Die Wiederkunft Jesu: Unterschied zwischen den Versionen

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(Aufschub der Christusherrschaft)
 
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Siehe weitere [http://www.bibelwissen.ch/wiki/Abschriften <big> '''Abschriften'''</big>]<br/>
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=='''Die Wiederkunft Jesu'''==
 
=='''Die Wiederkunft Jesu'''==
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==='''Menschwerdung des Sohnes Gottes'''===
 
==='''Menschwerdung des Sohnes Gottes'''===
Was sagt uns nun aber die Schrift von der Wiederkunft Jesu? Sie bezeugt im Alten Testament das zu erwartende Kommen des Christus und Gottessohnes, im Neuen Testament den Gekommenen. Warum aber und inwiefern bezeugen Altes und Neues Testament den W i e d e r kommenden?
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Was sagt uns nun aber die Schrift von der Wiederkunft Jesu? Sie bezeugt im Alten Testament das zu erwartende Kommen des Christus und Gottessohnes, im Neuen Testament den Gekommenen. Warum aber, und inwiefern bezeugen Altes und Neues Testament den W i e d e r kommenden?
  
Da müssen wir noch einmal zurückgreifen auf das zweifache Zeugnis von dem, der da kommen sollte. Er sollte sterben und zugleich leben und herrschen. Beides, weil er der Erwählte ist, der Bürge und Wiederbringer der Schöpfung, insbesondere der Menschheit. So wurden die Erzväter und Israel in ihm erwählt zur Verwirklichung dieses Ratschlusses. Damit begab Gott sich mit seinem Heilswalten in die G e s c h i c h t e der Menschheit. Also musste sich und muss sich auch das Heil der Menschheit in ihrer Geschichte v e r w i r k l i c h e n. Das hat begonnen mit der Menschwerdung des Sohnes Gottes  in der Person Jesu. Auf diesem geschichtlichen Boden vollzogen sich daher auch die „großen Taten Gottes“ zu unserem Heile. Hier musste das Sühnopfer des Todes  Christi vollbracht werden, hier auch muss sich seine Königsherrschaft verwirklichen. Zu beidem setzte Jesus bei seinem öffentlichen auftreten in Israel an. Wie Johannes der Täufer so bot auch Jesus zuerst seinem Volke beides zusammen an. Man lese nur die Bergpredigt unter diesem Gesichtspunkt, da ist beides, Leiden und Herrschaft vereint und dem Volke dargeboten. Als Jesus sieht, dass das Volk nicht mitgeht, da verhüllt er diesem das Himmelreich in Gleichnissen und beschränkt sich in seinen Offenbarungen des weiteren auf seine Jünger. Damit aber war es besiegelt, dass die Königsherrschaft zunächst hinausgeschoben werden musste.
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Da müssen wir noch einmal zurückgreifen auf das zweifache Zeugnis von dem, der da kommen sollte. Er sollte sterben und zugleich leben und herrschen. Beides, weil er der Erwählte ist, der Bürge und Wiederbringer der Schöpfung, insbesondere der Menschheit. So wurden die Erzväter und Israel in ihm erwählt zur Verwirklichung dieses Ratschlusses. Damit begab Gott sich mit seinem Heilswalten in die G e s c h i c h t e der Menschheit. Also musste sich, und muss sich auch das Heil der Menschheit in ihrer Geschichte v e r w i r k l i c h e n. Das hat begonnen mit der Menschwerdung des Sohnes Gottes  in der Person Jesu. Auf diesem geschichtlichen Boden vollzogen sich daher auch die „großen Taten Gottes“ zu unserem Heil. Hier musste das Sühnopfer des Todes  Christi vollbracht werden, hier auch muss sich seine Königsherrschaft verwirklichen. Zu beidem setzte Jesus bei seinem öffentlichen Auftreten in Israel an. Wie Johannes der Täufer, so bot auch Jesus zuerst seinem Volke beides zusammen an. Man lese nur die Bergpredigt unter diesem Gesichtspunkt, da ist beides, Leiden und Herrschaft vereint und dem Volke dargeboten. Als Jesus sieht, dass das Volk nicht mitgeht, da verhüllt er diesem das Himmelreich in Gleichnissen, und beschränkt sich in seinen Offenbarungen des weiteren auf seine Jünger. Damit aber war es besiegelt, dass die Königsherrschaft zunächst hinausgeschoben werden musste.
  
So nahm Jesus denn zunächst nur das eine auf sich, das Leiden und Sterben.  Aber er tat das nicht in Resignation und Verzicht auf Herrschaft und Herrlichkeit, sondern weil „es dem Vater also wohlgefällig war“ (Mt 11). Und wie hat der Vater den Gehorsam des Sohnes gelohnt! Am dritten Tage nach seinem Tode hat er ihn von den Toten auferweckt und ihn zum Herrn und Christus erhöht. Als solcher gab er nun den Jüngern der Auftrag, das Anerbieten noch einmal zu wiederholen und zwar nach der Sendung des Heiligen Geistes. Das war ein ganz ernst gemeintes Anerbieten an Israel, n u n m e h r in die Leidens und Herrlichkeitsgemeinschaft des erhöhten und vollendeten Messias einzutreten und Gottes Heilsrat sich an und mit ihm verwirklichen zu lassen. Aber Israel verweigerte auch hier den Gehorsam, den Glauben. Da gab Gott das Volk dahin in sein letztes und furchtbarstes Gericht. <br/><br/>
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So nahm Jesus denn zunächst nur das eine auf sich, das Leiden und Sterben.  Aber er tat das nicht in Resignation und Verzicht auf Herrschaft und Herrlichkeit, sondern weil „es dem Vater also wohlgefällig war“ ([[Mt 11]]). Und wie hat der Vater den Gehorsam des Sohnes gelohnt! Am dritten Tage nach seinem Tode hat er ihn von den Toten auferweckt und ihn zum Herrn und Christus erhöht. Als solcher gab er nun den Jüngern der Auftrag, das Anerbieten noch einmal zu wiederholen, und zwar nach der Sendung des Heiligen Geistes. Das war ein ganz ernst gemeintes Anerbieten an Israel, n u n m e h r in die Leidens- und Herrlichkeitsgemeinschaft des erhöhten und vollendeten Messias einzutreten, und Gottes Heilsrat sich an und mit ihm verwirklichen zu lassen. Aber Israel verweigerte auch hier den Gehorsam, den Glauben. Da gab Gott das Volk dahin in sein letztes und furchtbarstes Gericht. <br/><br/>
  
 
====<big>Aufschub der Christusherrschaft</big>====
 
====<big>Aufschub der Christusherrschaft</big>====
Damit ändert sich nun aber die Lage der Welt völlig. Es war Gottes Ratschluss und Verheißung, seinen Sohn und Gesalbten zuerst i n  I s r a e l und dann d u r c h  I s r a e l zur Herrschaft auf Erden zu erheben, und was Gott einmal gesagt hat, das hält er; Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen (Röm 11). Herrscht also der Messias nicht  in und über Israel, so kann und wird er auch nicht über die anderen Völker herrschen, denn durch Israel soll das gehen. Also muss seine Königsherrschaft zurückgestellt werden, bis dass Israel seinen Messias aufnimmt, bis dass Israel seinen Messias aufnimmt, bis dass Israel durch die G e r i c h t e dahin gebracht ist. Diese Gerichte haben, soviel ich sehe, ihre Stufen. Die erste war die, dass das aus der ersten babylonischen Gefangenschaft in seinem Lande wieder gesammelte Volk noch einmal in den fürchterlichen Gerichten der römisch-jüdischen Kriege in alles Welt zerstreut wurde. Das waren furchtbare Blutgerichte, wie sie sonst auf Erden kaum ein andermal vorgekommen sind. Millionen von Juden haben hier entsetzlich grausamen Tod erlitten; ihr eigenes Wort hat sich schrecklich erfüllt: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder (Mt 27:25).  
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Damit ändert sich nun aber die Lage der Welt völlig. Es war Gottes Ratschluss und Verheißung, seinen Sohn und Gesalbten zuerst i n  I s r a e l und dann d u r c h  I s r a e l zur Herrschaft auf Erden zu erheben, und was Gott einmal gesagt hat, das hält er; Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen ([[Röm 11]]). Herrscht also der Messias nicht  in und über Israel, so kann und wird er auch nicht über die anderen Völker herrschen, denn durch Israel soll das gehen. Also muss seine Königsherrschaft zurückgestellt werden, bis dass Israel seinen Messias aufnimmt, bis dass es durch die G e r i c h t e dahin gebracht ist. Diese Gerichte haben, soviel ich sehe, ihre Stufen. Die erste war die, dass das aus der ersten babylonischen Gefangenschaft in seinem Lande wieder gesammelte Volk noch einmal in den fürchterlichen Gerichten der römisch-jüdischen Kriege in alle Welt zerstreut wurde. Das waren furchtbare Blutgerichte, wie sie sonst auf Erden kaum ein andermal vorgekommen sind. Millionen von Juden haben hier einen entsetzlich grausamen Tod erlitten; ihr eigenes Wort hat sich schrecklich erfüllt: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder ([[Mt 27:25]]).  
  
