht geeignet. Sie wird der reichen früheren Geschichte der Menschheit nicht gerecht. Noch weniger entspricht sie dem biblischen Verständnis der Menschheitsgeschichte. Die Schrift verwendet zwei Gesichtspunkte. Die Menschheit ist für das Reich Gottes bestimmt. Dann ist der große Einschnitt in der Geschichte das Kommen des Reiches Gottes. Daraus ergeben sich 3 Abschnitte: einmal die Zeit bis zum Kommen des Reiches Gottes. Daraus ergeben sich 3 Abschnitte: einmal die Zeit bis zum Kommen des Reiches Gottes in Schwachheit, d. h. bis zu Eintritt Christi in die Menschheit oder bis zu seiner Geburt; sodann die Zeit bis zum Kommen des Reiches Gottes in Kraft mit dem Wiederkommen Christi oder bis zur Aufrichtung des 1000-jährigen Reichs; das letztere bildet den 3. Abschnitt. Mit ihm schließt die alte Welt ab und dann beginnt die neue Schöpfung.

Dieser biblische Gesichtspunkt gilt auch, sofern die christliche Zeitrechnung benutzt wird, welche die Jahre seit Christi Geburt zählt. Wenn aber diese Zählung der Jahre nicht üblich wäre, so ist es fraglich, ob die weltliche Geschichtsschreibung sie verwenden würde. Tatsächlich macht sie von dem, dieser Zeitrechnung zugrundeliegenden Gedanken, dass Christi Kommen die Wende der Zeiten bedeute, kaum Gebrauch. Die Bibel betrachtet die Menschheitsgeschichte aber noch von einem anderen Standpunkt aus. Im gegenwärtigen Zeitlauf herrscht noch der Satan; er ist "der Fürst dieses Äons" (2Kor 4:4). Sein Ziel ist das Gegenstück zum Reich Gottes, von dem schon oft die Rede war, nämlich eine gegen Gott und seinen Christus zusammengefasste Menschheit. Nach dem ersten Misslingen dieses Ziels im ältesten Babel, sucht er es von neuem in Abschnitten zu erreichen, indem er die Führung bei diesen Versuchen bald dem, bald jenem Volk und Staatsgebilde übergibt. Deshalb lässt sich die Menschheitsgeschichte im biblischen Sinn auch um diese Versuche der widergöttlichen Menschheitsorganisation gruppieren. In dieser Schrift wird versucht, beiden biblischen Gesichtspunkten miteinander gerecht zu werden. Die wirklichen Ergebnisse der Geschichtsforschung dürfen dabei natürlich nicht außer acht gelassen werden; aber in ihrer Bewertung müssen sich, angesichts der Verschiedenheit des Blickfelds, manchmal Unterschiede der Auffassung ergeben. Ein solcher Unterschied trat zutage anlässlich der Bewertung des Jahres 1303, das in der Auffassung der Geschichte seit 70 n. Chr. wie sie dargelegt wird, eine ausschlaggebende Rolle spielt. Die geschichtlichen Ausführungen über die Bedeutsamkeit dieses Jahres werden aber ergeben haben, dass seine Hervorhebung nicht willkürlich, sondern wohl begründet ist, dass es tatsächlich auf der Grenze zweier Welten liegt.

Wenn ebenso das Jahr 637 als Wendepunkt in der Geschichte des römischen Reiches anerkannt werden muss, und wenn weiter nicht bestritten werden kann, dass Rom im Jahr 30 n. Chr. nach einer langen Zeit der Vorbereitung, seine weltgeschichtliche Rüstung angelegt hat; dann ergibt sich, dass die Zahl 666, als Zeitangabe verwendet, schon zweimal in der Geschichte des römischen Reiches Gestalt angenommen hat, sofern zweimal nach Ablauf dieser Zeit, die Erscheinungsform dieses Reichs sich geändert hat. Dass die Geschichte Roms noch nicht beendet ist, davon wurde bereits, unter Berücksichtigung von wichtigen Gerichtstatsachen bis zu Gegenwart, gesprochen. Nun muss der Geschichtsgang geprüft werden, ob er der weiteren Vermutung standhält, dass das Jahr 1970 ebenfalls einen Wendepunkt bringen könne, in dem Sinn, dass die mit dem Jahr 1303 eingeleitete Zeit als abgeschlossen erscheint, und damit zugleich die Zeit, die dem römischem Reich überhaupt zugemessen ist. Bausteine zu dieser Prüfung sind bereits manche gebracht worden. Aber eine Reihe weiterer Ausführungen ist noch erforderlich, um zu einer Schlussdarstellung zu gelangen.

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4. Abschluss des 6. Reichs