Abgesehen von Vor- und Nachwehen dieser Gerichtsperiode konnte Israel sonst verborgen und bedeutungslos unter den Nationen leben. Die Geschichte der Völker vollzog sich ohne die Jude. Aber je und je merken wir die Versuche der Juden, aus der ihnen auferlegten Verborgenheit und Bedeutungslosigkeit vorzustoßen. Schon an die deutschen Kaiser des Mittelalters versuchten sie heranzukommen und Einfluss zu gewinnen. Da sie nicht mehr Träger eines G o t t e s a u f t r a g e s an die Menschen waren, warfen sie sich auf den Handel mit i r d i s c h e n  W e r t e n, vor allem mit dem Geld. So gelang es ihrer Energie und Intelligenz, unter Benutzung der Schwächen der Völker, immer mehr an Einfluss und Macht zu gewinnen, bis sie sich dann durch das Mittel der Revolutionen die vollständige Gleichberechtigung, in Wirklichkeit ihre Überlegenheit über die Völker, unter denen sie wohnen, errangen. Sie wissen nicht, dass sie sich damit selber die letzte und vielleicht allerschwerste Gerichtszeit bereiten. Aber das wird sie dann doch zu dem Zusammenbrechen führen, das sie zu Buße und Annahme ihres Messias bringt. Wie das geschichtlich verlaufen wird, wie lange es noch dauert, das können wir jetzt noch nicht sehen. Es ist möglich, dass da noch einige Zwischenakte hineinkommen, dass er noch aufhaltende Bewegungen in dieser Entwicklung gibt. '''Der Endverlauf wird nämlich wesentlich bedingt sein von dem Stande desjenigen Werkes, das Gott nun in diesen Aufschub seiner Christusherrschaft hineingeschoben hat.''=='''Die Wiederkunft Jesu'''==
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Abgesehen von Vor- und Nachwehen dieser Gerichtsperiode konnte Israel sonst verborgen und bedeutungslos unter den Nationen leben. Die Geschichte der Völker vollzog sich ohne die Juden. Aber je und je merken wir die Versuche der Juden, aus der ihnen auferlegten Verborgenheit und Bedeutungslosigkeit vorzustoßen. Schon an die deutschen Kaiser des Mittelalters versuchten sie heranzukommen und Einfluss zu gewinnen. Da sie nicht mehr Träger eines G o t t e s a u f t r a g e s an die Menschen waren, warfen sie sich auf den Handel mit i r d i s c h e n  W e r t e n, vor allem mit dem Geld. So gelang es ihrer Energie und Intelligenz, unter Benutzung der Schwächen der Völker, immer mehr an Einfluss und Macht zu gewinnen, bis sie sich dann durch das Mittel der Revolutionen die vollständige Gleichberechtigung, in Wirklichkeit ihre Überlegenheit über die Völker, unter denen sie wohnen, errangen. Sie wissen nicht, dass sie sich damit selber die letzte und vielleicht allerschwerste Gerichtszeit bereiten. Aber das wird sie dann doch zu dem Zusammenbrechen führen, das sie zu Buße und Annahme ihres Messias bringt. Wie das geschichtlich verlaufen wird, wie lange es noch dauert, das können wir jetzt noch nicht sehen. Es ist möglich, dass da noch einige Zwischenakte hineinkommen, dass es noch aufhaltende Bewegungen in dieser Entwicklung gibt. '''Der Endverlauf wird nämlich wesentlich bedingt sein von dem Stande desjenigen Werkes, das Gott nun in diesen Aufschub seiner Christusherrschaft hineingeschoben hat.''' <br/><br/>
von Pfarrer von Peinen, Frankfurt a.M <br/>
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(Schluss)<br/>
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==='''Menschwerdung des Sohnes Gottes'''===
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==='''Berufung der Gemeinde'''===
Was sagt uns nun aber die Schrift von der Wiederkunft Jesu? Sie bezeugt im Alten Testament das zu erwartende Kommen des Christus und Gottessohnes, im Neuen Testament den Gekommenen. Warum aber und inwiefern bezeugen Altes und Neues Testament den W i e d e r kommenden?
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Gott ist ja nicht müßig geblieben, wo er seinen König noch nicht einsetzen konnte auf seinem heiligen Berge Zion ([[Ps 2]]). Er hat ein neues Werk in diese Lücke hineingeschoben: '''Die Berufung einer Gemeinde für seinen Sohn aus allen Völkern.''' Das bewegt sich nicht in der Linie der Königsherrschaft auf Erden, sondern bereitet Menschen für eine noch höhere Herrschaft in himmlischen Welten, und erhebt sie damit zur höchsten Höhe der göttlichen Herrlichkeit des Sohnes.  Das ist ja der wunderbare Triumph unseres Gottes, dass die menschliche oder sogar teuflische Sünde  ihn nicht nur nicht einschränkt, sondern ihn vielmehr zu immer höherer Entfaltung seiner Wahrheit, seiner Liebe und Herrlichkeit Raum macht, ohne dass doch der Mensch sagen könnte: Lasset uns das Böse tun, damit Gutes daraus komme ([[Röm 3:8]]). Gott hat also das Evangelium von seinem Sohne der Welt freigegeben, unter Beiseitesetzung Israels; daher auch der gewaltige Zorn der Juden gerade gegen Paulus, der der erwählte Träger dieser Freigabe des Evangeliums war.  Und dies Evangelium wurde unter den Völkern geglaubt ([[Apg 28:28]]; [[1Tim 3:16]]: geglaubt in der Welt). Nicht in dem Sinne natürlich, dass nun die Nationen, die Völker an Jesum gläubig geworden wären und die Gottesherrschaft in ihnen verwirklicht wäre - das bleibt ja dem kommenden Reich vorbehalten -, aber in dem Sinne, dass sich eine Gemeinde in, und aus den Völkern gebildet hat, die nun das Geheimnis Christi in sich trägt und ihrer Vollendung entgegengeführt wird.
  
Da müssen wir noch einmal zurückgreifen auf das zweifache Zeugnis von dem, der da kommen sollte. Er sollte sterben und zugleich leben und herrschen. Beides, weil er der Erwählte ist, der Bürge und Wiederbringer der Schöpfung, insbesondere der Menschheit. So wurden die Erzväter und Israel in ihm erwählt zur Verwirklichung dieses Ratschlusses. Damit begab Gott sich mit seinem Heilswalten in die G e s c h i c h t e der Menschheit. Also musste sich und muss sich auch das Heil der Menschheit in ihrer Geschichte v e r w i r k l i c h e n. Das hat begonnen mit der Menschwerdung des Sohnes Gottes  in der Person Jesu. Auf diesem geschichtlichen Boden vollzogen sich daher auch die „großen Taten Gottes“ zu unserem Heile. Hier musste das Sühnopfer des Todes  Christi vollbracht werden, hier auch muss sich seine Königsherrschaft verwirklichen. Zu beidem setzte Jesus bei seinem öffentlichen auftreten in Israel an. Wie Johannes der Täufer so bot auch Jesus zuerst seinem Volke beides zusammen an. Man lese nur die Bergpredigt unter diesem Gesichtspunkt, da ist beides, Leiden und Herrschaft vereint und dem Volke dargeboten. Als Jesus sieht, dass das Volk nicht mitgeht, da verhüllt er diesem das Himmelreich in Gleichnissen und beschränkt sich in seinen Offenbarungen des weiteren auf seine Jünger. Damit aber war es besiegelt, dass die Königsherrschaft zunächst hinausgeschoben werden musste.
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Selbstverständlich ist diese Berufung der Gemeinde aus den Völkern auf diese nicht ohne Wirkung und Einfluss geblieben. Es haben Ausstrahlungen von der Gemeinde aus in das Leben der Völker stattgefunden. Diese Ausstrahlungen sind zu Zeiten so stark gewesen, dass sie eine christlich bestimmte Sitte in den Völkern hervorgerufen haben. Wir haben z. B. in unserem Volk durch Jahrhunderte hindurch solche Wirkungen gehabt. Das Familienleben, das gesellschaftliche Leben, ja das Staatsleben ist lange Zeiten hindurch davon bestimmt worden. Das hat zu der Meinung von den „christlichen Völkern“, ja von der „christlichen Obrigkeit“ geführt. Aber das beruht auf einer Begriffsverwechslung: man hat Sitte, Meinung, Gewohnheit, gesetzliche Stellung für Glauben gehalten. Diese Illusion ist nun weithin durch den Umschwung der Generationen zerstört. An die Stelle der f r o m m e n Sitte ist die u n f r o m m e Sitte getreten; die Wirkungen und Ausstrahlungen des Evangeliums und ihrer Träger auf das Leben der Völker sind zur Zeit sehr gering, und werden ja schließlich einmal ganz zu Ende gehen.  
  
So nahm Jesus denn zunächst nur das eine auf sich, das Leiden und Sterben. Aber er tat das nicht in Resignation und Verzicht auf Herrschaft und Herrlichkeit, sondern weil „es dem Vater also wohlgefällig war“ (Mt 11). Und wie hat der Vater den Gehorsam des Sohnes gelohnt! Am dritten Tage nach seinem Tode hat er ihn von den Toten auferweckt und ihn zum Herrn und Christus erhöht. Als solcher gab er nun den Jüngern der Auftrag, das Anerbieten noch einmal zu wiederholen und zwar nach der Sendung des Heiligen Geistes. Das war ein ganz ernst gemeintes Anerbieten an Israel, n u n m e h r in die Leidens und Herrlichkeitsgemeinschaft des erhöhten und vollendeten Messias einzutreten und Gottes Heilsrat sich an und mit ihm verwirklichen zu lassen. Aber Israel verweigerte auch hier den Gehorsam, den Glauben. Da gab Gott das Volk dahin in sein letztes und furchtbarstes Gericht. <br/><br/>
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Dann werden die Völker  ebenso gerichtsreif sein, wie einst Israel. Auch in dieser Entwicklung zum Ende hin kann es noch einmal Aufenthalte geben, und vielleicht deutet schon manches darauf hin, '''das Entscheidende ist aber auch hier der Stand der aus den Völkern berufenen Gemeinde selber.''' Denn sie muss zuerst zu ihrer Vollendung geführt werden. Es konnten in diese Gemeinde nun auch zu allen Zeiten einzelne Juden eingehen. So nennt sich schon der Apostel Paulus einen Schuldner der Juden und Griechen, und hat Juden und Heiden sein Evangelium verkündigt. Aber im weiteren Verlauf der Geschichte stellte sich doch ein Unterschied zwischen dem Wirken des Evangeliums unter den Juden einerseits, und den andern Völkern andererseits heraus. Während es eben unter den Völkern zu den segensreichen Nebenwirkungen oder Ausstrahlungen kommen konnte, während die aus den Völkern berufenen Gläubigen mit ihrem Volk verbunden blieben und so ein Segen für ihr Volk wurden, wo man auf sie hörte geschah das bei den Juden nicht. Der wirklich gläubig werdende Jude wurde alsbald aus seinem Volke ausgeschieden -, und wenn er sich nicht selber trennte, so schlossen ihn seine  Volksgenossen aus ihrer Volksgemeinschaft aus.  
  
====<big>Aufschub der Christusherrschaft</big>====
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Das wird erst eine Änderung erfahren gegen Ende des gegenwärtigen Zeitlaufs. In dem Maße, wie sich die Völker gegen das in ihnen verkündigte Evangelium verschließen, und in dem Maße, wie Israel in seine letzten Gerichtsentwicklungen hineinkommt, wird sich gerade innerhalb der Judenheit eine messiasgläubige Gemeinde herausbilden, die sich nicht löst von ihrem Volke, die nicht in einer christlichen Kirche aufgeht, sondern jüdisch bleibt, und den Anfang der Königreichsgemeinde bildet. Wenn es wahr ist, dass sich gegenwärtig schon Ansätze dafür finden, so wäre das eines der deutlichsten Zeichen, dass die Zeit der Gemeinde abläuft und die Zeit der Wiederannahme Israels bevorsteht, also ein Zeichen des herannahenden Endes dieses Zeitlaufs und des Wiederkommens Jesu.<br/><br/>
Damit ändert sich nun aber die Lage der Welt völlig. Es war Gottes Ratschluss und Verheißung, seinen Sohn und Gesalbten zuerst i n  I s r a e l und dann d u r c h  I s r a e l zur Herrschaft auf Erden zu erheben, und was Gott einmal gesagt hat, das hält er; Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen (Röm 11). Herrscht also der Messias nicht  in und über Israel, so kann und wird er auch nicht über die anderen Völker herrschen, denn durch Israel soll das gehen. Also muss seine Königsherrschaft zurückgestellt werden, bis dass Israel seinen Messias aufnimmt, bis dass Israel seinen Messias aufnimmt, bis dass Israel durch die G e r i c h t e dahin gebracht ist. Diese Gerichte haben, soviel ich sehe, ihre Stufen. Die erste war die, dass das aus der ersten babylonischen Gefangenschaft in seinem Lande wieder gesammelte Volk noch einmal in den fürchterlichen Gerichten der römisch-jüdischen Kriege in alles Welt zerstreut wurde. Das waren furchtbare Blutgerichte, wie sie sonst auf Erden kaum ein andermal vorgekommen sind. Millionen von Juden haben hier entsetzlich grausamen Tod erlitten; ihr eigenes Wort hat sich schrecklich erfüllt: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder (Mt 27:25).  
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Abgesehen von Vor- und Nachwehen dieser Gerichtsperiode konnte Israel sonst verborgen und bedeutungslos unter den Nationen leben. Die Geschichte der Völker vollzog sich ohne die Jude. Aber je und je merken wir die Versuche der Juden, aus der ihnen auferlegten Verborgenheit und Bedeutungslosigkeit vorzustoßen. Schon an die deutschen Kaiser des Mittelalters versuchten sie heranzukommen und Einfluss zu gewinnen. Da sie nicht mehr Träger eines G o t t e s a u f t r a g e s an die Menschen waren, warfen sie sich auf den Handel mit i r d i s c h e n W e r t e n, vor allem mit dem Geld. So gelang es ihrer Energie und Intelligenz, unter Benutzung der Schwächen der Völker, immer mehr an Einfluss und Macht zu gewinnen, bis sie sich dann durch das Mittel der Revolutionen die vollständige Gleichberechtigung, in Wirklichkeit ihre Überlegenheit über die Völker, unter denen sie wohnen, errangen. Sie wissen nicht, dass sie sich damit selber die letzte und vielleicht allerschwerste Gerichtszeit bereiten. Aber das wird sie dann doch zu dem Zusammenbrechen führen, das sie zu Buße und Annahme ihres Messias bringt. Wie das geschichtlich verlaufen wird, wie lange es noch dauert, das können wir jetzt noch nicht sehen. Es ist möglich, dass da noch einige Zwischenakte hineinkommen, dass er noch aufhaltende Bewegungen in dieser Entwicklung gibt. '''Der Endverlauf wird nämlich wesentlich bedingt sein von dem Stande desjenigen Werkes, das Gott nun in diesen Aufschub seiner Christusherrschaft hineingeschoben hat.'''  <br/><br/>
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====<big> Die Wurzel der Verwirrung</big>====
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Es ist für die Frage nach dem Wiederkommen Jesu geradezu von entscheidender Bedeutung, dass wir hier wieder klar biblisch sehen und urteilen lernen. Und gerade hier sind die Linien eigentlich alle verwirrt. Die Wurzel dieser Verwirrung liegt darin, dass man die Gemeinde und Israel nicht mehr unterschieden hat. Wie es dazu gekommen ist, können wir aus dem Verlauf der Geschichte jetzt ganz deutlich erkennen. Als das Judentum sein national geschlossenes Dasein durch die Zerstörung Jerusalems  und die jüdischen Kriege verlor, verschwanden auch mehr und mehr die judenchristlichen Gemeinden aus der Christenheit. Ja, auch i n n e r h a l b der heidenchristlichen Gemeinden trat der jüdische Bestandteil immer mehr zurück und verschwand schließlich. Dazu kam, dass sich die Christenheit als die an die Stelle Israel gesetzte Gotteskörperschaft ansehen lernte. Letzteres hing einerseits damit zusammen, dass das Judentum durch ein Gottesgericht ausgelöscht zu sein schien, andererseits, dass die Christenheit immer mehr in eine gesetzliche Richtung einbog. Bezeichnend dafür sind die schon um die Wende des ersten und zweiten Jahrhunderts aufkommende, und dann bald ganz allgemein werdende Benennung des Evangeliums als das „neue Gesetz“ (nova lex), das Aufkommen eines neuen Priestertums und die Aufnahme der Massen in die Kirche.  
  
==='''Berufung der Gemeinde'''===
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Da musste selbstverständlich der Blick verlorengehen für eine heilsmäßige Unterscheidung der Gemeinde von Israel.  Man glaubte sich eben an die Stelle Israels gesetzt. Dieser vermeintlich gegebenen Lage musste sich nun auch das Verständnis der Bibel, zumal ihrer  Weissagungen anpassen. Dem kam dann noch  zu Hilfe, das Eindringen griechischer Philosophie in die sich bildende christlich Theologie, sowie später die Entwicklung der Kirche zu einer die Völker umfassende vermeintliche Heilsanstalt, in Wirklichkeit E r z i e h u n g s a n s t a l t. So las man die Weissagungen und Zeugnisse der Bibel vom R eich Gottes so, als erfüllten sie sich in der Kirche und als wäre ihre Verwirklichung der Kirche übertragen.  Sofern sie sich nun aber wirklich nicht auf die Lage der Kirche anwenden ließen, vergeistigte man sie oder verlegte sie überhaupt von der Erde in den Himmel. Obwohl man also meinte, man sei Israel geworden und Erbe der ihm gegebenen Verheißungen, sah man ja doch ein, dass eine Verwirklichung vieler in der Schrift ausgesprochener Weissagungen mit den gegebenen Mitteln des Wortes, oder auch der Kirchenzucht und Kirchenregierung nicht möglich sei. Um sie nun nicht überhaupt preiszugeben, verlegte man sie in den Himmel, bzw. wandte sie nur an auf das Seligwerden des Einzelnen im Himmel.
Gott ist ja nicht müßig geblieben, wo er seinen König noch nicht einsetzen konnte auf seinem heiligen Berge Zion (Ps 2). Er hat ein neues Werk in diese Lücke hineingeschoben: '''Die Berufung einer Gemeinde für seinen Sohn aus allen Völkern.''' Das bewegt sich nicht in der Linie der Königsherrschaft auf Erden, sondern bereitet Menschen für eine noch höhere Herrschaft in himmlischen Welten und erhebt sie damit zur höchsten Höhe der göttlichen Herrlichkeit des SohnesDas ist ja der wunderbare Triumph unseres Gottes, dass die menschliche oder sogar teuflische Sünde  ihn nicht nur nicht einschränkt, sondern ihn vielmehr zu immer höherer Entfaltung seiner Wahrheit, seiner Liebe und Herrlichkeit Raum macht, ohne dass doch der Mensch sagen könnte: Lasset uns das Böse tun, damit Gutes daraus komme (Röm 3:8). Gott hat also das Evangelium von seinem Sohne der Welt freigegeben, unter Beiseitesetzung Israels; daher auch der gewaltige Zorn der Juden gerade gegen Paulus, der der erwählte Träger dieser Freigabe des Evangeliums war. Und dies Evangelium war. Und dies Evangelium wurde unter den Völkern geglaubt (Apg 28:28; 1Tim 3:16: geglaubt in der Welt). Nicht in dem Sinne natürlich, dass nun die Nationen, die Völker an Jesum gläubig geworden wären und die Gottesherrschaft in ihnen verwirklicht wäre - das bleibt ja dem kommenden Reich vorbehalten -, aber aber in dem Sinne, dass sich eine Gemeinde in und aus den Völkern gebildet hat, die nun das Geheimnis Christi in sich trägt und ihrer Vollendung entgegengeführt wird.  
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Damit verschoben, verwirrten und verliefen sich dann alle biblischen Linien. Wie sehr, das merken wir noch heute daran, wie schwer es uns wird, hier wieder zur Klarheit zu kommen. Wir müssen ja erst wieder gewisse V o r a u s s e t z u n g e n für ein biblisches Bibelverständnis finden. Denn selbstverständlich gibt uns die Bibel kein S y s t e m ihrer Anschauungen - sie tut das so wenig wie die Natur -, aber es liegen ihren Worten gewisse Tatsachen zugrunde, die jenen ihre Gestalt und ihren Inhalt geben. Und  diese Tatsachen müssen wieder entdeckt werden. Das kann aber nicht rein gedankenmäßig geschehen, sondern hängt unlöslich mit dem geistlichen Lebensstand der Christenheit zusammen. Es ist hier der einzelne auch an den Gesamtstand gebunden, und er kann sich nur im inneren Zusammenhang mit der Gemeinde von überkommenen Anschauungen freimachen. Paulus schreibt ja [[Eph 3]]: Dass ihr begreifen möget m i t allen H e i l i g e n, welches da  sei die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe (der Heilswege Gottes). Aber andererseits soll der Einzelne die ihm gewordenen Erkenntnisse, seinen ihm geschenkten geistlichen Lebensstand nach, für die Gesamtgemeinde fruchtbar machen. Auf diesem Wege gibt es Einzel- und Gesamtwachstum.
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Wir stehen nun immer noch in grundlegendem Ringen um die Lösung von den falschen Gebundenheiten, und immer wieder will die falsche Einstellung sich in neuen Formen zur Geltung bringen. Ist z. B. die Form der Linienverwirrung, wie wir sie im Katholizismus finden, in der evangelischen  Christenheit nicht mehr herrschend, so treten in ihr neue Formen hervor. Eine der neuesten Verwirrungen kommt jetzt aus der angelsächsischen Welt, und versucht die ganze sogenannte evangelische Christenheit in ihren Bann zu ziehen. Sie hat ihren Ausdruck gefunden in den großen Kirchenkonferenzen von Stockholm, Lausanne, Jerusalem und verfolgt eine Vereinigung der Kirchen zur Gesamtbeeinflussung der Welt in christlichem Sinne. Daher die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Botschaften. Man möchte die Herrschaft Christi auf Erden verwirklichen, etwa nach den Grundsätzen der Bergpredigt, um dann dem wiederkommenden Herrn - soweit man überhaupt damit rechnet - die christlich gewordene Menschheit zu übergeben. Bezeichnend für diese angelsächsische Auffassung ist das, auch bei uns in Gemeinschaftskreisen bekannte und zum Teil beliebt gewordene Lied „Den königlichen Schmuck bringt her“, mit dem Kehrreim: „Krönt ihn, krönt ihn, krönt ihn zum Herrscher aller Welt.“ Als wenn Christus von der Menschheit gekrönt würde und nicht vielmehr allein von Gott seine Herrschaft empfinge! Auch das Stockholmer Lied gehört hierher: „O seliger Tag, des in Hoffnung wir harren“; es ist von diesem Gedanken erfüllt, das das Werk des Evangeliums und die Bemühungen der Christenheit darauf hinauslaufen, Gottes Herrschaft auf Erden zu gründen zur Einigung der Völker und Überwindung der Sünde.
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Als wenn das Werk der Christenheit wäre, und dies nicht vielmehr durch das Wiederkommen Jesu in Zusammenhang mit Israel bewirkt würde Aber in dem Maße wie die Christenheit nicht im wahren Geistesleben, d. h. im Glauben steht, sondern mehr in einer gesetzlichen Stellung zum Evangelium, ist sie gegen solche Verwirrung nie geschützt. Da ist es denn auch kein Wunder, dass die Entwicklungsstufen des Wiederkommens Jesu nicht mehr gesehen wurden. Entweder sah man es nur noch wie einen großen, aber sehr fernen Gerichtsstock, als den letzten Abschluss der ganzen Welt, als den „Jüngsten Tag“ und Weltuntergang. So findet sich die Wiederkunftserwartung Jesu in dem allgemeinen Bekenntnis der Kirche. Oder aber die Erwartung einer persönlichen Wiederkunft Jesu fand überhaupt keinen Raum mehr im Glaubensbewusstsein, sondern die dahingegehenden Aussagen der Schrift wurden geistig umgedeutet. Aus diesen Unklarheiten müssen wir wieder herausfinden, und Gottes Geist ist an der Arbeit, uns darin wieder zur ursprünglichen Klarheit der Offenbarung zurückzuführen.<br/><br/>
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==='''Unterscheidung Gemeinde und Israel'''===
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Aus der Unterscheidung zwischen der Gemeinde und Israel ergibt sich also auch eine Unterscheidung des Wiederkommens Jesu für die Gemeinde und Israel. So gewiss nämlich ein Wiederkommen Jesu für Israel bezeugt wird, ebenso gewiss ist ein solches für die Gemeinde. Ersteres ergibt sich, wie wir zum Teil schon sahen, aus dem Alten Testament, indem viele dem Volke Israel gegebenen Weissagungen mit dem ersten Kommen Jesu noch nicht erfüllt sind. Dann auch aus den Worten Jesu, unter denen ich besonders seine großen Reden von der Wiederkunft nenne ([[Mt 24]] und Parallelen) Ferner wird das Wiederkommen Jesu zu Israel auch von den Aposteln nach Pfingsten ausdrücklich bezeugt, ja ihre großen Heilsreden haben zum Teil in dieser Bezeugung ihre Spitze. Und endlich ist ihm das ganze letzte Buch der Bibel gewidmet: die Offenbarung Johannis.  Und mit diesem Wiederkommen wird dann die Gottesherrschaft auf Erden, werden die „Zeiten der Erquickung“ ([[Apg 3]]) in Aussicht gestellt. Nun finden wir aber auch innerhalb der aus den Völkern gesammelten Gemeinde das Zeugnis vom Wiederkommen Jesu. Da ist es nun gebräuchlich geworden, diese beiden Zeugnisse einfach in eins zu setzten, - eben weil man ja von einer Unterscheidung der Gemeinde und Israel nichts mehr wusste.
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Das geschah dann nach beiden Richtungen hin: die Israel geltenden Zeugnisse wurden auf Jesu Wiederkommen für die Gemeinde bezogen, und die auf dem Boden der Gemeinde gegebenen Weissagungen vom Wiederkommen Jesu, wie jene verstanden. Man nahm also das, was in Mt 24 oder [[Apg 3]] oder in der Offenbarung steht, ohne weiteres als dasselbe an wie das, was z B. [[1Kor 15]] oder [[1Thes 4]] vom Wiederkommen Jesu gesagt ist. Um das mit einem praktischen Beispiel zu belegen, das bis heute  weithin in der Christenheit  Gültigkeit hat: man sucht sich für die Frage nach dem  Wiederkommen Jesu und den sie ankündigenden Zeichen an [[Mt 24]] zu orientieren. Das Ergebnis ist dann entweder, dass man allerlei „Zeichen der Zeit“ zusammensucht, die beweisen sollen, dass das Kommen des Herrn unmittelbar nahe bevorsteht, oder man sagt umgekehrt, die Zeit ist noch nicht da, denn das Evangelium ist noch nicht in der ganzen Welt verkündigt; darum muss eifrig äußere Mission getrieben werden, damit der Herr wiederkommen könne.  Ich sage nichts gegen die Mission, aber ihre Begründung mit diesem Beweismittel ist meiner Überzeugung nach eine Verwirrung. Oder, um noch ein anderes ähnliches Beispiel anzuführen, man versucht eine Deutung der Offenbarung Johannis ebenfalls nach den Zeichen der Zeit, und versucht festzustellen, was sich in ihren Weissagungen schon erfüllt hat, an welchem ihrer Punkte man sich also befinde. Auch das bringt nur Verwirrung, wie die unzähligen Auslegungen der Offenbarung Johannis beweisen, wo die eine der andern schnurstracks widerspricht und jede behauptet, recht zu haben. Ja, aber warum soll man sich nicht so zu orientieren suchen? Deshalb nicht, weil es weder mit der Wirklichkeit des Geschehens, noch mit der Schrift übereinstimmt. Mit der Wirklichkeit des Geschehens nicht, indem in allen weltbewegten Zeiten schon die Hoffnung unter den Frommen gewesen ist, nun sei das Ende da, - und es ist eben doch nicht da gewesen, sondern der Wunsch der Vater des Gedankens.
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Und auch mit der Schrift stimmt diese Deutung nicht überein. Es wäre sonst wirklich ein schwer zu rechtfertigender Irrtum der Apostel, wenn sie schon zu ihrer Zeit mit dem Wiederkommen Jesu gerechnet haben. Für Israel blieb diese Hoffnung so lange berechtigt, wie Israel überhaupt im Bereich des Gnadenangebots Gottes stand. Und für die Gemeinde war diese Erwartung ebenfalls für so lange berechtigt, wie sie sich auf der Höhe des apostolischen Evangeliums befand. Dass Israel nicht glauben würde, konnten und sollten die Apostel nicht von Anfang an wissen. Als es dann geschah, verschwand das Anerbieten der Wiederkunft Jesu für Israel. Dass die Gemeine nicht auf der Höhe des Evangeliums bleiben würde, auch das konnten die Apostel zu Anfang nicht voraussehen, sondern mussten den ihnen von Gott übertragenen Dienst so ansehen, durch ihn die noch vorhandenen Mängel der Gemeinde zu erstatten und an ihrer Vollendung zu arbeiten. <br/><br/>
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====<big> Die Wiederkunft Christi für Israael</big>====
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Später sahen sie dann wohl etwas von der andern Entwicklung, aber das ließ sie nur umso fester auf den Kern der Gemeinde, die „Auserwählten“, sehen ([[2Tim 2:10]]). Also nicht die räumliche Ausbreitung des Evangeliums ist für das Wiederkommen Jesu zur Gemeinde entscheidend, sondern i h r e V o l l e n d u n g , ihr Stand im Glauben und der Erkenntnis des Sohnes Gottes. Und dann noch eins, worin wir mit der Vermischung des Wiederkommens Jesu für Israel und für die Gemeinde in Widerspruch mit der Schrift kommen: Für Israel wird der Herr sichtbar wieder auf der Erde erscheinen. Das bezeugt nicht nur der Herr selber in seinen Endreden und die Offenbarung Johannis, sondern wird auch den Aposteln ausdrücklich nach der Himmelfahrt des Herrn von den Engeln gesagt [[Apg 1]]: „Dieser Jesus wird, ebenso wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen, wiederkommen.“ Wenn man diesem Wort nicht seine Einfalt und Wirklichkeit nehmen will, dann kann es nichts anderes heißen, als dass Jesus dort, wo er  zum Himmel aufgefahren ist, und in derselben sichtbaren Weise, wie ihn seine Jünger haben auffahren sehen, auch wiederkommen wird. Und das stimmt auch vollkommen überein mit dem Zeugnis des Alten Testaments ([[Sach 14:4]]), der Reden Jesu und der Offenbarung Johannis.
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Ganz anders wird das Wiederkommen Jesu für die Gemeinde beschrieben. Es wird in der Hauptstelle [[1Thes 4]] als ein Kommen mit hörbaren Rufen in den Luftraum, nicht sichtbar auf die Erde dargestellt, wahrnehmbar nur für die gläubige Gemeinde. Dagegen heißt es beim sichtbaren Kommen Jesu: „Es werden ihn sehen alle Augen“ ([[Offb 1:7]]). E ist geradezu unbeschreiblich, dass alle solche Unterschiede entweder garnicht beachtet sind oder man die krampfhaftesten Versuche unternommen hat, sie miteinander in Einklang zu bringen, anstatt in aller Nüchternheit zu unterscheiden, was eben unterschieden ist. Aber die Verwirrung hat, wie gesagt, ihre Wurzel darin, dass man Gemeinde und Israel nicht mehr unterschied. Es ist bei manchen Gläubigen geradezu ein Glaubenssatz geworden, dass man über zukünftige Dinge nichts Bestimmtes aussagen, ja dass überhaupt von geistlichen Dingen nicht in klaren Wortbegriffen gesprochen werden könne. Aber wozu hat Gott dann seiner Offenbarung das Gefäß des Wortes gegeben? Ich denke, wir sollten wieder Ernst damit machen, dass die göttlichen Worte auch bedeuten, was sie sagen. Wenn also einerseits von einem sichtbaren Wiederkommen Jesu auf die Erde, andererseits von einem Zusammenrufen der Gemeinde in den Luftbereich die Rede ist, dann muss das nicht dasselbe, sondern etwas Verschiedenes sein. Und das umso mehr, als auch sonst die Unterschiede der Körperschaften, die dieses doppelte Wiederkommen des Herrn betrifft, auf der ganzen Linie nachzuweisen ist.<br/><br/>
  
Selbstverständlich ist diese Berufung der Gemeinde aus den Völkern auf diese nicht ohne Wirkung und Einfluss geblieben. Es haben Ausstrahlungen von der Gemeinde aus in das Leben der Völker stattgefunden. Diese Ausstrahlungen sind zu Zeiten so stark gewesen, dass sie eine christlich bestimmte Sitte in den Völkern hervorgerufen haben. Wir haben z. B. in unserem Volke durch Jahrhunderte hindurch solche Wirkungen gehabt. Das Familienleben, das gesellschaftliche Leben, ja das Staatsleben ist lange Zeiten hindurch davon bestimmt worden. Das hat zu der Meinung von den „christlichen Völkern“, ja von der „christlichen Obrigkeit“ geführt. Aber das beruht auf einer Begriffsverwechslung: man hat Sitte, Meinung, Gewohnheit, gesetzliche Stellung für Glauben gehalten. Diese Illusion ist nun weithin durch den Umschwung der Generationen zerstört. An die Stelle der f r o m m e n Sitte ist die u n f r o m m e Sitte getreten; die Wirkungen und Ausstrahlungen des Evangeliums und ihrer Träger auf das Leben der Völker sind zur Zeit sehr gering und werden ja schließlich einmal ganz zu Ende gehen.  
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====<big>Die Entrückung der Gemeinde</big>====
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Wenn wir also die Frage nach der Zeit oder Lage aufwerfen, die das Wiederkommen Jesu erwarten lässt, so haben wir auch hier die Unterscheidung Israels  und der Gemeinde zu beachten. Für Israel wird sie tatsächlich durch Zeichen auf Erden und am Himmel angezeigt werden. Aber diese Zeichen treffen erst dann ein und sind erst dann deutbar, wenn es wieder ein Israel gibt. Es wird sich dann alles genauso erfüllen, wie es in der göttlichen Weissagung gesagt worden ist; ich bin überzeugt, bis in den Buchstaben, wie einst bei ersten Kommen des Herrn sich die Weissagungen buchstäblich erfüllt haben. Für die Gemeinde aber haben wir auf ein anderes zu achten, und das ist i h r e V o l l z a h l und V o l l e n d u n g. Für beides spielen die arithmetische Zahl, Zeit und Ort im irdischen Sinne kaum eine Rolle, sondern ihr geistlicher Stand ist entscheidend. Der Herr ließ ja seine Apostel schon in die Vollendung  der Gemeinde schauen, obwohl sie damals nicht im entferntesten so zahlreich und so verbreitet war wie heute. Und der Stand ihrer Vollendung muss auch mit rein geistlichem Maßstab gemessen werden, und hat mit der Darstellung möglichst vollkommener äußerer Gemeinden, oder gar einer Großkirche  einheitlichen Charakters, gar nichts zu tun. Denn ihre vollendete Darstellung findet die Gemeinde ja überhaupt nicht in dieser Welt, sondern erst in der himmlischen Welt bei ihrer Vereinigung mit dem Herrn. Aber entscheidend für ihren Vollendungsstand ist, dass sie in sich den ganzen Reichtum des ihr gegebenen Evangeliums verwirklicht.  
  
Dann werden die Völker  ebenso gerichtsreif sein, wie einst Israel. Auch in dieser Entwicklung zum Ende hin kann es noch einmal Aufenthalte geben, und vielleicht deutet schon manches darauf hin, '''das Entscheidende ist aber auch hier der Stand der aus den Völkern berufenen Gemeinde selber.''’ Denn sie muss zuerst zu ihrer Vollendung geführt werden. Es konnten in diese Gemeinde nun auch zu allen Zeiten einzelne Juden eingehen. So nennt sich schon der Apostel Paulus einen Schuldner der Juden und Griechen und hat Juden und Heiden sein Evangelium verkündigt. Aber im weiteren Verlauf der Geschichte stellte sich doch ein Unterschied zwischen dem Wirken des Evangeliums unter den Juden einerseits und den andern Völkern andererseits heraus. Während es eben unter den Völkern zu den segensreichen Nebenwirkungen oder Ausstrahlungen kommen konnte, während die aus den Völkern berufenen Gläubigen mit ihrem Volke verbunden blieben und so ein Segen für ihr Volk wurden, wo man auf sie hörte geschah das bei den Juden nicht. Der wirklich gläubig werdende Jude wurde alsbald aus seinem Volke ausgeschieden -, und wenn er sich nicht selber trennte, so schlossen ihn seine  Volksgenossen aus ihrer Volksgemeinschaft aus.  
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Sie ist der Leib Christi, also die Auswirkung Christi mit allen seinen geistlichen Gaben und Eigenschaften. Ihre Glieder müssen ihre Einheit in Christo erfassen durch alle kirchlichen Trennungen und Verschiedenheiten hindurch. Ohne viel darum sich zu bemühen, diese Unterschiede äußerllch aus der Welt zu schaffen, dürfen diese sie nicht mehr voneinander trennen, dürfen nicht mehr dazu dienen, den Bruder einer andern Kirchenkörperschaft zu richten oder gering zu achten. Im Gegenteil, man soll sich mit der Verschiedenartigkeit der Erkenntnis und der Lebensform zu dienen suchen. Die Entwicklung muss in den Linien von [[Eph 4]] gehen: E i n Leib und e i n Geist, e i n Glaube, e i n e Taufe - gleichviel, ob Kinder- der Erwachsenentaufe -, e i n Gott und Vater usw. Und das alles mit dem Ziel, hinan zu kommen  zur „Einheit des Glaubens  und der Erkenntnis des Sohnes Gottes“ und „Fleiß anzuwenden, diese Einheit im Geist durch das Band des Friedens zu verwirklichen, Leben und Wahrheit in uns werden zu lassen". In dieser Richtung muss unser Streben zum Ziele hingehen und in d i e s e r Richtung haben wir u n s e r e Zeichen der Zeit. Daneben - das möchte ich ausdrücklich hinzufügen - können und sollen wir auch um uns blicken und achthaben auf das, was sonst in der Welt geschieht. Denn der Übergang von unserm Äon zum andern, und die Rückkehr vom Haushalt der Gemeinde zum Haushalt Israel wird nicht wie der blitz aus heiterem Himmel kommen, sondern das Neue wird sich schon anmelden, bevor es in die Erscheinung tritt.  
  
Das wird erst eine Änderung erfahren gegen Ende des gegenwärtigen Zeitlaufs. In dem Maße, wie sich die Völker gegen das in ihnen verkündigte Evangelium verschließen, und in dem Maße, wie Israel in seine letzten Gerichtsentwicklungen hineinkommt, wird sich gerade innerhalb der Judenheit eine messiasgläubige Gemeinde herausbilden, die sich nicht löst von ihrem Volke, die nicht in einer christlichen Kirche aufgeht, sondern jüdisch bleibt und den Anfang der Königreichsgemeinde bildet. Wenn es wahr it, dass sich gegenwärtig schon Ansätze dafür finden, so wäre das eines der deutlichsten Zeichen dass die der Gemeinde abläuft und die Zeit der Wiederannahme Israels bevorsteht, also ein Zeichen des herannahenden Endes dieses Zeitlaufs und des Wiederkommens Jesu.
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Bevor noch die Gemeinde vollendet ist und hinweggenommen wird, wird sich auch in Israel schon etwas regen, was seine Wiedereinsetzung als Gottesvolk ankündigt. Darum, wenn wir auf etwas außerhalb der Gemeinde zu achten haben, dann auf das, was an, mit, und unter den Juden geschieht. Doch lassen sich weder aus diesem noch aus jenem Berechnungen der Wiederkunft Jesu anstellen. Auch die Berechnungen entstehen aus der Nichtunterscheidung der Gemeinde und Israel. Alle solche Versuche sind abwegig. Es gibt aber ein tatsächlich aufbauendes und auf die Wiederkunft Jesu hinzielendes  Werk in der Gemeinde, und das ist die Arbeit an ihrer Vollendung. Dieses Werk kann von niemandem getan werden, der es nicht an sich selber tut. Nur indem wir g e i s t l i c h e Menschen werden, die alle jene Menschlichkeiten, von denen die Briefe der Apostel sprechen - man denke an die Korintherbriefe - , geistlich überwinden, bauen wir an der Gemeinde und tragen viel dazu bei, dass sie dem Herrn entgegengeführt wird: d a s s der H e r r bald w i e d e r k o m m t. <br/><br/>

Aktuelle Version vom 3. Oktober 2021, 13:40 Uhr

Aus dem Zweimonatsheft für gläubige Schriftforscher:
"Das prophetische Wort"
Begründet von Professor E. F. Ströter

Herausgegeben von Heinrich Schaedel
Maranatha-Verlag, Klosterlausnitz i. Thür.
Band 26: 1932 (Heft 6)

Siehe weitere Abschriften

Die Wiederkunft Jesu

von Pfarrer von Peinen, Frankfurt a. M.
(Schluss)

Menschwerdung des Sohnes Gottes

Was sagt uns nun aber die Schrift von der Wiederkunft Jesu? Sie bezeugt im Alten Testament das zu erwartende Kommen des Christus und Gottessohnes, im Neuen Testament den Gekommenen. Warum aber, und inwiefern bezeugen Altes und Neues Testament den W i e d e r kommenden?

Da müssen wir noch einmal zurückgreifen auf das zweifache Zeugnis von dem, der da kommen sollte. Er sollte sterben und zugleich leben und herrschen. Beides, weil er der Erwählte ist, der Bürge und Wiederbringer der Schöpfung, insbesondere der Menschheit. So wurden die Erzväter und Israel in ihm erwählt zur Verwirklichung dieses Ratschlusses. Damit begab Gott sich mit seinem Heilswalten in die G e s c h i c h t e der Menschheit. Also musste sich, und muss sich auch das Heil der Menschheit in ihrer Geschichte v e r w i r k l i c h e n. Das hat begonnen mit der Menschwerdung des Sohnes Gottes in der Person Jesu. Auf diesem geschichtlichen Boden vollzogen sich daher auch die „großen Taten Gottes“ zu unserem Heil. Hier musste das Sühnopfer des Todes Christi vollbracht werden, hier auch muss sich seine Königsherrschaft verwirklichen. Zu beidem setzte Jesus bei seinem öffentlichen Auftreten in Israel an. Wie Johannes der Täufer, so bot auch Jesus zuerst seinem Volke beides zusammen an. Man lese nur die Bergpredigt unter diesem Gesichtspunkt, da ist beides, Leiden und Herrschaft vereint und dem Volke dargeboten. Als Jesus sieht, dass das Volk nicht mitgeht, da verhüllt er diesem das Himmelreich in Gleichnissen, und beschränkt sich in seinen Offenbarungen des weiteren auf seine Jünger. Damit aber war es besiegelt, dass die Königsherrschaft zunächst hinausgeschoben werden musste.

So nahm Jesus denn zunächst nur das eine auf sich, das Leiden und Sterben. Aber er tat das nicht in Resignation und Verzicht auf Herrschaft und Herrlichkeit, sondern weil „es dem Vater also wohlgefällig war“ (Mt 11). Und wie hat der Vater den Gehorsam des Sohnes gelohnt! Am dritten Tage nach seinem Tode hat er ihn von den Toten auferweckt und ihn zum Herrn und Christus erhöht. Als solcher gab er nun den Jüngern der Auftrag, das Anerbieten noch einmal zu wiederholen, und zwar nach der Sendung des Heiligen Geistes. Das war ein ganz ernst gemeintes Anerbieten an Israel, n u n m e h r in die Leidens- und Herrlichkeitsgemeinschaft des erhöhten und vollendeten Messias einzutreten, und Gottes Heilsrat sich an und mit ihm verwirklichen zu lassen. Aber Israel verweigerte auch hier den Gehorsam, den Glauben. Da gab Gott das Volk dahin in sein letztes und furchtbarstes Gericht.

Aufschub der Christusherrschaft

Damit ändert sich nun aber die Lage der Welt völlig. Es war Gottes Ratschluss und Verheißung, seinen Sohn und Gesalbten zuerst i n I s r a e l und dann d u r c h I s r a e l zur Herrschaft auf Erden zu erheben, und was Gott einmal gesagt hat, das hält er; Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen (Röm 11). Herrscht also der Messias nicht in und über Israel, so kann und wird er auch nicht über die anderen Völker herrschen, denn durch Israel soll das gehen. Also muss seine Königsherrschaft zurückgestellt werden, bis dass Israel seinen Messias aufnimmt, bis dass es durch die G e r i c h t e dahin gebracht ist. Diese Gerichte haben, soviel ich sehe, ihre Stufen. Die erste war die, dass das aus der ersten babylonischen Gefangenschaft in seinem Lande wieder gesammelte Volk noch einmal in den fürchterlichen Gerichten der römisch-jüdischen Kriege in alle Welt zerstreut wurde. Das waren furchtbare Blutgerichte, wie sie sonst auf Erden kaum ein andermal vorgekommen sind. Millionen von Juden haben hier einen entsetzlich grausamen Tod erlitten; ihr eigenes Wort hat sich schrecklich erfüllt: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder (Mt 27:25).

Abgesehen von Vor- und Nachwehen dieser Gerichtsperiode konnte Israel sonst verborgen und bedeutungslos unter den Nationen leben. Die Geschichte der Völker vollzog sich ohne die Juden. Aber je und je merken wir die Versuche der Juden, aus der ihnen auferlegten Verborgenheit und Bedeutungslosigkeit vorzustoßen. Schon an die deutschen Kaiser des Mittelalters versuchten sie heranzukommen und Einfluss zu gewinnen. Da sie nicht mehr Träger eines G o t t e s a u f t r a g e s an die Menschen waren, warfen sie sich auf den Handel mit i r d i s c h e n W e r t e n, vor allem mit dem Geld. So gelang es ihrer Energie und Intelligenz, unter Benutzung der Schwächen der Völker, immer mehr an Einfluss und Macht zu gewinnen, bis sie sich dann durch das Mittel der Revolutionen die vollständige Gleichberechtigung, in Wirklichkeit ihre Überlegenheit über die Völker, unter denen sie wohnen, errangen. Sie wissen nicht, dass sie sich damit selber die letzte und vielleicht allerschwerste Gerichtszeit bereiten. Aber das wird sie dann doch zu dem Zusammenbrechen führen, das sie zu Buße und Annahme ihres Messias bringt. Wie das geschichtlich verlaufen wird, wie lange es noch dauert, das können wir jetzt noch nicht sehen. Es ist möglich, dass da noch einige Zwischenakte hineinkommen, dass es noch aufhaltende Bewegungen in dieser Entwicklung gibt. Der Endverlauf wird nämlich wesentlich bedingt sein von dem Stande desjenigen Werkes, das Gott nun in diesen Aufschub seiner Christusherrschaft hineingeschoben hat.

Berufung der Gemeinde

Gott ist ja nicht müßig geblieben, wo er seinen König noch nicht einsetzen konnte auf seinem heiligen Berge Zion (Ps 2). Er hat ein neues Werk in diese Lücke hineingeschoben: Die Berufung einer Gemeinde für seinen Sohn aus allen Völkern. Das bewegt sich nicht in der Linie der Königsherrschaft auf Erden, sondern bereitet Menschen für eine noch höhere Herrschaft in himmlischen Welten, und erhebt sie damit zur höchsten Höhe der göttlichen Herrlichkeit des Sohnes. Das ist ja der wunderbare Triumph unseres Gottes, dass die menschliche oder sogar teuflische Sünde ihn nicht nur nicht einschränkt, sondern ihn vielmehr zu immer höherer Entfaltung seiner Wahrheit, seiner Liebe und Herrlichkeit Raum macht, ohne dass doch der Mensch sagen könnte: Lasset uns das Böse tun, damit Gutes daraus komme (Röm 3:8). Gott hat also das Evangelium von seinem Sohne der Welt freigegeben, unter Beiseitesetzung Israels; daher auch der gewaltige Zorn der Juden gerade gegen Paulus, der der erwählte Träger dieser Freigabe des Evangeliums war. Und dies Evangelium wurde unter den Völkern geglaubt (Apg 28:28; 1Tim 3:16: geglaubt in der Welt). Nicht in dem Sinne natürlich, dass nun die Nationen, die Völker an Jesum gläubig geworden wären und die Gottesherrschaft in ihnen verwirklicht wäre - das bleibt ja dem kommenden Reich vorbehalten -, aber in dem Sinne, dass sich eine Gemeinde in, und aus den Völkern gebildet hat, die nun das Geheimnis Christi in sich trägt und ihrer Vollendung entgegengeführt wird.

Selbstverständlich ist diese Berufung der Gemeinde aus den Völkern auf diese nicht ohne Wirkung und Einfluss geblieben. Es haben Ausstrahlungen von der Gemeinde aus in das Leben der Völker stattgefunden. Diese Ausstrahlungen sind zu Zeiten so stark gewesen, dass sie eine christlich bestimmte Sitte in den Völkern hervorgerufen haben. Wir haben z. B. in unserem Volk durch Jahrhunderte hindurch solche Wirkungen gehabt. Das Familienleben, das gesellschaftliche Leben, ja das Staatsleben ist lange Zeiten hindurch davon bestimmt worden. Das hat zu der Meinung von den „christlichen Völkern“, ja von der „christlichen Obrigkeit“ geführt. Aber das beruht auf einer Begriffsverwechslung: man hat Sitte, Meinung, Gewohnheit, gesetzliche Stellung für Glauben gehalten. Diese Illusion ist nun weithin durch den Umschwung der Generationen zerstört. An die Stelle der f r o m m e n Sitte ist die u n f r o m m e Sitte getreten; die Wirkungen und Ausstrahlungen des Evangeliums und ihrer Träger auf das Leben der Völker sind zur Zeit sehr gering, und werden ja schließlich einmal ganz zu Ende gehen.

Dann werden die Völker ebenso gerichtsreif sein, wie einst Israel. Auch in dieser Entwicklung zum Ende hin kann es noch einmal Aufenthalte geben, und vielleicht deutet schon manches darauf hin, das Entscheidende ist aber auch hier der Stand der aus den Völkern berufenen Gemeinde selber. Denn sie muss zuerst zu ihrer Vollendung geführt werden. Es konnten in diese Gemeinde nun auch zu allen Zeiten einzelne Juden eingehen. So nennt sich schon der Apostel Paulus einen Schuldner der Juden und Griechen, und hat Juden und Heiden sein Evangelium verkündigt. Aber im weiteren Verlauf der Geschichte stellte sich doch ein Unterschied zwischen dem Wirken des Evangeliums unter den Juden einerseits, und den andern Völkern andererseits heraus. Während es eben unter den Völkern zu den segensreichen Nebenwirkungen oder Ausstrahlungen kommen konnte, während die aus den Völkern berufenen Gläubigen mit ihrem Volk verbunden blieben und so ein Segen für ihr Volk wurden, wo man auf sie hörte geschah das bei den Juden nicht. Der wirklich gläubig werdende Jude wurde alsbald aus seinem Volke ausgeschieden -, und wenn er sich nicht selber trennte, so schlossen ihn seine Volksgenossen aus ihrer Volksgemeinschaft aus.

Das wird erst eine Änderung erfahren gegen Ende des gegenwärtigen Zeitlaufs. In dem Maße, wie sich die Völker gegen das in ihnen verkündigte Evangelium verschließen, und in dem Maße, wie Israel in seine letzten Gerichtsentwicklungen hineinkommt, wird sich gerade innerhalb der Judenheit eine messiasgläubige Gemeinde herausbilden, die sich nicht löst von ihrem Volke, die nicht in einer christlichen Kirche aufgeht, sondern jüdisch bleibt, und den Anfang der Königreichsgemeinde bildet. Wenn es wahr ist, dass sich gegenwärtig schon Ansätze dafür finden, so wäre das eines der deutlichsten Zeichen, dass die Zeit der Gemeinde abläuft und die Zeit der Wiederannahme Israels bevorsteht, also ein Zeichen des herannahenden Endes dieses Zeitlaufs und des Wiederkommens Jesu.

Die Wurzel der Verwirrung

Es ist für die Frage nach dem Wiederkommen Jesu geradezu von entscheidender Bedeutung, dass wir hier wieder klar biblisch sehen und urteilen lernen. Und gerade hier sind die Linien eigentlich alle verwirrt. Die Wurzel dieser Verwirrung liegt darin, dass man die Gemeinde und Israel nicht mehr unterschieden hat. Wie es dazu gekommen ist, können wir aus dem Verlauf der Geschichte jetzt ganz deutlich erkennen. Als das Judentum sein national geschlossenes Dasein durch die Zerstörung Jerusalems und die jüdischen Kriege verlor, verschwanden auch mehr und mehr die judenchristlichen Gemeinden aus der Christenheit. Ja, auch i n n e r h a l b der heidenchristlichen Gemeinden trat der jüdische Bestandteil immer mehr zurück und verschwand schließlich. Dazu kam, dass sich die Christenheit als die an die Stelle Israel gesetzte Gotteskörperschaft ansehen lernte. Letzteres hing einerseits damit zusammen, dass das Judentum durch ein Gottesgericht ausgelöscht zu sein schien, andererseits, dass die Christenheit immer mehr in eine gesetzliche Richtung einbog. Bezeichnend dafür sind die schon um die Wende des ersten und zweiten Jahrhunderts aufkommende, und dann bald ganz allgemein werdende Benennung des Evangeliums als das „neue Gesetz“ (nova lex), das Aufkommen eines neuen Priestertums und die Aufnahme der Massen in die Kirche.

Da musste selbstverständlich der Blick verlorengehen für eine heilsmäßige Unterscheidung der Gemeinde von Israel. Man glaubte sich eben an die Stelle Israels gesetzt. Dieser vermeintlich gegebenen Lage musste sich nun auch das Verständnis der Bibel, zumal ihrer Weissagungen anpassen. Dem kam dann noch zu Hilfe, das Eindringen griechischer Philosophie in die sich bildende christlich Theologie, sowie später die Entwicklung der Kirche zu einer die Völker umfassende vermeintliche Heilsanstalt, in Wirklichkeit E r z i e h u n g s a n s t a l t. So las man die Weissagungen und Zeugnisse der Bibel vom R eich Gottes so, als erfüllten sie sich in der Kirche und als wäre ihre Verwirklichung der Kirche übertragen. Sofern sie sich nun aber wirklich nicht auf die Lage der Kirche anwenden ließen, vergeistigte man sie oder verlegte sie überhaupt von der Erde in den Himmel. Obwohl man also meinte, man sei Israel geworden und Erbe der ihm gegebenen Verheißungen, sah man ja doch ein, dass eine Verwirklichung vieler in der Schrift ausgesprochener Weissagungen mit den gegebenen Mitteln des Wortes, oder auch der Kirchenzucht und Kirchenregierung nicht möglich sei. Um sie nun nicht überhaupt preiszugeben, verlegte man sie in den Himmel, bzw. wandte sie nur an auf das Seligwerden des Einzelnen im Himmel.

Damit verschoben, verwirrten und verliefen sich dann alle biblischen Linien. Wie sehr, das merken wir noch heute daran, wie schwer es uns wird, hier wieder zur Klarheit zu kommen. Wir müssen ja erst wieder gewisse V o r a u s s e t z u n g e n für ein biblisches Bibelverständnis finden. Denn selbstverständlich gibt uns die Bibel kein S y s t e m ihrer Anschauungen - sie tut das so wenig wie die Natur -, aber es liegen ihren Worten gewisse Tatsachen zugrunde, die jenen ihre Gestalt und ihren Inhalt geben. Und diese Tatsachen müssen wieder entdeckt werden. Das kann aber nicht rein gedankenmäßig geschehen, sondern hängt unlöslich mit dem geistlichen Lebensstand der Christenheit zusammen. Es ist hier der einzelne auch an den Gesamtstand gebunden, und er kann sich nur im inneren Zusammenhang mit der Gemeinde von überkommenen Anschauungen freimachen. Paulus schreibt ja Eph 3: Dass ihr begreifen möget m i t allen H e i l i g e n, welches da sei die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe (der Heilswege Gottes). Aber andererseits soll der Einzelne die ihm gewordenen Erkenntnisse, seinen ihm geschenkten geistlichen Lebensstand nach, für die Gesamtgemeinde fruchtbar machen. Auf diesem Wege gibt es Einzel- und Gesamtwachstum.

Wir stehen nun immer noch in grundlegendem Ringen um die Lösung von den falschen Gebundenheiten, und immer wieder will die falsche Einstellung sich in neuen Formen zur Geltung bringen. Ist z. B. die Form der Linienverwirrung, wie wir sie im Katholizismus finden, in der evangelischen Christenheit nicht mehr herrschend, so treten in ihr neue Formen hervor. Eine der neuesten Verwirrungen kommt jetzt aus der angelsächsischen Welt, und versucht die ganze sogenannte evangelische Christenheit in ihren Bann zu ziehen. Sie hat ihren Ausdruck gefunden in den großen Kirchenkonferenzen von Stockholm, Lausanne, Jerusalem und verfolgt eine Vereinigung der Kirchen zur Gesamtbeeinflussung der Welt in christlichem Sinne. Daher die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Botschaften. Man möchte die Herrschaft Christi auf Erden verwirklichen, etwa nach den Grundsätzen der Bergpredigt, um dann dem wiederkommenden Herrn - soweit man überhaupt damit rechnet - die christlich gewordene Menschheit zu übergeben. Bezeichnend für diese angelsächsische Auffassung ist das, auch bei uns in Gemeinschaftskreisen bekannte und zum Teil beliebt gewordene Lied „Den königlichen Schmuck bringt her“, mit dem Kehrreim: „Krönt ihn, krönt ihn, krönt ihn zum Herrscher aller Welt.“ Als wenn Christus von der Menschheit gekrönt würde und nicht vielmehr allein von Gott seine Herrschaft empfinge! Auch das Stockholmer Lied gehört hierher: „O seliger Tag, des in Hoffnung wir harren“; es ist von diesem Gedanken erfüllt, das das Werk des Evangeliums und die Bemühungen der Christenheit darauf hinauslaufen, Gottes Herrschaft auf Erden zu gründen zur Einigung der Völker und Überwindung der Sünde.

Als wenn das Werk der Christenheit wäre, und dies nicht vielmehr durch das Wiederkommen Jesu in Zusammenhang mit Israel bewirkt würde Aber in dem Maße wie die Christenheit nicht im wahren Geistesleben, d. h. im Glauben steht, sondern mehr in einer gesetzlichen Stellung zum Evangelium, ist sie gegen solche Verwirrung nie geschützt. Da ist es denn auch kein Wunder, dass die Entwicklungsstufen des Wiederkommens Jesu nicht mehr gesehen wurden. Entweder sah man es nur noch wie einen großen, aber sehr fernen Gerichtsstock, als den letzten Abschluss der ganzen Welt, als den „Jüngsten Tag“ und Weltuntergang. So findet sich die Wiederkunftserwartung Jesu in dem allgemeinen Bekenntnis der Kirche. Oder aber die Erwartung einer persönlichen Wiederkunft Jesu fand überhaupt keinen Raum mehr im Glaubensbewusstsein, sondern die dahingegehenden Aussagen der Schrift wurden geistig umgedeutet. Aus diesen Unklarheiten müssen wir wieder herausfinden, und Gottes Geist ist an der Arbeit, uns darin wieder zur ursprünglichen Klarheit der Offenbarung zurückzuführen.

Unterscheidung Gemeinde und Israel

Aus der Unterscheidung zwischen der Gemeinde und Israel ergibt sich also auch eine Unterscheidung des Wiederkommens Jesu für die Gemeinde und Israel. So gewiss nämlich ein Wiederkommen Jesu für Israel bezeugt wird, ebenso gewiss ist ein solches für die Gemeinde. Ersteres ergibt sich, wie wir zum Teil schon sahen, aus dem Alten Testament, indem viele dem Volke Israel gegebenen Weissagungen mit dem ersten Kommen Jesu noch nicht erfüllt sind. Dann auch aus den Worten Jesu, unter denen ich besonders seine großen Reden von der Wiederkunft nenne (Mt 24 und Parallelen) Ferner wird das Wiederkommen Jesu zu Israel auch von den Aposteln nach Pfingsten ausdrücklich bezeugt, ja ihre großen Heilsreden haben zum Teil in dieser Bezeugung ihre Spitze. Und endlich ist ihm das ganze letzte Buch der Bibel gewidmet: die Offenbarung Johannis. Und mit diesem Wiederkommen wird dann die Gottesherrschaft auf Erden, werden die „Zeiten der Erquickung“ (Apg 3) in Aussicht gestellt. Nun finden wir aber auch innerhalb der aus den Völkern gesammelten Gemeinde das Zeugnis vom Wiederkommen Jesu. Da ist es nun gebräuchlich geworden, diese beiden Zeugnisse einfach in eins zu setzten, - eben weil man ja von einer Unterscheidung der Gemeinde und Israel nichts mehr wusste.

Das geschah dann nach beiden Richtungen hin: die Israel geltenden Zeugnisse wurden auf Jesu Wiederkommen für die Gemeinde bezogen, und die auf dem Boden der Gemeinde gegebenen Weissagungen vom Wiederkommen Jesu, wie jene verstanden. Man nahm also das, was in Mt 24 oder Apg 3 oder in der Offenbarung steht, ohne weiteres als dasselbe an wie das, was z B. 1Kor 15 oder 1Thes 4 vom Wiederkommen Jesu gesagt ist. Um das mit einem praktischen Beispiel zu belegen, das bis heute weithin in der Christenheit Gültigkeit hat: man sucht sich für die Frage nach dem Wiederkommen Jesu und den sie ankündigenden Zeichen an Mt 24 zu orientieren. Das Ergebnis ist dann entweder, dass man allerlei „Zeichen der Zeit“ zusammensucht, die beweisen sollen, dass das Kommen des Herrn unmittelbar nahe bevorsteht, oder man sagt umgekehrt, die Zeit ist noch nicht da, denn das Evangelium ist noch nicht in der ganzen Welt verkündigt; darum muss eifrig äußere Mission getrieben werden, damit der Herr wiederkommen könne. Ich sage nichts gegen die Mission, aber ihre Begründung mit diesem Beweismittel ist meiner Überzeugung nach eine Verwirrung. Oder, um noch ein anderes ähnliches Beispiel anzuführen, man versucht eine Deutung der Offenbarung Johannis ebenfalls nach den Zeichen der Zeit, und versucht festzustellen, was sich in ihren Weissagungen schon erfüllt hat, an welchem ihrer Punkte man sich also befinde. Auch das bringt nur Verwirrung, wie die unzähligen Auslegungen der Offenbarung Johannis beweisen, wo die eine der andern schnurstracks widerspricht und jede behauptet, recht zu haben. Ja, aber warum soll man sich nicht so zu orientieren suchen? Deshalb nicht, weil es weder mit der Wirklichkeit des Geschehens, noch mit der Schrift übereinstimmt. Mit der Wirklichkeit des Geschehens nicht, indem in allen weltbewegten Zeiten schon die Hoffnung unter den Frommen gewesen ist, nun sei das Ende da, - und es ist eben doch nicht da gewesen, sondern der Wunsch der Vater des Gedankens.

Und auch mit der Schrift stimmt diese Deutung nicht überein. Es wäre sonst wirklich ein schwer zu rechtfertigender Irrtum der Apostel, wenn sie schon zu ihrer Zeit mit dem Wiederkommen Jesu gerechnet haben. Für Israel blieb diese Hoffnung so lange berechtigt, wie Israel überhaupt im Bereich des Gnadenangebots Gottes stand. Und für die Gemeinde war diese Erwartung ebenfalls für so lange berechtigt, wie sie sich auf der Höhe des apostolischen Evangeliums befand. Dass Israel nicht glauben würde, konnten und sollten die Apostel nicht von Anfang an wissen. Als es dann geschah, verschwand das Anerbieten der Wiederkunft Jesu für Israel. Dass die Gemeine nicht auf der Höhe des Evangeliums bleiben würde, auch das konnten die Apostel zu Anfang nicht voraussehen, sondern mussten den ihnen von Gott übertragenen Dienst so ansehen, durch ihn die noch vorhandenen Mängel der Gemeinde zu erstatten und an ihrer Vollendung zu arbeiten.

Die Wiederkunft Christi für Israael

Später sahen sie dann wohl etwas von der andern Entwicklung, aber das ließ sie nur umso fester auf den Kern der Gemeinde, die „Auserwählten“, sehen (2Tim 2:10). Also nicht die räumliche Ausbreitung des Evangeliums ist für das Wiederkommen Jesu zur Gemeinde entscheidend, sondern i h r e V o l l e n d u n g , ihr Stand im Glauben und der Erkenntnis des Sohnes Gottes. Und dann noch eins, worin wir mit der Vermischung des Wiederkommens Jesu für Israel und für die Gemeinde in Widerspruch mit der Schrift kommen: Für Israel wird der Herr sichtbar wieder auf der Erde erscheinen. Das bezeugt nicht nur der Herr selber in seinen Endreden und die Offenbarung Johannis, sondern wird auch den Aposteln ausdrücklich nach der Himmelfahrt des Herrn von den Engeln gesagt Apg 1: „Dieser Jesus wird, ebenso wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen, wiederkommen.“ Wenn man diesem Wort nicht seine Einfalt und Wirklichkeit nehmen will, dann kann es nichts anderes heißen, als dass Jesus dort, wo er zum Himmel aufgefahren ist, und in derselben sichtbaren Weise, wie ihn seine Jünger haben auffahren sehen, auch wiederkommen wird. Und das stimmt auch vollkommen überein mit dem Zeugnis des Alten Testaments (Sach 14:4), der Reden Jesu und der Offenbarung Johannis.

Ganz anders wird das Wiederkommen Jesu für die Gemeinde beschrieben. Es wird in der Hauptstelle 1Thes 4 als ein Kommen mit hörbaren Rufen in den Luftraum, nicht sichtbar auf die Erde dargestellt, wahrnehmbar nur für die gläubige Gemeinde. Dagegen heißt es beim sichtbaren Kommen Jesu: „Es werden ihn sehen alle Augen“ (Offb 1:7). E ist geradezu unbeschreiblich, dass alle solche Unterschiede entweder garnicht beachtet sind oder man die krampfhaftesten Versuche unternommen hat, sie miteinander in Einklang zu bringen, anstatt in aller Nüchternheit zu unterscheiden, was eben unterschieden ist. Aber die Verwirrung hat, wie gesagt, ihre Wurzel darin, dass man Gemeinde und Israel nicht mehr unterschied. Es ist bei manchen Gläubigen geradezu ein Glaubenssatz geworden, dass man über zukünftige Dinge nichts Bestimmtes aussagen, ja dass überhaupt von geistlichen Dingen nicht in klaren Wortbegriffen gesprochen werden könne. Aber wozu hat Gott dann seiner Offenbarung das Gefäß des Wortes gegeben? Ich denke, wir sollten wieder Ernst damit machen, dass die göttlichen Worte auch bedeuten, was sie sagen. Wenn also einerseits von einem sichtbaren Wiederkommen Jesu auf die Erde, andererseits von einem Zusammenrufen der Gemeinde in den Luftbereich die Rede ist, dann muss das nicht dasselbe, sondern etwas Verschiedenes sein. Und das umso mehr, als auch sonst die Unterschiede der Körperschaften, die dieses doppelte Wiederkommen des Herrn betrifft, auf der ganzen Linie nachzuweisen ist.

Die Entrückung der Gemeinde

Wenn wir also die Frage nach der Zeit oder Lage aufwerfen, die das Wiederkommen Jesu erwarten lässt, so haben wir auch hier die Unterscheidung Israels und der Gemeinde zu beachten. Für Israel wird sie tatsächlich durch Zeichen auf Erden und am Himmel angezeigt werden. Aber diese Zeichen treffen erst dann ein und sind erst dann deutbar, wenn es wieder ein Israel gibt. Es wird sich dann alles genauso erfüllen, wie es in der göttlichen Weissagung gesagt worden ist; ich bin überzeugt, bis in den Buchstaben, wie einst bei ersten Kommen des Herrn sich die Weissagungen buchstäblich erfüllt haben. Für die Gemeinde aber haben wir auf ein anderes zu achten, und das ist i h r e V o l l z a h l und V o l l e n d u n g. Für beides spielen die arithmetische Zahl, Zeit und Ort im irdischen Sinne kaum eine Rolle, sondern ihr geistlicher Stand ist entscheidend. Der Herr ließ ja seine Apostel schon in die Vollendung der Gemeinde schauen, obwohl sie damals nicht im entferntesten so zahlreich und so verbreitet war wie heute. Und der Stand ihrer Vollendung muss auch mit rein geistlichem Maßstab gemessen werden, und hat mit der Darstellung möglichst vollkommener äußerer Gemeinden, oder gar einer Großkirche einheitlichen Charakters, gar nichts zu tun. Denn ihre vollendete Darstellung findet die Gemeinde ja überhaupt nicht in dieser Welt, sondern erst in der himmlischen Welt bei ihrer Vereinigung mit dem Herrn. Aber entscheidend für ihren Vollendungsstand ist, dass sie in sich den ganzen Reichtum des ihr gegebenen Evangeliums verwirklicht.

Sie ist der Leib Christi, also die Auswirkung Christi mit allen seinen geistlichen Gaben und Eigenschaften. Ihre Glieder müssen ihre Einheit in Christo erfassen durch alle kirchlichen Trennungen und Verschiedenheiten hindurch. Ohne viel darum sich zu bemühen, diese Unterschiede äußerllch aus der Welt zu schaffen, dürfen diese sie nicht mehr voneinander trennen, dürfen nicht mehr dazu dienen, den Bruder einer andern Kirchenkörperschaft zu richten oder gering zu achten. Im Gegenteil, man soll sich mit der Verschiedenartigkeit der Erkenntnis und der Lebensform zu dienen suchen. Die Entwicklung muss in den Linien von Eph 4 gehen: E i n Leib und e i n Geist, e i n Glaube, e i n e Taufe - gleichviel, ob Kinder- der Erwachsenentaufe -, e i n Gott und Vater usw. Und das alles mit dem Ziel, hinan zu kommen zur „Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes“ und „Fleiß anzuwenden, diese Einheit im Geist durch das Band des Friedens zu verwirklichen, Leben und Wahrheit in uns werden zu lassen". In dieser Richtung muss unser Streben zum Ziele hingehen und in d i e s e r Richtung haben wir u n s e r e Zeichen der Zeit. Daneben - das möchte ich ausdrücklich hinzufügen - können und sollen wir auch um uns blicken und achthaben auf das, was sonst in der Welt geschieht. Denn der Übergang von unserm Äon zum andern, und die Rückkehr vom Haushalt der Gemeinde zum Haushalt Israel wird nicht wie der blitz aus heiterem Himmel kommen, sondern das Neue wird sich schon anmelden, bevor es in die Erscheinung tritt.

Bevor noch die Gemeinde vollendet ist und hinweggenommen wird, wird sich auch in Israel schon etwas regen, was seine Wiedereinsetzung als Gottesvolk ankündigt. Darum, wenn wir auf etwas außerhalb der Gemeinde zu achten haben, dann auf das, was an, mit, und unter den Juden geschieht. Doch lassen sich weder aus diesem noch aus jenem Berechnungen der Wiederkunft Jesu anstellen. Auch die Berechnungen entstehen aus der Nichtunterscheidung der Gemeinde und Israel. Alle solche Versuche sind abwegig. Es gibt aber ein tatsächlich aufbauendes und auf die Wiederkunft Jesu hinzielendes Werk in der Gemeinde, und das ist die Arbeit an ihrer Vollendung. Dieses Werk kann von niemandem getan werden, der es nicht an sich selber tut. Nur indem wir g e i s t l i c h e Menschen werden, die alle jene Menschlichkeiten, von denen die Briefe der Apostel sprechen - man denke an die Korintherbriefe - , geistlich überwinden, bauen wir an der Gemeinde und tragen viel dazu bei, dass sie dem Herrn entgegengeführt wird: d a s s der H e r r bald w i e d e r k o m m t.